
Tallinn: Erste Seligsprechung in der Geschichte Estlandsvor 2 Tagen in Aktuelles, keine Lesermeinung Druckansicht | Artikel versenden | Tippfehler melden
Kardinal Schönborn leitete Feier am Freiheitsplatz - Märtyrerbischof als Zeichen für Treue und Hoffnung in Zeiten von Krieg und Gewalt.
Tallinnn (kath.net/ KAP)
Mit einer großen Freiluftmesse am Freiheitsplatz in Tallinn ist am Samstag der deutsche Jesuit und frühere Erzbischof von Estland, Eduard Profittlich (1890-1942), seliggesprochen worden. Die Feier war die erste Seligsprechung in der Geschichte Estlands und zugleich eine der ersten in Nordeuropa seit der Reformation. Profittlich sei einer der mehr als 23.000 Menschen, die in sowjetischen Gefangenenlagern oder in Sibirien gestorben sind, erklärte Kardinal Christoph Schönborn als päpstlicher Legat. Diese "unbekannten Heiligen" seien auch der Grund für die Seligsprechung Profittlichs: Der Bischof habe 1940 bewusst auf eine Rückkehr nach Deutschland verzichtet, "im klaren Wissen, dass das fast unausweichlich zu seinem Tod führen wird".
Papst Leo XIV. hatte den Termin neu festgelegt, nachdem die ursprünglich für Mai angesetzte Feier wegen des Todes von Papst Franziskus verschoben worden war. Mit dem Akt wurde das Martyrium Profittlichs offiziell von der katholischen Kirche anerkannt.
In seiner Predigt hob Schönborn die Bedeutung des Märtyrertums für die Kirche hervor und erinnerte an die Treue Profittlichs zu seiner Gemeinde. Bewegend seien die Worte Profittlichs an seine Familie, dass es sich "geziemt, dass der Hirte bei seiner Herde bleibt und mit ihr Freude und Leid gemeinsam trägt". Schönborn betonte: "Mit dieser Freude Christi konnte der Erzbischof seine Gläubigen und wohl auch viele andere Menschen berühren, trösten und stärken."
Der Kardinal verband die Erinnerung an Profittlichs Schicksal mit einer Mahnung für die Gegenwart: Die 23.000 namentlich genannten Opfer sowjetischer Deportationen, deren Namen in den Tagen zuvor in Tallinn verlesen wurden, stünden stellvertretend für Millionen Opfer totalitärer Systeme. "Der Akt der heutigen Seligsprechung kann nicht davon absehen, was damals in Europa und in der Welt geschah. Es war eine unvorstellbare Entfesselung der Macht der Hölle. Hitler in Deutschland, Stalin in der Sowjetunion", so Schönborn. Die KZs und Gulags seien Ausdruck äußerster Menschenverachtung gewesen. Profittlichs starb "als einer von Millionen Opfern der beiden menschenmordenden Ideologien" am 22. Februar 1942. 
Zugleich warnte Schönborn vor aktuellen Gefahren. Krieg und Gewalt prägten wieder das Leben in Europa, sagte er mit Blick auf die angespannte geopolitische Lage. Papst Franziskus habe oft vom "Dritten Weltkrieg in Einzelstücken" gesprochen. Christenverfolgungen gehörten weiterhin zur Realität weltweit, betonte Schönborn. Das Beispiel Profittlichs zeige, wie Christen in Zeiten der Bedrängnis ihren Glauben leben könnten.
Verweis auf heutiges Russland
Nach den Worten von Estlands Außenminister Margus Tsahkna spiegelt das Schicksal des Priesters Profittlich "die Tragödie unserer gesamten Nation" wider. Jeder Este habe seine eigene Geschichte mit Deportation, so Tsahkna in einer Mitteilung.
"Heute, da Russland während seiner Aggression gegen die Ukraine Gräueltaten begeht, darunter Deportationen, Hinrichtungen und andere Handlungen gegen die Menschlichkeit und das Völkerrecht, erinnert dies schmerzlich an unsere eigene Vergangenheit. Die Geschichte wiederholt sich. Die Geschichte Profittlichs ist eine schmerzhafte und klare Erinnerung daran, dass Freiheit, Wahrheit und Menschenwürde nicht selbstverständlich sind - sie müssen überall verteidigt werden", erklärte Tsahkna.
Tallinns Bischof Philippe Jourdan bezeichnete Profittlichs Seligsprechung im Vorfeld als "Aufruf, die Erfahrungen der Vergangenheit zu erinnern, jene zu ehren, die gelitten haben, und für eine Gesellschaft einzutreten, die auf Freiheit, Gewissen und Gerechtigkeit gegründet ist". Heiligkeit sei nicht nur eine Frage großer Taten, sondern auch der Treue im Alltag, "selbst wenn dies Opfer verlangt".
