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'Du bleibe in deiner Zelle, sie wird dich alles lehren'

9. August 2012 in Jugend, 1 Lesermeinung
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Eine KATH.NET-Reportage über einen Besuch bei den Bethlehemschwestern auf der Kinderalm / Erzdiözese Salzburg - Von Anna-Lena Stricker


Salzburg (kath.net) Mit dem Auto geht es sehr weit rauf. Bis auf 1240 m müht es sich die Serpentinen hinauf. Es erscheint ein großes braunes Tor mit der Aufschrift „Klausur, bitte nicht eintreten“. Neben dem Tor sind Räume mit großen Fenstern, auf einem der Fenster klebt das Schild „Mamre“. Geht man hinein, findet man ein Sofa und einen Tisch, auf dem ein Telefon steht. Daneben ist zu lesen: „Lieber Gast, rufe eine Schwester unter der Nummer 22, wenn du etwas brauchst“.

Nach einem kurzen und überaus freundlichen Telefonat, kommt eine Moniale im weißen Habit mit Kapuze herbeigeeilt und begrüßt mich herzlich mit einer Umarmung.

Moniale heißt so viel wie Mönchin. Die Schwestern stehen ganz in der monastischen Tradition. Man kann sie aber, wie geläufig, mit Schwester ansprechen.

Nun dürfen wir durch das Tor gehen und ich werde herumgeführt. Eine Almhütte wird meine Ruhestätte. Vom Balkon aus sieht man die Alpen. Unten, zwischen den Bäumen, ist ein Gemüsebeet angelegt.

Das Zimmer, ganz aus Holz, das einen wohligen Geruch ausströmt, verfügt über einen kleinen Kasten, ein Bett, zwei Stühlen und einen Tisch. Hinter einer unscheinbaren Holztür verbirgt sich ein kleiner Gebetsraum. Drei Ikonen, ein Gebetsschemel und eine Bibel liegen einladend zum Gebet bereit.

Ein liebevoll mit frisch gepflücktem Laub geschmücktes Büchlein wurde auf den Tisch gelegt. Mein Leitfaden für die kommende Woche. Zuerst wird man gebeten zu unterschreiben, dass man sich verpflichtet, für die Zeit des Aufenthalts das Schweigen einzuhalten. Versehen mit wunderschönen Ikonen liest man von Seite zu Seite, wie man seinen Aufenthalt zu ständigem Gebet verwandeln kann.

Das Mahl, das die Schwestern immer mit dem Lesen der Heiligen Schrift verbinden, soll zu einer Begegnung mit Christus werden, der seinen Jüngern während des Essens vom Reich Gottes erzählte.

Was das Verweilen in der Zelle betrifft, wird dem Leser die erste Illusion geraubt. Man wird gewarnt, die Zeit nicht mit Dingen zu verschwenden, für die man sonst keine Zeit hat: Briefe schreiben, irgendetwas lesen. Meine Romane verschwinden also zurück in den Koffer.

Beim Öffnen des Kastens entdeckt man Ersatzlektüre. Ein Büchlein über das Jesusgebet, Enzykliken, und ganz wichtig: die Psalmen.

Die erste Nacht in Bethlehem in der Stille der Einsamkeit.

Um 6 Uhr in der Früh läuten die Glocken und wecken den Gast zu den Laudes – nicht die Schwestern, denn sie sind bereits um 3:30 Uhr für das Gebet in ihrer Zelle aufgestanden. Im Dunst der Berge geht es nun vom Gästebereich auf 1400 m weiter hinauf zum Kloster der Bethlehemschwestern. Wieder ein Tor mit der Aufschrift „Klausur. Eintritt nur für die Liturgie“. Nach einem farbenfrohen Raum mit einer Muttergottes, die den Gast begrüßt, folgt man einem langen betonierten und mit Holz verkleideten Gang. Der Duft des Holzes mischt sich immer mehr mit dem Duft des Weihrauchs. Eine Wendeltreppe führt auf die Empore. Hier warten die Gäste auf die Laudes. Einige Schwestern sitzen, knien oder stehen bereits in ihrem hölzernen Chorgestühl. Eine schlichte, aber warme und zur Betrachtung einladende große Kirche erstreckt sich vor dem Auge des Betrachters.


Eine Schwester stellt sich in die Mitte des Kirchenschiffes und zieht mit aller Kraft an einem Seil: Glockengeläut ertönt, der letzte Ruf zum Gebet. Nach einigen Minuten der Stille klopft es im Chorgestühl, die Reise in den Osten beginnt.

Große Kreuzzeichen verbunden mit tiefen Verbeugungen bilden den Einstieg in ein eineinhalbstündiges Gebet, das von byzantinischen Melodien und ostkirchlicher Liturgiesprache geprägt ist. So lautet der Eröffnungsvers: „Ehre sei der unteilbaren, wesenseinen und Leben spenden heiligen Dreifaltigkeit. Jetzt und allezeit und in Ewigkeit. Amen“. Die Schwestern scheinen sich an ihren Chotkis wie an Christus selber festzuhalten, wenn sie singen: „Meine Seele hängt an dir, deine rechte Hand hält mich fest“, denn viele von ihnen beten das Jesusgebet auch während des Stundengebets.

