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Galileo Galilei und die schwarze Legende

15. Februar 2014 in Aktuelles, 16 Lesermeinungen
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Die Kirche und der Schutz der Weite der Vernunft. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Vor 450 Jahren, am 15. Februar 1564, kam Galileo Galilei als Sohn einer verarmten Patrizierfamilie zur Welt. Galilei, sein „Fall“ und „Prozess“ – ... das heißt die Auseinandersetzung des Wissenschaftlers aus Pisa mit der Heiligen Inquisition und die „Verurteilung“ seiner neuen kosmologischen Thesen, durch welche die Erde aus dem Mittelpunkt des von Gott geschaffenen Universums an einen hinsichtlich ihrer Stellung unbedeutenden Platz in einem Sonnensystem verbannt wurde, das seinerseits, wie die spätere Forschung gezeigt hat, nur eines unter unzählbar vielen ist ... – gerade dieser „Fall“ wurde im Laufe der Wissenschaftsgeschichte und der Geschichte des Verhältnisses von positiver Wissenschaft und Metaphysik/Theologie zum Paradigma schlechthin für die Entgegensetzung von auf Beobachtung gründender empirischer Forschung und ideologisch-weltanschaulich bedingtem „Obskurantismus“.

Es wäre an der Zeit, sich durch eine vernünftige Auseinandersetzung mit der Geschichte von emotionsgeladenen Konfrontationen zu verabschieden, um zu einer Erkenntnis sowohl der Ereignisse als auch der nachfolgenden Geschichte durch einen Willen zu wahrer Objektivität zu gelangen. Dass dem nicht so ist, dass künstlich generierte und am Leben gehaltene Mythen anscheinend stärker sind, dass der Satz „contra factum non valet argumentum“ nicht mehr zu gelten scheint, dass gerade in einer überrationalisierten Epoche der anscheinend totalen Vorherrschaft der Technowissenschaft diese arationale Mythologie eine besondere Anziehungskraft ausübt, hatte im Jahr 2008 zum Beispiel der Skandal der Ausladung Papst Benedikts XVI. als Redner vor der römischen Universität „La Sapienza“ vor Augen geführt. Der Papst durfte in einer Institution des säkularen Staates nicht sprechen, da er immer noch die Positionen der Kirche vertrete, die zur Verurteilung Galileos geführt hätten, er, der oberste Exponent jener Kirche, durch deren Handeln der „reinen“ Wissenschaft die Zwangsjacke einer ideologischen Herrschaft von außen auferlegt worden sei.

Bereits Papst Johannes Paul II. hatte am 31.10.1992 in einer Ansprache an die Päpstliche Akademie der Wissenschaften festgestellt: „Ausgehend vom Zeitalter der Aufklärung bis in unsere Tage, hat der Fall Galilei eine Art Mythos gebildet, in dem das dargelegte Bild der Ereignisse von der Wirklichkeit weit entfernt war. In dieser Perspektive war dann der Fall Galilei zum Symbol für die angebliche Ablehnung des wissenschaftlichen Fortschritts durch die Kirche oder des dogmatischen ‚Obskurantentums’ gegen die freie Erforschung der Wahrheit geworden. Dieser Mythos hat in der Kultur eine erhebliche Rolle gespielt und dazu beigetragen, zahlreiche Männer der Wissenschaft in gutem Glauben denken zu lassen, der Geist der Wissenschaft und ihre Ethik der Forschung auf der einen Seite sei mit dem christlichen Glauben auf der anderen Seite unvereinbar“. Dabei habe es sich um ein „tragisches gegenseitiges Unverständnis“ gehandelt, das als Folge eines grundsätzlichen Gegensatzes von Wissen und Glauben hingestellt worden sei. Johannes Paul II. brachte die Ansicht zum Ausdruck, dass die durch die jüngeren historischen Forschungen erbrachten Klärungen die Feststellung gestatteten, dass dieses schmerzliche Missverständnis inzwischen der Vergangenheit angehöre.

Und in der Tat: das „Missverständnis“ gehört historisch und wissenschaftstheoretisch der Vergangenheit an und kann kurz in der Erkenntnis zusammengefasst werden: die Kirche irrte bei ihrer Analyse und Bewertung der von Galilei vorgestellten neuen Kosmologie theologisch, Galilei hingegen als Wissenschaftler. Und dennoch bleibt der Fall Galileo eine der „schwarzen Legenden“ der laizistischen Kultur, die sich wie ein Mantel um die reale Geschichte gelegt und den Meister aus der Toskana zum „Opfer der blutigen Inquisition“ gemacht hat.


