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Kirche fungiert auch als Auffangbecken für etwas 'verdrehte' Personen

4. Juni 2012 in Österreich, 2 Lesermeinungen
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Raphael Bonelli bei "Theologie von Fass"-Veranstaltung in Linz: Glaube macht nicht neurotisch, aber es gibt eine neurotische Form zu glauben. Von Victoria Fender.


Linz (kath.net/vf) „Ich mach nicht selbst Religion, ich mach Psychotherapie“. Dies sagte der Wiener Psychotherapeut und Universitätsdozent Raphael Bonelli (Foto) in seinem Eingangsstatement vergangene Woche in Linz, als er bei der Veranstaltungsreihe "Theologie vom Fass" über Psychotherapie und Seelenheil sprach. Es sei sehr wichtig, Psychotherapie von Seelsorge zu trennen, erläuterte Bonelli. Das sind zwei unterschiedliche Aufgaben, bei denen es gefährlich sein kann, wenn der Priester versucht, therapeutisch zu analysieren oder umgekehrt, der Therapeut zum Moralapostel wird.

Es stimmt, dass Psychotherapie und Seelsorge heutzutage oft nicht kompatibel sind. Es gibt Priester, die glauben, entscheiden zu können, dass ein Patient Medikamente absetzen kann. Aber „Depressionen gehen durch Beten nicht unbedingt weg. Es gibt manchmal eine gewisse Selbstüberschätzung im religiösen Bereich. Niemand kann Gott befehlen zu heilen.“ „Und Psychotherapeuten überschätzen sich noch viel mehr“, manche spielen sich sogar zu richtigen Gurus, fast schon zu Sektenführern auf. Die gegenseitige Abneigung und Kompetenzüberschreitung ist somit manchmal nachvollziehbar.

Doch Priester und Psychotherapeut schließen einander nicht prinzipiell aus. Wenn jeder seine Grenzen kennt und einhält und beide nicht hypertroph agieren, können sie einander sogar perfekt ergänzen.

Die Rollenaufteilung muss eindeutig sein: Ein Psychotherapeut kümmert sich um die Befindlichkeit des Menschen. Seine Aufgabe ist es, den Patienten frei zu machen. Denn oftmals hat der Mensch seine Freiheit verloren, etwa durch Depressionen oder Ängste. Angst schränkt die persönliche Freiheit extrem ein. Der Therapeut muss dem Patienten somit seine Handlungsfähigkeit zurückgeben.

Der Seelsorger ist dafür zuständig, dem Menschen zu zeigen, was er mit seiner Freiheit anfangen kann. Denn nur, wenn der Mensch frei ist, dann kann er sich zwischen Gut und Böse entscheiden, dann kann er sich in Tugenden üben oder in der Sünde verfangen. Deswegen ist die geistliche Leitung dafür zuständig, im Menschen Gottesliebe zu entfachen, ihm Moral zu vermitteln und ihn zu Handlungen in diesem Sinne anzuleiten.



Braucht ein religiöser Patient einen religiösen Psychiater?

Auf die Frage, ob ein religiöser Mensch einen religiösen Psychiater braucht, antwortet Bonelli: „Er braucht vor allem einen guten Psychiater, vor allem jemanden, der seine Kompetenz nicht überschreitet. Ein Psychiater braucht eine Wertschätzung für das religiöse Leben und das Wissen, dass Religion den Menschen gut tut und auch darüber, was ihm helfen kann, schwierige Lebensereignisse zu überwinden.“

Achtung vor dem Glauben und der Religiosität des Patienten ist sehr wichtig und gleichzeitig hilfreich, denn die meisten Religionen bauen auf gewissen moralischen Grundregeln auf, die dem Menschen Richtlinie und Anleitung für ein gelungenes Leben sind.

Bonelli betreut auch muslimische Patienten und kann dabei genau dieses Phänomen beobachten. Ein muslimischer Patient fragte einmal begeistert, woher Bonelli den Koran kenne. Die schlichte Antwort darauf war: „Den hab ich nie gelesen“.

