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| Salzburg: Ärzte-Tagung über "modernes Sterben" und Sterbehilfe12. Oktober 2020 in Prolife, keine Lesermeinung Ethiker, Ärzte, Politik und Kirche im Gespräch über humanen Umgang mit Lebensende - Erzbischof Lackner: "Anfang und Ende des Lebens weisen in andere Wirklichkeit" - Susanne Kummer/Imabe: "Ich will sterben heißt nicht: Töte mich" Salzburg (kath.net/KAP) Der "Gegebenheitscharakter des Lebens" gerät aus dem Blick, wenn Medizin den fälschlichen Eindruck erweckt, "alles planen und sogar das Ende bestimmen zu können". Davor hat der Salzburger Erzbischof Franz Lackner am Freitagabend zu Beginn der Tagung "Modernes Sterben - Aufgaben und Grenzen der Medizin am Lebensende" gewarnt. Von 9. bis 10. Oktober trafen sich im Salzburger Congress auf Einladung des Salzburger Ärzteforums Mediziner, Ethiker, Vertreter von Politik, Kirche und Gesellschaft zusammen, um über das brisante Thema der aktiven Sterbehilfe und Suizidbeihilfe zu diskutieren. Dazu wird in den nächsten Wochen ein Spruch des Österreichischen Verfassungsgerichts erwartet. Von Seiten der Politik waren u.a. Landeshauptmann Wilfried Haslauer und Bundesratspräsidentin Andrea Eder-Gitschthaler zu Gast, die sich für eine Beibehaltung der derzeitigen Gesetzeslage und gegen eine Liberalisierung wie zuletzt in Deutschland aussprachen. Lackner: Palliativmedizin kann viel leisten Das moderne Machbarkeitsdenken betrachte das Sterben nicht mehr als etwas Gegebenes, sondern dieses werde immer differenzierter gelenkt und kontrolliert, unterstrich Erzbischof Lackner in seinem Grußwort. Anfang und Ende des Lebens dürften hingegen "nicht rein innerweltlich abgehandelt werden - sie weisen in eine andere Wirklichkeit hinein". Die Errungenschaften der Palliativmedizin, medizinische Hilfe und Pflege könnten bis zu dieser Grenze am Lebensende viel leisten, wies Lackner hin. "Ein Rest bleibt", der dem Leben geschuldet sei, der zugleich auch eine letzte Ohnmacht berge. Udo di Fabio, früherer Richter am deutschen Bundesverfassungsgericht, ging in seinem Vortrag auf Verschiebungen im Verständnis von Menschenwürde und beim Menschenbild ein. Die Menschenwürde als Maßstab für gesellschaftliche und wissenschaftliche Entscheidungen sei heute aufgrund eines einseitigen Verständnisses von Willensfreiheit gefährdet, utilitaristisch gebraucht zu werden, so eine der Thesen des Staatsrechtlers. Als Grundlage des Rechtsstaats galt laut di Fabio lange die Annahme: "Im Schutz der Würde des Einzelnen findet eine ganze Gemeinschaft ihre normative Grundlage". Die Subjektformel "Der Mensch geht seines Menschseins nicht verlustig" sei durch Christentum und Naturrecht gefestigt worden. Durch Aufklärung und Moderne jedoch sei die Rationalisierung des Willens als mächtiges Pendant der Religion gegenübergetreten, erklärte di Fabio: "Das christliche Erbe - im Kulturkampf attackiert und schließlich bezwungen - fehlt nun als Gegenüber zur eindimensionale Vorstellung der Aufklärung von Selbstbestimmung." Der Fortschritt der Medizin, die Angst des Menschen vor körperlichem Siechtum und davor, in Pflege "verwaltet" zu werden, lasse Leiden nur mehr von außen - von Technik, Fortschritt und Medizin - beurteilbar erscheinen, konstatierte der Deutsche. Dies lege die Frage nahe: "Gibt es dadurch eine tektonische Verschiebung im Würdeverständnis und Menschenbild unserer westlichen Demokratie?" Die Umwertung von Würde und Subjektstellung hänge in jedem Fall vom Verblassen und Verdunsten der religiösen und ethischen Basis ab, sagte di Fabio. "Aber der Bedeutungsschwund