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Die Religion der Liebe

18. Februar 2006 in Aktuelles, keine Lesermeinung
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…ist das Christentum. Das zeigt die Enzyklika "Deus Caritas est" von Papst Benedikt XVI., schreibt der Regensburger Bischof in einer Einführung zur Enzyklika.


Regensburg (www.kath.net) Der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller hat eine Einführung in die Enzyklika Papst Benedikts XVI. verfasst. Wir dokumentieren sie im Wortlaut:

Einführung in die Enzyklika Papst Benedikts XVI. „Deus Caritas est“
Von Bischof Gerhard Ludwig Müller

Das 20. Jahrhundert war von Ideologien und Männern bestimmt, die der Welt rücksichtslos auf das Lebensglück von Millionen Menschen ihren Willen aufzwingen wollten. Ihre eigenen Ideen hielten Stalin, Hitler, Pol Pot, MaoTseTung für das Heil der Welt und die Zukunft des Menschen nach ihrem Bild und Gleichnis. Auch heute erleben wir wie der weltweite Terrorismus, manchmal sogar im Namen Gottes Hass und Gewalt zum Mittel für eine künftige bessere Welt erklären.

Demgegenüber ist das Christentum die Religion der Liebe. Die Liebe, mit der Gott uns Menschen alle im überreichen Maß beschenkt und unsere Antwort in der Hingabe an Gott und den Mit-Menschen ist die Wesenserfüllung des Menschen. Mit den Worten der Enzyklika: „Die Liebe ist nun dadurch, dass Gott uns zuerst geliebt hat, nicht mehr nur ein Gebot, sondern Antwort auf das Geschenk des Geliebtseins, mit dem Gott uns entgegengeht“ (Nr. 1) Gottes- und Nächstenliebe sind die Herzmitte des christlichen Glaubens an die schöpferische, erlösende und vollendende Macht Gottes des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Liebe und Haß- zwischen diesen Alternativen wird sich das Schicksal der Welt und jedes einzelnen Menschen erfüllen. Das ist das Thema des ersten Rundschreibens unseres Papstes Benedikt XVI.

I. Liebe kann missverstanden werden als ein bloßer Moralappell, ein folgenloser Aufruf zum Guten, während die reale Welt unbeirrt ihren Weg von Hass und Egoismus, von Selbstsucht und absoluter Orientierung am Eigennutz weitergeht. Man kann aber auch fragen, warum das 20. Jahrhundert nicht nur Ungeheuer hervorgebracht hat, sondern auch Menschen wie Mahatma Gandhi, Fr. Roger Schutz, die sel. Mutter Teresa oder den Diener Gottes, den verehrten Papst Johannes Paul II.

Christenmenschen sind solche, die der Liebe geglaubt haben. Christsein vollzieht sich in der Begegnung mit der Person Jesu von Nazareth. In ihm sind alle Verheißungen Gottes wirklich und wirksam geworden. In ihm sind Gottesliebe und Nächstenliebe innerlich vereint, so wie sie schon in der Offenbarungs- und Glaubensgeschichte des erwählten Volkes Israels angelegt waren.

Darum ist das Bekenntnis zu Gott im Zeugnis: Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm“ ( 1Joh 4,16) der einzige und sichere Weg in die lichtvolle Zukunft sowohl in der Zeit der Geschichte wie auch in der Vollendung des Menschen in der ewigen Liebe Gottes. Im ersten Teil seiner Enzyklika entfaltet der Papst die Einheit der Liebe in Schöpfung und Heilsgeschichte während er im 2. Teil praktisch über die caritas spricht. Es geht dabei um das Liebeshandeln der Kirche als einer Gemeinschaft der Liebe. Von der Auslegung dessen, was Liebe ist, hängt entscheidend unser Gottesbild und unser Menschenbild ab.

Von Liebe sprechen wir bei allen geglückten Beziehungen des Menschen, die etwas mit Sinn und Erfüllung zu tun haben. Wir reden von der Liebe zwischen Geschwistern, Eltern und Kindern, unter Freunden, aber es gibt auch die Liebe zur Arbeit, zur Kunst, Musik und Wissenschaft.

Doch der höchste Gesichtspunkt, in dem in allen Kulturen und besonders auch im Raum der biblischen Offenbarung von Liebe gesprochen wird, ist die geist-leibliche Gemeinschaft von Mann und Frau in der Ehe. Wegen der inneren Einheit des Menschen in Geist und Materie, Seele und Leib darf man den Eros des leiblichen Begehrens und die Philia und die Agape, die sich verschenkende und hingebende Liebe nicht voneinander trennen.

