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Deutsch-synodale Desorientierung durch Neu-Lehre zu Bibel und Zeitgeist

26. Mai 2022 in Kommentar, 21 Lesermeinungen
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Weitere theologische Erkenntnisquelle: „Zeichen der Zeit“. Diese werden „als Erscheinung der göttlichen Gegenwart angesehen“, ihnen wird „Offenbarungscharakter zugesprochen“ – Theologische Analyse des synodalen Orientierungstextes von Hubert Hecker


Frankfurt a.M. (kath.net) Das Synodalpräsidium legte auf der Dritten Synodalversammlung Anfang Februar 2022 in Frankfurt/Main seinen theologischen „Orientierungstext“ zur zweiten Lesung vor. Die Delegierten der Vollversammlung stimmten der geänderten Fassung mit 86 Prozent zu, bei den Bischöfen lag die Zustimmungsrate mit 72 Prozent knapp über der Zwei-Drittel-Marke.

Das 24-seitige Schreiben erhebt den Anspruch, „die theologische Basis zu klären, auf der die Arbeit in den Foren (sowie der Synodalversammlung) gelingen kann“. Diese Orientierung auf gelingende Performance des Synodalen Wegs lässt die Tendenz der Ausarbeitung durchscheinen: eine theologische Apologie der Forumstexte zu kirchlichen Strukturveränderungen mit dem Ziel einer neuen rätedemokratischen Kirchenverfassung.

Der Orientierungstext erscheint zunächst als theologisches Traktat, in dem das geschriebene und überlieferte Wort Gottes als offenbarende Selbstmitteilung Gottes behandelt wird (Kap. 10-36). Über diese klassische kirchliche Grundlagenlehre legt der Orientierungstext aber eine weitere theologische Erkenntnisquelle, die in den ‚Zeichen der Zeit‘ bestehen soll. Dieser ‚theologische Ort‘ wird von den Synodalen neuerdings als Erscheinung der göttlichen Gegenwart angesehen und ihm damit ebenfalls Offenbarungscharakter zugesprochen.

Mit dieser Verdopplung der theologischen Erkenntnisquellen läuft der synodale Textansatz darauf hinaus, die Verbindlichkeit der vom Lehramt ausgelegten Gottesworte der Schrift zu relativieren, indem die von der Theologie gedeuteten Zeitzeichen die ursprünglichen Offenbarungsworte in der Hl. Schrift retuschieren und entwerten.

Abkehr von der biblischen Christologie und Erlösungstheologie

I.    In den Kapiteln 13 bis 20 folgt man zunächst der traditionellen Lehre über die Bibel als „inspiriert von Gott“, „sicheres Wahrheitskriterium für jede Lehre“, „höchste Richtschnur“ für die Kirche. In den folgenden sieben Abschnitten jedoch wird die Verbindlichkeit der Hl. Schrift in verschiedenen Anläufen eher zerredet (21): Vielseitigkeit der Texte, verschiedene Blickwinkel, Vielfalt des Glaubens – da klingt schon die Forderung nach ‚pluraler Theologie‘ an oder die ‚Sexualität der Vielfalt‘ als Anwendungsmuster im Forum IV. Betont wird die Hl. Schrift als Menschenwort (22) - das kann man bekanntlich nach allen Regeln der Deutekunst wenden und drehen.

Doch die christologische Mitte der neutestamentlichen Verkündigung bleibt leer: Jesus Christus, der Weg, die Wahrheit und das Leben, Erlöser von Sünde und Tod, von Gott bestätigt durch die Auferweckung und als Dominus zur Rechten Gottes sitzend, vor dem jedes Knie sich beugen muss. Stattdessen stuft man die inkarnatorische Herabkunft des wahren Gottes in den wahren Menschen Jesu herab zu einem prophetischen „Zeichen der heilsam-befreienden Nähe Gottes“ (39). Jesus als menschlicher Hinweisgeber auf den nahen Gott wie andere Propheten?! Kein Heiland und Retter, kein Brot des Lebens und Licht der Welt?!


Die christologische Leerstelle des Orientierungstextes bzw. die Degradierung des Gottmenschen und Erlösers Jesus Christus zu einem (Zeit-) „Zeichen der Nähe Gottes“ markiert den synodale BRUCH mit der überlieferten, christuszentrierten Bibeltheologie.

