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Die Jugend von heute, die neue Generation Alpha, „sucht Sinn, Rituale und Spiritualität“

vor 2 Stunden in Jugend, 1 Lesermeinung
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Pfr. Prof. Alexander Krylov: „Um die ältere Generation heute zu provozieren, reicht es für die jungen Menschen manchmal einfach in die Kirche zu gehen.“ Was die neue Generation für die Kirche bedeutet. KATH.NET-Interview von Petra Lorleberg


Köln (kath.net/pl) Zum Ende des Kalenderjahres nehmen sich viele Menschen Zeit für einen Rückblick. Es ist aber auch eine Zeit, nach vorne zu schauen. Wir haben uns deshalb gefragt, wie es der Jugend von heute geht, wie die kommende Generation heranwächst und wie sie zum Glauben und zur Kirche steht. Diese Fragen richten wir an den katholischen Priester und Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Alexander Krylov, der unseren Lesern gut bekannt ist. „Mein Lebensentwurf. Das Glaubensbuch“, ein Buch für junge Menschen, das er vor kurzem gemeinsam mit Pfarrer Javier del Río Blay veröffentlicht hat, ist in aller Munde. Er hat sich intensiv mit der jungen Generation auseinandergesetzt und steht kath.net zu diesen Fragen Rede und Antwort.

kath.net: Man hat verschiedene Generationen mit unterschiedlichen Bezeichnungen beschrieben – Generation X, Generation Y, Generation Z. Was ist die neue Generation? 

Pfr. Prof. Dr. Alexander Krylov: Diese Bezeichnungen stehen für soziologische Modelle, die wissenschaftlich nicht ganz exakt sind – und doch als hilfreiche Orientierung in Soziologie, Psychologie, Pädagogik und Medien dienen. Die neue heranwachsende Generation heiß Alpha. Das sind die jungen Menschen, die ca. zwischen 2010 und 2025 geboren sind. Die zeitlichen Abgrenzungen der Generationen sind nicht eindeutig und variieren je nach Quelle. Fünfzehn- und sechzehnjährige Jugendliche kann man heute bereits dieser Generation Alpha zurechnen.

kath.net: Was unterscheidet die neue Generation von den anderen? 

Dr. Krylov: Zur früheren Generation Z gehören die jungen Erwachsenen bis ca. 30 Jahre alt. Für sie sind Selbstverwirklichung, Autonomie und digitale Präsenz besonders wichtig. Die neue Generation wird als neugierig, suchend, weltoffen und beziehungsorientiert beschrieben. In einer Welt von Pandemie, Krieg und digitaler Überlastung spüren junge Menschen deutlicher: „Ich brauche etwas Größeres als mich selbst“. 

kath.net: Und wie ist die Einstellung dieser Generationen zur Kirche?

Dr. Krylov: Selbstverständlich kann man nicht pauschal über ganze Generationen sprechen, aber man kann gewisse Tendenzen erkennen. Die Generation X (ca. 1965–1980) und teilweise auch die Generation Y (ca. 1980–1995) hatten ihre Gründe, mit der Institution Kirche unzufrieden zu sein. Für viele aus dieser Generation gehörte es einfach dazu, die Kirche zu kritisieren oder die kirchlichen Strukturen in Frage zu stellen. Damit wird u. a. versucht, sich als aufgeklärt und modern zu präsentieren. 

Die Generation Z (ca. 1995–2010) lehnt die Kirche nicht stark ab, sondern zeigt eher Gleichgültigkeit. Die Kirche spielt in ihrem Alltag kaum noch eine Rolle. 

Die neue Generation Alpha kennt die Kirche, ihre Lehre, die Sakramente und selbst einfache Traditionen wenig. Zugleich sucht sie Sinn, Rituale und Spiritualität. Es liegt nun an uns, ob wir auf diese Generation zugehen und ihr helfen, zu Gott zu finden.


kath.net: Sie sind nicht nur Sozialwissenschaftler, sondern der Pfarrer eines großen Seelsorgebereichs im Erzbistum Köln. Welche Erfahrungen machen sie mit der neuen Generation?

Dr. Krylov: Immer wieder lerne ich junge Menschen aus kirchenfernen Familien kennen. Plötzlich sitzt jemand in der Kirche, der noch gar nicht richtig weiß, was dort geschieht, der die Sakramente nicht kennt und vielleicht nicht mal getauft ist, aber dennoch nach Gott sucht. 

Oder es kommt jemand zur Beichte, obwohl er oder sie noch nie gebeichtet hat. Auf diesem Weg werden eigene Ängste und Unsicherheiten überwunden, weil das innere Bedürfnis nach Beichte stärker ist. 

Man kann hier nicht von massenhaften Beispielen sprechen, aber es sind auch keine Einzelfälle. 

