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Bald neun Monate Krieg: Wie Helferinnen vor Ort den Alltag meistern

19. November 2022 in Weltkirche, 1 Lesermeinung
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"Dreimal Luftalarm an einem Tag ist für uns ein eher ruhiger Tag": Kinderärztin in Odessa und Don-Bosco-Schwester in Kiew über ihren Einsatz inmitten von Bomben, Bangen vor dem Winter und Hoffnung entgegen aller Prognosen - Von Johannes Pernsteiner


Wien (kath.net/KAP) Bald schon ein Dreivierteljahr dauert Russlands Angriff auf die Ukraine, und ein Ende der täglichen Kämpfe, Bombeneinschläge und Stromausfälle ist auch zu Beginn des Winters nicht in Sicht. Wie junge Helfer vor Ort mit dem schwierigen Kriegsalltag zurechtkommen, zeigen Berichte der Kinderärztin Dr. Anna Bantovska und der Ordensfrau Sr. Nataliya Vakulishyna. Beide verließen ihr Land zu Kriegsbeginn, kehrten dann aber zurück, um auf unterschiedliche Weise die leidende Bevölkerung zu unterstützen: Eine auf der Frühgeborenen-Intensivstation im Kinderspital von Odessa, die andere als Lehrerin in Kiew. Mitte November kamen beide auf Einladung von "Jugend Eine Welt" nach Wien und gaben der Nachrichtenagentur Kathpress Einblicke in ihre Erfahrungen.

Gleich zu Kriegsbeginn im Februar bekam Anna Bantovska wie alle Mediziner der Ukraine die Verständigung, ab nun als Militärarzt eingesetzt werden zu können. Ihr Chef wurde in ein Militärspital abkommandiert, sie selbst als Neonatologin durfte in ihrer bisherigen Tätigkeit verbleiben. Bantovska flüchtete zunächst vor den Bomben nach Deutschland, kam aber schon bald wieder nach Odessa zurück, da sie hier dringend gebraucht wurde. "Wir in der Kinderklinik hätten nie geglaubt, einmal so viele Schusswunden versorgen zu müssen", so die 26-jährige Ärztin. Kollegen aus anderen Ländern, allen voran aus dem selbst lange kriegserprobten Israel, schulten das Spitalspersonal ein, online oder sogar direkt vor Ort, und das kostenlos.

Arzt zu sein zählt in der Ukraine derzeit nicht nur zu den herausforderndsten, sondern auch zu den gefährlichsten Berufen, waren doch Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen in den vergangenen acht Monaten immer wieder Ziele russischer Angriffe. Die Geburtenstation in der im Osten liegenden Großstadt Charkiw etwa wurde von Raketen getroffen, funktioniert dort jedoch durch Verlegung von Kreißsaal und Frühchenstation in den Spitalskeller weiter. "Kaiserschnitte müssen dort nun besonders schnell und trotzdem sauber geschehen, die Rehabilitationszeit ist kurz", berichtet Bantovska über das, was ihre Kollegenschaft vor Ort erzählt.

Geburten stehen für Hoffnung

In Odessa im Südwesten des Landes darf man sich dank funktionierender Raketenabwehr sicherer wähnen - was die Schwarzmeermetropole zum Zufluchtsort für viele Flüchtlinge aus von Russland besetzten oder nahe der Front liegenden Regionen gemacht hat. Das Ergebnis ist, "dass es bei uns in etwa genauso viele Geburten gibt wie vor dem Krieg", sagt Bantovska. Rund 500 Babys habe ihre Frühchen-Intensivstation seit Kriegsbeginn behandelt. Die weiterhin hohe Anzahl von Geburten in der Ukraine sehe sie als positives Zeichen. "Wir alle haben viel Hoffnung. Ohne Hoffnung kannst du ja nicht einmal einen einzigen Tag weiterleben", so die junge Ärztin.


Was die Versorgung mit Medizinprodukten betrifft, gibt es nach dem "Schock" des Kriegsbeginns nun wieder Medikamente, "denn unsere Pharmafirmen produzieren wieder". Großen Mangel gebe es jedoch bei importierten Einwegprodukten wie Kathetern, Spritzen, Einwegkanülen, Infusionsbesteck oder Atemschläuchen, da viele Handelswege unterbrochen sind. Auch das Fehlen von Ersatzteilen für das Equipment macht zu schaffen. Über Hilfen wie etwa vom österreichischen Hilfswerk "Jugend Eine Welt" im Oktober, als ein Lkw eine ganze Ladung Verbrauchsmaterial sowie ein Beatmungsgerät brachte, sei man daher besonders dankbar, betont Bantovska.

