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Liebe, Haß und Kriminalität

3. Dezember 2014 in Kommentar, 7 Lesermeinungen
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„Mir würde schon die Klärung der Frage genügen, was Haß als leidenschaftliches Gefühl überhaupt mit dem Strafrecht zu tun hat, wenn nicht die Grenze zur Gewalt überschritten wird.“ Gastkommentar von Prof. Wolfgang Ockenfels OP


Trier (kath.net) Vor 25 Jahren ging die DDR ihrem wohlverdienten Ende entgegen. Als Erich Mielke, Minister für Staatssicherheit dieser DDR, am 13. November 1989 vor die Volkskammer trat, beteuerte er: „Ich liebe - ich liebe doch alle - alle Menschen - na ich liebe doch - Ich setzte mich doch dafür ein!“ Auf diese politische Liebeserklärung erntete der meistgehaßte SED-Funktionär nur noch höhnisches Gelächter seiner SED-Genossen, die ihn so lange ertrugen. Er wurde 1993 wegen Mordes zu sechs Jahren Haft verurteilt und 1995 auf Bewährung freigelassen. Er starb im Alter von 93 Jahren in einem Pflegeheim; er ruhe in Frieden.

Nein, persönlich gehaßt hat Mielke seine Opfer wohl nicht, sondern mit nüchtern-ideologischer Sachlichkeit bloß verfolgt, ins Gefängnis oder zu Tode gebracht. Spätestens seit seiner hassenswerten Liebesbekundung sollte der Begriff der Liebe im politisch-rechtlichen Zusammenhang gemieden werden. Weil nämlich die christlich verstandene Liebe nicht politisierbar und justiziabel, sondern existenziell-personalistisch zu verstehen ist. Wie auch der Haß, dem die christliche Liebesbotschaft diametral entgegengesetzt zu sein scheint. An den Gott zu glauben, der die Liebe ist, verpflichtet zur Gottes- und Nächstenliebe, sogar zur Feindesliebe. Aber nicht dazu, Verbrechen und Verkommenheit, Laster und Lüge zu lieben. Hat Jesus die Pharisäer, Schriftgelehrten und Geldwechsler im Tempel geliebt oder gehaßt, als er sie – nicht nur mit Worten - hart anging? Heute würde er vielleicht als „Haßprediger“ angeklagt.

Liebe und Haß sind gewiß starke innere Motive, wie auch Zorn und Ekel, Wut, Rache und Verzweiflung. Zu welchen Gedanken, Worten und Werken führen sie? Dies ist zunächst eine Gewissensfrage, die das forum internum beschäftigen muß, dann erst, in zweiter Linie, eine Frage der weltlichen Justiz eines Rechtsstaats, der nicht die Gesinnungen ausschnüffeln, sondern die „sozialschädlichen“ Taten unparteiisch-leidenschaftslos verfolgen sollte.


Ein „Haßprediger“ der besonderen Art war Karl Kraus, als er vor hundert Jahren, also während des Ersten Weltkriegs, in seiner „Fackel“ die Ursachen dieses Krieges vor allem in einer korrupten, nationalistischen und zugleich „liberalen“ Presse und aggressiven Stimmungsmache ausfindig machte. „Die letzten Tage der Menschheit“, sein großes Drama, das bis heute nicht einmal auf einem Mars-Theater aufführbar erscheint, hat eine neuerliche Aktualität besonders in der Darstellung eines Journalistentyps gewonnen, wie er in der Alice Schalek geradezu klassisch vorgebildet ist: Als jenes kriegshysterische Weib, das es nicht abwarten kann, daß endlich geschossen wird – und sie dabeigewesen ist, mitten im Schützengraben, um über das Grauen lustvoll zu berichten.

Daß Karl Kraus hierbei bereits den neuen Ost-West-Konflikt um die Ukraine im Blick hatte, ist eher unwahrscheinlich. Aber die neuen Schaleks beiderlei Geschlechts bevölkern zur Anheizung des neuen Konflikts unsere Medien, die ihren Haß auf den Teufel Wladimir Putin kaum noch zügeln können: Er sei sowieso krank, er habe Krebs, und überdies sei er „paranoid“, wie Herr Doktor Andreas Schockenhoff MdB per Ferndiagnose herausfand, statt sich als Christdemokrat einmal zu völkerrechtlichen Regeln, die für alle und reziprok gelten (sollten) und über die einseitige Interessen- und Machtpolitik hinausgehen, nachdenklich zu äußern. Die heute bei uns vorherrschenden antirussischen und antichristlichen Affekte werden freilich nicht vom Volksverhetzungsparagraphen erfaßt.

