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Ratzinger-Schülerkreis: Neuevangelisierung mit Hilfe der Vernunft?

4. September 2011 in Spirituelles, 9 Lesermeinungen
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Vortrag von Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz beim Ratzinger-Schülerkreis: Athen und Jerusalem. Oder: Neuevangelisierung mit Hilfe der Vernunft? Ein Blick auf neuere philosophische Entwicklungen.


Castel Gandolfo (kath.net) Hanna Barbara Gerl-Falkovitz, emeritierte Professorin für Religionsphilosophie und vergleichende Religionswissenschaft der Universität Dresden, sprach als Gastrednerin beim diesjährigen Treffen des Ratzinger-Schülerkreises in Castel Gandolfo.


KATH.NET dokumentiert den Vortrag von Prof. Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz, „Athen und Jerusalem. Oder: Neuevangelisierung mit Hilfe der Vernunft“, in voller Länge.

Athen und Jerusalem. Oder: Neuevangelisierung mit Hilfe der Vernunft? Ein Blick auf neuere philosophische Entwicklungen.

Joseph Ratzinger
als dem Theoretiker von Vernunft
gewidmet

1. Kürzestdiagnose

Der polnische Satiriker Stanislaw Jerzy Lec formuliert in einem seiner "unfrisierten Gedanken": „Nur wenige sahen es dem 19. Jahrhundert an, daß ihm das 20. folgen würde.“(1) (1) Ein unerwarteter Umschwung bestand jedenfalls darin, daß Religionskritik damals Sache weniger Philosophen war und Atheismus am Schreibtisch vorgedacht wurde, während der Glaubensschwund heute allgemeine „Kultur“ und Frucht kontinentübergreifender laizistischer oder agnostischer Politik ist. Die Austrocknung der christlichen Lebenswelt brachte zugleich nicht den erwarteten Humanismus des „menschlichen Menschen“, sondern eine Wiederkehr heidnischer Elemente (Remythologisierung der „Mächte“ von Blut, Rasse, Herrenvolk; oder von Klasse, Sakralisierung der Führerclique und „mütterlichen“ Partei aller Couleur) und in den letzten Jahrzehnten die Übernahme oder Erfindung außerchristlicher Rituale (im breiten Spektrum von der "sanften" Esoterik mit ihrer Unzahl von Gläubigen bis zur bedrohlichen Form eines Satanismus, wie er bereits seine Opfer gefordert hat(2)).

Inmitten einer allenthalben "dampfenden Religiosität", wie Wolfgang Frühwald in den 90er Jahren formulierte, schwindet in Mitteleuropa die überlieferte Glaubenswelt dahin oder sie ist bereits zum Substanzlosen ausgedünnt. Allerdings, um die Betrachtung auf Deutschland zu beschränken, gibt es nach wie vor Unterschiede in West und Ost: im Westen könnte man von einem Präagnostizismus sprechen, im Osten von einem Postagnostizismus, der nach dem Abräumen der Glaubensinhalte seit 1933 wieder Aufbruch zeigt. Zwar nicht: ex oriente lux, aber: ex oriente desiderium lucis.

Bei meinem 18jährigen Pendeln zwischen Ost und West ging es um die Frage, was die intellektuelle Vorarbeit für den Glauben bedeutet. Der 1993 in Dresden neugegründete Lehrstuhl für Religionsphilosophie (der 2011 mit meinem Weggang wieder „eingespart“ wurde) zeigte, daß es gerade über den Intellekt einen wirkungsvollen Zugang zum Christentum gibt. Diesem Zugang arbeitet mittlerweile die Philosophie in verschiedenen Ausprägungen zu; alle vorgestellten Autoren wurden in diesen Jahren wirkungsvoll gelesen. Neuevangelisierung beruht also auch auf Denken; noch eine Stufe tiefer: auf Wissen, denn Glauben beginnt zunächst mit Wissen über den Glauben und setzt fort mit Reflexion über den Glauben. Insofern ist es der richtige Schritt, in das Theologiestudium vermehrt und zwingend ein Studium der Philosophie einzuführend.

2. Athen: Denken als Zugang zur Wahrheit

In der Geschichte des Denkens, die auch eine Geschichte der Polemik ist, sind zwei Städte, zwei Orte des Zugangs zu Wahrheit, immer wieder gegeneinander ausgespielt worden. „Was hat Athen mit Jerusalem zu tun?“ So schon Tertullians schlagende und abweisende Frage, die der russisch-jüdische Religionsphilosoph Leo Schestow 1937 herausfordernd und verstörend wieder aufnimmt, um die „Hure Vernunft“, wie Luther sie nennt, zuschanden werden zu lassen, wofür Schestow zuerst Paulus, dann Plotin und Kierkegaard als Zeugen nimmt.(3) Kierkegaard, den Zeitgenossen zum Ärgernis, sieht infolge der Aufklärung die Theologie selbst hurenhaft der Vernunft unterworfen: „Die Theologie sitzt geschminkt am Fenster und buhlt um Gunst, bietet ihren Liebreiz der Philosophie an“(4) – bezogen auf Hegels Aufhebung der Theologie in das absolute Wissen. Denn im Blick auf Abraham und Christus gelte keine Versöhnung, kein Sinnvertrauen in die Vernunft, keine Gleichsetzung des menschlichen und göttlichen Geistes.

Wieweit ist das richtig – oder arbeiten die beiden Städte, die beiden methodoi doch einander zu? Das ist im Blick auf heutiges Philosophieren zu bejahen: Religion (näherhin die biblische Tradition) muß nicht vom Anspruch auf absolute Aussagen über Gott gelöst werden. Vernunft ist nicht zwingend relativierend.

Im Folgenden einige Thesen zum gegenwärtigen Vernunftgebrauch.

2.1 Skeptische Vernunft:
Überschuß an Wahrheit versus Pluralismus

Vernunft ist selbst in ihrer Skepsis Hilfe für den Glauben: im Blick auf das Ungemäße der Vernunft gegenüber der überragenden, unerschöpflichen Wahrheit.

Die neuzeitliche Entwicklung ist bei einer durchgängigen Skepsis gelandet, ob der Begriff Wahrheit überhaupt Sinn habe und nicht einen unverantwortlichen Anspruch erhebe, andere Meinungen auszuschalten. Denn dem neuzeitlichen Denken, insbesondere Kant, ist die Art und Weise des Erscheinens an das Subjekt und dessen Voraussetzungen gebunden, und das heißt an die aufweisbaren Begrenzungen des Erkennens. Ich und Welt sind zum einschränkenden Horizont für alle Arten von Phänomenen geworden. So kann nur Skepsis bleiben: Wir verstehen immer nur das, was wir selbst gemacht haben: verum factum (Vico), oder genauer: was wir in unser Verstehen gezwängt haben. Noch einfacher: Verstehen versteht (nur) sich selbst. Nietzsche konnte Wahrheit nur noch als Ideologie und mythischen Rest, als Lüge verhöhnen.

Populärphilosophisch hat sich damit eine Spielart von Skepsis etabliert. Sofern Wahrheit als Übereinstimmung mit Wirklichkeit bestimmt wurde(5), lehnt heutiges Denken vielfach einen solchen scheinbar unbeweglichen Wahrheitsbegriff ab: Stattdessen pluralisiert man entweder die Auslegungen oder die Wirklichkeiten, und diese Plurale bleiben entscheidungslos stehen, dem subjektiven Gutdünken überlassen.