Der Feier auf dem Platz der Freiheit in Tallinn wohnte neben zahlreichen Vertretern anderer christlicher Kirchen Staatspräsident Alar Karis bei. Aus Profittlichs Heimatbistum Trier nahm Bischof Stephan Ackermann mit einer Delegation an dem Gottesdienst teil. Zu den Gästen zählte auch der Botschafter des Heiligen Stuhls in den baltischen Staaten, Erzbischof Georg Gänswein.
Die Feierlichkeiten in Tallinn erstreckten sich über mehrere Tage. Am 4. September hatten Dominikaner in einer 24-stündigen Lesung mehr als 23.000 Namen, die in sowjetischen Gefangenenlagern oder in Sibirien gestorben sind, verlesen. Am 5. September fand ein Konzert mit Werken von Palestrina und Victoria in der Kathedrale statt. Für den Abend der Seligsprechung war ein ökumenisches Gebet auf dem Freiheitsplatz geplant, das den Opfern sowjetischer Deportationen gewidmet ist. Am Sonntag (7. September) wird in der Kathedrale von Tallinn eine Dankmesse gefeiert, die auch via Livestream übertragen wird. Weiters feiert Schönborn am Sonntag um 10 Uhr auch eine Erntedankmesse.
Biografie
Eduard Profittlich wurde 1890 in Birresdorf (Deutschland) geboren. Nach seinem Studium der Philosophie und Theologie in Valkenburg promovierte er 1922 in Polen. Er wirkte zunächst in Oppeln und Hamburg, bevor ihn die Deutsche Jesuitenprovinz 1930 nach Estland entsandte. 1931 ernannte ihn die Päpstliche Kommission für Russland zum Apostolischen Administrator, 1936 wurde er zum Bischof geweiht. Unter seiner Leitung erlebte die katholische Kirche in Estland eine Stärkung. Nach der sowjetischen Besetzung 1940 entschied er sich, bei seiner Gemeinde zu bleiben. Am 27. Juni 1941 wurde er verhaftet, nach Kirow gebracht, dort 1941 zum Tode verurteilt und starb am 22. Februar 1942 im Gefängnis.
Der Seligsprechungsprozess begann 2003 und wurde im Dezember 2024 mit der Anerkennung des Martyriums durch Papst Franziskus abgeschlossen. Profittlichs Wahlspruch "Glaube und Frieden" bleibe ein bleibendes Vermächtnis, erklärte Bischof Jourdan.
Anlässlich der nahenden Seligsprechung von Profittlich veröffentlichte die Erzdiözese Tallinn eine Homepage, die auch auf Deutsch abrufbar ist und über das Leben des Märtyrer-Erzbischofs Auskunft gibt (Link: www.profittlich.eu/de).
Copyright 2025 Katholische Presseagentur KATHPRESS, Wien, Österreich (www.kathpress.at) Alle Rechte vorbehalten
Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte helfen Sie kath.net und spenden Sie jetzt via Überweisung oder Kreditkarte/Paypal!

LesermeinungenUm selbst Kommentare verfassen zu können müssen Sie sich bitte einloggen. Für die Kommentiermöglichkeit von kath.net-Artikeln müssen Sie sich bei kathLogin registrieren. Die Kommentare werden von Moderatoren stichprobenartig überprüft und freigeschaltet. Ein Anrecht auf Freischaltung besteht nicht. Ein Kommentar ist auf 1000 Zeichen beschränkt. Die Kommentare geben nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion wieder. kath.net verweist in dem Zusammenhang auch an das Schreiben von Papst Benedikt zum 45. Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel und lädt die Kommentatoren dazu ein, sich daran zu orientieren: "Das Evangelium durch die neuen Medien mitzuteilen bedeutet nicht nur, ausgesprochen religiöse Inhalte auf die Plattformen der verschiedenen Medien zu setzen, sondern auch im eigenen digitalen Profil und Kommunikationsstil konsequent Zeugnis abzulegen hinsichtlich Entscheidungen, Präferenzen und Urteilen, die zutiefst mit dem Evangelium übereinstimmen, auch wenn nicht explizit davon gesprochen wird." (www.kath.net) kath.net behält sich vor, Kommentare, welche strafrechtliche Normen verletzen, den guten Sitten widersprechen oder sonst dem Ansehen des Mediums zuwiderlaufen, zu entfernen. Die Benutzer können diesfalls keine Ansprüche stellen. Aus Zeitgründen kann über die Moderation von User-Kommentaren keine Korrespondenz geführt werden. Weiters behält sich kath.net vor, strafrechtlich relevante Tatbestände zur Anzeige zu bringen. |