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Die Jungfrau von Guadalupe und die Bekehrungswelle in Lateinamerika

2. Juni 2004 in Weltkirche, keine Lesermeinung
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Ein Interview mit P. Fidel González Fernández


Rom (kath.net/Zenit.org In der Vatikanischen Verlagsbuchhandlung ist jetzt das Buch „Guadalupe - Evangelisierung von Lateinamerika“ erschienen. Der Band fasst die Beiträge zusammen, die im Rahmen eines internationalen Symposiums am Päpstlichen Athenäum „Regina Apostolorum“ (APRA) gehalten wurden. Den Vorsitz hatten die beiden Hochschulrektoren, Pater Paul Scarafoni, L.C., Rektor von APRA, und Pater Fidel González Fernández, M.C.C.J., Rektor der Urbaniana-Universität inne.

ZENIT wollte mehr über das Ereignis erfahren, das in der Geschichte der Evangelisation einen echten Wandel heraufbeschwor, indem es einen kulturell und religiös vielgestaltigen Kontinent von Grund auf verändert hat. Dies ist von besonderem Interesse, insofern als dort zahlenmäßig mehr als die Hälfte aller Christen weltweit leben. Dazu hat ZENIT ein Interview mit Pater Fidel González Fernández geführt. Der Hochschulrektor ist unter anderem Dozent in Kirchengeschichte sowie einer der größten internationalen Guadalupe-Experten.

Frage: Inwiefern hat die Erscheinung der Muttergottes in Guadalupe die Geschichte von Mexiko und die gesamte Evangelisation Lateinamerikas beeinflusst?

P. Fidel González Fernández: Mit dem Ereignis von Guadalupe hielt die göttliche Gnade eine Antwort bereit auf eine menschlich gesehen verfahrene Situation: Es ging darum, die Beziehung zwischen Indios und den Neuankömmlingen aus Europa erfolgreich zu gestalten. Um es mit dem Titel eines unserer Bücher auszudrücken, kam es auf „Die Begegnung zwischen der Jungfrau von Guadalupe und dem Indio Juan Diego“ an.
Der Indio Juan Diego stellte das Bindeglied dar zwischen dem antiken Mexiko und dem neuen christlichen Lebensmodell, das von den Spaniern mit missionarischem Eifer angeboten wurde. Diese Schlüsselfigur verhalf einem neuen Volk zur Geburt, das vom Christentum erleuchtet war.
Juan Diego war weder ein Spanier, der wie Cortés mit den Eroberern ins Land eindrang, noch gehörte er jenen ersten spanischen Missionaren an, die als Franziskaner und Dominikaner zunächst diese Länder erreichten. Er war ein Ureinwohner jener alten Welt.
Die Figurengruppe, die heute den Hügel des Tepeyac schmückt, bringt diese Botschaft in außergewöhnlich plastischer und schöner Weise zum Ausdruck. Hierin liegt die Eigenart der kirchlichen Mittlerfunktion des Indios Juan Diego, dem „Gesandten unserer Lieben Jungfrau von Guadalupe“, wie es der „Nican Mopohua“ formuliert.
Demnach ist Juan Diego der für das Aufeinandertreffen der beiden Völker von Gott auserwählte Missionar. Auf diese Weise nimmt Christus durch die Mittlerfunktion Mariens innerhalb einer konkreten Kultur erneut Fleisch an. Das Aufeinandertreffen, das, wie Motolinía in einem wohlbekannten Brief an Karl V. betonte, ohne das Mitwirken Mariens aus menschlicher Sicht unmöglich erfolgreich ausgehen konnte, vollzog sich so auf befreiende Weise.
Jene zwei Welten, die einander bis zum damaligen Zeitpunkt fremd gewesen waren und feindselig gegenüberstanden, vereinigten in sich alle Voraussetzungen, um Hass entstehen zu lassen - auf Seiten der Indios fand sich eine resignierte Akzeptanz der Niederlage, seitens der Neuankömmlinge [der Europäer] hätte es zu Verachtung oder Ausbeutung kommen können. Beide Welten begannen jedoch, sich mit diesem greifbaren und zeichenhaften Wirken Mariens, Bild der Kirche, zu identifizieren, da es von einem bekehrten und allseits akzeptierten Indio verkündet wurde.
So kam es zu einer „Inkulturation“ des Christentums in die mexikanische Kultur. Hier liegt die Geburtsstunde des lateinamerikanischen Volkes. Nachdem jedoch diese Ereignisse und die sie bildenden Faktoren in Vergessenheit gerieten, entstanden, vor allem zu Beginn des 18. und 19. Jahrhunderts, die großen Brüche und Gegensätze zwischen den erwähnten zwei Welten. Aufgrund von neuen Gegebenheiten wurden deren Beziehungen nun uminterpretiert. Das gemeinsame Element beider Welten, das Wunder, hatte die Tendenz zur Vereinigung freigesetzt. Es konnte aber nur vor dem Hintergrund des christlichen Glaubens auf Dauer wahrgenommen werden.