Ein Hymnus zu Ehren der Muttergottes erklingt, und plötzlich geht eine Schar Schwestern nach vorn, verneigt sich tief vor dem Allerheiligsten und eilt zur Ikone der Gottesmutter, legt den Kopf in ihre Hände. Wieder erfolgen ein großes Kreuzzeichen und eine tiefe Verneigung.

Nach den Laudes gehen die Gäste wieder hinab und versorgen sich mit dem Nötigsten zum Frühstück. Alles, was man braucht, findet man in der Küche, die für die Gäste mit Brot, selbstgemachter Marmelade und anderen Leckereien bestückt ist. Gegessen wird in der Zelle. Ich setze mich an meinen Tisch, blicke an die Wand und eine Ikone der Theotokos schaut mich an. Ich krame mein Neues Testament hervor und versuche, mein Mahl zu einer Begegnung mit Christus zu machen. Nach dem kurzen Frühstück erfolgt die erste Herausforderung. Was tun bis zum Mittagessen? Es sind noch vier Stunden bis dahin. Ich schaue in meinen Gebetsraum, in dem Christus auf mich wartet. Ich harre zwei Minuten in ihm aus, bin aber zu aufgeschreckt von meinem Lebensalltag. Ein kurzer Spaziergang über das Gelände, wieder vergeht Zeit, aber nicht viel.

Ich betrete die Gästekapelle. Tiefdunkles Holz, Milchglasfenster, orientalische Lampen hängen von der Decke. Auf dem Boden liegen Decken, Matten und Gebetsschemel – aber auch Stühle stehen bereit. Doch irgendwie scheint sitzen an diesem Ort nicht angebracht. Zwei große Ikonen, ähnlich denen der Klosterkirche, blicken mich an – in der Mitte über dem Tabernakel schaut mich die Heilige Dreifaltigkeit aus einer der Ikonen heraus an. Ich knie nieder und betrachte; ich schaue in die gütigen Augen Jesu, der mir die Heilige Schrift entgegenhält. Ergriffen von der Ruhe verlasse ich die Kapelle und suche die Einsamkeit meiner Zelle. Am Nachmittag wird das Allerheiligste für die Gäste ausgesetzt – dann werde ich wieder kommen.

Es läutet zum Angelus. Erleichterung bereitet sich in mir aus. Ich halte mich fest an dem Gebet, das nun die ganze Weltkirche betet. Denn die Lektüre über das Jesusgebet und die Vorstellung, über Stunden nur den Namen „Jesus“ zu beten, waren zu hoch für mich. Der nächste Programmpunkt ist das Mittagessen. Ich war schon ganz gespannt, denn während die Schwestern im oberen Haus, die in Einsamkeit und Schweigen leben, einen Holzkorb mit dem Essen vor die Tür gestellt bekommen, holt sich der Gast aus einem Fach mit dem Namen der Unterkunft seinen bestückten Korb selbst ab. Ein Gewusel in der Küche, der Hunger treibt alle zusammen – aber in absoluter Stille. Ich hole meinen Korb, trage ihn über den Schotterweg zur Almhütte, gehe in mein Zimmer und schließe hinter mir ab. Die nächste Begegnung mit dem Herrn wartet auf mich. Ich räume alles Ablenkende zur Seite. Die Kamera mit den Fotos: sie werde ich mir zu Hause anschauen, auch das fordernde Jesusbüchlein lege ich beiseite. Mit dem Wort Gottes vor mir verspeise ich die Köstlichkeiten der Klosterküche.

Einige der 35 Schwestern haben sich bereit erklärt, in allen Anliegen für die Gäste zu sorgen. Von der Anmeldung, über das Kochen und Putzen bis zu seelsorglichen Begleitgesprächen, stehen die Schwestern jederzeit zur Verfügung. Über einen Briefkasten in der Küche nimmt man den Kontakt auf, um das Schweigen zu bewahren, wie man zu Beginn versprochen hat. Dann kann es sein, das plötzlich eine Schwestern an der Tür klopft.

So hatte ich das Vergnügen, mit einer Moniale, die bereits 27 Jahre eine Bethlehemschwester ist, über einiges zu reden. Sie klärte mich über meine Missinterpretationen der Liturgie auf, die durch mein westlich geprägtes Liturgieverständnis entstanden sind. Sie kam 1985 auf die Kinderalm, weil sie vom Vorhaben des Ordens gehört hatte, ein Kloster zu bauen. Sie wollte sich das nur mal anschauen, und nach einer Woche war ihr klar: Das ist mein neues Zuhause. Sie erlebte noch die Zeiten, in denen lediglich zwei Almhütten zur Verfügung standen. Meine Unterkunft und die Gästekapelle waren das Domizil und die Kirche der Schwestern. Das alte Chorgestühl ist hinter den Ikonen in der Kapelle noch zu sehen. Der Wind pfiff noch durch die Ritzen, erzählte mir die Schwester, die sich an die Gebetszeiten im Winter in der alten Kapelle erinnerte.

