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Neues katholisches Selbstbewusstsein statt religiöser Beliebigkeit

7. September 2010 in Österreich, 4 Lesermeinungen
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Grazer Bischof Egon Kapellari: Eine Fixierung auf sogenannte "Heiße-Eisen-Themen", wie dies hierzulande auf Kosten der Wirklichkeit im Ganzen oft der Fall ist, wäre für einen weiteren Weg der Erneuerung der Kirche nur behindernd, statt ihn zu fördern


Graz (kath.net)
Kath.Net dokumentiert die Predigt vom Grazer Bischof Egon Kapellari bei der Wallfahrt des Steirischen Bauernbundes in der Basilika von Mariazell am 5. September 2010:

Für ein neues christliches und zumal katholisches Selbstbewusstsein

Predigt bei der Wallfahrt des Steirischen Bauernbundes in der Basilika von Mariazell am 5. September 2010
Liebe hier versammelte Christen und in Ihrer Mitte sehr geehrte Mitglieder des Steirischen Bauernbundes mit Herrn Landesobmann Präsident Ök.-Rat Gerhard Wlodkowski, Herrn Landesrat Johann Seitinger und Herrn Landesdirektor Dipl.-Ing. Franz Tonner an der Spitze, die einmal mehr als Pilger nach Mariazell gekommen sind. Ich freue mich darüber, dass ich aus diesem Anlass wieder mit Ihnen den Gottesdienst feiern kann.

Das Pilgern ist in vielen Ländern Europas wieder zu einer Bewegung geworden, die nicht nur tief im christlichen Glauben Verwurzelte, sondern auch Glauben und Sinn suchende Agnostiker und sogar manche Atheisten einbezieht. Zu diesen Pilgernden gehören auch viele junge Menschen. Pilgerziele sind vor allem die alten Heiligtümer in Rom, Santiago de Compostela in Spanien, Tschenstochau in Polen und Mariazell, aber auch die ökumenische Gemeinschaft der Brüder von Taizé in Frankreich zieht viele und vor allem junge Menschen an.

Mariazell ist in diesem Horizont ein Ort, der seit Jahrhunderten und auch heute wie ein Magnet Menschen aus verschiedenen Ländern, Altersgruppen und sozialen Verhältnissen anzieht. Viele kamen und kommen heute in wachsender Zahl zu Fuß, weil das Ziel desto stärker wirken kann, je bewusster der Weg dorthin befahren oder gegangen wird. Der Weg ist aber nicht wichtiger als das Ziel, wie die Reklame eines französischen Automobilkonzerns den Kunden fälschlich einreden wollte. Weg und Ziel einer Wallfahrt gehören zusammen, wie die beiden Hände eines Pilgers. Das Ziel in Rom, Santiago, Tschenstochau und Mariazell ist jeweils eine Kirche, über der der Himmel sich als offener als anderswo gezeigt hat.


Auf Wallfahrtswegen denken viele Menschen von jeher mehr als sonst auch nach über das Woher und Wohin ihres Lebens. Pilger im engeren Sinn dieses Wortes glauben, dass sie von Gott als ihrem Ursprung herkommen, dass sie durch alle Windungen ihres Lebens- und Glaubensweges hindurch auf Gott als ihr Ziel zugehen und dass sie ohne Gott nur im Kreis gehen würden.

Liebe an dieser Wallfahrt teilnehmende Frauen und Männer! Ihre Lebenswelt ist nicht ausschließlich, aber doch bestimmend der ländliche Raum. Der Bauernstand war in den letzten Jahrzehnten wie wohl keine andere Berufsgruppe einem radikalen Wandel seiner Lebensbedingungen ausgesetzt. Viele Bauern mussten Hof und Beruf aufgeben. Viele andere stehen noch vor der Frage, ob sie oder ihre Kinder in diesem Beruf verbleiben können, verbleiben werden. Diese Frage ist besonders im Hinblick auf eine zu erwartende zunehmende Absiedlung aus ländlichen Regionen in Österreich und zumal in der Steiermark für die Gesellschaft im Ganzen bedrängend. In letzter Zeit haben auch die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise und damit verbundene Preisschwankungen bei verschiedenen agrarischen Produkten zahlreiche Bauern vor kaum bewältigbare Herausforderungen gestellt.

Der Bauernstand als ganzer hat sich allen diesen Herausforderungen mit sehr viel Hirn-, Herz- und Handkraft gestellt und hat in der Steiermark – und hier besonders auch mit Hilfe des Bauernbundes, der Landwirtschaftskammer und der Regierung – ungemein viel Kreativität und Energie zur Erschließung zukunftsweisender Wege erbracht. Er wird sich daher hoffentlich auch in einer zunehmend globalisierten Welt zum Wohl der ganzen Zivilgesellschaft behaupten können.

