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Zeitgenössisches Kunstobjekt 'Obdachloser Jesus' - Armes Christentum?!

24. März 2016 in Kommentar, 1 Lesermeinung
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Die Figur des 'Obdachlosen Jesus' von Timothy Schmalz wurde jetzt vor der Päpstlichen Almosenverwaltung im Vatikan aufgestellt. Wieviel Armut vertragen wir im Christentum? Und wieviel im Papstamt? kath.net-Kommentar von Petra Lorleberg


Stuttgart (kath.net/pl) Eine Bronzefigur des „Obdachlosen Jesus“ wurde jetzt vor der Päpstlichen Almosenverwaltung im Vatikan aufgestellt. Aus diesem Anlass wiederholt kath.net einen Kommentar, der heute vor drei Jahren – nur elf Tage nach der Wahl von Papst Franziskus – erstmals erschienen war. Die lebensgroße Darstellung des obdachlosen Jesus, gestaltet vom katholischen Künstler Timothy Schmalz, drückt wohl wie kaum ein anderes Kunstwerk die besondere Berufung und Begabung dieses Papstes aus. Das Kunstwerk steht inzwischen in mehreren Städten. Überraschenderweise fanden sich mancherorts schon Blumen, Lebensmittel- und Kleidungsspenden auf der Bronzebank.

Die lebensgroße Bronzeskulptur „Obdachloser Jesus“ war selbst „obdachlos“. Denn nach anfänglicher Begeisterung für das zeitgenössische Kunstobjekt (Foto) lehnten offenbar sowohl die St. Patrick´s Cathedral in New York wie auch die St. Michael´s Cathedral in Toronto das Werk ab. Die Begründung dafür – Finanzierungsfragen – überzeugte den kanadischen Künstler und Christ Timothy Schmalz nicht. Man habe ihm nämlich gleichzeitig auch gesagt, so erzählte der schon längst international gefragte Bronzekünstler, die Figur sei „nicht zumutbar“ und könne Kontroversen auslösen.

Die Skulptur „Obdachloser Jesus“ ist eindrücklich. Fast quälend. In eine Decke eingehüllt liegt ein Obdachloser schlafend auf einer Parkbank, die Sitzbänken New Yorks nachgebildet ist. Die lebensechte Wirkung, die Verwechslungsmöglichkeit sind beabsichtigt. Bevor der Blick dann abgleitet – denn wer schaut in unserer Kultur schon länger zu einem Obdachlosen hin? – kann man bemerken, dass es eine Bronzefigur ist. Vielleicht möchte man sich dazu setzen und verweilen? Für den Betrachter wurde für alle Fälle ein Platz freigehalten.

Das Gesicht des Obdachlosen entgleitet ins schemenhafte Dunkel, der Mensch unter der Decke wirkt präsent und doch entzieht sich gleichzeitig seine Individualität. Einzig die beiden Füße sind klar erkennbar. Füße, die sich ungeschützt mit dem Dreck der Erde und den Zumutungen des Lebens auseinandersetzen müssen, Füße, für die die bergende Decke zu kurz ist. Erst die Wunden an den Füßen geben dem Betrachter den Hinweis, wer der Obdachlose ist. In den Worten von Schmalz hört sich das so an: „Die Menschen müssen die Botschaft entfalten“, und die Botschaft laute: „Wenn man einen Obdachlosen sieht, sieht man in Wirklichkeit Jesus“. Der auferstandene Herr, der Sieger über Leben und Tod, der Weltenherrscher – ein Obdachloser auf der Parkbank? Wo ist die strahlende Gloriole?


Schmalz verweist auf Mt 25, auf den Armen, in dem Jesus gegenwärtig ist [„Ich war fremd und obdachlos und ihr habt mich aufgenommen“ – „Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“]. Die Idee für diese Statue sei ihm gekommen, so erzählte er, als er einen Obdachlosen im wuselnden Weihnachtsgeschäft an einer betriebsamen Geschäftsstraße in Toronto habe schlafen sehen. „Das ist Jesus“, sei ihm spontan durch den Kopf gegangen.

Auch andere Skulpturen des Künstlers könnten möglicherweise Diskussionsbedarf erzeugen. Seine Figuren zum auf Papst Johannes Paul II. zurückgehenden Thema „Theologie des Leibes“ beispielsweise scheuen nicht vor Körperlichkeit zurück. Da ist Maria, wie sie ihr Kind stillt. Da ist ein Liebespaar am Kreuz, das sich zu einem Herz entwickelt. Sind solche Darstellungen möglicherweise blasphemisch, wie es Schmalz in einem Internetposting vorgeworfen wird?

Doch zurück zur Skulptur. Für ein bürgerlich gewordenes Christentum ist ein obdachloser Jesus tatsächlich eine Zumutung. Für Christen, die mehr Kraft in ihre Rentenvorsorge investieren als in die Vorsorge für ihre Ewigkeit, fällt diese Figur aus ihrer eigenen satten Lebenseffizienz heraus. Auch die Klagen „Warum ausgerechnet ich?“ oder „Wie kann Gott das zulassen?“, wenn einem Leid, Krankheit, Tod zugemutet werden, verlieren angesichts dieser Skulptur spürbar an Überzeugungskraft.

Was sagte Jesus einmal über sich selbst? „Die Füchse haben ihre Höhlen und die Vögel ihre Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann“ (Mt 8,20). Schade eigentlich, dass dieser Bibelvers bisher so selten Künstler dazu herausgefordert hat, ihn umzusetzen, dabei wäre er in seiner Bildhaftigkeit doch ausgesprochen gut geeignet.