von Glaube und Kirche als ihren großen Antipoden sei kein Sieg der Aufklärung, sondern ein Verlust. "Es ist ein Abstürzen in eine technisch utilitaristische Eindimensionalität", resümierte der Jurist. Di Fabios Plädoyer: "Die Würde des Menschen verlangt den Respekt vor dem Willen des Einzelnen und die Vorsorge gegen die Gefahren eines technischen Utilitarismus, wo Menschen Opfer eines allein durch die Vernunft gefügten Rechts werden." Das heiße: "Aus der Würde des Menschen kann kein Anspruch auf gutes Leben und schmerzloses Sterben durch den Staat gewährleistet werden", ansonsten agiere dieser paternalistisch. Und: Die Gesellschaft der Selbstbestimmten verfüge nicht über das Schicksal des Einzelnen. Eine humane Gesellschaft "will nicht den raschen Tod, sondern vermehrt die Anstrengungen für Vorsorge und Begleitung" des Kranken, bekräftigte der Jurist. Niederländer sieht bedenkliche Entwicklung Am Samstag schilderte der niederländische Gesundheitsethiker Theo Boer die Situation in seinem Heimatland, die von Kritikern oft mit dem Wort "Dammbruch" umschrieben wird: Die Inanspruchnahme von Euthanasie und Sterbehilfeoption steigt in den Niederlanden seit 2002 deutlich an. Diese Entwicklung ließ de Boer, der bei Einführung der Sterbehilfe noch Fürsprecher für die Gesetzesänderung war, kritisch werden, wie er sagte. Von den ca. 70.000 Fällen in den letzten 17 Jahren seien lediglich elf abgelehnt worden - das müsse nachdenklich stimmen. Problematisch nannte es de Boer, "dass es in der Sterbehilfe immer mehr die Tendenz gibt, nicht-medizinische Probleme medizinisch zu lösen". Eine zentrale These seines Vortrages: Bei Sterbehilfe gehe es nicht mehr, wie zu Beginn der Diskussion in den 1980er-Jahren, um Schmerzlinderung." Entscheidende Gründe für die Inanspruchnahme seien stattdessen die Angst vor Bedeutung- und Kontrollverlust. Der Universitätsprofessor beklagte zudem steigenden Druck auf Ärzte, aktive Sterbehilfe zu betreiben. Die Ärzteschaft selber hingegen werde tendenziell skeptischer und zögerlicher in der Ausführung. Arzt: Lebensmüde brauchen Begleitung Thomas Frühwald, Facharzt für Innere Medizin und Geriatrie und Mitglied der Bioethik-Kommission, stellte fest, Lebensmüdigkeit am Ende des Lebens sei in den seltensten Fällen ein medizinisch zu lösendes Problem. Vielmehr gehe es um Begleitung und Kommunikation durch die Pflege und Ärzteschaft, auch wenn dies selbstverständlich Zeit in Anspruch nehme. Kurt Schmoller, Professor der Rechtswissenschaften am Fachbereich für Strafrecht der Universität Salzburg, kritisierte das deutsche Verfassungsgericht, das den geschäftsmäßig assistierten Suizid straffrei stellte: Es fasse den Begriff der Autonomie zu weit. Für Österreich plädierte er für den bisherigen Weg. Bei einer Aufhebung des Lebensschutzes in Ausnahmefällen seien weitreichende Folgen - auch in anderen rechtlichen Bereichen - zu erwarten. Die Fremdbewertung eines Lebens als wertlos stehe im klaren Widerspruch zum Prinzip der Menschenwürde, warnte Schmoller. "Ich will sterben heißt nicht: Töte mich" Die Geschäftsführerin des Ethikinstitutes IMABE, Suanne Kummer, plädierte dafür, wieder mehr Argumente der Solidarität mit Alten und kranken Menschen in die Debatte einfließen zu lassen. Es gehe darum, die Würde des ganzen Lebens und Menschen anstatt nur einer Momentaufnahme im Blick zu haben. Eine Sprache der Solidarität zu finden, hilft laut Kummer auch gegen die Sprachlosigkeit in Pflege und Medizin. "Ich will sterben heißt nicht, töte mich", betonte die Ethikerin.
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