Galileo wäre demnach der radikale Erneuerer der wissenschaftlichen Methode gewesen, dem sich das verkrustete Denken der Kirche in den Weg stellte. Die Macht der Inquisition hätte ihn zu einer „Selbstverleugnung“ verbunden mit „hartem Kerker“ verurteilt. Gerade aber dies habe dazu geführt, dass sein Wirken zum Symbol des Entstehens und Wirkens des freien Denkens in Europa und er selbst so zum Wegbereiter der neuen Wissenschaft wurde, die endgültig von allem Aberglauben befreit und der Menschheit mit ihren Segnungen an wahrer Erkenntnis dient. Nur: all das ist falsch.

Die Legende ist über hundert Jahre später in Frankreich im Umfeld der aufgeklärten Intellektuellen des Enzyklopädiewesens entstanden, die sich im Namen der neuen Göttin Vernunft das Ziel gesetzt hatten, das historische Erbe sowie das Gedächtnis der christlichen Kultur zu demolieren. Seit der Aufklärung hat die Rhetorik vom „Opfer Galilei“ die abendländische Kultur durchdrungen, dies so sehr, dass sie fester Bestandteil der Lehre in Schulen und Universitäten ist und selbst die Katholiken, die es eigentlich besser wissen sollten, stets mit einem etwas verschämten Blick auf die erhabene Gestalt des großen Galilei schauen lässt.

Historiker und Philosophen wie Karl Popper oder der „anarchische Epistemologe“ Paul Feyerabend wussten es besser. Deren logische und historische Analyse und Dokumentation hingegen bleibt ungehört. „Die Kirche zur Zeit Galileis hielt sich viel enger an die Vernunft als Galilei selber“, so Feyerabend, „und sie zog auch die ethischen und sozialen Folgen der Galileischen Lehren in Betracht. Ihr Urteil gegen Galilei war rational und gerecht, und seine Revision lässt sich nur politisch-opportunistisch rechtfertigen“ (Wider den Methodenzwang, Frankfurt 1976, 206).

Gerade die Betonung, die Feyerabend auf die richtige Sicht der ethischen und sozialen Dimension des „Falles“ legt, enthüllt den instrumentalistischen Moralismus, der in der üblichen Lesart dessen Verständnis belastet. „Gut und Böse stehen sich in reinlicher Scheidung gegenüber“, so Kardinal Joseph Ratzinger. „Auf der einen Seite finden wir die Inquisition als die Macht des Aberglaubens, als Gegenspieler von Freiheit und Erkenntnis. Auf der anderen Seite steht die Naturwissenschaft, vertreten durch Galilei, als Macht des Fortschritts und der Befreiung des Menschen aus den Fesseln der Unkenntnis, die ihn ohnmächtig der Natur gegenüber hielten. Der Stern der Neuzeit geht über der Nacht des mittelalterlichen Dunkels auf“ (Wendezeit für Europa. Diagnosen und Prognosen zur Lage von Kirche und Welt, 69). Ein „Stern“, der für jene Zeit jedoch in seiner Formulierung als Heliozentrismus auf ebenso unbeweisbaren Voraussetzungen basierte wie das geozentrische System.

Gleichzeitig wurde, wie in der Folge sichtbar wird, das Paradigma Galilei zum Zeichen der beginnen technowissenschaftlichen Vorherrschaft in der Weltinterpretation, die in ihrer Ausklammerung der ethischen Dimension zu den wesentlichen Problemfällen der Neuzeit führte, bis hin zur entfesselten und dem Menschen zur Verfügung stehenden Zerstörungskraft und den in den letzten Jahrzehnten möglich gewordenen biotechnologischen Eingriffen in das Leben.

