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Jesus, die Hirten und die Sterndeuter

24. Dezember 2008 in Aktuelles, keine Lesermeinung
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"Die Welt"-Interview mit dem Leiter der Vatikanischen Sternwarte in Castel Gandolfo, Pater José Gabriel Funes SJ - Von Paul Badde / Die Welt


Rom/Castel Gandolfo (kath.net/WELT)
„Nicht alle wissen, dass quer über die Piazza San Pietro ein Meridian verläuft“, sagte Benedikt XVI. am Sonntag, dem 21. Dezember, um 12 Uhr mittags in seiner Ansprache zum Angelus. In dieser Stunde warf der Obelisk gerade den längsten Schatten des ganzen Jahres entlang des Breitengrads. Es war die Wintersonnenwende, die der Papst zum Anlass nahm, all jene zu begrüßen, die demnächst auf die eine oder andere Weise an den vielen Initiativen des Weltjahres der Astronomie im Jahr 2009 teilnehmen würden, 400 Jahre nach den ersten Beobachtungen des Himmels durch Galileo Galilei.

Über dieses und andere Ereignisse sprachen Paul Badde und Norbert Lossau für DIE WELT mit dem Leiter der Vatikanischen Sternwarte in Castel Gandolfo, Pater José Gabriel Funes SJ

DIE WELT: Warum hat ausgerechnet der Vatikan eine Sternwarte?

P. José Gabriel Funes SJ: (lacht)Dazu muss ich ein wenig über die Geschichte des Observatoriums erzählen. Zur Zeit der ersten Jahrtausendwende hat Papst Silvester II. noch selbst Astronomie gelehrt. Das offizielle Interesse der Kirche an Astronomie lässt sich aber am besten in das Jahr 1582 datieren, als Papst Gregor XIII den Kalender reformieren wollte, um zu einem einvernehmlichen Termin des Osterfestes zu kommen. Damals setzte er eine Kommission von Mathematikern und Astronomen ein, die dieses Problem lösen sollten.

Später, im Jahr 1891, wollte Papst Leo XIII. mit dem Observatorium der säkularen Welt zeigen, dass die Kirche die Wissenschaft nicht ablehnt, sondern im Gegenteil sehr hoch schätzt. Seit damals tun wir hier also unsere Arbeit. Wir haben die Aufgabe, eine kleine Brücke zu bilden zwischen der Kirche und der Astronomie.

DIE WELT: Doch was in aller Welt suchen Sie denn im Universum?

P. Funes: Jeder in unserer Gruppe sucht etwas Verschiedenes. Die einen sind Spezialisten für unser Sonnensystem. Andere spezialisieren sich auf die Auswertung unserer sehr schönen Meteoriten-Sammlung. Ein anderer studiert Pluto. Wieder ein anderes Feld ist die Erforschung der Sterne der Milchstraße, also unserer Galaxie, die nur eine unter 100 Milliarden Galaxien ist.

DIE WELT: 100 Milliarden?

P. Funes: Ja, ich weiß, dass für unser Verständnis 10 Milliarden oder 100 Milliarden das Gleiche sind. Doch so ist es. Würde man also die Zahl aller Galaxien durch die Zahl aller Bewohner der Erde dividieren, hätte jeder Mensch 15 Galaxien zu studieren. Jede dieser Galaxien besteht aus Milliarden von Sternen, aus Gas, Staub und dunkler Materie.

Ich studiere nahe Galaxien - die also nicht weiter entfernt sind als 100 Millionen Lichtjahre. Ein anderer von uns studiert Kosmologie, was etwa die Lehre vom Urknall als Ursprung des Universums einschließt.

Andere Kollegen diskutieren die Möglichkeit mehrerer Universen anstelle von einem Universum. Deshalb reden sie jetzt schon von einem Multiversum, also von unbegrenzten Universen.

DIE WELT: Haben Sie ein Lieblingsphänomen im Universum?