Lernen im Bunker

Schauplatzwechsel in die Hauptstadt Kiew, wo Schwester Nataliya Vakulishyna an der Privatschule Johannes Paul II. Englisch, Italienisch und christliche Ethik unterrichtet. Die kleine Bildungseinrichtung startete erst vor einem Jahr und hat bisher erst zwölf Schülerinnen und Schüler. Schon nach wenigen Monaten endete der Unterricht mit dem Krieg abrupt. Ebenso wie die Kinder und Jugendlichen mit ihren Eltern die Ukraine verließen, ging auch Sr. Nataliya nach Polen, um bei einer Niederlassung ihres Ordens die Flüchtlingsversorgung zu koordinieren. Mittlerweile sind alle wieder in Kiew. "Dass die Schule wieder im Präsenzunterricht weitergeht, war für viele Familien der wichtigste Grund zur Rückkehr, neben dem Erhalt des eigenen Arbeitsplatzes", sagt die Ordensfrau. Viele andere Schulen im Land würden weiter nur online unterrichten.

Freilich: Sicher ist die Ukraine nicht, und auch die Hauptstadt verzeichnet weiterhin täglich Raketenbeschuss. "Dreimal Luftalarm an einem Tag ist für uns ein eher ruhiger Tag", meint Sr. Nataliya. In der Schule markiert jedes Sirenengeheul den Gang in den Keller, wo weiter unterrichtet wird - in einem dafür adaptierten Raum, in dem jede Ecke einer Klasse zugeteilt ist. Die Kinder seien äußerst diszipliniert bei der Sache und bemühten sich sichtlich darum, andere nicht durch Lärm zu stören, erzählt die 42-Jährige. Endet der Alarm, wollten ihre Schützlinge oft noch länger im Keller bleiben. Der Grund: die große Spielzeugauto- und Modelleisenbahntrasse, die dort als Pausenbeschäftigung aufgebaut wurde.

Krieg gegen die Kälte

Sorgen bereitet dem sich aus Don-Bosco- und Josefs-Schwestern zusammensetzenden Lehrkräfte-Team derzeit vor allem die Stromversorgung. Als Kiew in der Vorwoche schwere Angriffe erlebte, habe es über zwölf Stunden lang keinen Strom gegeben, wodurch auch die Gasthermen-Heizung nicht ansprang. "Da wir noch keinen Stromgenerator haben, verständigten wir die Eltern trotz Luftalarm, sie mögen die Kinder abholen", berichtet Sr. Nataliya. Kürzere Blackouts federt man ab, indem die Klassen schon frühmorgens vor dem Unterricht aufgeheizt werden. Ob dies im Winter noch gelingt, ist jedoch fraglich angesichts der fortdauernden Zerstörungen der Elektrizitäts-Infrastruktur und auch der klirrenden Kälte. "In Kiew kann es im Winter 20 bis 30 Minusgrade haben. Prognosen für einen milden Dezember lassen uns hoffen", so die Ordensfrau.

Im Wettlauf mit der Zeit befindet sich die Ukraine wegen der Temperaturen bei der Instandsetzung der zerstörten Wohnhäuser und Wohnungen, die teils mit staatlicher Förderung schon vor sich geht, obwohl der russische Beschuss noch anhält. "Bei vielen sind Dach und Fenster kaputt und müssen repariert werden, zudem werden in Kiew hunderte Zufluchtsorte geschaffen", erklärt die geistliche Schwester. Viele Elektrogeräte seien wegen der Ausfall-bedingten Netzüberspannungen zerstört, Generatoren überall Mangelware. Die Not sei jedoch auch am Land groß, erlebt Sr. Nataliya bei Einsätzen, in denen aus dem Ausland gebrachte Hilfsgüter und Winterkleidung verteilt werden. "In jedem Dorf, in das wir kommen, gibt es große Bedürfnisse. Was viele Menschen rettet, ist die große Solidarität untereinander."

