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Remedia contra tristitiam

24. November 2004 in Spirituelles, keine Lesermeinung
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Gedanken zum Umgang mit der vorherrschenden "Kirchendepression" - Heilmittel gegen die innerkirchliche Traurigkeit - Von P. Karl Wallner OCist


Viele leiden unter den zahllosen negativen Entwicklungen, die heute in der Kirche auch zu beobachten sind. Was kann man da raten? Der folgende Beitragversucht, Perspektiven aufzuzeigen, die Hoffnung machen. Nur wenigeOrdensleute haben heute das große Glück, in einem lebendigen und mitBerufungen reich gesegneten Kloster leben zu dürfen wie ich. Es ist einPrivileg, in einem Milieu zu leben, wo man das Wehen des Heiligen Geistesspürt, wo man apostolische Fruchtbarkeit auch in der Jugendarbeit erlebt undman das Gefühl hat, daß sich der Einsatz bis zur Selbsterschöpfung lohnt.Leider erleben viele engagierte Priester und Laien das genaue Gegenteil:Trotz übermenschlichen Einsatzes nicht Auf-, sondern Zusammenbruch, nichtWachstum, sondern Schrumpfen.

Ich bemerke daher immer öfter eine enttäuschte Ratlosigkeit, einebedrückende Erschöpfung und eine tiefgehende Traurigkeit unter jenen in derKirche, denen die Evangelisierung ein Anliegen ist. Das Schiff der Kirchewird zwar zurzeit nicht von heulenden Stürmen umtobt (sieht man vonkurzlebigen Sommergewittern ab). Es wird auch nicht mit Kanonendonnerangegriffen (sieht man von medialen Giftpfeilen ab). Das Problem ist, daßviele das Gefühl haben, daß dieses Kirchenschiff in einer stickigen Flautedahintreibt - und das ist noch viel bedrückender!Faktum ist, daß sich viele Aufbrüche und Erneuerungsbewegungen abgestumpfthaben. Viele spüren nicht mehr den mitreißenden Wind, der sie am Anfangihres Einsatzes für die Kirche so kraftvoll vorangetrieben hat. Ich kenneauch viele Priester, die mit heiligem Enthusiasmus begonnen haben, diewirklich ehrlich ausgezogen sind, um die ganze Welt für Christus zugewinnen - und plötzlich erleben sie an sich selbst Frustration undTraurigkeit, müssen oft sogar um die eigene Berufung ringen.
Was können wir gegen die kircheninterne Traurigkeit tun? Wie können wir dieLähmung persönlich bewältigen? Wie können wir das Gefühl der Flauteüberstehen?

Zunächst und allem voraus müssen wir einfach festhalten, daß es in derNachfolge Christi Situationen gibt, die den Namen "Prüfungen" tragen. Erstder Himmel ist das vollkommene Glück und die unermeßliche Freude. Alle Lustauf Erden steht unter dem Zeichen der Nachfolge unseres gekreuzigten Herrn.Deshalb müssen wir auch mit Situationen rechnen, in denen wir zu Todebetrübt (Ölberg) sind und uns gottverlassen (Golgotha) vorkommen. SolcheSituationen erlebt der einzelne, sie können aber auch ganze Epochen prägen.

Wenn wir das Gefühl haben, daß wir an einer "Kirchendepression" leiden, soempfehle ich als erstes, daß wir diese als eine Herausforderung Gottesannehmen. Annehmen, aushalten und ausleiden! Bei Gott zählt ja vor allem diebewährte Treue. Unser Herr selbst hält noch in der Traurigkeit des Ölbergsdem Vater seine absolute Bereitschaft hin: "Mein Vater, wenn dieser Kelch anmir nicht vorübergehen kann, ohne daß ich ihn trinke, geschehe dein Wille."(Mt 26,34). Und in der Aussichtslosigkeit des Kreuzes legt er sich noch ganzin die liebenden Hände dessen, von dem er sich total verlassen fühlt: "Vaterin Deine Hände lege ich meinen Geist!" (Lk 23,46)

In der Kirchengeschichte hat es immer wieder Phasen gegeben, wo die Kirchebedrückt und scheinbar schon ganz zerstört war. Und gerade aus solchenwinterlichen Zeiten ist oft umso überraschender ein neuer Frühling erblüht.Papst Johannes Paul II. hat 1983 den Jugendlichen in Wien das tolle Wortzugerufen: "Die Mitte der Nacht ist zugleich der Beginn des neuen Tages."Unsere Traurigkeit, daß sich so wenig in den Herzen der Menschen bewegt,müssen wir annehmen und ausleiden.