Solches Denken hat eine aufweisbare Herkunft. Die Postmoderne hatte vor allem in ihrer französischen Form seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts l'absence thematisiert, die Abwesenheit von Sinn nämlich, der das Heterogene, in vielerlei zielloses Wissen Zerfallende zu einem Ganzen verbinden könnte. Postmoderne ist - nach dem berühmten Aufsatz La Condition Postmoderne (1979) von Jean-François Lyotard (1924-1998) - bestimmt als das Zulassen von Mehrzahl: Mehrere, viele, alle Lebenswelten, Kulturen, Andersheiten, Differenzen wirken zugleich, wertungsfrei und hierarchiefrei; ihnen fehlt und sollte fehlen die Glättung durch Verallgemeinerung, aber auch die Über- und Unterordnung durch Wertungen. Das Verbindende, die „Leitkultur“ steht vielmehr unter dem Verdacht zu nivellieren, das Fremde einzuheimsen, wenn nicht zu vergewaltigen, wie es der europäischen Denktradition (zwischen Platon und Heidegger(6) vorgeworfen wird, weil sie nur aus dem Einen, Gemeinsamen denke. Eurozentrisch ist uni-zentrisch: immer derselbe Sündenfall des Geistes, abgewandelt von den Griechen über den Monotheismus Israels und das Christentum bis zur deutschen Identitätsphilosophie vom Schlage Hegels, ja bis zum Islam als der transeuropäischen Variante. Odo Marquard glaubt den Monotheismus der drei verschwisterten Religionen Judentum, Christentum und Islam als eine unterschwellige oder offene Gewaltbereitschaft ausmachen zu können, dem nur mit einem neuen Polytheismus oder mit „Geschichten“ gegenzusteuern wäre: „In diesem Sinne ist selbst der Einfall suspekt: es lebe der Vielfall.“(7)

So erklärt postmodernes Denken den Aufstand gegen die „großen (homogenisierenden) Erzählungen“: gegen die Ilias, die Odyssee, die Bibel, die Aeneis, die Göttliche Komödie, Faust, was immer. All dies ließe sich lesen - so der Verdacht - als Monopolismus einer Idee der Götter, der Menschen, der Dinge; diesem Monopol dienten die Entwürfe einer Seinslehre ebenso wie die Frage nach einem „Wesen“ der Dinge, aber - verblüffend - auch die aufklärerische, alles betreffende, alles erklärende Vernunft. Gerade das Zeitlos-Gültige, die angebliche Globalität, das Begrifflich-Allgemeine, das Denken aus dem scheinbar einen Ursprung grenze ein „Anderes“ immer aus. Aber auch die aufklärerische Vorstellung des mündigen, selbstverantwortlichen Subjekts sei Selbstdurchsetzung: Das Ich schließe herrisch von der eigenen Position auf ein Du. Denken habe vielmehr einen Verzicht zu erklären: den Verzicht auf den geschlossenen Diskurs innerhalb eines „anonymen und zwingenden Gedankensystems“ (Michel Foucault), das zum tödlichen Ausschluß der Andersdenkenden führe. Dagegen stehen neue „Grundbilder“: Mehrfachkodierungen, Vielfalt von Rationalitätstypen, Übergänge „transversaler“ Vernunft.(8) Die lebensweltlich greifbare Überzeugungskraft solcher Pluralität oder Multioption führt zur „Konstruktion“ eines ständig zu ändernden Lebens.

Jeder Singular wird als solcher verdächtig. Entsprechend fehlt nicht nur das Eine, Verbindliche im postmodernen Lebensstil; es fehlt damit auch der Eine: Gott. Er zieht sich nur als „Spur“, als Negativabdruck eines Fußes im Wüstensand, durch die Geschichte (des 20. Jahrhunderts). Gott wird abwesend: Es bleibt unentschieden, ob es „ihn“ gibt oder ob er die „Spur“ nur im menschlichen Denken hinterließ, als Korrelat zu Traum und Sehnsucht des Menschen.

Dagegen ist jedoch geltend zu machen: Schon Sokrates ist ein Ironiker, was das Reden über Wahrheit angeht – allerdings nicht aus Skepsis gegenüber der Wahrheit wie bei den Sophisten, sondern aus Skepsis gegenüber der menschlichen Fähigkeit und Willigkeit, sich ihr aufzuschließen. „Platon hat die Sinn-Macht der Wahrheit offenbar in einer Weise erlebt, welche die Erkenntnis absoluter Gültigkeit der Idee mit der Erfahrung menschlicher Unzulänglichkeit verband. (...).“(9) So sehr Platon im Denken des Sokrates den Maßstab für Wert, ja für Wirklichkeit überhaupt findet, so eigenartig hartnäckig läßt er Sokrates betonen, er sei kein Lehrer; man denke nur an die Aporien, die Weglosigkeiten, worin das Denken stecken bleibt, wohinein aber Sokrates die Schüler immer wieder treibt.

So gibt es von Beginn der Philosophie an „ein Wissen um die Wahrheit und zugleich ein Wissen um die Inkommensurablität der eigenen Kraft ihr gegenüber; eine Erkenntnis der eigenen Ungemäßheit, aus der aber nicht Skepsis, sondern höchste Zuversicht hervorgeht.“ „Wahrheit (...) ist ein excessivum.“(10) Der Überschuß an Wahrheit, weit über menschliches Vermögen hinaus, ist eine grundlegende Erfahrung aus der Offenbarung. Sie hat befreienden, aber auch verpflichtenden Charakter: die Wahrheit zwingend zu suchen. Dafür bieten sich ursprünglich agnostische, dann „ergriffene“ Denker des 20. Jh. an, wie Edith Stein und Simone Weil.

3.2 Wahrheit, die gegen-intentional erscheint:
Jean-Luc Marion

Ein weiterer Weg führt von Athen nach Jerusalem: der Charakter der Überraschung durch ein Sinnereignis, das im welthaften Phänomen aufscheint. Sind nämlich Ich und Welt wirklich die Grenze jeder Erkenntnis, so gibt es grundsätzlich nichts Neues, sondern der philosophische Blick holt alles Gegebene, die Daten, immer nur im Rahmen seiner eigenen Vorgabe ab – subjektzentriert. Solange der Mensch die Wirklichkeit „anklagt“ (kategorein), bleibt fraglich, ob sie sich ihm öffnet – ob sie sich ihm über das Abgezwungene hinaus öffnet.

Jean-Luc Marion und Bernhard Waldenfels haben in letzter Zeit versucht, eine Transformation der Phänomenologie durchzuführen: Kann das Sehen von etwas Neuem, von einem methodisch Sich-Entziehenden überrascht werden? Kann sich Wirkliches zeigen, das nicht in den überkommenen Kategorien oder Horizonten aufgeht? Gibt es die Kundgabe eines Unbegreiflichen, das die phänomenologische Methode überfordert? Gibt es ein Erscheinen und Sich-Zeigen, das auf keine Intentionalität trifft, sie sogar außer Kraft setzt? Gibt es eine Sinnvorgabe, die durch ein „Ereignis“ einbricht?

Unter dieser Fragestellung hat Marion Husserls phänomenologischen Blick in seiner (allerdings unbeabsichtigten) sachlichen Einengung untersucht, womit er die Grundfesten der Phänomenologie antastet. Denn bereits Husserls methodische Fassung der Intentionalität führt nach Marion unreflektiert zu einem „idolisierenden“ Blick auf die Phänomene.(11) Erschöpft sich doch der intentionale Blick zielgerichtet im Erblickbaren; er „stellt“ seinen Gegenstand, ohne darin die Spiegelung des Eigen-Willens im Idolisierten zu erkennen. Aber: Kann sich Wirkliches noch als es selbst zeigen (phainomenein), solange die begrenzte Ab-Sicht wirkt? Denn schon die Einrahmung in einen „Horizont“ begrenzt den Blickwinkel, unter dem sich das Erscheinende zeigen „darf“.

So wird nach Marion selbst das Göttliche zum Idol, wenn es im templum, dem „Abgemessenen“ schlechthin, verortet wird, und auch das lateinische Wort sanctum (sancire = einzäunen) führt nicht aus dem Abgezirkelten heraus. Mit dem zugewiesenen Radius mutiert das Sich-Zeigende zum selbsterstellten Götzen, während das wirkliche Bild des Göttlichen und Bild des Wirklich-Göttlichen von einem Unsichtbaren lebt, vom Geschehenlassen eines Unfaßbaren: so die Ikone im Unterschied zum Idol. Denn das Phänomen enthält mehr als das Gesehene, es lebt von der Distanz zwischen dem Blick und der unauslotbaren Tiefe des Sich-Zeigenden: „Das Wesentliche im Blick (...) kommt ihm von anderswoher zu, oder vielmehr: kommt ihm als dieses Anderswo zu.“(12)


Solchermaßen bricht eine „Gegen-Richtung“ (contre-intentionnalité in das gegenstandsbezogene Bewußtsein ein: das Sinnereignis. Erst damit wird grundsätzlich Neues denkbar: Nicht nur das immer schon (latent) Gewußte erweist sich als gegenwärtig. Das Sinnereignis vollzieht einen Aufprall im Denken, der ein unbekanntes Gegenüber verrät.