Christus wird nicht als Ursakrament erkannt, der im mystischen Leib der sakramentalen Kirche weiterlebt. Eine negative Schlüsselstelle mit Folgen: Der sakramentale Charakter der Kirche wird ausgeblendet. Auch die Sakramente wie Bischofs-/Priesterweihe, Eucharistie und Ehe werden im Orientierungstext und allen weiteren Synodaltexten marginalisiert.

Willkürliche Deutung der theologisch überhöhten Zeitzeichen

II. Nach der Relativierung von Schrift und Tradition orientiert der Präsidiumstext ab Kapitel 37 auf die theologischen Quellen, die für die Synode die wichtigeren sind: die Zeichen der Zeit. Dabei fokussieren sich die Synodaltheologen auf ein einziges Konzilswort: Nach dem Dokument Gaudium et spes / GS, Kap. 4 sollte die Kirche „die Zeichen der Zeit erforschen und im Lichte des Evangeliums deuten“. Gemeint sind mit den Zeichen der Zeit die epochalen Veränderungen des jeweiligen Zeitalters in Gesellschaft, Wirtschaft und Zeitgeist.

In der bisherigen Tradition bis zum Konzil stellte sich die Kirche unter den Anspruch, die Zeitströmungen im Geiste des Evangeliums zu prüfen, nach Wertigkeit und Vereinbarkeit mit Bibel und kirchlicher Lehre kritisch zu unterscheiden und schließlich Bewertungen abzugeben. So gingen schon die frühen Christen mit den vielfältigen Zeitströmungen des Hellenismus um: „Prüfet alles, das Gute behaltet!“. Das Zweite Vaticanum sagt in GS 11: Sofern die zeitgenössischen Werte „aus der gottgegebenen Anlage des Menschen hervorgehen, sind sie gut“ – ein naturrechtlicher Ansatz. Andere bedürften „infolge der Verderbtheit des menschlichen Herzens“ der Läuterung.

Der Orientierungstext gibt der kritischen Prüfung der Zeitströmungen eine völlig andere Richtung: Einerseits wird der Gottmensch Jesus Christus zu einem prophetischen (Zeit-)„Zeichen der Nähe Gottes“ (39) degradiert – und damit der überzeitliche Geltungsanspruch seiner Lehre relativiert (siehe oben). Andererseits werden die säkular-historischen „Zeichen der Zeit“ theologisch aufgewertet mit der Behauptung, in ihnen offenbarten sich die „Spuren der heilsam-befreienden Gegenwart Gottes“, in ihnen sei Gott selbst zu entdecken, aus ihnen seien Gottes Wille zu erkennen.

Die Behauptung, dass Gott unmittelbar „an den Zeichen der Zeit seinen Ratschluss mitteilt“, ist eine Neulehre, die in der Theologiegeschichte keine Basis hat.

Mit diesen Thesen hebt die neue Synodentheologie die jeweiligen Zeitläufte selbst in den Rang einer weiteren Offenbarungsquelle neben der Bibel – mit der Tendenz, die Zeitströmungen als aktuelle Fingerzeige Gottes über die Bibel zu stellen – ein weiterer BRUCH mit der bisherigen kirchlichen Lehre, wie sie im Konzil festgeschrieben ist.

Die Kritik an dieser unbiblischen Überhöhung der jeweiligen geschichtlichen Zeitzeichen sowie deren richtige theologische Einordnung als wichtige Interpretationskontexte (Änderungsantrag Ä68) wurde auf Empfehlung des Präsidiums mit knapp 80 Prozent der Stimmen abgelehnt.

Für die überhöhte Zeitzeichentheologie beruft man sich auf den blauäugigen Fortschritts-, Welt- und Heilsoptimismus von Papst Johannes XXIII. (38). Selbst das Konzil mit seiner Prüfung und Unterscheidung der Zeitzeichen ist da deutlich realistischer und bibelnäher mit den Ausführungen, dass die Menschen individuell und kollektiv im Kampf zwischen Gut und Böse ständen, zur Sünde geneigt seien und der Gnade bedürften (GS 13).