Die derzeitige Traurigkeit der Eifrigen ist kein Mißgeschick Gottes anSeiner Kirche, sondern wohl seine spezifische Gnade. Natürlich würden wiruns wünschen, daß Gott uns das triumphale Gefühl "We are the Champions"gibt, weil wir siegreich und bejubelt Sein Evangelium in die Welt tragen.Aber das spielt es im Augenblick eben nicht!

Wenn wir aber jetzt die Treue nicht verraten, trotz Lustlosigkeit und Frusttreu weitermachen, dann - so bin ich sicher - werden wir eine Fruchtbarkeiternten, die alle unsere Vorstellungen übersteigt! Die depressive Atmosphäreist konkret zum Problem des einzelnen geworden: des Priesters, der erschöpftist; der Religionslehrerin, die schon nicht mehr mag; des engagiertenMitarbeiters in der Kirche, dem alles zuwider wird, weil jeder zwar sät undsät - und doch so wenig erntet! Die Frage ist: Was kann der einzelne gegenden inneren Frust und seine Null-Bock-Stimmung tun?

Ich möchte hier den Blick auf den klügsten Kopf unter den Theologenempfehlen, auf den heiligen Thomas von Aquin, der schon vor mehr als 700Jahren über die Depression nachgedacht hat: Er fragt in der Summa theologiaenach den "Heilmitteln gegen die Traurigkeit" (remedia contra tristitiam).Freilich: Es geht ihm um die Traurigkeit im allgemeinen Sinn, nicht nur umdie innerkirchliche Depression.

Dabei ist es überraschend, welch psychologisch einfühlende und moderneHeilmittel er empfiehlt. Arznei gegen die Traurigkeit ist für ihn 1. dieLebensfreude, 2. das Weinen, 3. die Freundschaft, 4. die Wahrheit, 5. Badenund Schlafen.
1. Das erste Antidepressivum ist für Thomas die "delectatio", eigentlich derGenuß, die Freude am Leben. Natürlich meint Thomas hier immer den Genuß desGuten und von Gott Erlaubten. Es gibt ja so unendlich viele Dinge, die Gottzu unserer Lebensfreude geschaffen hat: Sie können von Urlaub und Sport bishin zum spannenden Buch oder einem guten Kinofilm reichen.Zur Freude eines kirchendepressiven Menschen kann so vieles gehören: von derTeilnahme an einem Lobpreisgottesdienst bis hin zu einer entspanntenViertelstunde vor dem Allerheiligsten. Hier gilt das Motto, das der hl.Bernhard seinem Schüler, dem Papst Eugen III. ans Herz gelegt hat: "Gönnedich dir selbst!"

2. Als zweites empfiehlt Thomas das Weinen. Tränen befreien, lösen innereVerspannungen und Krämpfe. Jesus hat uns nicht dazu berufen, uns in einPathos der Unanrührbarkeit zu hüllen. Die Situation ist schlimm, wir dürfentraurig sein, ja wir müssen es sein, denn viele Seelen gehen verloren. Jesusselbst hat über Jerusalem geweint (Lk 19,41).

Warum sollen Eltern nicht über ihre Kinder, Großeltern über ihre Enkelnweinen dürfen, wenn diese sich von Gott abwenden? Warum soll ein Priesternicht vor dem Tabernakel seinen Tränen freien Lauf lassen dürfen, wenn dieHerzen der ihm Anvertrauten hart bleiben? Weinen ist echte Trauerarbeit. Jasogar noch mehr: Ich erinnere an das berühmte Beispiel der heiligen Monika,die jahrelang um ihren Sohn Augustinus gebetet, gelitten und geweint hat.Ein Priester hat ihr das prophetische Wort gesagt: "Geh in Frieden, es istnicht möglich, daß ein Sohn so vieler Tränen verloren geht."