Mit Galileo selbst hat dies alles nichts zu tun. Denn Galileos Eintreten für ein neues Weltbild wurde erst im Nachhinein durch Newton gerechtfertigt. Galilei irrte als Wissenschaftler, insofern seine Argumente für die Wissenschaft seiner Zeit unschlüssig waren und nichts von dem „beweisen“ konnten, was sie zu beweisen beanspruchten. Insofern ergibt sich, wie der Historiker und emeritierte Präsident des Päpstlichen Komitees für Geschichtswissenschaften, Walter Kardinal Brandmüller, in seinem Buch „Galileo und die Kirche“ (Aachen 1994, MM-Verlag) schreibt, „die groteske Tatsache, dass letzten Endes die oft des Irrtums in dieser Frage geziehene Kirche auf dem ihr ferner liegenden Gebiet der Naturwissenschaft im Recht war, als sie von Galileo forderte, das kopernikanische System nur als Hypothese zu vertreten“ (302).

Galileos Wissenschaft war somit in erster Linie keine Angelegenheit einer theologischen Diskussion, sondern Gegenstand einer Auseinandersetzung unter Wissenschaftlern und Philosophen, insofern die Kirche nie eine Frage der Konstitution des Universums als Glaubensinhalt betrachtet hat. Ein Problem stellte sich erst durch das Aufkommen der Reformation.

Luther und Melanchthon waren heftige Gegner des heliozentrischen Weltbildes, konnte ein derartiges doch für sie mit dem Prinzip der „sola scriptura” nicht vereint werden. Der neue Umgang mit der Schrift verführte jedoch auch die Berater der Inquisition. Galilei hingegen war der Überzeugung, dass die Interpretation von mehrdeutigen Bibelstellen nicht auf einen bestimmten Sinn fixiert werden darf. Womit er recht hatte. Wusste doch schon der Heilige Augustinus: „Wenn jemand die Autorität der Heiligen Schriften gegen einen klaren und sicheren Beweis ausspielen würde, fehlt ihm das Verständnis, und er stellt der Wahrheit nicht den echten Sinn der Schriften entgegen, er hat diesen vielmehr nicht gründlich genug erfasst und durch sein eigenes Denken ersetzt, also nicht das, was er in den Schriften, sondern das, was er bei sich selber gefunden hat, dargelegt, als ob dies in den Schriften stände” (Brief Nr. 143).

Diesem Prinzip folgte auch der Verantwortliche der Inquisition, Robert Kardinal Bellarmin, indem er auf die eigentliche Schwierigkeit hinwies. In einem Brief vom 12. April 1615 bemerkte der Heilige: „Gäbe es einen wirklichen Beweis, dass sich die Sonne im Zentrum befindet und die Erde im dritten Himmel und dass sich die Sonne nicht um die Erde bewegt, sondern die Erde um die Sonne, dann müssten wir bei der Deutung von Schriftstellen, die das Gegenteil zu sagen scheinen, mit großer Vorsicht zu Werke gehen und eher zugeben, dass wir sie nicht verstehen, als eine Meinung für falsch zu erklären, die als wahr erwiesen wurde.” Galilei aber konnte mit seinen Mitteln keinen unerschütterlichen Beweis für seine Theorie und das kopernikanische Weltbild erbringen. Das geschah Jahrzehnte später.

So kann zusammenfassend gesagt werden: ohne die Reformation und die neue Stellung der Bibel hätte es weder einen „Fall Galilei” gegeben noch dessen intellektuell unredlichen Missbrauch innerhalb der Bewegung der Aufklärung. Die Kirche stand auf der Seite der Vernunft und der wissenschaftstheoretisch fundierten Bestimmung von Wahrheitsansprüchen. Wenn etwas als wahr behauptet wird und eine neue Kosmologie geschaffen werden soll, so muss die Grundlage absolut gesichert sein. Ist sie das nicht, dann kann derartiges im besten Fall als Ad-hoc-Hypothese gelten, die weiterer Überprüfung bedarf.

Der Konflikt Galilei/Kirche war somit kein Konflikt als „empirische Faktenwissenschaft” gegen „theologisches, aber mächtiges Ammenmärchen”. Es war die Auseinandersetzung zwischen einer (noch zu beweisenden) Hypothese und einem (für die Zeit) hinreichenden Erklärungsmodell, das zudem nicht nur von theoretischer, sondern von globaler sozialer Relevanz war. Die Kirche wog die Pro und Kontra gegeneinander ab, und sie tat dies vernünftig, das heißt: im Respekt vor der Weite der Vernunft.

