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| ![]() „Vermeintliche Förderung der Meinungsfreiheit durch Einschränkung der Meinungsfreiheit“vor 5 Stunden in Kommentar, 4 Lesermeinungen Das System der Trusted Flagger. Von Lothar C. Rilinger Hannover (kath.net) Das Menschenrecht auf Meinungsfreiheit ist ein Recht, das als konstitutiv für eine demokratische und rechtsstaatliche Grundordnung eines Staates angesehen wird. Deshalb wurde dieses Menschenrecht auch in die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte seitens der UNO aufgenommen. Der freie Austausch der Meinungen und Auffassungen bilden die Grundlage für die Entwicklung nicht nur des Staates und der Gesellschaft, er ist notwendig, um wissenschaftliche Fortschritte zu erzielen. Der Diskurs auf der Grundlage der Meinungsfreiheit schließt Argumente ein, die die herrschende Meinung unterstützen, aber auch diejenigen, die die diese in Frage stellen. Es ist schlichtweg unvorstellbar, dass Meinungen, die dem mainstream zuwiderlaufen, unnütz und verwerflich sein sollen, schließlich fußt der Fortschritt immer auf der Annahme, dass der status quo in Frage gestellt wird. Nur wenn der Jetzt-Zustand angezweifelt wird, können neue Meinungen gedacht werden, um vom Gerichtshof der Diskutanten auf ihre Werthaltigkeit überprüft zu werden und um zu entscheiden, ob die tradierte Meinung durch die neue ersetzt werden müsse. Dass die Erde nicht flach ist und keine Grenzen aufweist, die den Menschen ins Bodenlose stürzen lässt, und dass die Sonne – wie es den Anschein hat – nicht um die Erde kreist, wird jetzt als wahr angesehen, hat aber so manchen Wissenschaftler, der diese Annahme unterstützte, ins Gefängnis und in die Verbannung gebracht, da nicht als wahr erkannt werden durfte, was wahr ist. Der Zweifel ist die Grundlage einer jeden Diskussion – ob politischen oder wissenschaftlichen. Jeder muss seine Thesen vertreten können, immer wieder, schließlich gibt es auf unserer Erde nur eine Absolutheit, die nicht in Frage gestellt werden kann, nur Gott, der über den Dingen steht. Alles jedoch, was der Mensch erdacht hat, unterliegt dem Zweifel und kann deshalb geändert oder aufgehoben werden. Wenn eine Politikerin sagt, dass ihre Meinung „alternativlos“ sei, stellt sie diese als absolut dar und erhebt sich infolge dessen zum Gott, der absolute Wahrheiten verkünden kann. Der Zweifel ist dem Diskurs immanent und damit gleichsam der Motor, um die Entwicklung voranzutreiben. „Sire, geben Sie Gedankenfreiheit!“ – so weit, wie es Schiller im Don Carlos gefordert hat, wollen wir nicht gehen. Uns reicht die Meinungsfreiheit im Diskurs und auch in jeder geistigen Auseinandersetzung. Von dieser Vorstellung waren auch die Autoren des deutschen Grundgesetzes, der Verfassung der Bundesrepublik Deutschlands, geleitet, als sie die Meinungsfreiheit als Artikel 5 des Grundgesetzes festgelegt haben. Dass dieses Menschenrecht nicht absolut ist, sondern Einschränkungen hinnehmen muss, ist dem Umstand geschuldet, dass die Verfassung nicht nur für eine Person gilt, sondern für ein Staatsvolk, das inzwischen aus über 80 Millionen Staatsbürgern und weiteren Bewohnern besteht. Deshalb muss die Meinungsfreiheit ihre Grenze erfahren, um auch den Menschenrechten Dritter Geltung entfalten lassen zu können. Dieser Ausgleich wird als Praktische Konkordanz bezeichnet. Deshalb erfährt die Meinungsfreiheit ihre Grenze, wenn die Äußerung als Beleidigung, als