Nicht nur die Bauern, sondern alle Menschen brauchen oder bräuchten einen festen Boden, auf dem sie wirklich stehen können, und sie brauchen etwas oder jemanden, an dem sie sich anhalten können und der ihnen Heimat gibt. Dieser Boden ist, da wir Menschen ja Geist im Leib sind, zunächst der Boden unserer Erde, die seit Jahrtausenden von Bauern kultiviert worden ist und auch heute kultiviert wird. Dieser Boden ist dann aber auch die Summe jener ethisch-religiösen Werte, auf denen wir Menschen das Haus unseres Lebens so bauen können, dass es uns schützt und nicht einstürzt. Für diesen Boden, für diese Werte steht besonders der christliche Glaube.

Ein bekanntes Sprichwort sagt, dass man die Kirche im Dorf belassen soll. Es erinnert daran, dass der Bauernstand und die Kirche seit Jahrhunderten besonders verbunden waren. Diese gute alte Allianz ist durch den gesellschaftlichen Wandel besonderen Herausforderungen ausgesetzt. Beide Allianzpartner müssen sich ja um je ihren Platz in einer pluralen Gesellschaft bemühen. Die katholische Kirche ist eine riesige Weltkirche. Sie ist heute in einigen Kontinenten und in vielen Ländern sehr lebendig – so besonders in Afrika und Asien. In Mittel- und Westeuropa zeigt die Zivilgesellschaft aber viele Symptome einer kulturellen Spätzeit, geprägt durch Verfall aber auch von manchem neuen Aufbruch. Die Kirche ist hier ganz anders als in anderen Kontinenten betroffen von einer Ermüdung des überlieferten christlichen Glaubens in weiten Teilen der Zivilgesellschaft und neuerdings von der Entdeckung der Verfehlungen einiger kirchlicher Verantwortlicher vor allem gegenüber Kindern und Jugendlichen.

Das hat manche Menschen innerhalb wie außerhalb der Kirche zu völlig unberechtigten Verallgemeinerungen zu Lasten des Klerus verleitet. Viele sind auch deshalb aus der Kirche ausgetreten, viele andere tun dies aber, weil ihnen Gott fern geworden ist. Kirchlicherseits dürfen wir uns davon nicht lähmen lassen. Wir verstecken Fehler nicht, aber wir tragen und beseelen weiterhin einen großen Teil der ganzen Zivilgesellschaft. Unsere große Weltkirche kann kein Schnellboot sein, aber sie bewegt sich und wird sich weiter bewegen, ohne ihre Identität zu verlieren. Eine Fixierung auf sogenannte „Heiße-Eisen-Themen“, wie dies hierzulande auf Kosten der Wirklichkeit im Ganzen oft der Fall ist, wäre für einen weiteren Weg der Erneuerung der Kirche nur behindernd, statt ihn zu fördern.

„Wenn du nicht kannst, was du willst, dann wolle, was du kannst“, hat Leonardo da Vinci vor Jahrhunderten gesagt. Das gilt hier und heute auch für unsere Kirche und für alle Menschen in ihr, deren Glaube lebendig ist. Es gilt ebenso für alle gemeinsam wie für jeden und jede einzeln.

Liebe hier versammelte Christen! Jeder von uns kann die Kirche und die Gesellschaft erneuern, wenn er damit bei sich selber anfängt: durch mehr Zeit für Gott, für Gebet, Gottesdienst, Lesen der Heiligen Schrift, für Weiterbildung im Glaubenswissen (ich verweise dabei besonders auch auf die geistlichen Schriften des Papstes) und durch mutiges und intelligentes Mitreden im Konzert der öffentlichen Meinung, wenn dem christlichen Glauben sein Platz streitig gemacht wird. Kurz gesagt: es geht und ginge um ein neues christliches und zumal katholisches Selbstbewusstsein angesichts verbreiteter religiöser Beliebigkeit und Gleichgültigkeit, angesichts eines neuen aggressiven Atheismus bei kleinen, aber militanten Gruppen und auch angesichts eines in Europa neu angekommenen vitalen Islam.

Dieses christliche Selbstbewusstsein darf nicht dumm arrogant sein. Es muss getragen sein von tiefem Glauben und Gebet, von vertieftem Nachdenken über Gott und Welt und von einem starken sozialen Engagement in Solidarität mit Notleidenden über die Grenzen der Kirche und über die Grenzen unseres Landes hinaus. Dazu bedarf es mehr als nur einzelner gelegentlicher Impulse. Es bedarf einer geduldigen Einübung in ein vertieftes Menschsein und Christsein. Auf dem Weg dazu kann auch eine Wallfahrt wie die heutige ein wichtiger Schritt sein. Möge die Fürbitte unserer Lieben Frau von Mariazell uns dabei helfen.


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