Aufgabe und Pflicht der Kirche ist es aber gerade, die Integrität des menschlichen Daseins zu schützen und die weise Gegenwart der göttlichen Vernunft in der Schöpfung zu behaupten und sichtbar werden zu lassen. So erklärte Papst Leo XIII. in der Enzyklika „Providentissimus Deus“ (18.11.1893) das rechte Verhältnis zwischen theologischer Aussage und wissenschaftlicher Tätigkeit: „Sicherlich wird zwischen dem Theologen und Naturforscher kein wahrer Zwiespalt eintreten, wenn nur beide sich auf ihr Grenzgebiet beschränken, indem sie nach der Mahnung des heiligen Augustinus sich davor hüten, dass sie etwas ohne Grund behaupten und das Unbekannte als bekannt ausgeben’. Wenn sie aber verschiedener Ansicht sind, hat derselbe Lehrer für das Verhalten des Theologen die allgemeine Regel aufgestellt: ‚In allen Fällen, wo die Gelehrten ihre Behauptungen über die Natur der Dinge durch stichhaltige Gründe beweisen können, wollen wir zeigen, dass dieselben mit den Lehren der Heiligen Schrift nicht in Widerspruch stehen’“.

Der Theologe muss dazu gelangen, die Schrift neu zu interpretieren, um auf der Höhe der Entwicklung der Wissenschaft zu stehen. Gleichzeitig aber hält der Papst zusammen mit Augustinus fest: „So oft die Naturforscher aber in irgend einem ihrer Werke eine unseren Schriften, d.h. dem katholischen Glauben widersprechende Behauptung, vorbringen, wollen wir, wenn dies irgendwie möglich ist, zeigen oder ohne allen Zweifel glauben, dass es grundfalsch ist“.

Papst Benedikt XVI. fasste die durch die künstlich vorgebrachte Polemik um die Reichweite des „Falles Galilei“ verdeckte eigentliche Problematik in seiner Ansprache an die Römische Kurie zusammen (22.12.2008):

„Dass die Materie mathematische Struktur in sich trägt, geisterfüllt ist, ist die Grundlage, auf der die moderne Naturwissenschaft beruht“, so Benedikt XVI.: „Nur weil Materie geistig strukturiert ist, kann unser Geist sie nachdenken und selbst gestalten. Dass diese geistige Struktur von dem gleichen Schöpfergeist kommt, der auch uns Geist geschenkt hat, bedeutet Auftrag und Verantwortung zugleich. Im Schöpfungsglauben liegt der letzte Grund unserer Verantwortung für die Erde. Sie ist nicht einfach unser Eigentum, das wir ausnützen können nach unseren Interessen und Wünschen. Sie ist Gabe des Schöpfers, der ihre inneren Ordnungen vorgezeichnet und uns damit Wegweisungen als Treuhänder seiner Schöpfung gegeben hat. Dass die Erde, der Kosmos, den Schöpfergeist spiegeln, bedeutet auch, dass ihre geistigen Strukturen, die über die mathematische Ordnung hinaus im Experiment gleichsam greifbar werden, auch sittliche Weisung in sich tragen. Der Geist, der sie geformt hat, ist mehr als Mathematik – er ist das Gute in Person, das uns durch die Sprache der Schöpfung den Weg des rechten Lebens zeigt“.

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Lesermeinungen

 Veritasvincit 17. Februar 2014 

@Wolfgang63

Die Venusphasen, welche Galilei unter anderem als Begründung seiner Ansicht anführt, werden auch im System von Tycho Brahe (ein Vorgänger Galileis) erklärt, bei dem die Erde fest im Mittelpunkt steht. Ein schlüssiger Beweis ist das also nicht.


0
 
 orthodox58 17. Februar 2014 
 

@wolfgang63 - 3

Dadurch, dass Galilei letztlich recht hatte, entstand für die Kirche ein Verlust an Ansehen und Glaubwürdigkeit. Die Unabhängigkeit der Naturwissenschaften von der Theologie konnte auf Dauer nicht verhindert werden. Italien geriet bei der naturwissenschaftlichen Forschung gegenüber den protestantischen Ländern immer mehr ins Hintertreffen. Und bis heute stehen viele Naturwissenschaftler der Religion sehr skeptisch gegenüber.

