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Wegsperren für immer?

10. November 2002 in Deutschland, keine Lesermeinung
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Immer mehr rückfällige Triebtäter nähren Zweifel an der Therapierbarkeit Ein Kommentar von Christa Meves


Die psychiatrischen Gutachter für Wiederholungstäter werden knapp. Zu häufig und spektakulär erwiesen sich die Stempel, mit denen die Fachleute ihnen eine erfolgreich abgeschlossene Therapie bescheinigten, als unangemessen: Sie vergewaltigten doch wieder, sie entführten doch wieder ein Kind, sie mißbrauchten und töteten es häufig sogar. Sie erwiesen sich als typische Serienkiller und als typische Kinderschänder. Mit Recht spricht die Polizei von einer typischen „Handschrift des einzelnen Verbrechers“. Und ein Großteil der kriminologischen Fahndungserfolge beruht darauf, daß bereits vorausgegangene Taten aktenkundig geworden sind.

Warum läßt man sie immer wieder laufen?

„Wegsperren für immer“, ruft deshalb Bundeskanzler Schröder und bildet so – bewußt populistisch – ein Echo der berechtigten Empörung in der Bevölkerung über eine neu ruchbar gewordene Triebtat eines rückfällig gewordenen Delinquenten. Aber warum tun Justiz und Psychiatrie – und erst recht die Psychotherapie – sich so schwer, der Rückfallgefahr entsprechend Rechnung zu tragen? Warum lassen sie die sich schließlich doch als unverbesserlich erweisenden Täter immer wieder laufen, wird damit doch immer neu eine erhebliche Gefahr – oft sogar für Kinder – heraufbeschworen? Das liegt zunächst einmal daran, daß nicht alle Rückfalltäter später bei den Gerichten wieder in Erscheinung treten. Tatsächlich werden 60 bis 80 Prozent wieder rückfällig. Aber nur 30 Prozent der im Strafregelprozeß Therapierten treten erneut strafrechtlich in Erscheinung. Muß man nicht annehmen, daß die Therapie den übrigen geholfen hat? Und rechtfertigt das nicht alle nur erdenkliche Bemühung? Jedenfalls stützen die Zahlen der anscheinend nicht wieder rückfälligen Täter den oft jahrelangen Aufwand der Therapeuten. Was hätte das für einen Sinn, wenn die Kranken gar nicht heilbar wären? Aber haben Psychiatrie und Psychologie dafür sichere Kriterien? Die Fehlurteile der letzten Jahre lassen daran zumindest bei den 70 Prozent der anscheinend Geheilten Zweifel anmelden. Sind nicht einige von ihnen in einen „Untergrund“ verschwunden, indem sie angesichts neuer aufgeklärter Straftaten, die ihrer „Handschrift“ entsprechen, nicht mehr auffindbar sind?

Viele geben sich zunächst als reuige Sünder

Hier wird eine Aporie sichtbar, die nicht allein die Gutachter vor solchen Aufgaben zurückschrecken läßt. Wer je als Psychotherapeut vom Gericht zur Behandlung eines durch Triebtaten straffällig gewordenen Patienten beordert wurde, kann ein Lied davon singen, wie schwer es ist, durch die Arbeit mit dem Inhaftierten nüchtern mißtrauische Objektivität im Hinblick auf eine eventuelle, ja wahrscheinlich weiter bestehende Gefahr im Auge zu behalten: Viele Triebtäter geben sich aufgeschlossen beim Bekennen zu ihren Straftaten. Sie sind gewissermaßen reuige Sünder. Hat erst einmal ein Kontakt mit dem Behandler aufgebaut werden können, scheint sich die Arbeit konstruktiv zu gestalten. Jetzt kommen meistens Erlebnisse aus der Vorgeschichte des Delinquenten zur Sprache: Nestlosigkeit, Vernachlässigung, Scheidungswaisenschicksal, Mißhandlungen, sexueller Mißbrauch, frühe Panikattacken – Fakten, die geeignet sind, eine Erklärung für die Untat durch den Aufbau einer negativen Entwicklung abzugeben. Die Willigkeit des Therapierten und seine wiederholte Bekundung: „Ich will es nun auch ganz und ganz und ganz gewiß nicht wieder tun“, können den schrecklichen Tatbestand verklären. Der Wunsch nach Freilassung ist allemal der Vater der Ausführungen des Gefangenen. Der bereits psychologisch gewiefte Täter legt es verständlicherweise oft geradezu auf die Täuschung des Behandlers an. Andere Triebtäter neigen darüber hinaus zum Selbstbetrug über die Reversibilität ihrer pathologischen Neigung. Das wird nur allzuoft verkannt. In diese Falle geriet vor einiger Zeit eine Hamburger Therapeutin, indem sie sich während der Behandlung eines Wiederholungstäters in diesen verliebte und ihm zur Freilassung verhalf, was dieser ihr mit einer neuen Greueltat übel vergalt.