So tritt die Erkenntnis in ein Verhältnis des Empfangens und Erleidens anstelle des eigenen Tuns und Anzielens. Der Primat des identischen, sogar herrischen Ich wird vom Primat des Ereignisses zerstört. Damit wird unterstrichen, daß die Bestimmung des Subjekts nicht im Agieren, sondern im Sich-Zukommen-Lassen, im Außer-Kraft-Gesetztsein und sogar Überwältigtwerden besteht. Von daher ist paradigmatisch der Vorgang jeder, auch der religiösen Offenbarung als Ereignis von der Phänomenologie her bedenkenswert, ohne daß sie deswegen Theologie oder Metaphysik würde. Das bedeutet nicht, daß Marion das Subjekt als Träger jeder Erfahrung leugnet, doch es bedeutet, daß es keineswegs alle sich gebenden Anschauungen in den Begriff fassen kann. Der Anschauende wird zum „Zeugen“, nicht mehr zum „Herrn von Erfahrung“(13). Der Zeuge hat mit einer „Gegen-Wahrheit“ zu tun, die sich in einem mit Liebe gemischten Schmerz zeigt, ihn „affiziert, vielleicht verletzt“(14), freilich ungegenständlich und ohne begriffen zu werden. Solche Zeugenschaft kann agnostische Hörer zum Nachdenken bringen; von hier wölbt sich die Brücke zu Jerusalem, wo dieses „Anderswoher“ bezeugt wird.

3. In Sichtweite Athens: Jerusalem
3.1 Leben von „anderswoher“:
Emmanuel Levinas

Jerusalem steht für einen anderen, konkreten Einbruch, eine Apokalypse = Offenbarung von Wirklichkeit. Diese als „göttlich“ vernommene Wirklichkeit läßt sich in eine neue Grammatik des menschlichen Tuns übersetzen.

Emmanuel Levinas entwickelt eine Anthropologie und vor allem eine Ethik – „agnostisch“ – aus dem biblischen Leitfaden. Er stellt zur Klärung einer neuen Ethik zwei Metaphern in erkenntnistheoretischen Gegensatz: die Metapher des Odysseus, der nach der Wirrnis ziellosen Umherstreifens anamnetisch zum heimatlichen Anfang zurückkehrt (wie das Sein immer wieder in seinen Anfang, das Nichts, mündet), und die Metapher Abrahams, der in das schlechthin Unbekannte, sperrig Heimatlose aufbrechen muß, einer fremden Stimme folgend - im reinen Gehorsam des Hörens.(15) Welche „griechischen“ Prinzipien werden darin aufgebrochen? Jenseits autonomer Subjektivität und emanzipatorischer Vernunft steht Abraham asymmetrisch „ausgeliefert“ zu einem „Befehl“ von anderswoher.

Vor der Ur-Gestalt Abrahams wird Dasein als Geiselsein ausgelegt. Levinas deutet jede tiefere Beziehung als gegenläufig Einbrechendes, Verpflichtendes, ja Entmündigendes: da sonst die Selbstherrlichkeit des Ich niemals, weder erkenntnis- noch geltungstheoretisch, ausgehebelt werden könne. Wie Abraham hat das Ich seine Freiheit an die Stimme des Anderen, an die keiner Rechtfertigung bedürfende Alterität abzugeben; diese ist schon gerechtfertigt dadurch, daß sie schlichtweg der Andere ist. So wird das Subjekt endlich, was es seiner Etymologie nach längst schon ist: das Unterworfene. Seine vorgebliche Identität ist jener erkenntnishemmende Panzer, den es zu durchstoßen gilt. Seine Souveränität ist jene ethikhemmende Selbstgewißheit, an der jedes Tun selbstisch zugrundegeht. Identität kann in Zukunft nur noch heißen: einem anderen zu gehören.

Bei Levinas bleibt dieser andere strikt mundan - er bleibt die Übersetzung des ursprünglich göttlichen Rufes an Abraham in den menschlichen Ruf des jeweils Bedürftigen, in jenes Antlitz (visage), das nur noch Schrei (nach mir, nicht überhaupt) ist. Die einzig legitime Form des Ich wird nunmehr das mit dem anderen trächtige Ich - maskuline Mündigkeit hat sich zu verlieren in die unmündige Weiblichkeit und Verletzlichkeit des Ich, in die vom anderen diktierte Weise des Seins. Fürsorge hat zu treten anstelle von leerer apriorischer Sorge um das Eigene - alles eklatante Verletzungen der Autonomie und ihrer Dignität. Am Ende dieses Freiheitsverlustes steht die völlige Kenose, die Entleerung des Anspruchs auf Selbstsein, Identität, Freiheit im gewohnten Sinn; die Odyssee endet nicht mehr zuhause. Die Metamorphose wird endgültig, der Herr wird Knecht.

Die „Komplikation“ des biblischen Fadens durch Levinas hat Themen wie Selbstbesitz als unethisch aufgedeckt, als Ich-Okkupation fremden Terrains. Leben selbst wäre nicht aus der Verteidigung des Selbstseins heraus zu leben, sondern nur aus seiner Preisgabe, die ethisch anzunehmen ist. Solcherart Ethik führt tief in den Umsturz der Wirklichkeit durch die Offenbarung hinein.

3.2 Gottes Entäußerung ins Diesseits:
Paulus bei Giorgio Agamben

Jerusalem kennt noch eine Apokalypse, denn es war auch der Ort einer Hinrichtung, Ort des „Todes Gottes“. Auch diese Aussage hebt im jetzigen Zusammenhang nicht auf Glauben ab, sondern auf Denken.

Sie führt nämlich auf ein Phänomen, das nicht allein der Theologie, sondern ebenso der Philosophie zu denken gab: das Phänomen der göttlichen Kenose, der Leere, der Umkehr von Fülle. Die Denkvorgabe lautet: „Er, der Gott gleich war, entäußerte sich selbst und wurde ein Mensch.“ (Phil 2, 6) Das Mißverständnis ist aufzudecken, als spräche der Glaube fideistisch von einem Jenseits. Das Jenseits ist geöffnet im Diesseits, es entbirgt sich, hat sich entborgen und entbirgt sich immer weiter. Geschichte ist Entbergung, Heilsgeschichte. Der gängige Vorwurf des Dualismus von Diesseits und Jenseits trifft nicht die freiwillige Bindung Jesu: an das Fleisch, die Folter, die Kirche, an Brot und Wein – an das Konkrete, hier, jetzt. Jean Paul formulierte treffend, die beste Verkleidung Gottes sei immer noch der Jude und Zimmermannssohn gewesen.

Von hier aus gibt es einen Zugang zur Geschichtsphilosophie, wie Paulus sie entwirft. Es ist wohl kein Zufall, daß in den letzten Jahren mehrere philosophische Reformulierungen von Paulus stattfanden. (16) Er, der Jesus nicht als geschichtliche Person gekannt hatte, scheint als eine aus völliger Erschütterung kommende Existenz jenen Umsturz vorzustellen, der anstelle der postmodernen „Mehrfach-Identität“ ein unerhört Neues vorlebt. In Paulus wird das Phänomen des Messias konkret (damit angreifbar), der das Alte für immer zerbrochen hat.

Einen solchen Umsturz arbeitet Giorgio Agamben in einem philologisch genauen Kommentar zum Römerbrief aus.(17) Man kann Paulus den „Theoretiker des neuen Subjektes“ nennen, das durch einen Bruch, eine Entleerung gegangen ist. Das neue Subjekt stammt dabei aus dem unvorhergesehenen Ereignis: Hier gibt es kein Mitschleppen des Alten, auch nicht des Verbrochenen (Paulus billigte den Mord an Stephanus und wollte selbst morden), sondern Entleerung und Umgestaltung. „Ist also einer in Christus, dann ist er eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen; siehe, Neues ist geworden.“ (2 Kor 5, 17)

Dabei führt dieses Neue auch zu einem Universalismus: von der Möglichkeit her können alle dazugehören. Denn jeder, der dasselbe Ereignis wahr-nimmt aufgrund eines Zeugnisses, wird „Mensch ohne Eigenschaften“, ohne jene festgeschriebenen Prägungen der Herkunftskultur, die bisher alle besetzt hielten. Also ohne den Hochmut der (vermeintlich) überlegenen Kultur und der höheren Bildung (wie bei den Griechen), des ausgeklügelten Rechtssystems (wie bei den Römern). Paulus spricht sowohl gegen die jüdische Forderung von „Zeichen“, soll heißen Beglaubigungen, als auch gegen die griechische Forderung von „Weisheit“, soll heißen durch Denken erschließbare Wahrheit (1 Kor 1, 22ff). Es gibt im Christus-Ereignis keine Voraussetzungen, außer: sich davon treffen zu lassen.