Zusammenfassend muss man wohl sagen: nichts gewonnen, aber viel verloren. Aus Sicht der Kirche wäre es besser gewesen, diesen Prozess hätte es nie gegeben. Dass er für polemische Angriffe auf die Kirche von einigen missbraucht wurde, ist Galilei jedoch nicht anzulasten.


1
 
 orthodox58 17. Februar 2014 
 

@wolfgang63 - 2

Der entscheidende Auslöser für den Prozess war sein Buch "Dialogo di Galileo Galilei sopra i due Massimi Sistemi del Mondo ...". Zwar verteidigt Galilei in diesem Buch dem Wortlaut nach das Ptolemäische Weltbild, durch die ironische Schreibweise ist jedoch jedem Leser klar, dass er eigentlich das Gegenteil meint.

Eine weitere Provokation war, dass der Verteidiger des Ptolemäus den Namen Simplicius trägt und dass Galilei diesen "Einfaltspinsel" Argumente vortragen lässt, die er aus Schriften von Papst Urban VIII entnommen hatte.

Gezielt war die Provokation, weil er zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bereits über 60 Jahre alt war, und somit sicher sein konnte, dass ihn die Inquisition nicht foltern würde. Außerdem war er, anders als Giordano Bruno, ein über die Grenzen Italiens hinaus anerkannter und berühmter Wissenschaftler. Und nicht zuletzt hatte er in der Familie Medici einflussreiche Beschützer.


2
 
 orthodox58 17. Februar 2014 
 

@wolfgang63

100%ige Zustimmung; auch wenn die Beweißführung Galileis noch einige Lücken aufwies, die erst von Newton, Bradley und Bessel geschlossen wurden, so war doch klar, dass das Ptolemäische Weltbild nicht mehr haltbar war. Als einziges Argument blieb den Vertretern des Ptolemäischen Weltbildes nur die scheinbare Vereinbarkeit mit der Hl. Schrift. Trotz guter Argumente sollte das Kopernikanische Weltbild als Hypothese und das Ptolemäische trotz fehlender Argumente als wahr angesehen werden. Da er das als Naturwissenschaftler nicht glauben konnte, wure er als Häretiker (Glaubensabweichler) verurteilt.

Rückwirkend betrachtet, war der Prozess gegen Galileo der entscheidende Schritt, der die Naturwissenschaft aus der Umklammerung der Theologie befreit hat. Es spricht einiges dafür, dass Galilei diesen Prozess bewusst provoziert hat, und dass die Inquisition ihm prompt auf dem Leim gegangen ist.


1
 
 Wolfgang63 17. Februar 2014 
 

Belege

@Giovanni: Das nicht Sonne und alle Planeten um die Erde kreisen können, belegten damals bereits die Venusphasen.

Die Inquisition interessierte sich auch nicht für die wissenschaftliche Wahrheit, sondern den Schutz von biblischen Aussagen. Dafür, dass die Erde im Mittelpunkt des Universums steht, gab es damals schliesslich erst recht keine Beweise.

Die Aufforderung an Galileo, seine Lehre als Hypothese darzulegen, stammt auch nicht von 1633, sondern erging schon 1616 in einem Brief Bellarmins, also schon vor jeder Untersuchung.

Die später eintreffenden weiteren wissenschaftlichen Belege für das heliozentrische Weltbild überzeugten die Kirche auch nicht: Es dauerte bis 1822 bis erlaubt wurde, dies als Realität und nicht als Hypothese darzustellen.

Es ist traurig, dass dieser Fall immer wieder hochkocht. Die Absicht der Bibel ist nicht, ein Physik- oder Biologiebuch zu sein: Das hat die Inquisition damals einfach anders gesehen (und Kreationisten tun es heute immer noch).


1
 
 Giovanni Bosco 16. Februar 2014 

Hypothese/ Behauptung (2)

Jedenfalls ist der Fall Galilei sehr viel komplexer, als dass er hier in einigen Sätzen richtig beurteilt werden kann. Es spielten politische Umstände, erschlichene Druckerlaubnis, persönliche Beziehung, Erwartungen an die Kirche, persönliche Eigenheiten, Krankheiten, ... eine Rolle.
Kurz zusammengefasst könnte man vielleicht (zugegeben etwas polemisch) sagen, dass:

1. sich die Kirche in der Auslegung der Bibel auf eine verkürzte Betrachtung eingelassen hat. Und somit einen theologischen Fehler gemacht hat.