Dann gibt es die Jugendlichen, die nach ihrer Erstkommunion nicht mehr in der Kirche waren, aber sich zur Firmung anmelden. Manche sind skeptisch und distanziert, andere neugierig. Diese Jugendlichen sind meistens weniger an bestehender Jugendarbeit interessiert, aber sie sind aufgeschlossen, sich mit dem Unbegreiflichen in der Welt und in ihrem eigenen Herzen auseinanderzusetzen.

kath.net: Das ist eine gute Nachricht für alle, die sich Sorgen um die Kirche machen. Ist eine solche neue Generation nicht ein Geschenk für uns alle?

Dr. Krylov: Vielleicht kann man ja die neue Generation als Geschenk sehen. Aber dieses Geschenk muss zuerst ausgepackt werden. Es wäre falsch zu denken, dass nun eine neue Generation heranwächst, die ganz selbstverständlich wieder in die Kirche kommt und am Leben der Gemeinde wie vor einigen Jahrzehnten teilnimmt. 

Die neue Generation ist vielmehr eine Chance, die wir nicht verpassen dürfen. Deshalb freue ich mich, dass bei uns im Erzbistum Köln die Neuevangelisierung immer mehr an Bedeutung gewinnt. Wenn wir diese Chance nutzen wollen, müssen wir uns verändern und die Jugendarbeit neu denken.

kath.net: Was bedeutet das für die kirchliche Jugendarbeit?

Dr. Krylov: Früher hat die Kirche viel für die Freizeitgestaltung der Jugendlichen getan und war mancherorts vielleicht die einzige Institution, die sich überhaupt um junge Menschen kümmerte. Heute kann und muss sie nicht mehr mit der Unterhaltungsindustrie konkurrieren. Jugendliche, die heute in die Kirche kommen, suchen nicht nach einem fußballspielenden Kaplan oder besonders „coolen“ Gemeindereferenten, sondern nach echter Seelsorge. Dabei sind coole, freundliche und sportliche Seelsorger selbstverständlich nur zu begrüßen. Die Versuche der Erwachsenen, Jugendliche mit einer „modernen Band“ oder mit Liedern aus den 1980er Jahren in die Kirche zu locken, werden eher als merkwürdig als ansprechend wahrgenommen.

kath.net: Soll die Kirche dennoch versuchen, modern zu sein?

Dr. Krylov: Modern zu sein heißt nicht, jedem Hype der Welt hinterherzulaufen, sondern den Nerv der Zeit zu treffen. In diesem Sinn muss die Kirche selbstverständlich modern sein. 

Wir haben eine zeitlose und zugleich immer moderne Frohe Botschaft zu verkünden, deren Ziel es ist, die Menschen zu Gott zu führen. Diese Aufgabe bleibt in jeder Generation aktuell. Es ist unsere Verantwortung, diese Botschaft den Menschen von heute nahe zu bringen.

kath.net: Viele meinen, man müsse mit Jugendlichen in ihrer Jugendsprache sprechen, um sie zu erreichen.

Dr. Krylov: Doch was ist eigentlich „Jugendsprache“? Wenn ein Seelsorger beginnt, mit Jugendlichen Slang zu sprechen, wirkt das schnell unauthentisch und falsch. Die Sprache muss einfach, verständlich und zugewandt sein. Unsere Gesellschaft ist heute stark infantilisiert, das habe ich bereits in meinem Buch „Wie ich zum Mann wurde“ über die damalige Sowjetunion beschrieben. 

Auch in Westeuropa lässt sich beobachten, dass erwachsene Menschen oft wie Kinder behandelt werden. Junge Menschen erreicht man am besten, wenn man sie ernst nimmt, sie herausfordert und sie mit echten Fragen konfrontiert.

kath.net: Und das haben Sie in Ihrem neuen Glaubensbuch versucht…

Dr. Krylov: Ich möchte jetzt nicht ausführlich über unser Buch „Mein Lebensentwurf“ sprechen. Zu unserer Freude gibt es viele sehr positive Rezensionen in fast allen katholischen Medien, u. a. bei kath.net und auch im Internet, darüber ist also schon viel gesagt worden. 

Wir haben das Buch nach einem ganz neuen Konzept geschrieben, um junge Menschen in unserer Zeit im Glauben zu unterstützen. Es ist kein klassisches Lesebuch oder Lernbuch, sondern eher ein Reiseführer in das eigene zukünftige Leben. Wir versuchen mit den jungen Menschen gemeinsam zu überlegen, was für ihr Leben wichtig ist, zusammen zu planen und zu gestalten.

kath.net: …Und Sie denken, dass junge Menschen nach so einem Buch suchen?

Dr. Krylov: Uns ist bewusst, dass junge Menschen selbst kaum in Buchhandlungen gehen und gezielt nach christlichen Büchern suchen. Ideal ist es, wenn Pfarreien das Buch in Glaubenskursen oder in der Firmvorbereitung einsetzen. 

Wir haben viele Rückmeldungen bekommen, dass das Buch jungen Menschen hilft, sich mit dem Glauben auseinanderzusetzen und eine Verbindung zur Kirche zu finden. 