Mehr noch: Alle Formen staatlicher oder sakraler Macht werden zweitrangig, sind in ihren Grundlagen ausgehebelt. Das betrifft die kosmisch-politische Ordnung, wie sie die alten Großreiche errichteten und wie sie das römische Reich in seiner weltumspannenden Totalität darstellt; das betrifft auch und sogar die Auserwählung Israels, die sich in der Thora ihren elitären Ausdruck geschaffen hat. Das Christus-Ereignis ist a-kosmisch, il-legal. Wer von der klésis getroffen ist, dem Ruf, der gehört in eine neue Polis, in das neue Israel. Er gehört zur ecclesia, und dieses Herausgerufensein ist universal. Der Ruf spart niemanden aus. „Es gilt nicht mehr Jude noch Grieche, nicht Sklave noch Freier, nicht Mann noch Frau – einer seid ihr in Christus.“ (Gal 3, 28; vgl. 3, 13) Die Unterschiede dieser Welt, auf denen die Herrschaft der einen über die anderen ruht, gibt es immer noch, aber unwichtig sind sie geworden vor dem einen großen Ereignis. Das Christus-Ereignis, so Paulus, vereinigt im Bekenntnis zu einem neuen Dasein, zu einer neuen Gemeinschaft: ohne bestimmte, vorausgesetzte Kultur, ohne bestimmte Werte, ohne Regeln, ohne aristokratisches, abgesondertes „Eigen- und Anderssein“.

Mit einer solchen Analyse trifft man unmittelbar heutige politische Desiderate; man berührt Herkunft und Zukunft einer schwierigen politischen Kultur.

3.3 Auferstehung und Schuldlösung:
Sinnpotentiale des Christentums bei Habermas und Derrida

Die unerwartete Wende von Intellektuellen zu Fragen eines neuen (und alten) Sinnentwurfs läßt sich weiter fortsetzen. Die Suche nach einer Anthropologie „jenseits des Nihilismus“ und „jenseits der virtuellen Konstruktion“ hat schon begonnen; sie zielt auch auf die säkular nicht mögliche Rede von einem Dasein nach dem Tod und – unabdingbar - von einer Schuldlösung angesichts der ungeheuren Verbrechen.

Die Rede ist zum Beispiel von der Notwendigkeit einer universalen Gerechtigkeit - für die im Vergangensein verschwundenen Opfer. Gerechtigkeit, ein Zentralthema der Philosophie seit Platon, bleibe nämlich leer, wenn sie nur auf die Zukünftigen, also auf einen schmalen und noch irrealen Ausschnitt der Menschheit, bezogen würde. „Auferstehung“ wäre die Sinnantwort auf irdisch nicht gutzumachende Leiden: „Erst recht beunruhigt uns die Irreversibilität vergangenen Leidens - jenes Unrecht an den unschuldig Mißhandelten, Entwürdigten und Ermordeten, das über jedes Maß menschlicher Wiedergutmachung hinausgeht. Die verlorene Hoffnung auf Resurrektion hinterläßt eine spürbare Leere“, so - erstaunlicherweise - Habermas’ Rede zum Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2001.(18) Mit anderen Worten: Im Sinngefüge bedarf es einer Antwort auf das menschlich nicht zu Lösende; „Auferstehung“ ist mehr als ein „Anliegen“ in theologischer Metasprache, sie hat eine „Systemstelle“ im menschlichen Verlangen nach endgültiger Gerechtigkeit. Der größere „Rest“ (der Toten und jetzt Lebenden) bleibt ohne Auferstehung einem gerechten Ausgleich für immer entzogen. Daher ist eine Geschichte „mit Finale“ einem zyklischen Weltverlauf ohne Finale gedanklich und religiös vorzuziehen.

Damit begann Habermas ein Gespräch (spektakulär auch mit Joseph Ratzinger 2004)(19), in welchem er Religion im Verhältnis zur Vernunft gleichsam neu kartographiert. Während er in den 90er Jahren starken Nachdruck auf das „nachmetaphysische Denken“ legte(20), gelangt er in einer jüngsten Veröffentlichung zu einer Kritik an dessen scheinbarer Unbefragbarkeit.(21) Zwar beharrt er auf einer „detranszendentalisierten Vernunft“, doch nur im Sinne eines unersetzlichen, notwendig eng fokussierten Instruments von Wissenschaft. Keineswegs aber muß Methode zur Mentalität werden, muß der beschränkende Blick zur beschränkten Weltsicht gerinnen; über (zu glaubende oder zu verwerfende) Inhalte einer religiösen Weltdeutung ist damit nichts entschieden und nichts zu entscheiden. In dieser Trennung von (natur)wissenschaftlicher Methode im Teilbereich und religiöser Hermeneutik des Gesamten öffnet sich – entgegen alten Borniertheiten – das Fenster zu einem neuen Austausch.

Eine zweite, tiefgehende Forderung, wiederum philosophisch ausgesprochen, sogar von einem Agnostiker, kommt hinzu - um so verblüffender, als der kirchliche Usus auf diesem Gebiet immer mehr ausdünnt. Die Rede ist von der notwendigen Absolution von Schuld, und zwar auch von der Verzeihung für die Täter - und sie müßte bis zur Verzeihung des Unverzeihlichen gehen, so Derrida in einem Interview: „Man muß von der Tatsache ausgehen, daß es, nun ja, Unverzeihbares gibt. Ist es nicht eigentlich das Einzige, was es zu verzeihen gibt? Das einzige, was nach Verzeihung ruft? Wenn man nur bereit wäre zu verzeihen, was verzeihbar scheint, was die Kirche ‘läßliche Sünde’ nennt, dann würde sich die Idee der Vergebung verflüchtigen. Wenn es etwas zu verzeihen gibt, dann wäre es das, was in der religiösen Sprache ‘Todsünde’ heißt, das Schlimmste, das unverzeihbare Verbrechen oder Unrecht. Daher die Aporie, die man in ihrer trockenen und unerbittlichen, gnadenlosen Formalität folgendermaßen formulieren kann: Das Vergeben verzeiht nur das Unverzeihbare. Man kann oder sollte nur dort vergeben, es gibt nur Vergebung - wenn es sie denn gibt -, wo es Unverzeihbares gibt. Was soviel bedeutet, daß das Vergeben sich als gerade Unmögliches ankündigen muß. Es kann nur möglich werden, wenn es das Un-Mögliche tut. [...] Was wäre das für eine Verzeihung, die nur dem Verzeihbaren verziehe?“(22)

„Übersetzt“ kann dies wohl nur bedeuten, daß es Absolution nur im Absoluten gibt - nicht im Relativen menschlicher „Verrechnung“. Ähnlich wie bei Habermas drückt sich Derridas Forderung im Horizont des „Unmöglichen“ aus, des nur Erwünschten, nicht Realisierbaren; gleichwohl entspricht sie - bis in die Formulierungen hinein - dem Angebot biblischer Neuwerdung auch des Täters, nicht nur des Opfers, in der Ankündigung unausdenklicher Vergebung. Derrida selbst bezieht sich ausdrücklich auf die „abrahamitische Tradition“, deren sich – seiner Meinung nach ungerechtfertigt - mittlerweile auch andere Kulturen bedienten, ohne den Kern, eben jenes Unverrechenbare, zu gewahren und an dessen Stelle einen Polittourismus des gegenseitigen Entschuldens setzten: Die Enkel der Täter entschuldigen sich weltweit bei den Enkeln der Opfer. Eine Entschuldung im Horizontalen gibt es nach Derrida aber gerade nicht. Es geht nicht um den Versöhnungswillen der Politiker, um die Rituale der Selbstbeschwichtigung eines taktisch beschworenen Neuanfangs. Kultur muß, um Kultur zu bleiben, die Stelle für den mehr als sozialen und politisch zwecklichen Pardon offenhalten.

Solche Horizonte zünden gerade in einer agnostischen Kultur, die den Ausfall ausgleichender Gerechtigkeit und die wirkungsvolle Bearbeitung von Schuld nicht kennt.