P. Funes: In letzter Zeit habe ich vor allem eine Galaxie in der südlichen Hemisphäre studiert. Es ist eine elliptische Galaxie. Normalerweise haben sie weder Gas noch Staub. Sie sehen aus wie Rugbybälle. Doch in diesem Fall ist es merkwürdig. Diese hat Gas und Staub und im Moment stellen wir uns vor, dass es das Resultat einer Verschmelzung einer elliptischen Galaxie mit einer kleineren spiralförmigen Galaxie ist. Spiralgalaxien sehen aus wie Spiegeleier. Das ist das derzeit das Lieblingsobjekt meiner Studien.

DIE WELT: Aber ist Ihr Blick als Wissenschaftler in den Sternenhimmel nicht völlig inkompatibel mit Ihrem christlichen Glauben an einen persönlichen Schöpfergott?

P. Funes: Nein, ich bin Priester und Astronom zur gleichen Zeit. Meine Berufung als Jesuit bestand im Gegenteil in dieser doppelten Berufung, nämlich Priester und Wissenschaftler zu sein. Beide Berufungen als Jesuit harmonieren in ihren Aktivitäten in meiner Existenz sehr gut miteinander.

DIE WELT: Aber wenn Sie durch das Teleskop in die Tiefe des Weltalls schauen, ist es dann nicht fast unmöglich, als Wissenschaftler an dem Glauben festzuhalten, dass eine Person all dies geschaffen haben soll? Ist diese Herausforderung nicht einfach zu groß?

P. Funes: Gute Frage, doch wie gesagt, wir leben in einem Universum von 100 Milliarden Galaxien. Schon das ist ja eigentlich nicht mehr zu glauben. Da ist es eine sehr menschliche und tiefe Frage: warum gibt es so viele Galaxien und nicht einfach Nichts? Als Wissenschaftler können wir den Ursprung der Galaxien untersuchen und erklären, wie sie sich geformt haben. Wie es zu Sternen und Planeten kam.

Ich habe keine Antwort, wie es zu diesem wundervollen Universum kam. Doch vor allem erzählt und spiegelt für mich die Schönheit des Universums die Schönheit des Schöpfers.

DIE WELT: Aber ist es nicht vollkommen unnachvollziehbar, dass der Schöpfer aller Gestirne, der die Sonne und Sterne bewegt, wie Dante sagt, dass der ein menschliches Gesicht haben soll?

P. Funes: Das ist erstaunlich. Schauen Sie sich meine Weihnachtskrippe an. Gott ist Mensch geworden. Dass der Schöpfer des Himmels und der
Erde einer von uns geworden ist, lässt sich nur so erklären, dass er sich in uns verliebt hat. Darum wollte er einer von uns werden. Das ist ein großes Geheimnis. Das können wir wissenschaftlich nicht erklären. Das ist weit jenseits aller Wissenschaft.


DIE WELT: Ist für Sie der Urknall denn eine Realität wie Gott – der ist er nur ein Denkmodell, das hilft bestimmte Prozesse zu erklären?

P. Funes: Ich würde sagen, die Annahme eines Urknalls ist die beste Erklärung, die wir für den Anfang des Universums haben – bis jetzt.

Obwohl wir noch immer vieles besser verstehen müssen, ist es erstaunlich, dass wir die Geschichte des Universums etwa seit dem Anfang recht gut verstehen können. Was am Anfang war und davor, wissen wir nicht. Aber kurz nach dem Urknall bis heute verstehen wir sehr viel. Dafür ist der Urknall bisher das beste Denkmodell. Vielleicht haben wir in der Zukunft noch bessere.

DIE WELT: Welche Phänomene widersprechen denn der Annahme eines Urknalls?

P. Funes: Vielleicht dies: die Frage, woraus das Universum überhaupt besteht. Denn nur 4 Prozent des Universums besteht aus Atomen. 22 bis 24 Prozent aus dunkler Materie, von der wir nicht viel wissen. Wir können sie nur feststellen. Und der Rest, 72 Prozent, besteht aus dunkler Energie. Wir wissen, dass sich das Universum ausbreitet, und zwar immer schneller.