Frage: Welche Konsequenzen lassen sich von diesem Gnadenereignis, oder, wie es auch genannt wird, der Begegnung, dem Ereignis von Guadalupe, herleiten?

P. Fidel González Fernández: Die Konsequenzen dieser Begegnung für die Geschichte des Christentums sind zahlreich und von großer Bedeutung. Zunächst einmal ist zu beachten, dass die Katholiken spanischer und portugiesischer Sprache heute statistisch gesehen in der katholischen Kirche die Mehrheit stellen.
Was die Missionsmethode angeht, gehörten die christlichen Missionare der Gruppe der „conquistadores“ [Eroberer] an. Als solche waren sie verpflichtet, die „conquistados“ [Eroberten] und deren Menschenrechte gegenüber ihren Landsleuten, die sich Christen nannten, zu verteidigen.
Die Eroberer übten sofort auch eine Art Selbstkritik an den eigenen Taten und das war auf ihr katholisch geformtes Gewissen zurückzuführen. Dadurch wurden sie selbst zu Missionaren des christlichen Glaubens. Drittens entschieden sich die katholischen Missionare, die gemäß dem Evangelium lebten und freimütig und stark in der Verkündigung auftraten, nicht für eine dieser zwei Welten und zuungunsten der anderen.
Christi Menschwerdung, sein Leben, Sterben und Auferstehen war für beide von Bedeutung - so verkündeten sie die christliche Botschaft. Somit hat Gott durch das Ereignis von Guadalupe auf geheimnisvolle Weise die grundlegende Methode christlicher Verkündigung bestätigt und dieser, als sie sich in ihren Anfängen befand, einen wirkungsvollen Impuls verliehen.
Daran wird ersichtlich, dass das Christentum mit allem, was menschlich ist, einen Dialog anzuknüpfen vermag und dass es diese Fähigkeit vom ersten Moment an besitzt, in dem es mit einem menschlichen Zusammenhang in Berührung kommt, ganz gleich wie schwierig sich diese Kontaktaufnahme darstellen mag.
Im alten Franziskanerkloster von Ozumba befindet sich ein Fresko aus den Anfängen des 17. Jahrhunderts, das den Beginn der christlichen Geschichte Mexikos darstellt und, wenn man so will, die des ganzen amerikanischen Kontinents: es stellt die Ankunft der ‚12 Apostel’ dar, der Franziskanermissionare in Tenochtitlán im Juni 1524.
Ebenso sind die drei jugendlichen Indios abgebildet, die die ersten Märtyrer des amerikanischen Kontinents wurden sowie die Erscheinungen der Jungfrau von Guadalupe, und schließlich sieht man auch den Indio Juan Diego mit einem Heiligenschein abgebildet. Das Gemälde bringt in der Darstellung der verschiedenen geschichtlichen Augenblicke deutlich die Einheit und den Zusammenhang jener Ereignisse zum Ausdruck.

Frage: Zurück zur Frage der Evangelisation und Bekehrung: Ist es wahr, dass es sich um eine Bekehrung des ganzen Volkes gehandelt hat? Wie haben sich die Missionarsbrüder verhalten?