3.4 Schönheit des logos, oder: Ästhetischer Gottesbeweis.
Botho Strauß, George Steiner

Im nichtssagenden Sprachlärm von „Echos, die in leeren Höhlen dröhnen“, werden „reale Worte“ eingefordert; Botho Strauß, der zunächst nur als Ästhet formuliert, findet sie in den Worten der eucharistischen Verwandlung. Der widerspenstige „Danebengeher“(23) reflektierte kurz vor der Jahrtausendwende Geist und Ungeist der Postmoderne, der er bitter-überlegen widerspricht. Strauß holt seine Argumente aus der Ästhetik: Das wirkliche Kunstwerk sei - aufreizend genug zu hören - zusammen mit dem Glauben (an die Wirklichkeit, an den göttlich Wirklichen) in den letzten europäischen Generationen verraten worden. Gemeint ist genauerhin die Dekonstruktion von Sprache zu beliebigen Textfragmenten, zu Deutungsspielereien, zu Wortmüll, der nicht meint, was er sagt. Strauß bezieht sich zustimmend auf den Literaturtheoretiker George Steiner, Jahrgang 1929, der gegen die Nomenklatura der Poststrukturalisten Barthes, Lacan, auch Derrida die Wirklichkeitsmacht des Wortes aufrief - im Rückgriff auf die Real Presences, die Realpräsenzen (des Gesagten nämlich), was der deutsche Verlag übrigens als zu fromme, zu dogmatische Überschrift des Buches scheute und stattdessen in den Titel auswich: „Von realer Gegenwart“(24). Steiner skizzierte darin scharf und heftig den Verlust der bedeutungsvollen Wirklichkeit durch eine seit dem 19. Jahrhundert angelegte, unübersehbar an inneren Widersprüchen laborierende, nominalistische Sprachzerstörung, gegen die er das primäre Wortverständnis, die Wirklichkeit des im Wort Gesagten ins Feld führte - bei vollem Bewußtsein, den Goliath Postmoderne und die Byzantiner (25), das heißt die im „Abwesenden“ erstarrten Theoretiker, anzugreifen. Botho Strauß, der überraschende, sekundierte 1991, im unmittelbaren Umfeld der deutschen Wiedervereinigung, dem ungebärdigen Vorredner Steiner im „Aufstand gegen die sekundäre Welt“ und für die „Anwesenheit“ - wovon?

„Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die Befreiung des Kunstwerks von der Diktatur der sekundären Diskurse, es geht um die Wiederentdeckung nicht seiner Selbst-, sondern seiner theophanen Herrlichkeit, seiner transzendenten Nachbarschaft.“(26) Auch das Wort ist Kunstwerk, von jeher, ja von seinem Anbeginn her aus dem Raum des logos. Denn gegen alle Dekonstruktion: Wort ist gleich Sinn. „Überall, wo in den schönen Künsten die Erfahrung von Sinn gemacht wird, handelt es sich zuletzt um einen zweifellosen und rational nicht erschließbaren Sinn, der von realer Gegenwart, von der Gegenwart des Logos-Gottes zeugt.“

Unmittelbar danach schließen sich die Sätze an: „In der Feier der Eucharistie wird die Begrenzung, das Ende des Zeichens (und seines Bedeutens) genau festgelegt: der geweihte Priester wandelt Weizenbrot und Rebenwein in die Substanz des Leibs und des Bluts Christi. Damit hört die Substanz der beiden Nahrungselemente auf, und nur ihre äußeren Formen bleiben. Im Gegensatz zur rationalen Sprachtheorie ersetzt das eine (das Zeichen, das Brot) nicht das fehlende andere (den realen Leib), sondern übernimmt seine Andersheit. Dementsprechend müßte es in einer sakralen Poetik heißen: Das Wort Baum ist der Baum, da jedes Wort wesensmäßig Gottes Wort ist und es mithin keinen pneumatischen Unterschied zwischen dem Schöpfer des Worts und dem Schöpfer des Dings geben kann.“(27)

Es fragt sich, was durch dieses Einsprengsel - ist es überhaupt jemand aufgefallen? - in ein 1999 ediertes Buch für die zeitgenössische Kultur geschehen ist. Auf jeden Fall ein geheimes Erdbeben. Aber hat es die christentumsverdrossene Kultur als Erdbeben wahrgenommen? Zweifellos wird hier „ästhetisch“ argumentiert - aber wenn auch das ästhetische Argument nicht mehr zieht, gewinnt die sekundär erzeugte Ansichts-Sache, die Nicht-Sache die Überhand. Nur das Verständnis des sakramentalen Wortes, das sich in der Eucharistie verwirklicht, reißt nach Strauß die Zeichen von Zeichen von Zeichen auf. Verschwindet die Eucharistie, verschwindet auch das Kunstwerk, das aus dem Raum des Göttlichen kommt und nicht einzig aus dem illusionären psychischen Raum seines Autors. Sollte die Eucharistie, das schöpferische Wort der Anwesenheit, schwinden, verschwindet auch die Dichtkunst, noch genauer: verschwindet der Mensch, denn er ist „ein sakramentales Wesen [...] Alles, was er schafft, ist Darbringung, Opfergabe. Zuerst geben wir etwas ab, dann einander, dann weiter. Die erste Richtung des Werks ist die vertikale, seine Menhirgestalt.“(28)

Ist die Behauptung von Strauß wahr, daß „die Mitternacht der Abwesenheit überschritten ist“?(29) Dieser Satz provoziert eine unglaubliche, unwiderstehliche Hoffnung für die gegenwärtige, zum Sinnlosen nivellierte, im Leeren triumphierende Kultur. Noch unglaublicher, daß der Satz im Zeichen der Eucharistie gesagt ist - jener Zusage der Anwesenheit, welche das dekonstruktive und destruktive Sprechen Lügen straft. Eucharistie als Sprengung des Geschwätzes, als Erweis von Wirklichkeit durch das Wort - trotzend der „reinen Selbstreferenz der Diskurse, dem nihilistischen Vertexten von Texten“(30). Es ist „nur“ ein ästhetischer Gottesbeweis - aber vielleicht der heute nötige? „Es gibt die Dreifaltigkeit Rubljevs, folglich gibt es Gott.“(31) Gemeint ist nicht Rubljevs Psyche, die sich ihren Gott erschafft. Gemeint ist Gott, der sich Rubljev gezeigt hat.

Wenn dieser Gottesbeweis aus dem wirklichkeitsgesättigten Kunstwerk zutrifft, läßt sich auch der folgende Satz sagen: Es gibt in der Welt der semantischen Spielereien die Eucharistie, folglich gibt es den theophanen Logos, das gottdurchleuchtete, das wirklichkeitsschwere Zeichen. Es gibt Sinn von Sprechen.

4. Wahrheit des Lebendigen:
Michel Henry

In diesen Beispielen hat sich ein Umsturz in Athen selbst vollzogen, oder anders: Man blickt von Athen aus nach Jerusalem.

Gegen ein postmodernes Denken, das Wahrheit und Wirklichkeit nurmehr auf den Bereich mentaler Zuschreibung verschiebt, auf Weltenentwürfe, die ausschließlich im Radius des Subjekts oder subjekthaft aufgefaßter Kulturen/Religionen bleiben, hat Michel Henry (1922-2002) eine uneinholbare und unerschöpfliche Wahrheit phänomenologisch erhoben: die Wahrheit des Lebendigen.

Im Leben selbst zeigt sich ein Doppelcharakter: Einerseits ist es sich gegeben, und zwar in der Weise nicht selbstgemachter Lebendigkeit. Leben läßt sich überhaupt nicht „machen“, sondern nur weitergeben. Selbst wenn - in dem häßlich-verqueren Ausdruck - die Eltern ein Kind „machen“, geht der Vorgang des Zeugens und Empfangens weit über ein biologisches Verfertigen hinaus: Auch Eltern müssen das Kind erst (unabschließbar) kennenlernen; es ist gerade nicht ihr gezieltes „Produkt“. Selbst In-vitro-Fertilisation, selbst Klonen bedient sich schon vorhandener lebendiger Materialien. Die Kette des Lebens reicht durch die Generationen hindurch, wird nicht jeweils von ihnen aus neu installiert. Leben ist Vor-Gabe, selbst unbegriffen, uneingeholt.

Andererseits ist Leben als gegebenes dennoch selbständig: Es ist autonome, absolute Gabe; anders: Gabe der Autonomie. Im Bild: Wenn eine Kerze eine zweite entzündet, brennt die zweite Flamme aus sich heraus, obwohl sie sich der ersten verdankt. Ebenso ist verliehenes Leben dennoch selbst unmittelbares Leben, in einer Bewegung, die sich selbst erhält und ständig neu bei sich „ankünftig“ wird. Es gehört zur Größe dieser Vor-Gabe, daß sie die eigene Mitwirkung freisetzt. Sich-Gegebensein und Autonomie schließen sich nicht aus: Gerade Selbstand ist verdankt.