Schließlich sind religiöse Richtlinien wie die 10 Gebote für den Menschen und nicht gegen ihn gemacht. So stellte einmal ein Patient ohne religiösen Hintergrund fest, dass es „eigentlich irrsinnig mühsam sei und gar kein Spaß mache, drei Freundinnen neben der Ehefrau zu haben.“

Im Zuge einer Therapie arbeitet Bonelli gerne mit den Begriffen Bauch, Kopf und Herz. Der Bauch stellt in diesem sprachlichen Bild die Emotionen, die Leidenschaften und Gefühle dar. Menschen ohne Bauch seien keine wirklichen Menschen. Der Kopf ist die Vernunft. Er sucht nach der Wahrheit und beurteilt die Gefühle. Und schlussendlich gibt es das Herz, das mit dem Willen gleichgesetzt werden kann.

In der heutigen Zeit wird oft der Bauch mit dem Herzen verwechselt. Der Bauch ist das neue Orakel. Wenn man etwas fühlt, dann muss man darauf hören, vermittelt der Zeitgeist. Doch das ist gefährlich, denn Gefühle kommen und gehen, wechseln täglich und sind keine sichere Grundlage für Entscheidungen. Es gibt gute und schlechte Leidenschaften und der Bauch kennt keine Moral. Deswegen muss dann der Kopf die Vernunftgründe abwägen und schlussendlich das Herz eine Entscheidung fällen.

Es ist das Herz, mit dem wir lieben und mit dem wir beten. Mit dem Herzen können wir uns aus Liebe selbstlos hingeben, aber auch um des anderen willen verzichten. Letzteres ist ein eindeutiges Zeichen dafür, dass sich das Herz und nicht der Bauch zu Wort meldet, denn der Bauch schaut nur auf die eigenen Bedürfnisse, der Bauch kennt kein Du.

Bei dieser Metapher ist es wichtig klarzustellen, dass sich biologisch sowohl Kopf, als auch Bauch und Herz im Gehirn befinden. Der Bauch wäre mit dem Limbischen System zu vergleichen, das fähig ist, das Frontalhirn, also das Herz, zu manipulieren.

Macht Glaube neurotisch? Und: Was heißt überhaupt neurotisch?

Selbst die drei Begründer der Wiener Psychotherapieschulen sind hier unterschiedlicher Meinung: Sigmund Freud meinte, dass Neurosen entstehen, wenn Sexualität unterdrückt wird. Alfred Adler postulierte Neurosen als Minderwertigkeitsgefühle, als Machtlosigkeit, mit der man nicht klar kommt, und Viktor Frankl erklärte eine Neurose als Leiden am sinnlosen Leben.

Eine Neurose ist ein enges „In-sich-selbst-Gefangensein“, eine Angst um sich selbst, denn schlussendlich ist jede Angst in gewisser Weise egozentriert, meint Bonelli.

Neueste wissenschaftliche Studien beweisen, dass Religiosität dem Menschen zu 90% gut tut. Und was ist mit den restlichen 10%? Dazu muss man zwischen zwei verschiedenen Motivationen zur Religionsausübung unterscheiden:

Der intrinsisch motivierte Gläubige sucht nicht nach dem eigenen Vorteil, sondern achtet die Transzendenz hoch, unterwirft sich Gott und will der Religion dienen.

Dem extrinsisch Motivierte hingegen bedient sich der Religion. Er geht z.B. am Sonntag in die Messe, um gesehen zu werden, um seinen Ruf zu verbessern, um seine eigene Person zu präsentieren. Diese Menschen leiden unter ihrer „Religiosität“ und repräsentierten vermutlich die 10% derer, denen Religion nicht gut tut.

Zusammengefasst muss man sagen, dass Glaube nicht neurotisch macht, aber dass es sehr wohl eine neurotische Form zu glauben gibt. Da die Kirche barmherzig und offen für jeden Menschen ist, fungiert sie eben auch als Auffangbecken für etwas „verdrehte“ Personen.

Der Zeitgeist, der zur Selbstverwirklichung drängt, tut der Psyche nicht gut. Die religiöse Einstellung jedoch, nämlich nicht auf sich selbst, sondern auf den anderen zu schauen, ist dem Menschen sehr gemäß. Denn der Mensch genügt sich nicht allein. Er lebt von der Hingabe, der Beziehung zu anderen Menschen, dem Sich-Schenken. Das macht ihn viel glücklicher als das Beschenkt-werden.

Das kath.net-Video des Vortrags:


Foto (c) Raphael Bonelli


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