Aber gehen wir einen Schritt weiter. Der Auferstandene als unbeachteter Penner auf der Parkbank statt in leuchtender Gloriole mit Herrscherinsignien – mutet uns letztlich nicht auch Papst Franziskus Vergleichbares zu?

Dessen Verzicht auf die roten Schuhe, auf die Mozetta, auf manches sonst, was uns an Päpsten vertraut und lieb war – liegt dieser Verzicht nicht verdächtig genau auf der unbequemen Linie Jesu? Würde sich wohl Papst Franziskus grundsätzlich die Bereitschaft abverlangen, diesem Penner auf der Bank die nackten Füße vom Schmutz dieser Erde zu säubern?

Und wie reagieren wir selbst? Wie arm darf unser Christentum werden? Wie bequem hätten wir es denn gern in der Nachfolge des Gekreuzigten, bitteschön?

Wir dürfen zugegeben, dass auch wir selbst vor der Aufforderung Jesu „Steckt nicht Gold, Silber und Kupfermünzen in euren Gürtel. Nehmt keine Vorratstasche mit auf den Weg, kein zweites Hemd, keine Schuhe, keinen Wanderstab“ (Mt 10,9.10) mit ziemlicher Hilflosigkeit stehen. Ebenso vor dem Phänomen der Bettelmönchbewegung. Mit der Armut eines heiligen Franz von Assisi, nach dem sich der Papst aus Argentinien benannt hat, tun wir uns schwer. Wir jammern schon wegen weitaus kleineren Beschwernissen.

Vielleicht tun wir uns mit diesen Themen so schwer wie jene Jünger, die der Brotrede Jesu (Joh 6) lauschten, wo der Herr die schier unglaublichen Worte über sein eigenes Fleisch und sein eigenes Blut sagte. Wie damals die Jünger so „murren“ auch wir (VV 60.61) und geben besserwisserisch von uns: „Was er sagt, ist unerträglich. Wer kann das anhören?“

Das gilt nicht nur für die Zumutung der Skulptur des obdachlosen Jesus. Bezogen auf den aktuellen Stellvertreter Christi auf Erden dürfen wir uns gern dabei ertappen, falls wir denken: „Was Papst Franziskus sagt und tut, das ist eine Zumutung. Wer kann das mit ansehen?“ Und schon Jesus ging es so: „Daraufhin zogen sich viele Jünger zurück und wanderten nicht mehr mit ihm umher“ (V 66).

Wir beobachten dies aktuell leider bei so manchem, den wir bisher als Jünger Jesu im Raum der Kirche wähnten und dem nun der Nervenkitzel obskurer Prophetien (beispielsweise Maleachi oder auch „Die Warnung“) wertvoller ist als die Einheit mit dem Petrusamt. Und in einem einzigen Punkt haben diejenigen, die weggehen, sogar recht: Sie haben es nämlich schon gemerkt, dass dieser Papst ein unbequemer Papst, ein herausfordernder Papst ist.

Doch auch unter den reformorientieren Katholiken merken es die Gutwilligen gerade, dass es keineswegs reicht, Papst Franziskus für seine Bescheidenheit nur zu loben. Denn Papst Franziskus sucht, genau wie auch Benedikt XVI. vor ihm, nicht Leute, die ihm nur zujubeln. Sondern er sucht Mitmacher in einem anspruchsvollen und anstrengenden Projekt, wie es die praktische Nächstenliebe schon immer war. Der neue Papst sucht Menschen, die sich in ansteckender christlicher Fröhlichkeit den Mitmenschen zuwenden – konkrete, handfeste, uneigennützige Auswirkungen sind explizit erwünscht.

Die Skulptur „Obdachloser Jesus“ erschöpft sich nicht in der Beschreibung eines Obdachlosen. Denn trotz des ersten Augenscheins ist sie eine Darstellung jenes faszinierenden jüdischen Handwerkers, der die Wunden seines Opfertodes lebendig an sich trägt. Das Werk deutet in zeitgenössischer Bildsprache an, dass der auferstandene Herr nicht davor zurückscheut, sich bis heute „normal“ unter die Menschen zu mischen. Was das für uns Christen bedeutet, brachte Papst Franziskus neulich in einem Bildwort aus einem ganz anderen Bereich auf den Punkt: Ein Hirte müsse den Geruch der Schafe haben.

Analog könnte man dann auch überlegen: Kommt möglicherweise in der bewusst schlichten Selbstdarstellung des aktuellen Bischofs von Rom ebenfalls Größeres zum Ausdruck?

Ach ja, bevor ich es vergesse: Vor wenigen Tagen hat die Skulptur „Obdachloser Jesus“ auf dem Campus des Regis College in Toronto, einer Jesuitenhochschule, endlich ihre Heimat gefunden.

 

Petra Lorleberg auf Twitter folgen!

´Obdachloser Jesus´ von Timothy Schmalz: Eine Figur des ´Homeless Jesus´ befindet sich in Washington D.C., nur drei Straßen vom Capitol entfernt.

Der kanadische Künstler und Christ Timothy Schmalz erklärt das Tonmodell ´Beichte - Pater Pio´ (in engl. Sprache)

Timothy Schmalz erläutert Pro-Life-Figur: Ein Engel trägt ein vor der Geburt verstorbenes Baby in den Himmel

Timothy Schmalz - Porträt des Künstlers und seiner Arbeit aus dem Jahr 2011


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Lesermeinungen

 queenie 25. März 2016 
 

Klares Zeichen

von Papst Franziskus, was Christentum u.a. ist. Selbstherrlichkeit, Ab- und Ausgrenzung und Selbstüberzeugung haben viele der heutigen Probleme geschaffen.


2
 

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