Wir brauchen diese Vorstellung der dunklen Energie als Kraft, die der Schwerkraft entgegen gesetzt ist. Die Schwerkraft würde das Universum kollabieren lassen. Die dunkle Energie schleudert es auseinander und zwar immer schneller. Bis jetzt kennen wir die Natur der dunklen Energie und der dunklen Materie nicht. Das sind riesige Fragen, auf die wir keine Antwort haben. Weil die
Vorstellung des Urknalls aber sehr eng mit diesen Begriffen arbeitet, gibt es noch eine Unmenge zu erforschen - auch wenn es viele Evidenzen gibt, die die Annahme eines Urknalls rechtfertigen.

DIE WELT: Wie verstehen Sie den Bericht, wo Matthäus in seinem Evangelium erzählt, dass Sterndeuter aus dem Orient einem Stern bis Bethlehem gefolgt sind?

P. Funes: Wir haben keinen historischen Nachweis des Sterns von Bethlehem. Mag sein, dass es eine Konjunktion von zwei Planeten war oder die Explosion eines Sterns oder ein Komet. Es ist schwierig, ein astronomisches Ereignis für diese Zeit nachzuweisen und auch das Matthäus-Evangelium ist sicher kein astronomischer Bericht. Es zeigt die Geburt Jesu als eines der wichtigsten Ereignisse der Weltgeschichte an. Damals wurde bei der Geburt jedes Königs der Himmel nach einem Zeichen abgesucht. Hier ist der Stern also ein Zeichen, dass in der Geburt Jesu alle Prophezeiungen der Schrift in Erfüllung gingen.

Für mich kommt in diesem Evangelium aber noch etwas anderes zum Ausdruck. Als Jesus geboren wurde, liefen Hirten und Sterndeuter zu seiner Krippe. Die Hirten standen am Rand der Gesellschaft, die Sterndeuter aber standen für die Wissenschaft. Es waren extreme Positionen der antiken Gesellschaft. Gott hat seine Geburt also der ganzen Menschheit offenbart. Dieses Beispiel nehme ich immer, um die vatikanische Sternwarte zu erklären. Dass die Kirche immer auf der Seite der Armen und Schutzlosen stand, ist bekannt. Mutter Teresa ist ein Beispiel dafür. Dass die Kirche aber auch von Anfang an auf der Seite der Wissenschaft stand, davon erzählt die Wanderung der Sterndeuter nach Bethlehem.

Unsere Aufgabe ist es daher, die Sterndeuter bei der Reise der Menschheit zu begleiten. Wir stehen an der Seite der Wissenschaft, wir gehen mit ihr. Wir lernen, was die Wissenschaft mit ihrer Freude an Entdeckungen lernt, und teilen mit ihr auch die Ermüdung langer Forschung.

DIE WELT: Gibt es eigentlich noch eine Schnittmenge zwischen Astrologie und Astronomie?

P. Funes: In der Vergangenheit waren die beiden eins. Doch die Astronomie folgt keinen wissenschaftlichen Kriterien. Es gibt kein wissenschaftliches Fundament, dass die Sterne unser Schicksal beeinflussen oder sogar unser Verhalten steuern. Gerade die Astronomie hat uns über die unvorstellbaren Entfernungen der Sterne zu unserem Leben aufgeklärt. Astrologie und Astronomie waren einmal zusammen, aber alle wissenschaftlichen Erkenntnisse haben die Astrologie von der Astronomie getrennt.

DIE WELT: Von Anselm von Canterbury stammt der Satz „Credo ut intelligam“. Das heißt: Ich glaube, damit ich verstehe. Würden Sie dieses Motto auch unterschreiben können?

P. Funes: So explizit habe ich das noch nie gedacht. Eher bin ich Wissenschaftler, weil ich die Neugier eines Kindes habe. Ich will wissen, wie das ganze Universum funktioniert. Wie es geformt wurde.

Diese Neugier ist für mich der Motor jeder Wissenschaft. Natürlich ist diese Neugier auch mit der Sehnsucht verwandt, Gott näher kennen zu lernen. Welche Interferenz gibt es zwischen Glauben und Wissen?

Die wissenschaftliche Methode ist das kritische Denken. Du musst deine Gedanken ordnen. Du musst deine Beweise prüfen. Das ist natürlich eine Haltung, die sich in allen Lebenssituationen bewährt. Die man auch den Kindern in der Erziehung beibringen sollte.

