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„In seinem Pontifikat war Benedikt XVI. einer der größten Theologen auf der Cathedra Petri“

vor 2 Stunden in Weltkirche, keine Lesermeinung
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„Seine Theologie ist ein Geschenk an die ganze Kirche auch an die kommenden Generationen.“ Predigt im Petersdom anlässlich des dritten Todestages von Benedikt XVI. Von Kardinal Gerhard Müller


Vatikan (kath.net/pl) kath.net dokumentiert die Predigt on S.E. Gerhard Ludwig Kard. Müller , emeritierter Präfekt der Glaubenskongregation, am Vorabend des dritten Todestages von Papst Benedikt XVI. im Petersdom beim Pontifikalamt am Altar St. Peter Kathedra 30. Dezember 2025in voller Länge und dankt S.E. für die freundliche Erlaubnis zur Weiterveröffentlichung der deutschsprachigen Originalvorlage

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn,
Vor drei Jahren, am Tag des heiligen Papstes Sylvester, hat der Priester und Bischof Joseph Ratzinger seinen irdischen Weg vollendet und ist uns in das himmlische Vaterland vorausgegangen. Uns erwartet nach dem Tod nicht nur ewige Ruhe und Glückseligkeit. Wir werden Gott erkennen, der uns schon im ewigen Voraus in seinem Sohn erwählt und zur Teilnahme an seiner dreifaltigen Liebe vorherbestimmt hat. Wie sehen Gott von Angesicht zu Angesicht und wir loben und lieben ihn in der Gemeinschaft aller seiner erwählten Heiligen. Die Erkenntnis Gottes ist das Ziel aller geistigen Tätigkeit des Menschen. Denn so sagt Jesus selbst, das Fleisch gewordene Wort: „Das aber ist das ewige Leben: dass sie dich, den einzigen wahren Gott, erkennen und den du gesandt hast, Jesus Christus“ (Joh 17,3). Dieser ist der Sohn, der sich in Seiner Person offenbart als der Weg, die Wahrheit und das Leben (vgl. Joh 14,6). Darum sind wir alle in den universalen Heilsplan Gottes eingeschlossen, der will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen (vgl. 1 Tim 2,4).

Joseph Ratzinger verstand sich stets als Mitarbeiter der Wahrheit. Sowohl als Professor der Theologie wie auch als gesuchter Prediger war er immer ein Diener des Wortes. Als Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre setzte er Maßstäbe höchster Sorgfalt, intellektueller Präzision und Unbestechlichkeit des römischen Lehramtes. Auch in seinem Pontifikat war er einer der größten Theologen auf der Cathedra Petri. Er hat uns ein immenses theologisches Werk hinterlassen von außergewöhnlicher Qualität. Zu Recht erkannte man in ihm einen der ganz großen katholischen Intellektuellen unserer Epoche. Selbst Jürgen Habermas, der bekannteste Vertreter der eher neomarxistischen Frankfurter Schule, der die geistige Welt der Moderne ohne Gott vertritt, suchte den Dialog mit ihm, damit Gläubige und Ungläubige gemeinsam die moderne Welt vor dem Kältetod des Antihumanismus und Transhumanismus bewahren könnten.


Als ich Papst Benedikt den ersten Band seiner opera omnia überreichte, informierte ich ihn über die geplanten 16 Bände, die auf etwa 25.000 Seiten berechnet sind. Anstatt über ein so gewaltiges intellektuelles Werk stolz zu sein, sagt er zu mir: „Gerhard, wer soll das denn alles lesen.“ Etwas verlegen, antwortete ich ihm: „Heiliger Vater, ich weiß es nicht, aber ich kenne die Person, die das alles geschrieben hat.“

Eine Gesamtausgabe seiner theologischen Werke, die von den päpstlichen Dokumenten zu unterscheiden ist, hat nicht den Zweck, potentielle Leser einzuschüchtern oder gar abzuschrecken. Seine Theologie ist ein Geschenk an die ganze Kirche auch an die kommenden Generationen. Jeder Einzelne hat die Freiheit, entsprechend seinen spirituellen, theologischen, philosophischen oder kulturtheoretischen Interessen daraus Altes und Neues hervorzuholen.