Was das Buch betrifft, sehen wir aber an erster Stelle die Eltern, Großeltern und vor allem die Paten, die es an junge Menschen zu verschiedenen Anlässen schenken und dadurch ein Gespräch über den Glauben beginnen oder vertiefen.

kath.net: Ist es für junge Menschen heute leicht oder schwer, an Gott zu glauben?

Dr. Krylov: In jeder Zeit gibt es eigene Barrieren auf dem Weg zu Gott. Deutschland hat christliche Wurzeln, aber das Christentum wird immer weniger ernst genommen. Gerade die Ablehnung des Glaubens durch viele Erwachsene macht den Glauben für junge Menschen herausfordernd. 

Früher konnte man die Eltern mit grünen Haaren, Tattoos oder extrem auffallender Kleidung schocken. Heute ist äußerliche Extravaganz fast schon normal geworden. Um die ältere Generation heute zu provozieren, reicht es manchmal einfach in die Kirche zu gehen. 

Circa die Hälfte der jungen Menschen, mit denen ich gesprochen habe, sagt, dass sie im Glauben ihren Eltern voraus sind. Sie meinen damit, dass Glaube und Kirche im familiären Alltag kaum eine Rolle spielen und wenig gelebt werden.

kath.net: Manche aus der Generation X haben deshalb die Sorge, dass die Jugend von heute konservativ wird. 

Dr. Krylov: Das stimmt nicht, weil die junge Generation sich nicht in einfache Kategorien wie konservativ oder liberal einteilen lässt. 

Mit Ausnahme der Jugendlichen aus der kirchlichen Jugendarbeit kennt die neue Generation die Kirche kaum als soziale Institution und kaum als Ortsgemeinde. Deshalb interessiert sie sich wenig für Kirchenpolitik, sondern vor allem für die eigenen, sehr persönlichen Fragen. 

Wer will, kann vielleicht versuchen, Jugendliche kirchenpolitisch zu instrumentalisieren. Aber junge Menschen haben ihre eigenen inneren Fragen. Sie kennen ihren Glauben noch nicht, und an erster Stelle wollen sie ihn überhaupt erst entdecken. Das erleben wir sehr deutlich in der Firmvorbereitung. 

kath.net: Es wäre schön, wenn wir gelegentlich noch mit einem weiteren Interview über die Firmvorbereitung sprechen könnten. Die abschließende Frage ist eine persönliche: Welche Hoffnungen und Wünsche verbinden Sie mit der jungen Generation?

Dr. Krylov: Wir wissen nicht, wie sich die Welt entwickeln wird, aber wir wissen, dass die Generation Alpha großen Herausforderungen begegnen wird. Um trotz aller Unsicherheiten mit Hoffnung, Glauben und Liebe erfüllt durchs Leben zu gehen, wird sie die Beziehung zu Gott brauchen. Darum ist es wichtig, ihr zu helfen, den eigenen Lebensentwurf im Glauben zu gestalten. Dann kann daraus eines Tages eine Kraft erwachsen, aus der später auch unsere Generationen im Glauben getragen werden.

Mehr zum Thema bei kath.net: Rezension des Glaubensbuches durch Martin Lohmann: "Nicht reden, sondern machen"
Internetseite: Mein Lebensentwurf:  https://www.mein-lebensentwurf.de/ 

kath.net-Buch- und Geschenktipp:
Alexander N. Krylov, Francisco Javier del Rio Blay:
Mein Lebensentwurf. Das Glaubensbuch.
88 Seiten, Softcover 
Fe-Medien
ISBN: 9783863574468
Preis: 12,00 €

Symbolfoto (c) pixabay


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Lesermeinungen

 barbaletta vor 2 Stunden 
 

Die 70-er und die Jugend nach Vatikanum 2

Damals gingen noch 1/3 Katholiken in D in die Kirche, der „Kalte Krieg“ sorgte für Frieden in Europa, das Benzin kostete 60 Pfg., die DDR wurde vom Westen anerkannt, Willy Brandt ging in Warschau auf die Knie, Led Zeppelin veröffentlichte „Stairway to Heaven", Pink Floyd „Money“, in die Kinos kam „Star Wars“ und Karol Wojtyła wurde Papst. Wir hatten keine Smartphones, keine PCs, keine Elektroroller und dennoch war das Leben interessanter als heute… und ich musste in der hl. Messe nicht nach einem Kommunionspender Ausschau halten, der Priester war.
Und heute?
Die Jüngeren hören gelangweilt Hip-Hop, die Älteren Schlagerparade und alle „unterhalten“ sich mit ihrem Smartphone. Sie fragen gar nichts mehr, um nicht für dumm gehalten zu werden. Sie kommandieren sich gegenseitig herum und wundern sich dann warum sie so gestresst sind, und am Sonntag gehen sie Joggen statt in die Kirche, um den Stress abzubauen.
Was ist denn in den letzten 45 Jahren schiefgelaufen?


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