Es geht um die Reinigung von allen egoistischen Regungen, die den Menschen am Ende zum Sklaven seines Ich oder der kommerzialisierten Lustindustrie macht, Ziel ist die leibseelische Integration und die Öffnung zum Nächsten in der Hingabe. Der Mensch ist nach dem Plan des Schöpfers so verfasst, dass er sich nur gewinnen kann, indem er sich an den geliebten Mitmenschen hin verschenkt und so mit ihm in eine Gemeinschaft der Liebe eingefügt wird.

Damit ist auch der Einwand des Philosophen Friedrich Nietzsche gegen das Christentum beantwortet, das Christentum habe dem Eros Gift zu trinken gegeben, daran sei der Eros zwar nicht gestorben, sondern man habe den Menschen ein schlechtes Gewissen gemacht und ihre biologischen und naturhaften Antriebe zu Lastern erklärt. Logos und Bios lassen sich jedoch nicht gegeneinanderstellen oder als zwei völlig getrennte Sphären absondern.

Sowohl eine Leibfeindlichkeit, die den Menschen als reinen Geist sieht jenseits seiner biologischen Existenzbedingungen, wie auch einer konsumistischen Leibvergötzung, die Geist und Ethos nur als weltfremden Überbau abschütteln will, zerstören die Liebe. Wahre Liebe will Ewigkeit: Nur dich und für immer. Dem Glauben an den einzigen Gott, wie er zum Kern der Identität des Gottesvolkes Israel geworden ist, entspricht die monogame Ehe. So zeigt sich, dass das Neue des biblischen Glaubens in Israel und in der Kirche in der unlöslichen Zusammengehörigkeit des Gottes- und des Menschenbildes liegt. Worin besteht das ganz Neue des biblischen Gottesglaubens?

Lassen wir die oft verqueren Anläufe zum Verständnis des Göttlichen in den polytheistischen Religionen beiseite und schauen wir uns das Gottesverständnis des Aristoteles auf dem Höhepunkt der griechischen Philosophie an. Er kennt nur den einen einzigen Gott, den das menschliche Denken erreichen kann. Aber Gott ist der, der von allem Seienden geliebt und angestrebt wird, der aber selbst nicht liebt und der Liebe bedürftig ist.

Auch das Judentum und Christentum erkennen Gott als das höchste Sein. Aber das ganz neue ist dies: Gott, der Schöpfer der Welt und der, der sich Israel als sein Volk erwählt hat, ist ein liebender und verzeihender Gott. Ja, gleichsam ist auch der Eros in seiner Liebe zu seinem Volk erkennbar. Er ist ein eifernder Gott. Er ist voller Zorn über die Halsstarrigkeit, die Gleichgültigkeit und den Liebesentzug, mit dem die Israeliten ihn strafen wollten. Aber größer ist seine leidenschaftliche Liebe auch zu dem störrigen und sündigen Volk. So wie ein Bräutigam seine Braut liebt und sich vor Sehnsucht nach ihr verzehrt, ja ihre Untreue mit noch größerer Liebe beantwort, so liebt Gott seine Braut Israel.

Im Neuen Testament haben wir nicht einfach nur neue Ideen. Das Neue besteht in der Person Christi, der fleischgewordenen Vernunft und Liebe Gottes. In seiner leidenschaftlichen Liebe zu den Menschen geht er bis zum Kreuz. Im Blick auf seinen zerschundenen Leib und sein durchbohrtes Herz, erahnen wir, was es heißt: Gott ist die Liebe. Die Liebe Gottes in Christus ist realistisch und präsent in der Feier der Eucharistie. Hier empfangen wir nicht statisch nur die sich hingebende Liebe Christi. Wir werden in sie hinein gerissen. So wie Jesus ganz für uns da war, so können wir nur Christen sein, indem wir uns mit ihm für die Menschen öffnen und dahingeben.

Diese mystische Vereinigung mit Jesus im Sich-mit-Opfern und im Empfang der Kommunion, als Lebensgemeinschaft mit ihm und den Gliedern seines Leibes, den Brüdern und Schwestern, hat, wie der Papst sagt, „sozialen Charakter“ (Art 14). Es wäre völlig falsch, wenn wir das Christsein aufspalten wollten in drei verschiedene Komplexe, nämlich des Glaubensbekenntnisses, der Moral und Ethik und schließlich von Kult und Liturgie. In Christus sind Gottes- und Nächstenliebe, Orthodoxie und Orthopraxis wie die zwei Seiten einer Münze.