Deshalb kann diese Haltung auch unserem Glauben ungemein weiter helfen. Weil Gott ja noch viel unbekannter ist als alle Universen. Unser Wissen von Gott ist sehr begrenzt. Und weil unsere Unkenntnis Gottes immer noch so groß ist, sind wir auch immer noch vom Fundamentalismus gefährdet. Ignoranz müssen wir aber überall bekämpfen. Ignoranz, was die Wissenschaft betrifft und Ignoranz, was den Glauben betrifft.

Sehr oft haben ja auch Wissenschaftler keine Ahnung vom Glauben und von der Religion. Und von der Bibel wissen sie oft nichts. Die Wissenschaft kann dem Glauben also auf jeden Fall helfen. Umgekehrt kann aber auch der Glaube der Wissenschaft helfen, Werte zum Bestand der Forschung zu machen, zu denen die Wissenschaft aus sich selbst nie gefunden hätte.

DIE WELT: Welche Bedeutung hat für Sie das Jahr der Astronomie 2009?

P. Funes: Es ist sehr wichtig. Wir feiern die erste astronomische Beobachtung Galileis mit einem Teleskop. Mit diesem Schritt hat die Menschheit zum ersten Mal ein Teleskop in die Tiefe des Weltraums gerichtet. Jetzt haben wir Riesenteleskope von 8 bis 10 Metern Durchmesserm und es gibt Vorhaben, Teleskope von 30 bis 50 Metern zu bauen. Unsere Gruppe hat ihren Hauptsitz in Arizona. Das ist das Kitt Peak-Observatorium, eins der wichtigsten Sternwarten in den 60er und 70er Jahren. Weil es in einem Indianer-Reservat liegt, musste die US-Regierung eine Vereinbarung mit den indianischen Behörden unterzeichnen - die aber kein Wort für Astronomen in ihrer Sprache hatten. Deshalb mussten sie einen neuen Namen für uns erfinden. Seitdem heißen wir für sie „die Leute mit den langen Augen“.

Das war sehr genau hingeschaut. Denn wir machen mit den Teleskopen ja wirklich Wahrnehmungen, die das Auge allein niemals machen kann, sowohl was die Ferne wie die Farben betrifft. Mit dieser Verlängerung unserer Augen können wir das ganze Universum durchstreifen.

Die Astronomie hat unseren Blick und unser Bewusstsein einfach enorm erweitert und vertieft. Durch die Astronomie haben wir erstmals von der Größe unseres Universums erfahren und davon, wie klein unser Planet ist. Darüber haben wir auch erfahren, wie behutsam wir mit unseren Ressourcen umgehen müssen. Wie klein und zerbrechlich unser Planet inmitten des unendlichen Universums ist! Diese Beobachtung hilft uns zu mehr Umsicht, Behutsamkeit und schließlich auch Menschlichkeit.

DIE WELT: Als Kopernikus und Galilei sich dem Universum zuwandten, hatte das enorme Folgen für das geozentrische Weltbild. Erwarten Sie in
Zukunft ähnliche Durchbrüche, die auch unser Weltbild noch einmal von Grund auf erschüttern, wie damals die kopernikanische Wende?

P. Funes: Menschen haben immer diese Fragen gestellt. Wo stehen wir? Wo sind wir? Die Antwort des Ptolomäus war, dass die Erde die Mitte der Welt bildet. Nach ihm schlug Kopernikus vor, dass die Sonne der Mittelpunkt sei. Im letzten Jahrhundert gab es in den Vereinigten Staaten eine große astronomische Debatte, die in der Öffentlichkeit vielleicht nicht so bekannt geworden ist. Es ging dabei im Grund um die Frage, ob unsere Galaxie eigentlich das ganze Universum ist und wir uns
alle anderen Galaxien nur als Teile davon vorstellen müssten. In dieser Zeit wurden sie noch nebulae genannt, heute nennen wir sie Gas- und Staubwolken. Wir wussten damals noch nicht, ob diese Nebelsysteme wie unsere Galaxie waren und was sie enthielten.

