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Benedikt, einsamer Friedensbote im aufgewühlten Orient

14. September 2012 in Aktuelles, 3 Lesermeinungen
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In Beirut versucht Papst Benedikt XVI., die Empörung über den antiislamischen Film zu beschwichtigen. Den Libanon lobt er als ein Modell des friedlichen Zusammenlebens der Religionen. Von Paul Badde/Die Welt aus Beirut


Beirut (kath.net/DieWelt)
Eine Busreise von Jerusalem nach Beirut dauerte im letzten Jahrhundert vielleicht sechs Stunden. Heute ist der Weg seit Jahrzehnten eine Unmöglichkeit. Selbst der Navigator des iPhones kapituliert vor der Aufgabe, die virtuelle Strecke zu berechnen. Es ist, als lägen die beiden Städte auf verschiedenen Sternen. Und da ist etwas dran.

Dennoch liegen beide Hauptstädte im Heiligen Land, durch das die "Patriarchen und Propheten zogen", wie Benedikt XVI. am Freitag auf seiner jüngsten Pilgerreise sagte. Hier "ragte das Kreuz des Heilands" empor. Auch Syrien und Ägypten zählen zu diesem Heiligen Land. Die Zedern des Libanons sind in den Psalmen ebenso sprichwörtlich wie die Anmut seiner Bewohnerinnen.

König Salomon stand in engem Kontakt zu König Hiram in der heutigen Stadt Tyrus, die schon eine Hafenstadt der Phönizier war. Die Gesamtheit des heutigen Heiligen Landes aber ist völlig zerrissen und zerfressen von Kriegen und Gewalt, auch wenn die Küste vor Beirut beim Landeanflug ebenso friedlich unter der Alitalia-Maschine des Papstes auftaucht, wie sie vor Jahren unter ihm bei Tel Aviv auftauchte, bevor er im Flughafen Lod den Boden Israels betrat.

"Keine Angst"

Jetzt dauerte der Flug nur dreieinhalb Stunden von Rom nach Beirut, das aus dem nahen Jerusalem fast nicht zu erreichen ist – wohl aber aus dem noch näheren Damaskus, von wo in den letzten Wochen und Monaten viele Tausende von Flüchtlingen in den Libanon geströmt sind, und aus Aleppo und Homs, "Christen wie Muslime", wie der Papst schon im Flieger betonte. Der Krieg mache keinen Unterschied im allgemeinen Leid, das er über die Menschen bringe.

"Nein", sagte er schon in der Luft, wo die Maschine immer wieder in schwere Turbulenzen geriet, er habe "keine Angst". Es war, als spiegelte auch der Luftraum auf beängstigende Weise die gespenstische Fata Morgana der Atmosphäre des Krieges überall im Nahen Osten. Und den Tsunami der Gewalt, der da unten gerade eine Kapitale des Orients nach der anderen heimsucht.


Er habe auch nie gezögert, diese Reise anzutreten, fuhr der Papst fort. Er war zögerlich vor die Journalisten getreten, doch sprach er fest zu ihnen, als er sie aufforderte und einlud, ihm bei der Arbeit für den Frieden beizustehen, für die er diese Reise angetreten haben.

Jeder Fundamentalismus sei eine Verfälschung der Religion und verkehre ihr Wesen ins Gegenteil. Eine "schwere Sünde" sei auch der Waffenhandel, der zahlreiche Konflikte wie eine Pipeline des Bösen nähre.

Und der "arabische Frühling"? Auf diese Frage zögerte er keine Sekunde. Dieser Aufbruch könne und dürfe nur positiv zu bewerten sein, es sei ein Schrei der Jugend nach Freiheit und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

Quasi im Auge des Hurrikans

Was die Christen des Libanons aber wohl am meisten von ihm erwarten, ist ein Aufruf und Ansporn des Hauptes der Christenheit zu einem christlichen Frühling in der Region, gerade in dieser Stunde ihrer besonderen Not. Darum ist der Papst auch gekommen, und er tut alles, um sie nicht zu enttäuschen.