Wir sehen uns aber in unseren eigenen Überlegungen und im Gespräch mit anderen immer zwei Einwänden gegenüber: Können wir Gott überhaupt lieben, wenn wir ihn doch nicht sehen? Und kann man Liebe gebieten? Du sollst Gott und deinen Nächsten lieben! Gewiss ist Gott unseren leiblichen Augen nicht sichtbar. Niemand hat Gott je gesehen. Aber „der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht“ (Joh 1, 18).

Wer mich sieht, sieht den Vater, antwortet Jesus dem Philippus, der ihn bittet: Herr zeig uns den Vater (Joh 14,9). Ja, wir haben es mit eigenen Augen gesehen, mit unseren Ohren gehört und mit unseren Händen berührt: das Wort des Lebens und haben mit und durch Christus Gemeinschaft mit dem Vater ( 1Joh 1,1-3). Die Jünger haben die Liebe Gottes gesehen, indem Jesus Kranke geheilt, Ausgestoßene in die Gemeinschaft zurückgeholt hat, den toten Sohn der Mutter durch Auferweckung von den Toten zurückgegeben hat, den Armen die Frohbotschaft verkündet und die Trauernden getröstet hat. Und er bleibt bei uns, indem er die Bitte der Emmausjünger erfüllt durch sein Wort, die Sakramente, die Eucharistie, das Gebet, das er erhört und durch die Liebe, die wir erfahren und die wir verschenken können.

Kann uns die Liebe befohlen werden? Wenn Liebe nicht nur Gefühl ist, sondern das Sich-hinein-Reißen lassen in die Liebesgeschichte Gottes mit den Menschen, dann lernen wir auch den Unsympathischen, den Lästigen und Langweiligen, ja sogar unseren Feind auf einmal mit den Augen Gottes zu sehen. Dann wird die Erfüllung des Liebesgebotes möglich. Wir ringen unserer eigenen Liebesunfähigkeit etwas ab. Wir geben nur weiter, was wir selbst empfangen haben. Liebe wächst durch Liebe. Liebe kann dann niemals nur eine religiöse Pflicht bleiben. Liebe macht sensibel für Gott und den Nächsten.

„Wenn ich meine ganze Habe verschenkt und wenn ich meinen Leib dem Feuer übergäbe, hätte aber die Liebe nicht, nützte es mir nichts.“ (1Kor 13, 3).

II. Die Liebe ist Gott, der sein dreifaltiges Leben auf uns Menschen hin öffnet: Aus Liebe erschafft Gott die Welt und beruft die Menschen als seine geliebten Söhne und Töchter. Der Sohn wird in der Menschwerdung einer von uns. Er zeigt, dass Liebe mehr ist als unverbindliches Gefühl, sondern tätiges Sich-Verschenken. Er öffnet in seinem blutigen Tod sein Herz für uns. Im Herzen Gottes sind wir geborgen.

Der Geist von Vater und Sohn wird über allen Menschen, der ganzen Kirche und uns persönlich ins Herz gegossen, so dass wir wie Jesus von allem Hochmut befreit, den Menschen sogar den Sklavendienst der Fußwaschung verrichten können (vgl. Joh 13). Weil der Heilige Geist im Herzen der Kirche lebt, wird all ihr Handeln zum Ausdruck und zur Mitteilung der Liebe Gottes in der Welt. Untrennbar sind darum Leiturgia, Martyria und Diakonia.

Die Caritas und Diakonia ist eine Wesensäußerung der Kirche. In der Apostelgeschichte heißt es: „Alle, die gläubig geworden waren, bildeten eine Gemeinschaft und hatten alles gemeinsam: Sie verkauften Hab und Gut und gaben davon allen, jedem so viel er nötig hatte“ (Apg 2,44f). Als die Kirche immer größer wurde, kam es notwendig zu einer Organisation der Caritas auf der Ebene der Pfarrgemeinde, der Ortskirche, dem Bistum und auch heute um so mehr zur Organisation auf nationaler und auf Weltebene.