Seelischer Wiederaufbau

Nicht nur der Ukraine als Land, sondern auch ihren Bewohnern brachte der Krieg eine drastische Zäsur. "Mein Leben hat sich seit dem 24. Februar völlig verändert. Ich hatte so viele Pläne und weiß nun nicht, ob ich sie umsetzen kann", sagt die Ärztin Bantovska, und ringt dabei mit den Tränen. Schon der Gedanke daran mache sie wütend. "Wenn ich den Krieg überlebe, werde ich ihn sicher nie vergessen können. Ich möchte damit aber besser umgehen als meine Großeltern mit deren bitteren Erfahrungen aus dem Holodomor und Zweiten Weltkrieg." Ihre Strategie: Das Lesen psychologischer Beiträge wie auch ihre tagtägliche Arbeit für die Kinder im Spital. Auch Sr. Nataliya spricht von "Wunden der Seelen, die schlimmer sind als die Zerstörung der Gebäude". Selbst falls der Krieg schon bald enden sollte, werde die Heilung "Generationen" dauern.

Als große Hilfen für das Weitermachen inmitten des Leides sehen beide Frauen übereinstimmend die internationale Unterstützung für die Ukraine und auch die Erlebnisse im Ausland während der ersten Kriegsmonate - Bantovska als Geflüchtete, Sr. Nataliya als Flüchtlingshelferin. "Ich bin völlig beeindruckt und verstehe bis heute nicht, wie es sein konnte, dass so viele Menschen uns als völlig Fremde ihre Wohnungen geöffnet und freundlich aufgenommen haben", formuliert die Kinderärztin. Dieselbe Aussage kennt auch die Ordensfrau Sr. Nataliya nur zu gut - von anderen Frauen, die vorübergehend in Polen oder anderen Ländern Zuflucht gefunden hatten. "Auch wenn die meisten von ihnen nicht gläubig sind, kann ich ihnen dann ganz einfach sagen: Das war gelebte christliche Nächstenliebe. Polen hat uns in seine Hände aufgenommen. Dieses Wissen gibt uns Sicherheit."

Unbezahlbare Präsenz

Zwei weitere Hoffnungs-Aspekte heben die beiden in Kiew und Odessa tätigen Frauen neben den militärischen Rückgewinnen als besonders bedeutend hervor. Einerseits die Erfahrung der Helfer, vor Ort gebraucht zu werden. "Unsere persönliche Präsenz ist unbezahlbar", findet Schwester Nataliya. Der Hilfseinsatz der Priester, Ordensleute und Pfarrmitarbeitern werde als "Zeugnis" gesehen, fülle die Gottesdienste sogar unter der Woche, erneuere das Gemeindeleben und lasse bisherige Schranken zwischen Glaubensgrenzen fallen. Die Ärztin Bantovska verweist zum Zweiten darauf, "dass es bei diesem absurden Krieg um die Wahrung von Gerechtigkeit, Freiheit, Frieden und Menschenrechte geht. Dass dies nun auch die ganze Welt erkennt, motiviert uns in der Ukraine alle sehr. Es ist wie ein Frühling für unsere Nation, für ihr Selbstverständnis und die Solidarität."

Nach Wien gekommen waren Dr. Bantovska und Sr. Nataliya zu einem mehrtägigen Nothilfe-Training von "Jugend Eine Welt", bei dem auch andere Projektpartner aus den ukrainischen Nachbarländern Slowakei, Polen, Rumänien und der Republik Moldau sowie auch aus Spanien von der Ordensleitung der Don Bosco Schwestern in Rom anwesend waren. Unterstützung im Umfang von 1,7 Millionen Euro konnte die Hilfsorganisation bisher für die Ukraine vermitteln, darunter zuletzt einen Hilfstransport nach Odessa.

Copyright 2022 Katholische Presseagentur KATHPRESS, Wien, Österreich

Alle Rechte vorbehalten

Sr. Nataliya Vakulishyna FMA (links) beim Unterricht im Bunker der Johannes-Paul-II-Schule in Kiew (c) kathpress(/Don Bosco Schwestern Kiew/Vakulishyna

 


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Lesermeinungen

 FSM 20. November 2022 
 

Neun Monate Krieg und leider immer noch kein Ende abzusehen, schlimm.


0
 

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