Theodor Haecker, ein katholisch gemäßigter Schüler von Karl Kraus, über den seit 1935 ein Schreib- und Redeverbot verhängt worden war, hat in seinen geheimen „Tag- und Nachtbüchern“ 1939 zu erkennen gegeben, wie sehr er die „deutsche Herrgott-Religion“ der Nationalsozialisten gehaßt hat. Sie habe „zweifellos etwas Ähnlichkeit mit dem Mohammedanismus, indem sie zur Not noch monotheistisch ist, aber vollkommen antitrinitarisch“. Für Äußerungen dieser Art müßte Haecker, Mentor der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“, heute zwar nicht das Fallbeil, aber immer noch eine Anzeige wegen „Volksverhetzung“ fürchten. Die erfolgreichsten Volksverhetzer in Deutschland sind freilich bisher die Nazis gewesen, die gerade mithilfe des Volksverhetzungsparagraphen ihre Feinde vernichteten.

Dieter Nuhr, ein Satiriker der eher sanften und geistreichen Art, ist kürzlich wegen seiner harmlos-bürgerlichen Persiflagen auf den Koran, den er – islamisch korrekt - beim Wort genommen hatte, wegen Blasphemie angezeigt worden. Er ist nur knapp einer Fatwa entronnen – und auch einer Anklage durch den deutschen Rechtsstaat. Denn seine Satiren waren nicht einmal geeignet, „den öffentlichen Frieden zu stören“. Nicht selten sind es aber fanatische Pazifisten, die sich als Friedensstörer betätigen. Und Leute, die sich beleidigt oder diskriminiert fühlen, lassen sich leichter aggressiv mobilisieren als jene, die in Ruhe ihren Pflichten nachgehen und mancherlei Beleidigungen tolerant einstecken.

Letztere Bevölkerungsgruppe wird nicht gerade von Bündnis 90/Die Grünen repräsentiert, deren Bundestagsfraktion kürzlich zur Verschärfung und Ausdehnung des Volksverhetzungsstraftatsbestandsparagraphen aufgefordert hat. Neben den dort genannten Bevölkerungsgruppen sollen sexuelle Orientierung, Geschlechtsidentität, Weltanschauung und Behinderung ausdrücklich genannt werden. Und eine Kommission solle prüfen, ob weitere Kriterien für die Definition von „Haßkriminalität“ eingeführt werden sollten.

Mir würde allerdings schon die Klärung der Frage genügen, was Haß als leidenschaftliches Gefühl überhaupt mit dem Strafrecht zu tun hat, wenn nicht die Grenze zur Gewalt überschritten wird. Mir wird etwas schwindlig bei dem Gedanken, daß eine gehörige Portion Haß notwendig ist, um den Haß und die Hasser zu hassen und strafrechtlich zu verfolgen. Mit Theodor Haecker läßt sich fragen: „Gibt es nicht einen heiligen Zorn, ja, einen heiligen Haß?“ Vielleicht doch. Und Baltasar Gracian meinte: „Gefährlicher als der Haß ist die Schmeichelei, weil diese die Flecken verhehlt, die jener auszulöschen arbeitet.“

Der Dominikanerpater Wolfgang Ockenfels (Foto) ist ordentlicher Professor für Christliche Sozialwissenschaft an der Theologischen Fakultät Trier.

Foto Prof. Ockenfels: © www.theo.uni-trier.de


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Lesermeinungen

  4. Dezember 2014 
 

woher kommt der Hass?

Wohl aus der Angst. Wer Angst hat projiziert diese Angst auf ein Feindbild. Es entsteht Hass. Interessant ist dazu auch die Persoenlichkeitsstoerung "Sadomasochismus", welche ja leider aus dem entsprechendem Kataloge gestrichen wurde. Von wem bloss? Wir der Massochismus (also die innere Angst) zu gross, dann folgt ein Kompensierung durch Sadismus, also agressives Verhalten gegen andere, speziell gegen Feindbilder. Die Alternative zum Sadismus waere dann wohl die Depression. Interessanterweise werden heute Depressive therapiert, jedoch nicht Sadisten und Sadistinnen.


0
 
  4. Dezember 2014 
 

Dieter Nuhr sanft und geistreich?