üble Nachrede oder als Verleumdung und deren Spezialvorschriften wie Volksverhetzung oder Politikerbeleidigung gewertet werden muss. Die Grenze ist somit das Strafrecht – keine wie auch immer ausgestaltete moralische Beurteilung. Weitergehende Einschränkungen sieht das Gesetz nicht vor. Deshalb wurde in das Grundgesetz auch aufgenommen, dass eine Zensur der Meinungen nicht erfolgen dürfe. Gerade die Kodifizierung des Ausschlusses der Zensur einer Meinung sahen sich die Autoren des Grundgesetzes aufzunehmen gezwungen, da diese das konstituierende Moment im Dritten Reich gewesen ist. Die Zensur diente dazu, missliebige Meinungen gewaltsam zu unterdrücken und keinen Diskurs zuzulassen. Damit erstarb auch die demokratische Auseinandersetzung um die beste Lösung. Es galt nur, was eine politische Elite und damit der Staat als zulässig erachtete. Es war die Anmaßung der Inhaberschaft der Absolutheit und der Wahrheit. Der die Zensur ausübende Staat geriert sich wie ein Gott, der bestimmt, was als Gut oder Böse, was als wahr anzusehen ist. Widersprechende Personen landeten im Gefängnis, im KZ oder verloren ihre bürgerliche Existenz. Gleiches wurde in der DDR praktiziert. Auch dieser Staat kontrollierte die Meinung und setzte alles daran, seine Bürger auf Linie zu bringen. Diejenigen, die auf Linie waren, durften studieren, selbst dann, wenn der Vater Akademiker war, ja, als besondere Belohnung durften die Linientreuen sogar an der Moskauer Eliteuniversität studieren, um noch tiefer in die Irrlehre des Marxismus eintauchen zu können. Die Zensur der Meinung ist jedem autokratischen und diktatorischen Staat immanent. Der Diskurs ist ausgeschlossen, es gilt nur die volonté générale, der Allgemeine Wille, wie es Jean Jacques Rousseau gefordert hat, nur der Wille, der von einer politischen Elite gedacht wird und den der Staat als absolut vertritt. Um die Zensur flächendeckend durchführen zu können, ist der Staat auf Hilfspersonen angewiesen, die Äußerungen, die dem Allgemeinen Willen widersprechen, dem Staat zu melden, damit dieser dann die vermeintlichen Verstöße sanktionieren kann. Folglich muss der Staat ein System aufbauen, um das Melden von Verstößen aufnehmen zu können, aber auch, um selbst die Verstöße aufspüren zu können. Im Dritten Reich nannte man diese Stellen „Gestapo“, in der DDR „Stasi“. Und diejenigen, die ihre Mitbürger überwachten, um Verstöße melden zu können, sind als Blockwarte in die Geschichte eingegangen. Damit der Staat die Zensur allumfassend ausüben kann, setzte er auf das Melden von Verstößen. Das Staatsvolk sollte gezwungen werden, ein Volk von Denunzianten zu werden – ein Volk, in dem keiner mehr dem anderen vertrauen konnte, ja, sollte, in dem jeder nur das Interesse des Staates verfolgen sollte, selbst dann, wenn er verbrecherisch war. All diesen Entwicklungen sollte durch das grundgesetzlich verankerte Zensurverbot ein Riegel vorgeschoben werden. Damit sollte gewährleistet werden, dass zukünftig nicht nur keine Zensur seitens des Staates ausgeübt werden und dass das Staatsvolk nicht mehr zum Denunzieren aufgefordert werden darf. Doch der Zeitgenosse wundert sich ob der Entwicklung, die den einzelnen Nationalstaaten seitens der EU oktroyiert wird. Um gegen „Hass und Hetze“ im Netz vorzugehen, ist seitens der EU der Digital Services Act (DSA) durch die EU-Verordnung am 17. Februar 2024 in Kraft gesetzt worden. Ziel ist es, illegale Inhalte, Waren und