Für Henry kann alles atheistische Philosophieren ein letztes Phänomen nicht auflösen: das Phänomen des Lebens selbst. Leben zeigt sich selbst immer als lebendig, ist seine eigene Offenbarung, Selbst-Offenbarung. Über Leben zu sprechen meint nicht, über etwas zu sprechen, denn Leben ist kein distanziertes Etwas, es ist eben es selbst. In diesem Kontext eröffnet er den elementaren Charakter von Wahrheit: Wahrheit ist Selbstoffenbarung des sich gebenden Lebens. Sie zeigt sich selbst, erleuchtet sich selbst, spricht von sich selbst, kann nicht von außen „bewiesen“ werden. Wahrheit teilt die Selbstevidenz des Lebens; vielmehr: sie ist diese Selbstevidenz.(32)

Aber: Diese Wahrheit wird von der Welt verstellt. Es ist derselbe Unterschied wie zwischen dem, was das Auge sieht, und dem Auge selbst, das sich nicht sieht. „Sehen ist nur in einer ‘Welt’ möglich. (...) Sehen setzt die Distanzierung des zu Sehenden voraus, und damit dessen Außenwerden, genauer gesagt, (...) die Bildung des Welthorizonts.“(33) Welt wirft die Dinge „außer sich“, weil deren lebendiger Ursprung, ihr Gegebensein, in ihrem Rahmen nicht zur Darstellung kommen kann. So verschiebt sie die Wahrheit des Lebens zu einer Wahrheit der „vorhandenen“ Dinge. Und dies in einer Abwandlung der Korrespondenztheorie: Bezugspunkt der Dingwahrheit ist nicht mehr das Sein, sondern das semantische Konstrukt.

Vor diesem Hintergrund provoziert das Jesus-Logion „Ich bin die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14, 6), indem es beides ursprungshaft, dingfrei zusammensieht. Das Logion kann weder über Geschichte noch über einen anderen Sinnzusammenhang „von außen“ eingeholt werden, sondern allein aus seiner Selbstdarstellung, aus dem Selbsterweis des Inhalts. Das bedeutet nicht, an den Sprechenden zu glauben, um dann von dorther die Wahrheit seiner Worte zu erschließen. Es ist umgekehrt: Er selbst erschließt die Wahrheit sprechend und bringt damit zum Glauben. Daher ist in Henrys Ausführung das Johannes-Evangelium Zeugnis eines radikalen und nicht eines semantischen Wahrheitsbegriffes. Grundsätzlich: Wenn die Bibel vom „lebendigen Gott“ spricht, so bezieht sie sich nicht auf ein von der Welt oder anderem Leben her ausweisbares Leben, sondern der Lebendige bedarf keiner Affirmation von außerhalb, er ist selbst Zugang zu sich selbst. „Ich bin die Wahrheit“ manifestiert so den phänomenologischen Selbstausdruck des Lebens. Wahrheit ist nichts Abstraktes, Verbalisiertes, sondern ist evidente Performation des Lebens (anstelle von Information). Wahrheit ist Kommunikation - nicht in Worten, sondern im Lebendigen selbst. „Es ist im Gegenteil diese Wahrheit, und sie allein, die uns den Zugang zu ihr selbst verschafft und damit gleichzeitig zum Text [des NT], um uns denselben, dem sie anvertraut ist, verstehen zu lassen und um sie in diesem wiederzuerkennen. (...) Die Sprache gilt als das vorzüglichste Kommunikationsmittel, eben als das Mittel, Wahrheit mitzuteilen und weiterzugeben. Aber dies ist ihre größte Illusion, wenn die einzige Wahrheit, die sie weitergeben kann, eine Wahrheit ist, die bereits existiert und sich schon offenbart hat, und zwar offenbart hat an sich selbst durch sich selbst, unabhängig von der Sprache, vor dieser.“(34)

Henry hat in phänomenologischer Reflexion aufgewiesen, daß Sprechen wie Erkennen auf einem Vorgängigen aufruhen, das sie nicht „ausleuchten“ können. Wahrheit des Ur-Lebens ist der normalerweise „nicht erinnerte“ (immémorial) Ursprung unseres Lebens.

5. Währende Spannung zwischen Athen und Jerusalem:
Zeichen der Vitalität

Es ist die Freiheit des Denkens, die Freiheit des Anschauens, die „Athen“ in seinen großen Vertretern zur Schule der Welt gemacht hat: Daß Vernunft, nous, nicht im eigenmächtigen Agieren, sondern im Vernehmen, im Sich-Nehmen-Lassen von dem, was sich zeigt, zu sich selbst kommt: ja sogar in der Blendung durch das Licht außerhalb der Höhle. Solche Blendungen haben die Philosophie zur Begleiterin aller Arten von Wahrheitssuche gemacht.

Aber „Jerusalem“ gibt dem, was sich zeigt und blind macht, einen Namen. Und er ist ja doppelt: einmal der unaussprechliche, nicht-idolisierbare, nicht gegenständliche Name, schem, und dann der Menschensohn, ben adam, gegenständlich, vernehmbar, einer wie alle und somit banal. Somit bleibt die Spannung zwischen sehen und doch nicht sehen, hören und doch nicht hören, begreifen und doch nicht begreifen ein konstitutiver Anreiz für die philosophische Auslegung Jerusalems. Schon Augustinus holt souverän die spätantiken Religionen ein: omnia nostra – „alles ist unser“. (35) Es geht hier nämlich um die Reflexivität, in welche die Lehre von Christus – gegenüber vielen anderen narrativen, mythischen oder weisheitlichen Lehren – gegossen und damit vernunftbefruchtend, vernunftkritisch, kurz: vernunftfähig wurde.
In der Umkehr des skeptischen Denkens zum Pathos des Ergriffenseins baut sich eine Brücke von Athen nach Jerusalem: Vernunft ist schon die Brücke, die über sich hinausgreift oder besser: über sich hinausgerissen wird – denn eben als Vernunft ist ihr eingeschrieben das Staunen, thaumazein, vor dem Angeschauten. Vielleicht ist ihr sogar, im literarischen Hochton, eingeschrieben ein „herzsprengendes Entzücken“(36), denn sie begegnet nicht einem Es, etwa dem Sein, dem Nichts, dem Phänomen, der Struktur, dem transzendentalen Ich, sondern einem Du.

Hier wartet allerdings noch eine letzte, subtile Verwechslung. Martin Heidegger hatte 1929 in dem Aufsatz Vom Wesen des Grundes den Selbstüberstieg als dem Denken nicht nur zugehörig, sondern im Denken als immer schon vollzogen gekennzeichnet. Gemeint ist allerdings eine Transzendenz „nach innen“, dem Denken selbst zugeschlagen als seine erste, selbstursprüngliche Bewegung. Mündet damit das Denken nicht wieder monolog-zirkelhaft und entsprechend antwortlos in sich selbst zurück? Ist die Furcht vor der Vergegenständlichung des Denkens möglicherweise die Flucht vor jener Banalität, in die sich das Ungegenständliche entäußert? Etwa in die Banalität der Kirche?(37) Kann, muß das Denken nicht vielmehr doch in den Dialog mit einem befreundeten, zwingenden Anderen eintreten und das Risiko seiner Kenose nicht scheuen? Auch Philosophie, nicht nur Religion stellt die Frage nach einem Selbstüberstieg, in dem das Denken von einem wirklichen und wirkungsvollen Gegenüber herausgefordert wird. Es stößt eben nicht nur auf ein eigenes, sondern auf ein anderes, ebenso vertrautes wie fernes „Innen“, interior intimis meis (38). Sofern diese Bewegung nicht vollzogen wird, bleibt das Denken selbstbezüglich und selbstthematisch, letzten Endes nur auf Methodenfragen zugespitzt: Es fragt nach „wie“, nicht mehr nach „was“. Oder positiv ausgedrückt: Sofern die gemeinsame Anstrengung des Denkens jenes Gegenüber sucht, genauerhin zuläßt, rührt sie an die Grenze des Denkmöglichen. Und doch, was wäre denn der Mühe wert als eben dieses die Grenzen der Akademie Sprengende? Das Bewußtsein der Grenze ist ja schon ihr Über-Hinaus. (39)

6. Aufklärung über die Aufklärung:
Philosophieren im Radius der Gabe

In den Wortmeldungen namhafter Philosophen wird deutlich, daß das Sinnpotential von Religion, a fortiori aber der jüdisch-christlichen Herkunft und ihres großen Thesaurus, offenbar nicht einfach ablösbar ist durch die aufgeklärte Vernunft und ihre Zwecksetzungen, nicht ablösbar durch virtuelle Spiele im konstruktiven oder dekonstruktiven Bereich. Tatsächlich scheint sich eine Wende anzubahnen: die unerwartete Wende von Intellektuellen zu Fragen eines neuen (oder alten, gut vergessenen?) Sinnentwurfs.