2. der Wissenschaftler Galilei, eine für ihn begründete Behauptung als wissenschaftlichen Beweis hingestellt hat. Was ein wissenschaftlicher Fehler ist.


4
 
 Giovanni Bosco 16. Februar 2014 

Hypothese/ Behauptung (1)

@Wolfgang63: Wie hat Galilei seine Behauptung belegt? Mir ist keine schlüssige Beweisführung bekannt. Dem Hl. Offizium 1633 wohl auch nicht. Sonst hätte dieses nicht nach mehrfacher Prüfung durch verschiedene Sachverständige darauf bestanden, dass Galilei seine Behauptung als Hypothese darstellen sollte und nicht als Beweis.
Ihr Zitat von Papst JP II teile ich mit Ihnen. Das widerspricht aber nicht meiner Aussage, dass G. einen wissenschaftlichen Fehler gemacht hat.
@Veritasvincit: So einfach, wie Sie das schreiben, dass G. von einer Hypothese ausgegangen sei, ist es leider nicht.
Mit spitzer Feder hat er versucht, durch die Dialogform das kopernikanische Weltbild zu vertreten. So konnte er sich geschickt hinter den Dialogpartnern verstecken. Die Gegenargumente wurden einem "Simplicio" (Der Name soll Programm sein) in den Mund gelegt.
Die Androhung von Folter war bei einem 70 jährigen Mann selbst damals reine Formsache, von der auch G. wusste, dass sie nicht durchgeführt wird.


4
 
 Veritasvincit 16. Februar 2014 

@Giovanni Bosco und placeat tibi

Galilei hat im Prozess bis zum Schluss behauptet, er habe seine Meinung im "Dialogo" als Hypothese vorgetragen. Er blieb sogar bei dieser Ansicht, als ihm (auf Weisung des Papstes!)mit der Folter! gedroht wurde, wenn er nicht die Wahrheit sage. Im Urteil wurde er dann der Häresie! verdächtigt, weil seine Meinung dem Wortlaut der Bibel entgegenstand.

Das Hauptargument für seine Meinung waren die Meeresgezeiten. Da die absolute Geschwindigkeit eines Punktes der Erdoberfläche sich zusammensetzt aus der Bahngeschwindigkeit der Erde und der durch die Rotation hervorgerufene Geschwindigkeit, ist sie grösser, wenn die Oberfläche der Sonne abgewendet ist, als wenn sie ihr zugewendet ist. Galilei glaubte, daraus eine tangentiale Beschleunigung der Erdoberfläche ableiten zu müssen, welche das Meerwasser in Bewegung bringt. Die Beschleunigung ist aber nie tangential, sondern zeigt immer gegen den Erdmittelpunkt.


0
 
 Wolfgang63 16. Februar 2014 
 

Anachronismus

Ich finde es erstaunlich, welche Anachronismen und Mythen hier gepflegt werden. Natürlich konnte Galileo seine Behauptungen belegen: Ein wenig Beschäftigung mit Wissenschaftsgeschichte genügt, um dies zu erkennen.

Warum können Sie sich nicht einfach den Worten von Papst Johannes Paul II. anschliessen der über Galileo sagte: "Merkwürdigerweise zeigte sich Galilei als aufrichtig Glaubender weitsichtiger als seine theologischen Gegner."


1
 
 Giovanni Bosco 15. Februar 2014 

@Veritasvincit

Galilei machte einen bedeutenden Fehler: Er beharrte darauf, die Behauptung, dass sich die Erde um die Sonne dreht, ohne Beweise als Behauptung (!) stehen zu lassen. Und das, obwohl er mehrfach von der Inquisition auf diesen wissenschaftlichen (!) Fehler aufmerksam gemacht worden ist bzw. zur Unterlassung dieser Behauptung aufgefordert wurde.
Sein aufbrausendes Temperament machte die Sache erst richtig schwierig. Denn statt diesen Sachverhalt als Hypothese darzustellen, ging er in offene Konfrontation mit der Kirche. Die wiederum sehr sanft mit ihm umging.