Noch etwas stört mich an dem sonst lesenswerten Artikel: Ich habe vor einigen Tagen einen Auftritt von Dieter Nuhr im TV gesehen, in dem er auch einen Text "beim Wort genommen hatte", allerdings nicht den Koran, sondern die Bibel. Konkret ging es dabei um die Genesis und mündete in unflätigen Aussagen zur den reproduktiven Fähigkeiten Evas, die ich hier unmöglich wiedergeben kann. Der Satiriker erschien mir dabei überhaupt nicht sanft oder geistreich, und statt "harmlos-bürgerlichen Persiflagen" verbreitete er mit der gleichen Methode ätzende Häresie.
Vorsicht vor falschen Freunden!


4
 
  4. Dezember 2014 
 

Haß einfach ein leidenschaftliches Gefühl?

Ich stimme Ehrmann zu, jeder haßt wohl irgendetwas. Volksverhetzung geht aber darüber weit hinaus. Hier sollen aus Worten Taten werden, und irgendwann brennt dann das Asylantenheim oder der Salafist reist in den Orient und schneidet Köpfe ab. Man sollte das Wort "Haßprediger" nicht inflationär gebrauchen, aber echte wie Pierre Vogel rechtzeitig aus dem Verkehr ziehen. Wenn die einschlägigen Gesetze zu weich sind, müssen sie eben den Anforderungen der Gegenwart angepasst werden. Sie müssen aber nicht, wie von den Grünen geplant", auch die Ablehnung sexueller Desorientierung oder fehlgeleiteter "Geschlechtsidentität" umfassen, denn schließlich werden HS und TS hier nicht verfolgt.


3
 
 Ehrmann 4. Dezember 2014 

..was Haß mit dem Strafrechtzu tun hat, "..wenn nicht die Grenze zur Gewalt überschritten wird"

Wenn jemand verbal oder durch eine Demonstration so lange oder schwer reizt - also keine Gewalt anwendet - und der andere mit Gewalt reagiert (und das geschieht oft schon unter Kindern!) - so ist das doch auch strafrechtlich relevant (oder sollte es zumindest sein).


2
 
 M.Schn-Fl 3. Dezember 2014 
 

Jawohl, brilliant!

@Chris2 schließe ich mich hier an.
Eines aber möchte ich noch in Erinnerung bringen beim Lesen der Passage über Andreas Schockenhoff CDU, der Putin eine paranoide Psychose von Berlin aus ferndiagnostiziert.
Hans Dietrich Genscher wurde von Robert Leicht( Nomen est Omen) Senilität diagnostiziert in der "Zeit", weil der beste Außneminister der Nachkriegszeit es gewagt hatte, öffentlich die BRD und den Westen daran zu erinnern, was man Russland (Gorbatschow) bei der Wiedervereinigung versprochen hatte, nämlich Russland nicht durch Nato und EU einzukreisen. Und genau das hat man getan und Russland gezeigt, was die Versprechungen des Westens wert sind.
Damit ist natürlich manches Verhalten von Putin nicht entschuldigt, aber einiges wird verständlicher.
Die Vorgänge in der Presse hat Prof. Ockenfels "brilliant" in Beziehung gesetzt zu der Leichtsinnigkeit und Idiotie früherer Ereignisse und man sollte sich an Karl Kraus wieder öfter erinnern und ihn und die Geschichtsbücher neu lesen.


6
 
 Rolando 3. Dezember 2014 
 

Wie Wahr

" Die erfolgreichsten Volksverhetzer in Deutschland sind freilich bisher die Nazis gewesen, die gerade mithilfe des Volksverhetzungsparagraphen ihre Feinde vernichteten."
Heute: linksrotgrüne Ideologen bekämpfen mit Hilfe des Antidiskriminierungsgesetzes ihren Feind, die röm. kath. Kirche.


9
 
 Chris2 3. Dezember 2014 
 

Brillant

Selten eine derart treffende Analyse linker Meinungsdiktatur gelesen. Leisten wir Widerstand gegen die Sprach- Fühl- (!) und Denkverbote (!) derer, die jahrzehntelang mit Kreidestimme um Toleranz geworben haben. Kaum waren aber Kirche und Gesellschaft genügend weichgespült, wurde von diesen - zur Genüge bekannten - Lobbygruppen eine eigene mediale Inquisition errichtet, die jetzt sogar per Gesetz zementiert werden soll. Bald wird es wohl auch bei uns "islamfeindliche Äußerungen" als Straftatbestand geben, während Islamisten bei uns ungestraft und ganz öffentlich zum Völkermord aufrufen können...


13
 

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