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Lebt nicht mit der Lüge! - Leseprobe 1

27. Mai 2023 in Buchtipp, 9 Lesermeinungen
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Leseprobe 1 aus dem neuen „New York Times-Bestseller“-Buch „Lebt nicht mit der Lüge!“ von Rod Dreher, dem bekannten US-Autor der „Benedikt-Option“.


Linz (kath.net) 

Immer wieder kommt der Irrtum auf: »Hier bei uns könnte dasselbe nicht geschehen;
hier bei uns ist so etwas unmöglich.« Doch leider sind alle Gräueltaten
des 20. Jahrhunderts überall auf der Erde möglich.

Alexander Solschenizyn[i]

1989 fiel die Berliner Mauer und mit ihr der sowjetische Totalitarismus. Vorbei war der kommunistische Polizeistaat, der Russland und halb Europa versklavt hatte. Der Kalte Krieg, der die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts dominiert hatte, neigte sich seinem Ende zu. In den zuvor unterjochten Ländern begannen Demokratie und Kapitalismus aufzublühen. Das Zeitalter des Totalitarismus geriet in Vergessenheit, um nie wieder eine Gefahr für die Menschheit zu werden.

So etwa ist der Lauf der Geschichte. Wie die meisten Amerikaner glaubte ich, die Bedrohung durch den Totalitarismus sei nun vorbei. Dann aber, es war im Frühjahr 2015, rief mich ein besorgter Mann an, den ich nicht kannte.

Der Anrufer war ein bedeutender amerikanischer Arzt. Er erzählte mir, dass seine betagte Mutter, die aus der Tschechoslowakei in die Vereinigten Staaten eingewandert war, in ihrer Jugendzeit sechs Jahre lang als politische Gefangene in ihrer Heimat inhaftiert gewesen sei. Sie hatte dem katholischen antikommunistischen Widerstand angehört. Nun ist sie bereits in den Neunzigern und lebt bei ihrem Sohn und seiner Familie. Kürzlich unterhielt die alte Frau sich mit ihrem amerikanischen Sohn und bemerkte dabei, dass die jetzigen Ereignisse in den Vereinigten Staaten sie daran erinnerten, wie sich der Kommunismus in der Tschechoslowakei auszubreiten begann.


Was war der Grund für ihre Besorgnis? In den Nachrichten wurde über die massenhafte Hetze in den sozialen Medien gegen eine kleinstädtische Pizzeria in Indiana berichtet, deren christlich-evangelikale Besitzer einem Reporter gegenüber erklärt hatten, dass sie keine Bewirtung für eine gleichgeschlechtliche Hochzeit übernehmen würden. Die Drohungen gegen ihr Leben und Eigentum waren so massiv – bis hin zum Aufruf eines Nutzers der Medienplattform Twitter, die Pizzeria niederzubrennen –, dass die Eigentümer ihr Lokal eine Zeit lang schlossen. Obwohl die liberalen Eliten, besonders in den Medien, üblicherweise sehr wachsam gegenüber der Gefahr sind, die vom Mob ausgeht und das Leben und die Existenz von Minderheiten bedroht, zeigten sie sich unbeeindruckt von der Attacke auf die Pizzeria, die im Zusammenhang mit der breiter angelegten Debatte über den Konflikt zwischen den Schwulenrechten und der Religionsfreiheit geschehen war.

Der in den USA geborene Arzt erzählte, dass seine aus der Tschechoslowakei emigrierten Eltern ihn sein ganzes Leben lang vor den Gefahren des Totalitarismus gewarnt hatten. Er hatte sich keinerlei Sorgen gemacht – schließlich ist das hier Amerika, das Land der Freiheit, der Rechte des Einzelnen, eine Nation unter dem Schutz Gottes und der Rechtsstaatlichkeit. Amerika wurde aus dem Streben nach Religionsfreiheit heraus geboren und war auf das entsprechende verfassungsmäßig verbriefte Recht immer stolz gewesen. Doch jetzt machte ihn etwas an dem, was da in Indiana geschehen war, nachdenklich: Und was ist, wenn sie recht hätte? Es ist einfach, solch einen Vorfall lachend abzutun. Viele von uns, die betagte Eltern haben, sind daran gewöhnt, sie beruhigen zu müssen, wenn eine Nachrichtensendung ihre Angst und Besorgnis angesichts der Welt vor ihrer Haustür geschürt hat. Ich nahm an, dass dies wahrscheinlich auch auf die ältere tschechische Frau zutraf.

Doch in der Stimme des Arztes lag eine gewisse Anspannung, und die Tatsache, dass er sich gedrängt fühlte, sich an mich, einen Journalisten, zu wenden, den er nicht einmal kannte, und mich darauf hinzuweisen, dass es zu gefährlich wäre, seinen Namen zu nennen, falls ich darüber berichten sollte. All das verunsicherte mich. So wurde seine Frage zu meiner Frage: Und was ist, wenn die alte tschechische Frau etwas erkennt, was wir Übrigen nicht erkennen? Was ist, wenn wir in den westlichen liberalen Demokratien tatsächlich eine Wende zum Totalitarismus erleben und dies nicht erkennen, weil er in einer anderen Form daherkommt als der frühere?

[i] Alexander Solschenizyn, The Gulag Archipelago 1918–1956, Perennial, NY, 1983. (Der Archipel Gulag, Fischer Taschenbuch, Frankfurt 2008). Das Zitat wurde der Einleitung des Autors zur Kurzfassung des Buches entnommen (ohne Seitenzahl).

kath.net Buchtipp
Lebt nicht mit der Lüge!
Rod Dreher
272 Seiten
2023 Media Maria
ISBN: 978-3-947931-48-4
Preis Österreich: 22,70 Euro


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