Dienstleistungen bekämpfen zu können und einen sicheren digitalen Raum zu schaffen, in dem die Rechte der Nutzer geschützt werden. Durch den DSA soll erreicht werden, „Hass und Hetze“ im On-line-Bereich und in den Social-Media zu unterbinden. Durch dieses Gesetz kann im Bereich der Europäischen Union „Hass und Hetze“ in den sozialen Medien gelöscht werden. Nutzer haben die Möglichkeit, illegale oder auch vermeintlich illegale Inhalte, die auf Online-Plattformen verbreitet werden, den sogenannten Trusted Flagger, staatlich eingerichtete und zugelassene Meldestellen, zu melden, damit diese dann die Löschung anordnen können, die auch unverzüglich veranlasst werden muss, da immer der sofortige Vollzug angeordnet wird, ja, sogar werden muss. Die Betroffenen haben zwar die rechtliche Möglichkeit, gegen die Löschung oder Sperrung gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, was auch in vielen Fällen erfolgreich erstritten wird, doch der Rechtsweg dauert lange, und dann ist die aufgehobene Löschung oder Sperrung oft sinnlos, da die Zeit über den beanstandeten Sachverhalt hinweggegangen ist. Allerdings können die Trusted Flagger für sich den Erfolg beanspruchen, die inkriminierten Äußerung Monate, meistens Jahre aus dem Diskurs verbannt zu haben. Der Ausschluss aus dem Diskurs wird deshalb als Zensur angesehen, zumal bekannt ist, dass sich gerade sogenannte NGO´s – da sie aber vom Staat finanziert werden, müssen sie als GO´s, als Regierungsorganisationen, bezeichnet werden – um die Lizensierung als Trusted Flagger bewerben, also Organisationen, die sich von vornherein die Bekämpfung von „Hass und Hetze“, was immer man darunter zu verstehen hat, auf ihre Fahnen geschrieben haben. „Hass und Hetze“ ist wie ein Modewort, wie ein Zauberwort, mit dem jede missliebige Äußerung verurteilt wird. Doch was für eine rechtliche Qualität repräsentiert dieser Begriff, wie wird er rechtlich eingeordnet? Unterwirft man sich der Mühe, das Strafgesetzbuch zu lesen, sucht man vergebens nach diesen Begriffen und Tatbestandsvoraussetzungen. Wenn aber Straftatbestände nicht im Gesetz aufgeführt sind, bedeutet es, dass „Hass und Hetze“ auch nicht strafbar sein können. Noch gilt der römisch-rechtliche Grundsatz Nulla poena, sine lege! – Keine Strafe, ohne Gesetz! Eine Strafbarkeit kann demnach nur vorliegen, wenn „Hass und Hetze“ die Straftatbestände der Beleidigung, üblen Nachrede oder Verleumdung pp. erfüllen. Auch wenn das Bundesverfassungsgericht die Äußerung „Soldaten sind Mörder!“ als von der Rechtsordnung gedeckt angesehen hat, was sich immer sehr nachteilig für das Ansehen der Bundeswehr ausgewirkt hat und jetzt wieder in der Diskussion um das Aufleben der Wehrpflicht, hat das oberste deutsche Gericht die Maßstäbe für das Vorliegen von ehrverletzenden Äußerungen sehr weit ausgelegt. Das hat zur Folge, dass viele Verfahren gegen die Maßnahmen der Trusted Flagger erfolgreich abgeschlossen werden können. Doch die Zensur konnte zumindest zeitweilig durchgesetzt werden, und das war ja auch die Hauptintention dieser Zensurorganisation. Die Einführung der Trusted Flagger hat darüber hinaus eine weitere dunkle Seite – einen tragischen Aspekt, der das Zusammenleben der Bevölkerung abträglich ist. Trusted Flaggers existieren davon, dass sich die Staatsbürger und die restliche Wohnbevölkerung in ein Volk von Denunzianten wandelt. Auch wenn sich viele dieser Entwicklung entgegenstellen und das Denunzieren