Als theologiegeschichtliches Beispiel für relevante Zeichen der Zeit nannte der Trierer Weihbischof Jörg Michael Peters die Bedeutung der Erkenntnisse von Platon und Aristoteles für das vertiefte Verständnis der Theologie in Antike und Mittelalter. Doch deren philosophische Lehren waren zwar als „Samenkörner der Wahrheit“ nützlich für wissenschaftlichen und theologischen Erkenntniszuwachs, aber niemals wurden sie in den Rang von offenbarenden Quellen von Gottes Gegenwart, Wille und Ratschluss erhoben. Das sind in Wirklichkeit Beispiele gegen die offenbarungstheologische Überhöhung der Zeitzeichen im Orientierungstext.

Es spricht ebenfalls gegen die theologisch überhöhten Zeitzeichen, dass weder im Konzilsdokument noch im Synodentext Prüfkriterien angegeben werden, wie sie im Lichte des Evangeliums zu deuten sind. Daher sind die Interpretationen anfällig für willkürliche Ausführungen entsprechend der jeweiligen kirchenpolitischen Ausrichtung:

Bischof Franz-Josef Bode hat den Synodalen schon früher die Deutung von Zeitzeichen beispielhaft mit auf den Weg gegeben: Die gesellschaftliche Realität von zunehmenden Scheidungen bei jeder dritten Ehe müsste als Zeitzeichen und Hinweis Gottes dahin gedeutet werden, dass die biblisch-kirchliche Ehelehre und Sexualmoral gelockert werden sollte, um die Kluft zwischen christlicher Norm und Lebenswirklichkeit in Richtung der sozialen Faktizität zu schließen. Daraus erwächst dann das Bestreben, geschiedenen Wiederverheirateten den kirchlichen Segen zu geben.

In ähnlichem Deutungsmuster äußerte sich der Frankfurter Dekan und Synodale Johannes zu Eltz: Die breite gesellschaftliche Akzeptanz von homosexuellen Beziehungen und ihr gesetzlicher Niederschlag in der ‚Ehe für alle‘ möchte der Prälat gern als ‚Zeichen der Zeit‘ mit göttlichem Hinweischarakter deuten und deshalb auch in die Kirche einführen – etwa mit einem ehe-analogen Paarsegen für gleichgeschlechtlich orientierte Menschen.

Mit den biblischen Schriften könnten solche Vorschläge niemals begründet werden. Nach dem Jesus-Wort im NT begeht Ehebruch, wer eine Geschiedene heiratet. Für Paarsegnungen von Homosexuellen gibt es weder im NT noch im alttestamentlichen Schöpfungsbericht irgendwelche Anhaltspunkte. Aber mit der Zeitzeichendeutung haben sich die Synodalen ein theologisches Instrumentarium geschaffen, mit dem sie das Evangelium überblenden, entwerten und schließlich als grundlegende Begründungsbasis für kirchliches Handeln ersetzten können.

Diesen Ansatz demonstrierte der bischöfliche Co-Präsident der Synode, Georg Bätzing, mit seinem Statement zur lehramtlichen Note des Vatikans bezüglich Segnung homosexueller Paare vom März 2021. Er hat dabei zugleich ein neues methodisches Vorgehen zur Zeitzeichendeutung aufgezeigt: Konzilsgemäß sollten die Zeichen der Zeit im Lichte des Evangeliums geprüft und gedeutet werden. Davon ist bei Bischof Bätzing in seinem Interview vom 24. 3. 2021 keine Rede. Nach seiner tiefsten Überzeugung sollte die biblisch-kirchliche Sexuallehre „im Lichte der seit Jahrzehnten vorliegenden humanwissenschaftlichen und theologischen Erkenntnis“ geprüft und weiterentwickelt werden.

Zu dieser Umkehrung des bibelbasierten Prüfvorgangs hat der Erzbischof von Denver, Samuel J. Aquila, in seinem zweiten Antwortbrief an Bischof Bätzing die zutreffende Bewertung gegeben: „Die Kapitulation vor dem Zeitgeist ist keine Frage des Lesens der ‚Zeichen der Zeit‘, sondern ein Verrat am Evangelium.“


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