Unter heutigen Gesichtspunkten, ist die wissenschaftliche Streitfrage eigentlich unbedeutend. Wenn zwei Himmelskörper umeinander drehen, ist die Frage, welcher steht und welcher sich bewegt eigentlich nur eine Frage des Bezugsystems. Der Wurm im Apfel, der auf den Boden fällt, wird auch behaupten, dass sich die Erde auf den Apfel nach oben zu bewegt. Wer hat recht, wir Menschen oder der Wurm? Das ist relativ.


7
 
 placeat tibi 15. Februar 2014 
 

@veritasvincit

Bitte genau lesen: Galilei hätte seine Vermutung als Hypothese sehr wohl äußern dürfen, ohne irgendwie belangt zu werden. Er selbst war es, der dies verweigerte.


8
 
 Stiller 15. Februar 2014 
 

Alter Hut!

http://www.welt.de/kultur/history/article1564612/Warum-die-Inquisition-im-Fall-Galilei-Recht-hatte.html


2
 
 Herbert Klupp 15. Februar 2014 
 

Ein anderer Aspekt

... des Galilei-Irrtums der Kirche ist die "Bibeltreue" der damaligen (kath) Theologie. Vor allem wg der Aussage, daß Gott "die Sonne anhielt" (für ein paar Stunden, während einer Schlacht). Daraus folgt, daß die Sonne ansonsten in Bewegung ist. Damals wurde die Wörtlichkeit der Bibel als 100% wissenschaftlich zuverlässig ("wahr") angesehen.
Wenn also heutige Pfingstler, Freichristen, amerikanische Prediger usw die Kirche kritisieren, weil sie nicht mehr so 100%ig am wörtlichen Wort festhält wie sie selber (bspw "in 7 Tagen erschaffen"), dann sollten sich die Damen und herren "Superbibeltreu" einmal den Fall Galilei anschauen (und daraus lernen) !


3
 
 Karl.Brenner 15. Februar 2014 

Die kath Kirche wird von Außen immer noch als Unwissenschaftlich gesehen

Das war sie aber nie.
Wer lesen kann, ist im Vorteil.

Die Mühe um den gregorianischen Kalender und die ausführlichen Überlegungen zu bestimmten Präparaten der "Pille danach" sollte erstmal genügen.

Wenn man ein bestimmtes Verfahren oder ein Umgang ablehnt, bedeutet es noch lange keine Rückständigkeit. Es könnte auch sein, dass man zu anderen Schlüssen gekommen ist.


3
 
 Veritasvincit 15. Februar 2014 

Biblische und wissenschaftliche Sprache

Die Bibel drückte sich natürlich gemäss dem Augenschein aus. Die natürliche Erfahrung ist eben, dass die Sonne sich um die Erde dreht. Dass die richtenden Kardinäle nicht die natürliche und die mathematisch-wissenschaftliche Ausdrucksweise nebeneinander stehen lassen konnten, macht die Tragik jener Verurteilung aus.

Wenn auch Galileis wissenschaftliche Begründung seines Postulats falsch war, so hätte es die Kirche doch als Möglichkeit stehen lassen können, ohne die Bibel zu verleugnen.


1
 
 OStR Peter Rösch 15. Februar 2014 
 

Zusammenfassung.

1. Galilei behauptete "sein" Weltsystem ohne klaren Beweis.
2. Die Kirche sah das Verständnis und die Interpretation der Heiligen Schrift tangiert.
3. Die Kirche schlug angesichts dieses Spannungsverhältnisses zwischen Galileischem Weltsystem und bisheriger Bibelinterpretation vor, die Heliozentrik einstweilen als Hypothese zu behandeln.
4. Durch Unterbreiten dieses Vorschlags handelte die Kirche nach dem Maßstab der Vernunft, wohingegen Galilei weiterhin seiner "fixen Idee" fanatisch anhing.
5. Erst Newtons Begründung (1.666 christlicher ZR) der Keplerschen Gesetzmäßigkeiten (die in dem Text nicht erwähnt sind) gaben dem Galileischen Weltsystem aposteriorisch eine hinreichende Grundlage.
6. Angelehnt an den Augustinus-Brief Nr. 143 paßte sich die Kirchenlehre der dem Forschungsstand entsprechenden Gewißheit an.

Ich möchte den Fortgang der Geschichte aber noch ergänzen.
7. Der Relativismus der Einsteinschen Lehre (5.666 mosaischer ZR) revidierte abermals das Weltverständnis.


9
 

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