So gibt es in der postmodernen Welt - in der Welt des Philosophischen, ausstrahlend auf die Welt des Politischen, des öffentlichen Raumes - auch ein postsäkulares Denken; freilich keine Stelle, an der das Heilige unmittelbar vorkäme. Aber es kommt vor in seiner verschlüsselten Spur, im Widerspruch gegen die pure Autonomie des sich selbst besitzenden, sich selbst verstehenden Subjekts. Philosophisches Denken ist zurück in einer Fassungslosigkeit, von der sich die Autonomie-Formel der Aufklärung nichts hat träumen lassen. Zahlreiche philosophische Analysen sind Sprachrohr gesamtkultureller „Erdbeben“.

Aufklärung kann im Vollzug solcher Freilegungen nicht mehr bedeuten „Befreiung der Vernunft aus ihren Täuschungen, sondern Befreiung von der Täuschung, welche die Vernunft selbst ist. Und Vernunft als solche wäre dann Täuschung, wenn sie nur vorgeben könnte, aus sich auf ein Ganzes von Einsicht orientiert zu sein und dann auch durch sich aus dem Inbegriff von Täuschung befreit sein zu können.“(40) Anders: Vernunft ist werkzeuglich, bedarf eines vorgängigen „Ganzen“, auf das sie sich richtet, mehr noch: von dem und an dem sie selbst ausgerichtet wird. Daß eine solche betäubende Wahrheit sich der Subjektivität unerschöpflich erschließt – oder auch entzieht, dies zu denken macht die heutige Aufklärung über den Relativismus der Aufklärung aus. Der Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit ist weiterentwickelt zum gedanklichen Eingang in das Sich-Gegebensein, vorgängig vor aller bewußten Mündigkeit oder unbewußten Unmündigkeit.

Ob von der Gabe auf den Geber weitergefragt werden kann, wird vermutlich ein währendes Spannungsfeld zwischen Philosophie und Religion bleiben. Bekanntlich spricht Heidegger in Sein und Zeit von der Geworfenheit des Daseins und wehrt gleichzeitig die Frage nach dem Werfer ab. Sartre formuliert bereits monistisch zupackend: „Unablässig erschaffe ich mich; ich bin der Geber und die Gabe.“ (41) Aber im Weiterfragen von „es gibt mich“ auf den Geber ist die reine Bewußtseinsphilosophie aufzubrechen; auch die transzendentale Subjektivität muß vor ein anderes, ein Sich-Zeigen gestellt werden, das sie nicht einfach wieder in den Zirkel des Selbstverständlichen rückbinden kann. Das Subjekt ist damit nicht einfach als helles, in sich autonom verwurzeltes, als selbstmächtiges zu denken, sondern als vor ein Licht (phos) gebrachtes, in eine Reduktion des Selbsterstellten, sogar in eine „Blendung“ (wie beim Austritt aus Platons Höhle), die zu einem Nicht-Erkennen, zu einem Verlust der Selbstmächtigkeit führt. Solche Freilegungen des Daseins tragen einem Unausdenklichen Rechnung, ohne es einzuholen. Das Uneinholbare des Lebens ist Gegen-Stand des Denkens. Der uneinholbar Lebendige ist befruchtender Wider-Stand des Denkens. Zwischen Athen und Jerusalem gähnt nicht einfach ein Abgrund des Relativismus: Es wölben sich lockende Brücken.

Glauben heißt zunächst: Wissen über den Glauben, dann: Denken über den Glauben, dann: Denken und Glauben unerschöpflich überraschen lassen vom Offenbaren, dem Offenbar-Lebendigen, dann: Zeugnis davon geben.


KATH.NET-Interview mit Prof. Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz, “Die Wunden der Kirche: aufkratzen oder küssen?“


kathTube: Prof. Hanna Gerl-Falkovitz, Vortrag über „Ida Frederike Görres“




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(1) Das große Stanislaw Jerzy Lec Buch, hg. v. Karl Dedecius, München 1990, 192.
(2) Vgl. den aufschlußreichen Sammelband von F. G. Friemel/F. Schneider (Hgg.), „Ich bin ein Kind der Hölle.“ Nachdenen über den Teufel, Leipzig (St. Benno) 1996.
(3) Leo Schestow, Athen und Jerusalem. Versuch einer religiösen Philosophie, Berlin 1937.
(4) Sören Kierkegaard, Furcht und Zittern, übers. v. Liselotte Richter, Reinbek (rowohlt) 1964, 28.
(5) Die Formel von der Wahrheit als adaequatio intellectus ad rem findet sich bei Albertus Magnus, Summa theologiae I, 25, 2 und bei Thomas von Aquin, Summa theologica I, 16, 1.
(6) So bei Emmanuel Levinas, Die Zeit und der Andere, übers. v. Ludwig Wenzler, Hamburg 1989.
(7) Vgl. Odo Marquard, Lob des Polytheismus. Über Monomythie und Polymythie, in: ders., Abschied vom Prinzipiellen. Philosophische Studien, Stuttgart (reclam) 1981, 91 - 116, hier 110.
(8) Wolfgang Welsch, Unsere postmoderne Moderne, Weinheim 31991, 325 und 327. „Transversal“ ist ein im Widerspruch zu „transzendent“ gebildeter Begriff „gegenläufiger“ Vernunft.
(9) Vgl. Romano Guardini, Wahrheit und Ironie (1965), in: ders., Stationen und Rückblicke, Würzburg (Werkbund) 1965, 49.
(10) Ebd., 49f.
(11) Jean-Luc Marion, Idol und Bild, in: Bernhard Casper (Hg.), Phänomenologie des Idols, Freiburg (Alber) 1981, 107-132.
(12) Ebd., 128.
(13) Marion, in: Gabel/Joas, 136 und 103.
(14) Ebd., 137.
(15) Emmanuel Levinas, Totalität und Unendlichkeit. Versuch über die Exteriorität, übers. v. Wolfgang Nikolaus Krewani, Freiburg/München (Alber) 1987.
(16) Alain Badiou, Jacques Derrida, Slavoj Zizek, Giorgio Agamben.
(17) Giorgio Agamben, Die Zeit, die bleibt. Kommentar zum Römerbrief, Frankfurt (Suhrkamp) 2002.
(18) Jürgen Habermas, Glauben und Wissen. Friedenspreis des deutschen Buchhandels 2001, Frankfurt (Suhrkamp) 2001.
(19) Jürgen Habermas/Joseph Ratzinger, Dialektik der Säkularisierung, Freiburg (Herder) 2005.
(20) Jürgen Habermas, Nachmetaphysisches Denken, Frankfurt (Suhrkamp) 1992; ders., Politik, Kunst, Religion, Stuttgart (reclam) 1992.
(21) Jürgen Habermas, Zwischen Naturalismus und Religion, Frankfurt (Suhrkamp) 2005.
(22) J. Derrida/M. Wieviorka, Jahrhundert der Vergebung, in: Lettre international 48 (2000), 10 - 18, hier: 11f. Zitiert nach Jan-Heiner Tück, Versuch über Auferstehung, in: IKZ Communio 3 (2002), 274 - 279.
(23) So die Überschrift von Thomas Steinfeld über die Rezension von Strauߒ Buch „Das Partikular“, München (Hanser) 2000, in: FAZ vom 15.4.2000.
(24) George Steiner, Von realer Gegenwart, München (Hanser) 1990.
(25) George Steiner, Der Garten des Archimedes. Essays, München (Hanser) 1998, 49: „in unserer gegenwärtigen byzantinischen Kultur“.
(26) Botho Strauß, Der Aufstand gegen die sekundäre Welt. Bemerkungen zu einer Ästhetik der Anwesenheit (1991), in: ders., Der Aufstand gegen die sekundäre Welt, München (Hanser) 1999, 41.
(27) Ebd.
(28) Ebd., 42.
(29) Ebd., 47.
(30) Ebd., 50.
(31) Ebd., 43. Dieser Satz geht auf den russischen Religionsphilosophen, Mathematiker, Physiker und Dichter Pawel Florenskij zurück (1882-1937, im sowjetischen „Arbeitserziehungslager“ wegen „konterrevolutionärer Propaganda und Agitation“ erschossen).
(32) Michel Henry, „Ich bin die Wahrheit.“ Für eine Philosophie des Christentums, übers. v. Rolf Kühn, Freiburg/München (Alber) 21999.
(33) Ebd., 41.
(34) Ebd., 20f.
(35) Aurelius Augustinus, De doctrina christiana.
(36) Thomas Mann, Joseph und seine Brüder (1933ff), Frankfurt (Fischer) 1964, 1083.
(37) Vgl. Ida Friederike Görres, Die leibhaftige Kirche, Gespräch unter Laien, Frankfurt (Knecht) 1951.
(38) Augustinus, Confessiones.
(39) Nach G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes.
(40) Dieter Henrich, Bewußtes Leben. Untersuchungen zum Verhältnis von Subjektivität und Metaphysik, Stuttgart (reclam) 1999, 98.
(41) Jean-Paul Sartre, Die Wörter. Autobiographische Schriften, hg. v. Traugott König, Bd. I, Hamburg 1991, 20.


