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Kohelet: die ungewisse Nacht des Sinns und der Dinge des Lebens

25. Mai 2022 in Aktuelles, keine Lesermeinung
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Franziskus: fürchte Gott und achte auf seine Gebote! Das allein hat jeder Mensch nötig. Kohelet entlarvt mit seiner Ironie bereits die fatale Versuchung einer Allmacht des Wissens – eines ‚Deliriums der Allwissenheit’. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) „Da verdross mich das Leben. Denn das Tun, das unter der Sonne getan wurde, lastete auf mir als etwas Schlimmes. Denn es ist alles Windhauch und Luftgespinst. Mich verdross auch mein ganzer Besitz, für den ich mich unter der Sonne anstrenge und den ich dem Menschen überlassen muss, der nach mir kommt. [...] Hast du alles gehört, so lautet der Schluss: Fürchte Gott und achte auf seine Gebote! Das allein hat jeder Mensch nötig. Denn Gott wird jedes Tun vor das Gericht bringen, das über alles Verborgene urteilt, es sei gut oder böse“ (Kohelet 2,17-18; 12,1314).

Zwanzigste Generalaudienz des Jahres 2022 mit Pilgern und Besuchern auf dem Petersplatz. Papst Franziskus setzte seine Katechesenreihe zum Alter fort. Die elfte Katechese stand unter dem Thema: „Kohelet: die ungewisse Nacht des Sinns und der Dinge des Lebens“,

Bei seinen Überlegungen zum Alter befasste sich der Papst heute also mit dem Buch Kohelet, einem weiteren Schmuckstück der Bibel. Bei der ersten Lektüre falle dieses kurze Buch auf und lasse einen verwirrt zurück durch seinen berühmten Refrain: „Alles ist Eitelkeit, alles ist ‚Nebel’, ‚Rauch’, ‚Leere’. Es sei überraschend, diese Ausdrücke, die den Sinn der Existenz in Frage stellTen, in der Heiligen Schrift zu finden. In Wirklichkeit sei Kohelets ständiges Hin- und Herpendeln zwischen Sinn und Unsinn die ironische Darstellung einer Lebenserkenntnis, die von der Leidenschaft für die Gerechtigkeit losgelöst sei, deren Garant das Gottesurteil sei. Und der Schluss des Buches weise den Weg aus der Prüfung: „Fürchte Gott und achte auf seine Gebote! Das allein hat jeder Mensch nötig“ (12,13).


„Ist nicht alles gleichgültig – ‚Windhauch’ – wenn am Ende alles Seienden unterschiedslos das Nichts steht? Hat sich die Welt bei all unserem Bemühen auch nur ein wenig gewandelt? Lohnt es sich da überhaupt, sich für das Wahre und das Gute, für die Gerechtigkeit einzusetzen? Ist nicht alles im Wortsinn gleich-gültig, also letztlich egal?“.

Eine solche Sicht, die Wirklichkeit nur beschreibe, daraus aber keinerlei Erkenntnis über das „rechte Handeln“ oder so etwas wie Verantwortlichkeit ableiten könne, möge zunächst als befreiend erscheinen, doch über kurz oder lang führe sie zu einer Lähmung der Seele, die das frühe christliche Mönchtum als „Akedia“ bezeichnet habe, was man in etwa mit „Überdruss“ übersetzen könne. Diese Sinnleere und Antriebslosigkeit führe dazu, dass der Mensch nachlasse im Guten und so die Kräfte des Bösen Raum gewönnen.

Wir erlebten, wie die Wissenschaft Fortschritte mache und das sei gut so. Aber es fehle die Lebensweisheit, sie scheine an einem toten Punkt angelangt zu sein. Die älteren Menschen hätten hier die wichtige Aufgabe, mit ihrer Lebenserfahrung und dem notwendigen Humor jener tristen Weltsicht entgegenzutreten, die viel Wissen anhäufe, darin aber weder Sinn noch Erfüllung entdecken könne.

Kohelet entlarve mit seiner Ironie bereits diese fatale Versuchung einer Allmacht des Wissens – ein „Delirium der Allwissenheit“ –, die eine Ohnmacht des Willens erzeuge.

Diese Leere von Sinn und Kräften, die dieses Wissen, das jede ethische Verantwortung und jede Zuneigung für das wahre Gut ablehne, sei nicht ungefährlich. Sie nehme nicht nur die Kräfte des guten Willens, sondern öffne durch ihren Gegenangriff der Aggressivität der bösen Kräfte Tür und Tor. Dies seien die Kräfte der Vernunft, die durch ein Übermaß an Ideologie zynisch geworden seien In der Tat seien wir bei allem Fortschritt und Wohlstand zu einer ‚Gesellschaft der Müdigkeit’ geworden. Wir sollten allgemeines Wohlergehen produzieren „und dulden einen wissenschaftlich selektiven Gesundheitsmarkt. Wir sollten für den Frieden eine unüberwindbare Grenze setzen, und wir erleben immer mehr rücksichtslose Kriege gegen wehrlose Menschen“.

Schließlich nehme diese an-affektive und unverantwortliche Vernunft auch den Sinn und die Energie für die Erkenntnis der Wahrheit. Es sei kein Zufall, dass dies die Zeit der Fake News, des kollektiven Aberglaubens und der pseudowissenschaftlichen Wahrheiten sei. Das Alter könne von der ironischen Weisheit Kohelets die Kunst lernen, die Täuschung aufzudecken, die sich in der Täuschung einer Wahrheit des Verstandes verberge, „ältere Menschen, die reich an Weisheit und Humor sind, tun der Jugend so viel Gutes! Sie bewahren sie vor der Versuchung eines traurigen, weltlichen Wissens, dem die Weisheit des Lebens fehlt. Und sie bringen sie zurück zur Verheißung Jesu: ‚Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; / denn sie werden gesättigt werden’ (Mt 5,6)“.

Die Pilger und Besucher sowie die Zuschauer und Zuhörer aus dem deutschen Sprachraum grüßte der Heilige Vater mit den folgenden Worten:

Bald feiern wir das Hochfest Christi Himmelfahrt. Jesus Christus ist heimgekehrt zum Vater, aber er hat uns nicht allein gelassen. Vom Himmel aus ist er uns auf eine neue Weise nahe, denn durch den Heiligen Geist lebt er in unseren Herzen. Ich wünsche euch die beständige Erfahrung seiner Gegenwart!


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