Der eine orientiert sich vielleicht über das ganze Kirchenjahr hindurch an seinen Predigten. Ein anderer greift zu den Bänden über das Zweite Vatikanische Konzil, dessen bedeutender Berater und später authentischer Interpret er war. Ein Dritter wendet sich dem Band mit der Lehre des heiligen Augustinus von der Kirche als Volk und Haus Gottes zu. Würde mich jedoch ein suchender und im Glauben bedrängter Mitchrist fragen, war er unbedingt lesen solle, dann würde ich ihm die drei Bände über Jesus empfehlen. Dass er dieses Werk unter seinem persönlichen Namen veröffentlichte, um seine theologische von seiner päpstlichen Autorität zu unterscheiden, bringt zugleich den tiefsten Sinn des päpstlichen Primates zum Ausdruck. Denn jeder Papst hat als Nachfolger Petri seine heiligste Aufgabe darin zu sehen, die ganze Kirche mit allen ihren Bischöfen und Gläubigen zu vereinen im Bekenntnis des Fürsten der Apostel, der zu Jesus sagte: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!“ (Mt 16, 16).

Hier entscheidet sich auch die Zukunft der Welt und der Kirche. Seit der Aufklärung hat sich ein Zwiespalt zwischen Glauben und Vernunft aufgetan. Es schien, als widersprächen die Ergebnisse der historisch-kritischen Forschung der Bibel, sowie der philosophischen Erkenntniskritik und sogar – insbesondere in Fragen der Entstehung des Weltalls und des Lebens – dem Glauben an Gott, den Schöpfer, und an Jesus Christus, den einzigen Erlöser.

In Wirklichkeit besteht jedoch kein Widerspruch zur geoffenbarten Wahrheit über Welt und Mensch, auch wenn der Glaube keiner Bestätigung durch die stets fehlbaren Erkenntnisse der empirischen Wissenschaften bedarf. Der Glaube gründet sich auf dem Wort Gottes, durch das alles, was ist, geworden ist. Weil Jesus, wahrer Gott und wahrer Mensch, in seiner göttlichen Person die Wahrheit selbst ist, ist unsere Erkenntnis Gottes im Heiligen Geist unfehlbar und durch rein weltliches Wissen nicht in Frage zu stellen. 

Es ist jedoch die Aufgabe der Theologen, die tiefere Einheit von Offenbarungsglauben und dem jeweils neu in Theorien gefassten weltlichen Wissen argumentativ aufzuzeigen. Denn wir sollen stets bereit sein, dem eine logisch nachvollziehbare Antwort zu geben, der uns nach dem Logos der Hoffnung fragt, die in uns ist (vgl. 1 Petr 3,15). Der Sohn Gottes ist der göttliche Logos, das Wort Gottes, das niemals irrt und niemals in die Irre führt. 

Joseph Ratzinger hat uns immer wieder neu aufmerksam gemacht, dass das Christentum mit all seinen großartigen kulturellen Leistungen in Soziallehre, Musik und Kunst, Literatur und Philosophie keine Theorie und keine Weltanschauung ist, sondern die Begegnung mit einer Person. Jesus ist die Wahrheit in seiner göttlichen Person, das Licht, das jeden Menschen erleuchtet. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf Seine Stimme. 
Und was ist die Kirche? Sie ist keine von Menschen gemachte Organisation mit einem großartigen ethischen und sozialen Programm. Die Kirche Christi ist die Gemeinschaft seiner Jünger, die von sich sagen und sich vor der Welt bekennen: „wir haben seine Herrlichkeit geschaut, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit“ (Joh 1,14).

Joseph Ratzinger, der Theologe, Bischof, Kardinal und Papst, ist uns nicht fern. Denn unsre irdische Liturgie entspricht der himmlischen Liturgie, in der er mit uns verbunden Gott anbetet und verherrlicht, Ihn liebt und lobt in alle Ewigkeit. Amen.

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