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Lesermeinungen

 bücherwurm 5. September 2011 

@Apfelkuchen:

bitte lesen Sie meinen Post von weiter unten nochmals durch. Gern unter Benutzung Ihres Verstandes :)


2
 
 argus 5. September 2011 
 

\".....ist ja schon ihr Über-Hinaus. \"

Der Vortrag erinnert mich an meinen Weg in die röm.kath Kirche!
Ich bedauere heute sehr meine durch \"Nichtwissen \"verlorenen Jahrzente in welchen ich in Gottesferne lebte!
Papst Benedikt XVI.öffnete mir die Türe!


2
 
 Martyria 5. September 2011 

@ Apfelkuchen

Dieser Vortrag hat nichts mit blanker Verkopfung und auch nichts mit Rationalismen zu tun, sondern es geht um den Wandel bei philosoph Positionen in puncto Weltzugang, Begründbarkeit des Wesens der Dinge und die Möglichkeit, mit Vernunftgebrauch die frohe Botschaft in unserer komplizierten Zeit zu verkünden u. wirksam werden zu lassen. Dieses Bemühen hat übrigens alle Theologen seit Paulus, alle Kirchenväter, Ordensgründer und auch Mystiker angetrieben.

Deswegen ist es weder hilfreich, noch zielführend noch am Thema der Rede orientiert, wenn Sie Wikipedia-Auszüge abdrucken u. mit Bibelzitaten vermengen, die angebl. belegen, dass man die Philosophie nicht bräuchte. Prof. Gerl.-F. spürt sehr genau den neuesten philosoph. Strömungen nach, die sich in allen Wissensch. breit gemacht haben und belegt stringent die Notwendigkeit des Glaubenswissens. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Sie den Artikel nicht aufmerksam gelesen oder nicht verstanden haben - oder verstehen woll


3
 
 Apfelkuchen 5. September 2011 
 

Calimero vor 13 Stunden

Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, so daß ich Berge versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts.

Es ist also gar nicht notwendig, dass wir alle Erkenntnis haben.Das Glaubensbekenntnis, das Vaterunser, die 10 Gebote, die wir ja eh schon nicht alle immer halten können.Die Bergpredigt.Das ist meiner Meinung nach das Wichtigste, alles andere kommt erst danach.Wir sind heute wieder da, wo wir schon früher waren:Den Glauben durch Bilder zu vermitteln, weil das viele Reden und das Zerreden die Menschen nur verwirrt.Manche reden dann abfällig vom Kinderglauben. Aber es heisst, das niemand ins Himmelreich kommt, wer nicht wird, wie ein Kind.Die spitzfindigen, alles hinterfragenden deutschen Theologen kommen wohl da eher nicht hinein, sondern die alte glaubenstreue russische Babuschka, die Stalin überwunden hat.


2
 
 Apfelkuchen 5. September 2011 
 

Vernunft und Irrationalität

Der Kult der Vernunft (französisch Culte de la Raison) gehörte wie andere Revolutionskulte zu einem Ensemble zivilreligiöser Feste und Glaubensformen während der Französischen Revolution, das an Stelle von Christentum und insbesondere Katholizismus in die gesellschaftlich-politische Mitte treten sollte.
http://de.wikipedia.org/wiki/Kult_der_Vernunft
Nur, was ist die Vernunft ?Was der eine für vernünftig erachtet, ist für den anderen eher vernachlässigbar, manchmal sogar töricht.In der Regel ist alles das vernünftig für mich, was mir selber in den Kram passt.Wir glauben uns vernünftig, aber in Wirklichkeit herrscht in uns oft eben nicht eine objektive Vernunft, sondern heimlich im Untergrund regiert in uns das Wünschen.Zwar ist der Mensch ein vernunftbegabes Wesen, aber Tatsache ist auch, dass wir täglich der Irrationalität anheim fallen.Und deshalb sieht die Welt auch oft so aus, wie sie ist.Gar nicht vernünftig wohhlgeordnet, sondern irrational und chaotisch.


1
 
 bücherwurm 5. September 2011 

@calimero, @Apfelkuchen:

Evangelisierung nicht ENTWEDER mit Herz ODER mit Verstand, sondern SOWOHL mit Herz WIE AUCH mit Verstand. Das ist das katholische Prinzip des \"et...et\". Dies lebt uns unser Papst Benedikt auch vor.


3
 
 Calimero 4. September 2011 
 

Herz oder Verstand?

\"Neuevangelisierung mit Hilfe der Vernunft?
Mit Herz wäre mir lieber.\"
sagt @ apfelkuchen

Mit Herz dürfte auch erfolgversprechender sein.
Wozu das viele rationale Nachdenken über Religion führt, kann man ja an den katholischen Fakultäten der Universitäten ablesen. Glaubensabfall!

Trotzdem ist der obige Text schon sehr interessant.
Ich werde mich weiter bemühen ihn richtig zu verstehen.


2
 
 Apfelkuchen 4. September 2011 
 

Das Wesen des Bösen

bis zur bedrohlichen Form eines Satanismus, wie er bereits seine Opfer gefordert hat

Das Problem ist, dass wir alle in diesem Satanismus mehr gefangen sind, als wir je ahnten.

Jeder, der weiss, was der Satanismus wirklich ist, der kommt zu dem Schluss : Er ist Selbstanbetung, Egoismus, sich selbst zum Gott erklären.
Deshalb soll hier nur mein eigener Wille geschehen.
Und diese Einstellung ist weithin verbreitet.

Im Vaterunser heisst es aber genau anders herum : DEIN Wille geschehe.
Hier steht eben gerade nicht unser Wille im Vordergrund, sondern der Wunsch, dass sein Wille geschehe :

Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens.


2
 
 Apfelkuchen 4. September 2011 
 

Neuevangelisierung mit Hilfe der Vernunft?

Mit Herz wäre mir lieber.

Unsere Kultur ist eh schon viel zu viel verkopft.

Ich habe noch nie erlebt, Menschen allein mit Vernunftgründen überzeugen zu können, egal wie geschickt ich auch argumentiert habe.Immer bleibt da beim andern das Gefühl, man wolle ihm etwas andrehen, was nicht seiner eigenen Erfahrung entspricht.

Gott muss man fühlen, dann kann man ihn auch verstehen, warum er so ist, wie er ist.

Wir müssen Liebe zum Nächsten verbreiten, dann kann auch Gott durch uns verstanden werden, ganz ohne unsere noch so schlaue Predigt und vieles Worte machen.Das Herz entscheidet hier, das wir in rechter Gesinnung Gott gegenüber, dem Nächsten öffnen sollen.

Wir sollen uns deshalb zurücknehmen, einander lieben, unser eigenes Kreuz tragen und einander ertragen, dann wird Gott durch uns hindurchleuchten und sein Licht durch uns auch vom Nächsten verstanden, d.h gefühlt werden.Und nur so können wir auch wirklich überzeugen.


4
 

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