Auf die Frage, von was sie leben, sagte sie mir, dass sie das eigentlich gar nicht so genau wissen, der heilige Josef behielte den Überblick. Sie versuchen, sich – so gut es geht – selbst zu versorgen, und bauen Obst und Gemüse an. Durch das Herstellen von Marmelade, Ikonen und Keramik, die sie im Klosterladen verkaufen, versuchen sie, sich ihr tägliches Mahl zu finanzieren. Aber dennoch sind sie auf die Großzügigkeit der Gäste und Freunde der Schwestern angewiesen. Aber sie brauchen nicht zu betteln. Den hilfsbereiten Gemeinschaftsgeist bekommt man regelmäßig zu sehen. So fuhr ein französisches Auto beladen mit Obst und Gemüse vor. Dies ist Ausdruck der tiefen Dankbarkeit für die herzliche Gastfreundschaft der Schwestern.

Ich fragte die Schwester auch, wie sich der Empfang von Gästen mit der schweigenden und zurückgezogenen Lebensweise der Schwestern vereinbaren lässt. Sie berichtete mir vom Vater des Ordens, dem heiligen Bruno, der, nachdem er sich mit Männern in Frankreich niedergelassen hatte, von Papst Urban II. nach Rom als Berater gerufen wurde. Das Herz war ihm schwer, doch er folgte dem Heiligen Vater im Gehorsam und bat, nach seinem verrichteten Dienst wieder zurück in die Einsamkeit gehen zu dürfen. Der Heilige Vater schätzte die Qualitäten des Heiligen so sehr, dass er ihn bat, wenigstens in der Nähe Roms zu bleiben. So ließ er sich in Kalabrien nieder. Die Zeit war damals geprägt von Völkerwanderungen, die dazu führten, dass sich noch vor dem morgenländischen Schisma 1054 östliche und westliche, griechische und lateinische Traditionen vermischten. Man nimmt sogar an, dass in der Gemeinschaft des heiligen Bruno auch nach dem Schisma Ost- und Westkirchler zusammenlebten. Im Unterschied zur Lebensweise in Frankreich, empfing man dort auch Gäste.

Das Leben dieser Gründerfigur in Kalabrien prägt heute die Bethlehemschwestern. Im Unterschied dazu beziehen sich die Karthäuser auf die Zeit in Frankreich. Also finden sich in der Liturgie und in den Frömmigkeitsübungen der Schwestern viele ostkirchliche Elemente. Wie die Moniale erzählte, empfindet sie dies als Bereicherung, da im Osten noch mehr mit dem Leib gebetet wird, was ihr sehr zusagt. Die Verbeugungen, der viele Weihrauch, besonders aber das emotionale Verehren der Ikonen beschreibt sie als einen Gewinn für das geistige Leben.

Geht man kurz vor den Gebetszeiten draußen spazieren, sieht man verschiedene Schwestern, aber auch Lebensschülerinnen über das Gelände huschen und die Abkürzung durch den Wald zur Kirche hinaufgehen. Lebensschülerinnen heißen die Mädchen und Frauen, die sich fragen, ob sie eine Berufung zum monastischen Leben haben und im Gästebereich das Leben der Einsamkeit mit leben. Entscheiden sie sich, einen weiteren äußeren Schritt hin zu ihrer Berufung zu gehen, dann erhalten sie eine Art dunkelblaue Mozetta mit einer großen Kapuze.

Ein Blick in ihren Klosterladen zeigt einen Teil des inneren Lebens der Monialen, das sie in der Zelle führen. Alles, was sie herstellen und verkaufen, soll die Schönheit Gottes widerspiegeln. So steht man vor einer ganzen Wand mit aufwändig handbemaltem Geschirr mit sehr komplizierten Mustern, zu denen man wohl nur in der absoluten Ruhe fähig ist. Daneben hängen golden glänzende Ikonen an der Wand, ebenfalls von den Schwestern „geschrieben“, wie man sagt. Eine Schwester erklärte mir, dass es kaum eine malerische Begabung braucht, um Ikonen zu malen, und sich ein ausgebildeter Künstler selbst im Weg stünde. Denn Ikonen sind Werke Gottes, die nur durch den Maler entstehen können, der selbst zum Werkzeug, zum Pinsel Gottes wird und dem es nicht um sein Können geht.

Nach diesem Gespräch verstand ich Einiges besser, Missverständnisse wurden aus dem Weg geräumt, der mich zur direkten Begegnung mit Gott führen sollte. Aber wie der Mensch so ist, stellt er sich gern selbst die Hürden in den Weg, weil das Ziel so unerreichbar scheint. Die nächsten Tage verbrachte ich in meiner Zelle mit dem Herrn in Zweisamkeit und durfte meinen ganzen Tag zur Begegnung werden lassen, so wie es die Schwestern tun. Ich schwieg.

kathTube: Film über Bethlehemschwestern





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Lesermeinungen

 edithusluxus 10. September 2012 
 

bleib in deiner Zelle

Es ist unbeschreiblich, was diese Nonnen ins Leben bringen. Die Einfachheit ist überwältigend.
Der Mensch brauch nur Gott - alles andere kommt von ihm.


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