P. Fidel González Fernández: Nach einer ersten Phase, in der die Kultur der Ureinwohner abgelehnt und der christliche Glaube aufoktroyiert wurde - was verständlich ist, wenn man die Ausbildung und die kulturelle Veranlagung der Missionare in Betracht zieht - bildete sich alsbald eine „Inkulturation“ des Glaubens heraus, bei der die trennende Mauer des Völkerhasses durch eine intensive Vermischung der Volksstämme überwunden wurde. Das war die Geburtsstunde des lateinamerikanischen Volkes.
Das Ereignis von Guadalupe besitzt in diesem Zusammenhang Symbolwert, da es dieses Aufeinandertreffen am vollkommensten widerspiegelt. Protagonist des Treffens war der Indio Juan Diego. Seine Person verkörpert die Geburtsurkunde und das Siegel dieser Allianz, wie die lateinamerikanischen Bischöfe 1979 bei ihrer Versammlung in Puebla anerkannt haben.
Ohne das Evangelium wäre dies alles nicht möglich gewesen, ebenso wenig wie die Kritik an der eigenen Handlungsweise, die heute an der Evangelisation laut wird, und mit der die Missionare von der berühmten Predigt des Dominikaners Antonio de Montesinos am vierten Adventssonntag 1511 in Santo Domingo begonnen haben.

Frage: Vom historischen und theologischen Standpunkt aus gesehen überschneiden sich in diesem Fall viel Aspekte, Aspekte von Natur und Gnade, wie man so sagt. Wie denken Sie darüber?

P. Fidel González Fernández: Das Ereignis von Guadalupe und der daraus entstandene verwickelte historische Prozess lassen uns den Geschenkcharakter der Evangelisierung des amerikanischen Kontinents erkennen. Für einen Historiker ist es nicht einfach, den Bereich der Natur von jenem der Gnade zu trennen.
Der Historiker neigt in der Tat dazu, Geschichte und Theologie als zwei verschiedene Gebiete zu betrachten, zwei Bereiche oder zwei parallel zueinander liegende Ebenen, die sich nicht berühren und sich überlagern. Einige Historiker stellen jedoch heute diese fein säuberliche Trennung in Frage.
Tatsächlich liegt die eigentliche Gefahr darin, dass man die von Christen gestaltete Geschichte einseitig liest, indem man keine Unterscheidung zwischen Natur und Gnade macht. Wie schon der heilige Augustinus Pelagius widersprochen hat, ist „die Natur allen gemeinsam, nicht die Gnade...Man darf das Naturgegebene nicht als dem Gnadenbereich Zugehöriges missverstehen.“
Dieser „Mangel an Unterscheidungskraft“ führt zum „Übersehen weitere Unterschiede“: die dieser Welt zugehörigen Fakten entsprechen nicht denjenigen, die aus einer besonderen Konstellation der Geschichte, aus einem einzigartigen Ereignis hervorgehen.
Eine „Heiligung“ der Menschheitsgeschichte ist dadurch möglich und gegeben. Vor nicht allzu langer Zeit haben jedoch einige Katholiken den Fehler begangen, die Geschichte der Gnade mit dem marxistischen Klassenkampf zu identifizieren.

Frage: Gibt es noch andere Beispiele für Phänomene dieser Art in der Geschichte?

P. Fidel González Fernández: Es gibt viele Beispiele dafür in der Geschichte der Christenheit. Dazu genügt es, einen Blick auf das Werk der großen Missionare zu werfen, auf die irischen, englischen und schottischen Mönche, die Europa evangelisiert haben; oder denken Sie an das Werk der Benediktiner auf dem Kontinent, an das Wirken der Brüder Leander und Isidor im westgotischen und romanischen Spanien; an das Werk des heiligen Bonifatius in Deutschland oder an die Evangelisierung der slawischen Völker durch die heiligen Kyrill und Method, um nur einige Beispiele der Antike und des frühen Mittelalters aufzuführen.
Des Weiteren können wir auf das Werk des heiligen Franz Xaver in Asien verweisen, oder auch auf jene großen Gestalten und Missionare wie wir sie im heiligen Daniel Comboni in Afrika besaßen. Das sind nur einige Beispiele von jenen Gestalten, die auf großartige Weise Geschichte gemacht haben. Jedes einzelne Ereignis hat auf seine Weise zu dieser Geschichtsschreibung beigetragen. Meiner Meinung nach besitzt jedoch keines dieser Bespiele die Ereignisdichte von Guadalupe. Gott produziert die Dinge nicht in Serie, bei ihm ist nichts ein einfacher Abklatsch. In jedem Augenblick nimmt die Geschichte eine spezifische Konstellation an.



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