3. Das dritte Heilmittel gegen die Traurigkeit ist nach Thomas dieFreundschaft. Freundschaft besteht aus einem Gleichklang der Herzen, sie istein Gottesgeschenk. Wo man sich mitten im heidnischen Frust verlassen undeinsam vorkommt, sind gute Freunde unverzichtbar: Menschen, mit denen manauf einer Wellenlänge ist. Menschen, denen man sein Herz öffnen und dieschon heilen, indem sie sich die Zeit nehmen, um dazusein und zuzuhören.Gerade für die Zölibatären sind geistliche Freundschaften eigentlichunverzichtbar, um die Ehelosigkeit leben zu können, und trotzdembeziehungsfähig zu werden oder zu bleiben. In der Traurigkeit dieser Zeitbrauchen wir Freunde, denn das Wort, das uns wirklich tröstet undweiterhilft, können wir uns nicht selber sagen!

4. Die Melancholie produziert einen Nebel, indem man die Wirklichkeit nichtmehr so sieht, wie sie ist. Daher ist das Heilmittel gegen die Traurigkeitder nüchterne Blick auf die Wahrheit, auf die Realität. Der Traurige sagt:"Niemand liebt mich!" oder "Es ist alles umsonst". Solche Aussagen stimmennie, sie sind immer nur Ausdruck einer emotionalen Sackgasse. Wie klug istder heilige Thomas, wenn er einen nüchternen Realismus als Ausweg aus derSackgasse der Traurigkeit anführt: Es gibt immer jemanden, der einen liebt!Es ist nie etwas umsonst in der Gnadenwirklichkeit Gottes.Vielleicht kommt unser kirchlicher Frust auch daher, daß wir Gott nichtdankbar sind, für die Wunder und Zeichen, die er an uns und um uns herumschon gewirkt hat. Wir vergessen, wie die neun Aussätzigen im Evangelium,zurückzukehren, um dem Herrn zu danken. Wir nehmen die Gnadenwirklichkeitnicht wahr und lassen uns vorgaukeln, daß alles daneben geht. Also: Augenauf, denn mitten im Nebel leuchtet hell das Licht der Gnade, mitten im Frustgibt es wunderbare Bekehrungen und entsteht ein Heer von Heiligen.

5. Thomas von Aquin war nun wirklich kein Wellness-Guru, sondern einasketischer Dominikaner. Aber er ahnte um die Wechselwirkung von Leib undSeele, und darum empfiehlt er als Heilmittel gegen die Traurigkeit das Badenund das Schlafen an. Ein heißes Bad ist ein wirkungsvolles Antidepressivum,das Streß und innere Verspannungen abbauen hilft. Und eine ordentliche MützeSchlaf löst zwar Probleme nicht von selbst. Aber wenn jemand einmal seinenkirchlichen Aktivismus beiseite läßt und sich ausschläft, kann das einZeichen von Gottvertrauen sein, denn "den Seinen gibt es der Herr imSchlaf!" (Ps 127,2) Daß es hierbei auf das Maß und die inneren Motiveankommt, ist klar.

Es ist eine große Gefahr, wenn wir, die wir uns großmütig für dieAusbreitung des Evangeliums einsetzen wollen, durch Frustration undTraurigkeit lähmen lassen. Natürlich: die als Gottes Verfügung angenommeneStimmung der Depression ist gnadenwirksam. Auf der anderen Seite ist esunsere Pflicht, uns fit zu erhalten. Wir dürfen und müssen allesunternehmen, um uns froh und zuversichtlich zu erhalten: nicht um unsererselbst willen, sondern wegen der Rettung der Seelen.

Gott will nicht, daß wir zu innerkirchlichen Frustrationsneurotikern werden,denn dann ziehen wir niemanden an. Und wir sind doch die Fischer, denen erzuruft: "Duc in altum!" - "Fahrt unverdrossen und zuversichtlich hinaus aufdie Hohe See!" Deshalb dürfen wir die Tips des großen Thomas von Aquindankbar annehmen. Wir brauchen diese Heilmittel wirklich, denn der Kampfgegen unsere Traurigkeit ist schon zugleich ein Stück Kampf für GottesReich.

Der Autor ist Dekan der Theologischen Hochschule in Heiligenkreuz bei Wien.
Quelle: VISION2000

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