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'Wir sind jetzt gezwungen, mit der herrschenden Meinung zu brechen'

29. Juni 2017 in Kommentar, 6 Lesermeinungen
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„Das christlich-abendländische Konzept, längst in Opposition, wird wieder in kleinen Oasen freimütiger Treue gelebt werden, abseits der grotesk zur Schau gestellten ‚Diversity‘.“ Gastbeitrag zur Ehe für alle-Diskussion. Von Franz Norbert Otterbeck


Berlin (kath.net) Einerseits, andererseits. Man versteht die plötzliche Beeilung beim vermeintlichen Toppthema des 21. Jahrhunderts noch kaum: Einerseits haben wir es kommen sehen. Andererseits können wir nicht schweigen. Es sind schon viele Argumente, vor allem aber Nicht-Argumente, zur Verpartnerung bzw. „Homo-Ehe“ ausgetauscht worden. Vermutlich wollten Lindner (FDP), Göring-Eckardt (Grüne) und Schulz (SPD) u.v.a.m. der Kanzlerin eine Falle stellen. Vielleicht ist sie hineingetappt. Vielleicht erleidet ihre Wahlkampagne jetzt Blessuren, denn bestimmte, nicht nur katholische Unterstützer sind jetzt vollends demobilisiert. „Auch das noch ...“ Oder war das die zweite „Papstohrfeige“ nach 2009? Auch Papst Franziskus wird gezeigt, dass „man“ in Deutschland nicht nur Milde für Ehebruch einfordert? Sondern den völligen Bruch mit der christlichen Identität plakatiert? Die „antiquierte“ katholische Zuordnung von Familie, Kirche und Staat wird seitens der Staatsgewalt mehr und mehr ins Gegenteil verkehrt. Was ist Ehe und Familie? „Das bestimmen wir!“

Es kann hundert Jahre dauern, bis der Wahn sich legt. Aber es wird wieder ein Friedrich Spee kommen und aufklären: So nicht! Man bietet „Ehe für alle“ an, aber eigentlich doch nichts für niemanden. Ich stimme Peter Winnemöller da gern zu. Er schrieb: „Erinnern wir uns an den besonderen Schutz der Ehe und Familie in unserer Verfassung. Eine völlige Dekonstruktion des Ehebegriffs, wie er derzeit erfolgt, führt zur kompletten Abschaffung der staatlichen Ehe als solcher. Die dekonstruierte staatliche Ehe weist eine maximal mögliche Inkongruenz zu dem aus, was ausgehend vom kirchlichen Eheverständnis einmal tatsächlich auch staatliches Eheverständnis war. Da kann der Familienbischof der DBK noch so oft betonen, „die deutschen Bischöfe [betrachten] Ehe als lebenslange Verbindung von einem Mann und einer Frau mit prinzipieller Offenheit für die Weitergabe von Leben ...“ Man muss an dieser Stelle erklären, dass Politiker und andere, die eine „Ehe für alle“ postulieren gar nicht über dasselbe reden, wie ein katholischer Bischof.“ Nebenbei bemerkt: Die Kirche lehrt nicht prinzipielle Offenheit der Ehe für die Weitergabe des Lebens, sondern sogar prinzipielle Offenheit jedes einzelnen ehelichen Aktes für die Weitergabe des Lebens. Denn die Ehe dient dem Menschengeschlecht (und nur irgendwie dann auch der „Selbsterfahrung“).


Der Dissens auf diesem Gebiet begann nicht erst 1968, sondern schon mit der Einführung der Zivilehe unter Bismarck. Mit dem liberalen Scheidungsrecht wurde diese unbeliebt. Denn wenn ein Jawort nicht mehr zählt, fast nur Umstände und Kosten verursacht, dann kann man auch „irregulär“ zusammenleben. Die wenigen, vielleicht zehntausend Katholiken in Deutschland, die das überlieferte Eheverständnis im Vollsinn noch vermitteln könnten (inklusive „Humanae vitae“ usw.), trotz aller diffusen Bischofsworte, werden jetzt nicht dafür kämpfen, dass die sinnentleerte Zivilehe so wieder hergestellt wird, wie Bismarck sie einst sah. Denn auch die entsprach nur zum Schein der christlichen Kultur. Wir sind aber jetzt endlich dazu gezwungen, mit der herrschenden Meinung ganz deutlich zu brechen. Angesichts der mutmaßlichen Dreiviertelmehrheit für antikatholische Gesetzgebung - und das ist nicht die erste Welle dieser Art in Deutschland, muss der Widerspruch allerdings ebenso höflich wie eindeutig formuliert werden. Die Strategie des zaghaften Wohlwollens „für alle“, die ja „Verantwortung“ füreinander übernehmen, ist einmal mehr gescheitert. Toleranz: Ja. Zustimmung: Nein. „Klare Kante“ wäre das stärkere Zeugnis gewesen. Vorbei. Wir fangen wieder „bei Null“ an. Als das alte Rom in Orgien unterging, da überzeugte die christliche Familie, nicht alle, nicht immer, aber doch mehr und mehr.

Das christlich-abendländische Konzept, längst in Opposition, wird also vorerst wieder in kleinen Oasen freimütiger Treue gelebt werden, abseits der immer grotesker zur Schau gestellten „Diversity“. Der Wertewandel für alle wird zwar mit hochmütiger Härte demonstrativ durchgesetzt. Man staunt allerdings, dass eine Gesetzgebung in Gang kommt, für die kaum ein Bedürfnis ermittelt wurde. Wichtigeres bleibt liegen. Die extrem wenigen „Paare“, oft nicht stabil oder nur „sozial“ treu, die überhaupt eine „Verpartnerung“ zelebrierten, benötigen die völlige Gleichstellung in der Zivilehe wohl kaum. Die erdrückende Mehrheit im Parlament will also anscheinend gar kein Problem lösen, sondern eine Moralpredigt „an alle“ aussenden. Auch was Moral ist, das bestimmen wir!

Angeblich geht es da um „moderne“, berechtigte Interessen, aber nicht um moralische Leitbilder? Das kann auch deshalb nicht so ganz stimmen, wenn enthaltsame „Verlobung“ in der jetzt begünstigten Community so gut wie unmöglich war. Queer ist nämlich nicht normal: Im Christentum konnte der Konsens dem Vollzug vorausgehen, lange Zeit sogar gar nicht so selten. Denn es ging ja nicht um „Sex“, sondern um Ehe. Aber auch das Argument der „Keuschheit für alle“ zählt ganz offenkundig nichts mehr. Der Schaden tritt allerdings nicht zuerst bei der Kirche ein. Sie kann im stärkeren Kontrast zur postmodernen Lebenswelt, in der „alles geht“ (und dann doch nicht!), auch wieder mehr Profil gewinnen, ganz allmählich. Wie gesagt: Es kann hundert Jahre dauernd, bis der Wahn sich legt. Die Wahrheit über den Menschen, den Gott erschuf als Mann und Frau, wird sich aber als überraschend widerstandsfähig erweisen. So Gott will und wir leben.

Der Verfasser, Dr. iur. Franz Norbert Otterbeck, ist Rechtshistoriker und Wirtschaftsjurist. Siehe auch kathpedia: Franz Norbert Otterbeck.


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