Der amerikanische Astronom Hubble hat dann nachgewiesen, dass es sich bei diesem Nebel um eigene Galaxien handelte und dass das Universum unendlich viel größer ist als die Menschen es sich bis dahin vorgestellt hatten. Das war eine enorme Veränderung unseres Verständnisses vom Universum. Vielleicht war diese Hubblesche Wende nicht so groß wie die Kopernikanische Wende, doch wahrscheinlich ist sie einfach auch viel schwieriger zu begreifen.

Wenn ich in einer allgemeinen Astronomieklasse unterrichte, ist es immer sehr kompliziert, den Studenten beizubringen, dass das Universum KEIN Zentrum hat. Und dass es keine Grenzen hat. Wenn ich zu einem anderen Punkt des Universums ginge, würde ich im Grunde also immer das Gleiche sehen. Das ist das Neue. Es gibt kein Zentrum und es gibt keine Grenzen. Das sprengt die Möglichkeiten der menschlichen Vorstellungskraft. Das war der große Schritt vorwärts im letzten Jahrhundert. Für die Zukunft müssen wir besser die Entstehung der Galaxien studieren und verstehen. Von dem, was wir kennen, versuchen wir bei etwa 300 Sternen und Planeten heraus zu finden, welcher Planet dem der Erde am ähnlichsten ist.

DIE WELT: Was war für Sie die bedeutendste astronomische Entwicklung der letzten Jahre?

P. Funes: Die digitale Revolution hat natürlich auch die Möglichkeiten der Astronomie revolutioniert. Die bedeutendste astronomische Entwicklung selbst aber war gewiss die Einführung des riesigen Hubble-Teleskops, das ganz neue Horizonte in die Tiefe des Raums ermöglicht hat und die Entdeckung einer Vielzahl von Sternen und Planeten in ihrem Werdegang ermöglichte. Das bleibt auch die spannendste Suche der nahen Zukunft. Nämlich einen Planeten zu entdecken, der unserem gleicht. Der über die gleiche Atmosphäre verfügt, die Leben ermöglicht, wie wir es kennen. Mit diesen Forschungen werden wir in den nächsten Jahren sehr viel weiter kommen. Das ist derzeit die spannendste offene Frage der Astronomie.

DIE WELT: Fühlen Sie sich denn eigentlich, wenn Sie da hinaus schauen, manchmal auch von da oben beobachtet?

P. Funes: (lacht) Das Gefühl habe ich eigentlich nicht. Vielleicht bin ich nicht romantisch genug dafür. Ich konzentriere mich auf die Wissenschaft. Wenn ich am Teleskop arbeite, schaue ich nur neugierig hinaus. Vor dem Teleskop gestatte ich mir solche Reflexionen nicht.

DIE WELT: Fühlen Sie sich also immer noch allein im Universum?

P. Funes: Bis jetzt haben wir noch keinen einzigen Beweis für Leben an irgendeinem Ort im Universum. Bis jetzt nichts, obwohl es einen eigenen Zweig in der Astronomie gibt, der sich Astro-Biologie nennt, der nichts anderes tut, als nach Spuren des Lebens im Universum zu suchen. Bis jetzt können wir es nur in unserem eigenen Sonnensystem suchen, weil die Technologie noch nicht weiter reicht. Ich wiederhole: wir haben noch keinen einzigen Hinweis für Leben außerhalb der Erde. Aber ich bin natürlich offen für diese Möglichkeit.

DIE WELT: Wie würden sie auf die Nachricht reagieren, wenn auf einem anderen Planet Leben gefunden würde, wenn also die Erde einen Bruder hätte?

P. Funes: Schon der heilige Franziskus hat von Bruder Sonne und Schwester Mond gesprochen. Wieso sollten wir denn irgendein neues Leben – sollte es je gefunden werden – nicht brüderlich begrüßen und
willkommen heißen?

DIE WELT: Inwieweit hat das Motto der Jesuiten auch für Sie noch Bedeutung, „alles zur größeren Ehre Gottes“ tun zu wollen?

P. Funes: Als im Februar dieses Jahres die Jesuiten in Rom einen neuen General wählten, wurden sie von Papst Benedikt empfangen, der ihnen mit einem Zitat von Paul VI. einschärfte, dass sich die Jesuiten an einer Kreuzung zwischen der Kultur und dem Evangelium befinden. So sehe ich auch die Arbeit der Sternwarte. Hier begegnet die Wissenschaft der Religion. Es ist eine ganz besondere Grenze, an die die Kirche hier stößt und in gewisser Weise ist es die letzte Grenze: das Grenzenlose.