Es gibt genügend Beispiele aus der Zeit der Kirchenväter, dass gerade die Heiden die Fürsorgetätigkeit der Christen und der Kirche für die Armen und die Notleidenden als das besondere Merkmal der Christen betrachteten. Kaiser Julian der Apostat hatte als sechsjähriger Junge die Ermordung seines Vaters und seiner Verwandten durch den sich so christlich gebenden Kaiser Konstans erleben müssen und war dadurch zu einem glühenden Hasser des Christentums geworden. Als er sein Neuheidentum wieder aufrichten wollte, setzte er heidnische Wohlfahrtsorganisationen der Kirche gegenüber, weil das Christentum durch die praktizierte Nächstenliebe so populär geworden war.

Die organisierte Caritas ist darum nicht einfach nur eine humanistische Wohlfahrtstätigkeit, die man auch dem Staat oder anderen Organisationen überlassen könnte, sondern sie gehört zum Wesen der Kirche und ist unverzichtbarer Wesensausdruck ihrer selbst (Art 25). Die Kirche ist Gottes Familie in der Welt, in der es keine Notleidenden geben darf.

Der Papst kommt nun auf die großen gesellschaftlichen Verwerfungen im Europa des 19. und 20. Jahrhunderts zu sprechen, die durch die industrielle und wissenschaftlichen Revolutionen ausgelöst worden waren. Seit der Aufklärung des 18. Jahrhunderts hatte sich auch der Fortschrittsglaube herausgebildet, der geistesgeschichtlich im liberalen Kapitalismus und im sozialistischen Marxismus zu seiner größten geschichtlichen Wirksamkeit gekommen waren. Der Kapitalismus ist am Profit des Leistungsfähigen auf Kosten der großen Allgemeinheit interessiert.

Ihm erscheint die auf Solidarität und soziale Gerechtigkeit aufgebaute christliche Gesellschaftslehre als Ausfluss einer weltfremden Ethik, die von den harten Gesetzen des Marktes aus dem Feld geschlagen wird. Der Marximus meint den Gegensatz von Kapital und Arbeit durch die gewaltsame Herstellung einer klassenlosen Gesellschaft auflösen zu können. Christliche Liebestätigkeit wird denunziert als Stabilisierung der ungerechten Gesellschaftsordnung, als Gewissenberuhigung der Machthaber. Beide Systeme haben bei all ihrem politischen Gegensatz aber eines gemeinsam: ihre Inhumanität.

Die christliche Gesellschaftslehre orientiert sich nicht an unerreichbaren Utopien. Sie geht davon aus, dass in der Gesellschaft Gerechtigkeit und Solidarität durch vernünftiges Handeln auf der Basis der Rechtsordnung approximativ herbeizuführen sind. Die Kirche als Sakrament des Heils hat keinen unmittelbaren politischen Auftrag. Sie kann sich nicht an die Stelle des Staates setzen, der in der politischen Auseinandersetzung der gesellschaftlichen Gruppierungen und bei Beteiligung aller Bürger eine gerechte soziale Ordnung herzustellen hat. „Gerechtigkeit ist Ziel und daher auch inneres Maß aller Politik“ (Art 28).

Was der Staat nicht leisten kann, wozu aber die Christen als einzelne und die Kirche als Gemeinschaft berufen ist, das ist die Erfahrbarmachung der Liebe in der Gottes- und Nächstenliebe. Es ist die wichtige Aufgaben der Laien, in Beruf und Politik am Aufbau gerechter Strukturen mitzuwirken. Da Gerechtigkeit und Solidarität sich aus der gemeinsamen menschlichen Vernunft erschließen, darum ist auch eine Zusammenarbeit mit Menschen anderer religiöser oder rein humanistischer Gesinnung möglich und geboten. Dazu gehört auch eine gute Zusammenarbeit der karitativen Einrichtungen der Kirche mit staatlichen und freien Organisationen.

Niemals aber wird eine noch so optimale Gesellschaftsordnung alles Leiden der Menschen aus der Welt schaffen können. Hier hat das caritative Handeln jedes Christen und der organisierten Hilfstätigkeit der kirchlichen Institutionen seinen Ort. Bei der konkreten Liebestätigkeit geht es um die Erfahrung der Liebe Gottes zum Menschen in seiner geistig-religiösen, seiner seelischen und körperlichen Not.

Menschen sollen erfahren durch die Vermittlung derer, die in christlichem Namen tätig sind, dass in aller irdischen Gebrechlichkeit die Würde des Menschen unverlierbar bleibt, weil sie aus der Liebe Gottes hervorgeht und in sie einmündet. Wir brauchen die Schärfung des spezifischen Profils der kirchlichen Liebesstätigkeit. Gegenüber der Denunziation christlicher Liebestätigkeit durch den Marxismus ist die ideologiefreie und unverzweckte Herkunft der caritativen Motivation hervorzuheben.