Ein Mörder-Gen?

Auch das begonnene Strafverfahren gegen den aus seinem Freigang entflohenen Triebtäter Frank Schmökel wird die Öffentlichkeit mit Fehleinschätzungen der ihn einst betreuenden Instanzen konfrontieren. Wer wohl mag da noch begutachten, wer unter den erfahrenen Psychotherapeuten noch zur Behandlung von Straftätern zur Verfügung stehen? Denn auch die Frage nach einem Mörder-Gen ist wieder aus der Verwendung aufgetaucht. Immerhin ist die neue Maßnahme der Bundesregierung, die Freilassung therapierter Triebtäter von getrennt untersuchenden Gutachtern abhängig zu machen, ein Schritt in die richtige Richtung; denn eine Praxiserfahrung weiß allemal: Die Fehlnutzung der Sexualität führt nur allzuhäufig in die Sucht – schon ganz und gar, wenn dies sich auf dem Boden einer seelischen Verletzung, eines Traumas, aufgebaut hat.

Der Trieb verselbständigt sich

Jenseits der Pubertät eingebahnte Süchte zu heilen, ist grundsätzlich Sisyphusarbeit mit unsicherem Ausgang. In diese Kategorie gehören gewiß viele rückfällige Triebtäter, schon ganz und gar, wenn sie durch traumatisierende Eingriffe Erwachsener im Kindesalter entstanden sind. Dann kann das Opfer, erwachsen geworden, unter Umständen selbst zum Täter werden. Der verabsolutierte Trieb verselbständigt sich: Der Betroffene verliert seine innere Freiheit. Er wird durch seine Phantasien an die ausgemalte Tat so lange gefesselt, bis er eine Gelegenheit findet, sie auch auszuführen. Die vornehmlich männlichen Triebtäter sind oft unentwegt auf der Jagd nach ihrer speziellen Beute: Nicht selten wird ein Kind gesucht, das so hilflos ist, wie der Täter als mißbrauchtes oder mißhandeltes Kind selbst war. Bei den Vergewaltigern von Frauen war manchmal ein weibliches Wesen mitverursachend an der zum Verbrechen entartenden seelischen Verletzung. Das heißt: Der Triebtäter ist ein Abhängiger. Deshalb ist seine Therapiebarkeit grundsätzlich eine heikle Angelegenheit.

Sexualsüchte eindämmen

Diese Einsicht sollte den Impuls zur Folge haben, alles nur Erdenkliche zu tun, um die mittlerweile epidemisch gewordenen Sexualsüchte einzudämmen. Wer die abscheuliche Verbrechensart, die sich immer häufig darauf aufbaut, wirksam bekämpfen will, muß beim Vorbeugen anfangen. Wir brauchen Besinnung darauf, was Kindern seelischen Schaden zufügt. Wir brauchen eine umfängliche Erziehung der Erzieher – besonders der künftigen Eltern – mit Hilfe von Information über die Voraussetzungen zu seelischer Gesundheit im Erwachsenenalter. Das bedeutet aber auch: Der verabsolutierte Sex bedürfte einer neuen Disziplinierung. Die Liberalisierung der Pornographie, die Aufweichung der entsprechenden Paragraphen müßten wieder rückgängig gemacht werden. Pornoringe im Internet müßten mit allen Mitteln verfolgt werden. Fernsehen und Videos müßten von entsprechenden Bildserien gereinigt werden. Der Mensch besitzt einen Nachahmungstrieb, der sich zu schädlichen, zu Seelen zerstörenden Verhaltensweisen mißbrauchen läßt. Mit der sensationsgierigen Fehlnutzung der Triebtaten in den Medien, mit reißerischen Schlagzeilen ist es gewiß nicht getan, schon ganz und gar nicht, wenn auf der gleichen Seite, auf der eine Untat präsentiert wird, ein nacktes Girl in entsprechender Pose zum Sex anregt. Das ist eine besonders makabere Schizophrenie unserer Medienwelt. Hier muß der Rotstift der echten Beschützer von Frauen und Kindern ansetzen, wenn wir Hoffnung haben wollen, zu gesunden.
(Die Autorin, Christa Meves (Uelzen), ist Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin) (idea)

Foto: (c) www.christa-meves.de



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