verachten und als autokratisch und diktatorisch verurteilen, leben die Anzeigeportale ob der vielen Anzeigen anscheinend sehr gut – was übrigens zur Folge hat, dass die Justiz, die sowieso a priori überlastet ist, noch mehr überlastet wird, was zur weiteren Folge hat, dass wegen der Verfolgung der „Hass und Hetze“-Verfahren wirklich wichtige und schwerwiegende Verfahren nicht in der erforderlichen Weise bearbeitetet werden können. Da die Verfahren wegen Ehrverletzung im Grundsatz sogenannte Antragsdelikte sind und nur in seltenen Fällen von der Justiz ex officio verfolgt werden müssen, hat sich ein neuer Geschäftszweig herausgebildet. Da die von „Hass und Hetze“ Betroffenen im Regelfall nicht die Zeit haben, das Netz durchzuforsten, um irgendwo eine inkriminierte Bemerkung zu finden, haben sich Organisationen gebildet, die sich Vollmachten ausstellen lassen, um dann die entsprechenden Strafanträge für den Betroffenen zu stellen. Wenn man sich vorstellt, dass Bundeskanzler Kohl keinen einzigen Strafantrag gestellt hat, obwohl er in übelster Weise angegriffen wurde, dann können wir die Größe Kohls erkennen. Er war selbstbewusst und selbstsicher genug, um die Angriffe als das abzutun, was sie waren: Versuchte Diskreditierungen, die ins Leere gingen. Er musste nicht die Hilfe der Strafverfolgungsbehörden in Anspruch nehmen, um groß zu erscheinen. Er war es, und das reichte ihm. Der Aufruf zur Denunziation erstickt in erschreckender Weise den Diskurs und erzeugt ein Gefühl der Unsicherheit, das die Staatsbürger lieber schweigen lässt als dass sie sich zu Wort melden. Auch wenn man sich gegen die Maßnahmen der Trusted Flagger gerichtlich – meistens erfolgreich – wenden kann, weiß man schließlich nicht, wie die Verfahren ausgehen werden. Diese Verfahren sind kostspielig, oft mit einem hohen Streitwert, der die Gebühren in die Höhe schießen lässt, und wenn man den Prozess über zwei oder vielleicht sogar drei Instanzen durchficht und dann auch noch den Fall durch das Bundesverfassungsgericht und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte überprüfen lassen möchte, kann man schon ein kleines Vermögen verlieren. Sollten die Trusted Flagger verlieren, dürften sie vermutlich die entstehenden Kosten dem Ministerium aufgeben, schließlich werden sie ja durch diese alimentiert. Auf dieses Risiko bauen offensichtlich die Trusted Flagger. Nur wenige Betroffene gehen deshalb gegen deren Maßnahmen vor, nur wenige gehen dieses hohe finanzielle Risiko ein – allerdings sehr erfolgreich. Was bestimmt als gut gemeint war, entpuppt sich im Nachhinein als gefährlich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und spaltet die Gesellschaft. Kohl hat über seinen Entschluss, nicht gegen die ehrverletzenden Äußerungen gerichtlich vorzugehen, gesagt, dass man als Spitzenpolitiker auch den Unmut und den Hass von Teilen der Bevölkerung aushalten müsse, schließlich habe er das Amt freiwillig und in Kenntnis dieser Angriffe angenommen. „Mich hat keiner gezwungen, Bundeskanzler zu werden.“ Diese Einstellung setzt allerdings eine menschliche Größe voraus, die leider nicht jedem Spitzenpolitiker gegeben ist. Lothar Rilinger (siehe Link) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht i.R., stellvertretendes Mitglied des Niedersächsischen Staatsgerichtshofes a.D., und Autor mehrerer Bücher. kath.net-Buchtipp: Ihnen hat der Artikel gefallen? 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