Warum helfen wir denn wie der barmherzige Samariter dem, der unter die Räuber gefallen war. Wir räsonieren in diesem Moment nicht über eine bessere polizeiliche Überwachung, sondern wir haben als Menschen ein aus unserer Gott geschaffenen Natur hervorquellendes Mitleid, das uns konkret, jetzt und gerade diesem konkreten Menschen helfen lässt. Die Liebe Christi drängt uns (2 Kor 5,14), so sagen wir es als Christen.

Aber wir helfen ohne geheime Absichten dem Nächsten, einfach weil er unser Nächster ist. Darum verzwecken wir die praktizierte Nächstenliebe nicht und machen sie zu einem Mittel des Proselytismus. Der erfahrene Christ weiß, wann er von Gott sprechen und wann er von Gott schweigen soll. Das wortlose Beispiel ist manchmal das beste Zeugnis für die Liebe Gottes, die auch zum Glauben an Gott und zur Erfahrung der Liebe Christi in der Gemeinschaft seiner Kirche führen kann.

Die beste Verteidigung Gottes und des Menschen besteht eben in der Liebe (Art 31c). Die Kirche als ganze ist Subjekt des caritativen Handelns, so wie sie auch Subjekt des Glaubensbekenntnisses und der Feier der Sakramente bleibt. Wer beruflich den Liebesdienst der Kirche vollzieht, muss sich vor zwei entgegengesetzten Gefahren hüten. Einmal gibt es die Versuchung, auf irrlichternde Ideologien hereinzufallen, die vorgeben, eine Lösung aller Probleme herbeizuführen, indem der Mensch das in die Hand nimmt, was der Weltregierung Gottes bisher nicht gelungen sei.

Es gibt aber auch die Gefahr der Resignation, weil wir allezeit Arme und Notleidende unter uns haben. Alle Spenden und Einsätze scheinen wie hineingeschüttet in ein Fass ohne Boden. Damit wir weder hochmütig-totalitär und sogar terroristisch werden im Namen Gottes oder des Guten noch auch uns beleidigt in das Schneckenhaus des eigenen kleinen Spießerglücks zurückziehen, bedarf all unser Einsatz für den Nächsten des Gebetes. Das Gebet bewahrt vor blindem Aktionismus und fanatischen Weltverbessertum.

„Eine echt religiöse Grundhaltung vermeidet, dass der Mensch sich zum Richter Gottes erhebt und ihn anklagt, das Elend zuzulassen, ohne Mitleid mit seinen Geschöpfen zu verspüren. Wer sich aber anmaßt, unter Berufung auf die Interessen des Menschen gegen Gott zu kämpfen – auf wen soll er sich verlassen, wenn das menschliche Handeln sich als machtlos erweist?“ (Art. 37).

Mit Jesus, der ohnmächtig seine Todesnot und Verlassenheit in Gott hinein geschrien hat am Kreuz und der vom Vater erhört und in der Auferstehung gerechtfertigt wurde, sterben auch wir hinein in die Hoffnung, die ewiges Leben in der Liebe des dreifaltigen Gottes schenkt. In dieser historischen Stunde, in der die Menschheit geistig erneut an einer Wegscheide steht, müssen auch wir uns entscheiden zwischen Liebe und Hass, zwischen Leben und Tod.

Wir sind überzeugt, dass im Tiefsten die Gründe für den Säkularismus oder die innere Distanzierung vieler von der christlichen Überlieferung nicht intellektuelle Schwierigkeiten mit einzelnen Glaubenslehren der Kirche sind, sondern ein mangelndes Vertrauen in die weltverändernde und hoffnungsgebende Kraft der Liebe Gottes.

Das Christentum wird bei uns wieder neu an Kraft gewinnen, der Glaube wieder als Geschenk erfahren, wenn wir begreifen, dass Gott die Liebe ist. Die Liebe, so sagt es der Papst „ist das Licht – letztlich das einzige - , das eine dunkle Welt immer wieder erhellt und uns den Mut zum Leben und zum Handeln gibt. Die Liebe ist möglich, und wir können sie tun, weil wir nach Gottes Bild geschaffen sind. Die Liebe zu verwirklichen und damit das Licht Gottes in die Welt einzulassen- dazu möchte ich mit diesem Rundschreiben einladen.“ (Art 39).

Lesetipp: Deus Caritas est



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