Denn es sind ja doch sehr tiefe Fragen der Menschheit, über die wir hier sprechen. In gewisser Weise ist es die ultimative Grenze. Denn welche Grenze soll sonst noch hinter dem Universum und Multiversum und Grenzenlosen auf uns warten?

In diesem Sinn folgen wir auf diesem Hügel immer noch dem Motto des heiligen Ignatius, der uns aufgetragen hat, alles zur größeren Ehre Gottes zu unternehmen (lacht). Es ist unsere bleibende Sehnsucht, unseren Kollegen, der Suche nach Wahrheit, dem Menschen und dem täglichen Beweis zu dienen, dass Religion und Wissenschaft keine Gegensätze, sondern fruchtbare Ergänzungen sind.

DIE WELT: Wie begegnen Ihnen denn Ihre „weltliche“ Kollegen?

P. Funes: Wir sind eine Sternwarte wie alle anderen auch und tun das Gleiche, was auch andere Astronomen tun. Wir organisieren Kongresse und
Treffen und veröffentlichen unsere Ergebnisse in Fachzeitschriften.

Alle zwei Jahre haben wir eine Sommerschule, wo Studenten aus aller Welt zu uns kommen. Wir sind Wissenschaftlicher wie die anderen und sehr respektiert.

DIE WELT: Was halten Sie von der Möglichkeit bemannter Flüge ins All – etwa zum Mars – ohne Rückkehr?

P. Funes: Ich wurde Astronom wegen diesem Bild da hinten an der Wand, wo Papst Paul VI. vor dem Bildschirm verfolgt, wie die Astronauten auf dem Mond landeten. Dieses Foto wurde hier in der Sternwarte aufgenommen. Mein Vorgänger, Pater O’Connor, sitzt da an seiner Seite.

Ich war damals in Argentinien sechs Jahre alt. Damals fing mein Interesse für die Astronomie an. Vor kurzem war ich bei der NASA, wo ich von verschiedenen Pläne erfahren habe, Expeditionen zum Mond und zum Mars zu schicken.

Doch ich bin überzeugt, dass es sehr schwierig werden wird – vor allem wegen der enormen Mittel, die das Projekt erfordert. In jeder Finanzkrise werden die Budgets der Weltraumforschung als erstes gekürzt. Für Regierungen sind wir am allerwenigsten dringend. Trotzdem kann ich mir vorstellen, dass in 20 Jahren die ersten Menschen zum Mars fliegen.

DIE WELT: Gibt es spektakuläre Erkenntnisse, die Sie von solch einem Unternehmen erwarten würden?

P. Funes: Wir haben ja schon eine internationale Raumstation in der Erdumlaufbahn. Und sicher werden wir auf dem Mond und Mars wissenschaftliche Experimente durchführen können, die auf der Raumstation nicht möglich sind. Grundsätzlich neue Erkenntnisse erwarte ich von einem Marsflug zwar nicht – aber ich bin auch sehr mit dem Bestreben der Menschen vertraut, ihre Grenzen immer neu zu überschreiten.

DIE WELT: Was halten Sie von den Experimenten, die am neuen Teilchenbeschleuniger (LHC) in Genf durchgeführt werden sollen?

P. Funes: Sie werden uns enorm helfen zu verstehen, wie sich in den ersten Momenten nach der Entstehung des Universums Materie gebildet hat.

DIE WELT: Der Astrophysiker Sir Martin Rees hat als Hofastronom der Queen die These aufgestellt, die Menschheit habe bis zum Ende dieses Jahrhunderts nur eine Überlebenswahrscheinlichkeit von 50 Prozent. Wie stehen Sie zu der Meinung ihres Kollegen?

P. Funes: Sir Rees ist ein sehr geachteter Wissenschaftler Persönlich bin ich allerdings optimistischer und halte es im übrigen mit dem Apostel Paulus, wo er an die Römer schreibt, „wir wissen, dass die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt.“


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