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| ![]() Wie Bach in Japan wirkt16. März 2010 in Weltkirche, 2 Lesermeinungen Zum 325. Geburtstag des Komponisten Johann Sebastian Bach, des "fünften Evangelisten". Ein Beitrag über die außergewöhnliche Wirkungsgeschichte eines Kirchenmusikers. Von Uwe Siemon-Netto. Linz (kath.net) Unlängst brach unter strengen und ganz besonders strengen Lutheranern in den USA ein heiliger Zank aus, wie er bei Lutheranern häufiger vorkommt. Diesmal stritten sie sich im Internet über die Qualität der Musik Johann Sebastian Bachs (1685-1750) - ob und wie sie zur Verkündigung des Evangeliums beiträgt. Dem sei vorausgeschickt, dass beide Seiten immerhin mit dem schwedischen Erzbischof und Nobelpreisträger Nathan Söderblom (1866-1931) übereinstimmten. Der hatte gesagt, dass er in Bachs Matthäuspassion das "Fünfte Evangelium" höre. In dem vorliegenden Zwist ging es um die folgende theologische Nuance. Hatte der anglikanische Kanonikus und Biologe Arthur Peacocke (1924-2006) mit seiner Aussage recht, dass der Heilige Geist persönlich dem deutschen Komponisten Bach die "Kunst der Fuge" in die Feder diktiert habe, sein abstraktestes Werk? Peacocke - eine wichtige Stimme im Dialog zwischen Theologie und Naturwissenschaften - erhielt Beifall von strengen Lutheranern, nicht aber von den Besonders Strengen. Kaum nämlich war der Gedanke, dass Bachs Musik ein Werkzeug des Heiligen Geistes sei, im Internet veröffentlicht, da feuerten die besonders Strengen ein Geschoss schwersten Kalibers ab. "Sir!" empörte sich einer von ihnen, "Sir, wussten Sie nicht, dass der Heilige Geist nur durch das Wort wirkt?" Mit anderen Worten: Passionen und geistliche Kantaten sind dem Heiligen Geist gestattet, reine Instrumentalmusik jedoch nicht. Antwortete ein strenger Lutheraner der milderen Sorte: "Wer konnte schon ahnen, dass der Heilige Geist, bevor er weht, wo er angeblich will, die lutherischen Bekenntnisse aus dem 16. Jahrhundert zu konsultieren hat?" "Bitte taufen Sie mich" Dieser kuriose Zwist wurzelte in konkreten Vorgängen, die zeigen, wie der lutherische Komponist Bach heute Menschen zum Glauben bringt, namentlich Japaner. Da war zum Beispiel der Fall des japanischen Musikwissenschaftlers Keisuke Maruyama, der zu DDR-Zeiten in Leipzig den Einfluss der Wochentags-Perikopen (der Predigttexte für jeden Tag) auf Bachs Kantatenwerk studierte. Als er fertig war, sagte er zu Superintendent Johannes Richter: "Es reicht nicht, christliche Texte zu lesen. Ich will jetzt selbst Christ werden. Bitte taufen sie mich." Da war andererseits der Fall einer Dame gleichen Namens, Yuko Maruyama, die- durch Bachs Musik inspiriert - vom Buddhismus zum Christentum übertrat und heute Organistin an einer lutherischen Kirche in Minneapolis (USA) ist. Sie sagt, ganz im Sinne Arthur Peacockes: "Wenn ich eine Fuge spiele, dann höre ich ein Zwiegespräch zwischen Bach und Gott." Da ist aber auch dieser phänomenale Sachverhalt: Der japanische Agnostiker Masashi Yasuda hörte eines Tages eine CD mit Bachs "Clavier-Übung I", auch italienisches Konzert genannt; der Interpret war der begnadete kanadische Pianist Glenn Gould (1932-1982). Dieses Stück - obwohl ein Werk ohne Worte - weckte Yasudas Interesse am Christentum. "Ich musste herausfinden, welche Kraft diese Musik bewirkt", sagte er mir. Einige Monate später ließ sich Yasuda taufen. Heute ist er Professor für systematische Theologie an der katholischen Sophia-Universität in Tokio. "Aha!" empörte sich ein besonders Strenger, als er diese Nachricht im Internet las, "Aha! Nun wird auch noch behauptet, dass der Heilige Geist einen Japaner in die Krallen des Antichristen gesteuert habe." Ein Knabe will Orgel lernen Nun glauben heutzutage wahrscheinlich nur wenige bekenntnistreue Lutheraner, dass der Antichrist auf dem Thron Petri in Rom sitzt. Wie dem auch sei, der Internetstreit endete mit einem amüsanten Schlenker. Kaum hatte sich der Superstrenge virtuell ausgetobt, da meldete sich eine nicht minder strenggläubige Großmutter aus Portland im US-Bundesstaat Oregon mit folgender Anekdote zu Wort: Ihr Sohn hatte ein uneheliches Kind gezeugt, einen Jungen. Eines Tages gab ihm sein Vater die besagte Glenn-Gould-Aufnahme des "Italienischen Konzerts" von Bach. Einige Monate später setzte sich der Knabe wortlos an seines Vaters Flügel und spielte ihm aus dem Kopf diese Komposition vor. Der Vater hatte keine Ahnung, dass sein Kind dieses Instrument überhaupt beherrschte. Dann wandte sich der Junge an seine Großmutter, die gerade zu Besuch war, und sagte: "Oma, jetzt möchte ich Orgel lernen. Nimm' mich bitte mit zum Gottesdienst." Von diesem Tag an ging er jeden Sonntag mit ihr in die Kirche; heute wirkt er dort als Organist; er ist zu einem lutherischen Christen geworden. Warum ausgerechnet Japaner? Hinter diesen Geschichten über Bach, Gott und Bekehrung verbirgt sich ein Rätsel: Wie kommt es, dass die Musik Johann Sebastian Bachs ausgerechnet bei Japanern, Koreanern, Chinesen und Vietnamesen Konjunktur hat? Wie kommt es, dass rund 20 % der Studenten an der Leipziger "Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn-Bartholdy" Asiaten sind, obwohl sie doch eigentlich aus einer ganz anderen Tonkultur kommen als die Europäer? Der amerikanische Mathematikprofessor Charles Ford, zugleich ein führender Fachmann für die Theologie Dietrich Bonhoeffers, erklärt sich dies so: "Asiaten sind vielfach naturwissenschaftlich sehr begabt. Sie sehen in Bachs Instrumentalmusik eine Reflektion der vollendeten Schönheit des für sie in der Mathematik sichtbar gewordenen Schöpfungswerks. Bach wirkt also auf sie genauso wie auf mich, einen Abendländer." Ford dürfte Recht haben. Aber Bachs evangelistische Kraft 260 Jahre nach seinem Tod wirft noch weitere Fragen auf. Wieso strömen Japaner jedes Jahr zu tausenden in die Konzerte des Organisten Masaaki Suzuki, der sein "Bach Collegium Japan" in den letzten 25 Jahren zu einem der berühmtesten Ensembles der Welt aufgebaut hat? Wieso zahlen sie 600 und mehr Euro für eine Karte zur Matthäuspassion? Wieso lesen sie im Konzert emsig die japanischen Übersetzungen deutschsprachiger Bibeltexte und Choräle im Libretto mit; wieso drängeln sie sich hernach um Suzuki, einen evangelischen Christen? Wie kommen sie auf die Frage, was es denn mit dem Wort "Hoffnung" auf sich hat, das sich nur schwer ins Japanische übersetzen lässt? Welch geistlicher Quantensprung vollzieht sich eigentlich hier? Als Christen verbrannt wurden Japanische Musikwissenschaftler vermuten, dass die Offenheit ihrer Landsleute für westliche Klänge auf den spanischen Fernostmissionar Franz Xaver (1506-1552) zurückgeht, der in der Mitte des 16.Jahrhunderts - begleitet von Jesuiten- und Franziskanerpatres - mit dem Evangelium europäische Kirchenmusik nach Südjapan brachte und dort auch Orgeln aus Bambuspfeifen baute. Noch im selben Jahrhundert reisten drei japanische Prinzen nach Europa und verblüfften ihre adeligen Zuhörer in Madrid und Lissabon mit ihrer Brillanz an der Königin der Instrumente. Das Christentum erlebte eine schnelle, aber nur kurze Blüte im südlichen Japan und wurde dann im frühen 17. Jahrhundert unter den Tokugawa-Shogunen (Herzögen) grausam ausgerottet. Christen wurden gekreuzigt, mit dem Kopf nach unten über Kloaken hängend lebendig verbrannt. Eines aber, so bestätigten mir mehrere Musikwissenschaftler in Tokio, blieb aus jener Zeit erhalten: Spurenelemente westlicher Tonalität retteten sich in die japanische Volksmusik, und dies, so sagte auch Suzuki in einem Interview, "hat uns womöglich jetzt offene Ohren für Bachs Musik beschert und in manchen Fällen auch für seine Botschaft." Dass sich Bachs Werk ungeachtet der Einwände besonders strenggläubiger Lutheraner in Amerika als ein weltweit einsetzbares Werkzeug des Heiligen Geistes erweist, sollte Christen im deutschsprachigen Europa nicht überraschen. Als ich Ende der Siebzigerjahre meine kommunistisch regierte Heimatstadt Leipzig besuchte, um eine Reportage über die Thomaner zu schreiben, den Knabenchor, den Bach von 1723 bis zu seinem Tod 1750 geleitet hatte, fragte ich einige der jungen Sänger, ob sie denn selbst Christen seien. Sie antworteten: "Ohne Glauben kann man Bach nicht wirklich singen." Dann interviewte ich den damaligen Direktor des Leipziger Bach-Archivs. Er war ein strammer SED-Genosse. "Ich bin natürlich Atheist", trumpfte er auf, fuhr jedoch leise fort: "Wenn ich Bach höre, werde ich gläubig." Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte helfen Sie kath.net und spenden Sie jetzt via Überweisung oder Kreditkarte/Paypal! ![]() LesermeinungenUm selbst Kommentare verfassen zu können müssen Sie sich bitte einloggen. Für die Kommentiermöglichkeit von kath.net-Artikeln müssen Sie sich bei kathLogin registrieren. Die Kommentare werden von Moderatoren stichprobenartig überprüft und freigeschaltet. Ein Anrecht auf Freischaltung besteht nicht. Ein Kommentar ist auf 1000 Zeichen beschränkt. Die Kommentare geben nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion wieder. | ![]() Mehr zuMusik
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