In Beirut landet Benedikt XVI. quasi im Auge des Hurrikans, furchtlos wie Leo der Große vor den Hunnen bei Mantua, während US-Kriegsschiffe vor der Küste Libyens aufkreuzen und ein aufgepeitschter Mob im Sudan die deutsche Botschaft stürmt.

Politisch brisantere Stürme gab es in seiner Amtszeit noch nie, als er auf dem Rafik-Hariri-Flughafen vor General Michel Sleiman, den Präsidenten der libanesischen Republik, und vor die versammelte Elite des Landes tritt und das Wort "Krieg" in seiner Begrüßungsrede kein einziges Mal in den Mund nimmt.

Vielmehr beschwört er gleich zu Beginn die enge Verbindung dieses uralten Musterlandes mit dem Westen, wo die Patriarchen der Maroniten als Ausdruck ihrer Verbundenheit und ihres lebendigen Austauschs mit Rom und den Päpsten seit jeher den Beinamen "Petrus" im Namen tragen.

Gleichgewicht von extremer Delikatesse

In den kommenden Tagen aber will er den Zedernstaat vor allem dem Nahen Osten und der ganzen Welt als ein "Modell" vorstellen, wie "in einer Nation die Zusammenarbeit der verschiedensten Kirchen gelingen kann, die alle zusammen in friedlicher Koexistenz und respektvollem Dialog mit anderen Religionen kommunizieren".

Natürlich, schränkt er ein, sei dieses Gleichgewicht, das von so vielen als Vorbild bewundert werde, von extremer Delikatesse. Und oft gerate es auch in Gefahr, wie ein kostbarer alter "Bogen überspannt" zu werden.

Das immer höchst gefährdete libanesische Modell des sublimen Gleichgewichts zwischen den Religionen, Konfessionen und Ethnien zu erhalten, sei eine Herausforderung, wo "große Weisheit zum Wohl aller ganz besonders gefordert" sei. Hier schlägt er den Bogen selbst zu König Salomon, dem Freund König Hirams, der eben diese Weisheit "eines hörenden Herzens" leidenschaftlich von Gott erbeten und bekommen habe.

Kopplung des Glaubens an die Vernunft

Es ist ein Bogen, der von Beirut bis zurück nach Berlin führt, zu seiner epochalen Rede vergangenen September vor dem Bundestag. Die strenge Kopplung des Glaubens an die Vernunft (und umgekehrt) für die Architektur einer kommenden besseren und friedlicheren Welt ist schon jetzt zu einer Signatur seines Pontifikats geworden.

Was dies für den Nahen Osten bedeutet, hat er in einem Dokument mit dem Namen "Ecclesia in Medio Oriente" niedergelegt, das er am Freitagabend unterzeichnet, um es ab Samstag der Welt als "Roadmap" für die kommenden Jahre vorzustellen.

Vor ihm hat auch schon Präsident Suleiman (auf deutsch: Salomon) an die unersetzliche "christliche und muslimische Koexistenz zur Bewahrung der historischen Berufung der Rolle des Libanons" erinnert, die "alle Völker der Levante" angehe. Hier sei schon vor Urzeiten "das Alphabet zur Strukturierung der Gedanken" erfunden worden, die das Land der Phönizier dem Westen und der ganzen Welt als Mittel der Kommunikation und des gegenseitigen Verständnisses geschenkt hätten.

Trommelwirbel umrahmen die Reden. Das Meer leuchtet matt hinter dem Rafik-Hariri-Flughafen. Wind fährt dem Pontifex in die Haare. Den Soldaten aber, die zum Schluss am Präsidenten und dem Papst vorbeiparadieren, wurden in weiser Vorsicht die Munitionsmagazine aus den automatischen Waffen herausgenommen.

Die Rede als Video



Die Unterschrift unter das Schreiben



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