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The day after

25. September 2006 in Aktuelles, keine Lesermeinung
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Nach tagelanger Aufgeregtheit braucht es jetzt eine sachliche Analyse. Anmerkungen zum Vortrag des Papstes und den islamischen Reaktionen. Von Weihbischof Andreas Laun.


Salzburg (www.kath.net) Papst Benedikt XVI. sprach in seinem Vortrag vom 12. September 2006 an der Universität Regensburg über das Verhältnis von Gottesglaube und Vernunft. Dabei ging er von einem Islam-kritischen Zitat aus, indem Gewalt im Namen der Religion zwar angesprochen wird, aber nur, um über das Gottesbild des Islams zu sprechen.

Für den Papst selbst hingegen ist die zitierte Diskussion nur Einleitung, um über sein Thema, eben über den christlichen – nicht den islamischen! – Gottesglauben im Verhältnis zur Vernunft zu sprechen, und zwar so, wie sich die Frage in der europäischen Geistesgeschichte darstellt.

Die Reaktionen auf die päpstlichen Gedanken erschütterten die Welt: „Islamische Welt tobt über den Papst“, lautete die Überschrift einer großen Wiener Zeitung, die Reaktionen reichten von „Zorn“ über „Empörung“ bis „Befremden“, der Papst wurde einer „Kreuzfahrer-Mentalität“ und einer „feindseligen Haltung“ beschuldigt, man sagte, er habe „den Islam beleidigt“, er sei ein „Lügner“ und man forderte eine Entschuldigung des Papstes.

Der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, drehte gegenüber dem Berliner „Tagesspiegel“ den Spieß einfach um: Es falle ihm „schwer zu glauben, dass der Papst gerade im Verhältnis zur Gewalt die Grenze zwischen Islam und Christentum sieht“. Schließlich sei auch die Geschichte des Christentums blutig gewesen. „Man denke nur an die Kreuzzüge oder die Zwangsbekehrungen von Juden und Muslimen in Spanien“, so Mazyek.

Aber es blieb nicht bei Gefühlen und Worten, bald schon wurde der Ruf nach Rache laut: In Italien strahlte ein Privatsender ein Video der Terrororganisation El Kaida aus, in dem die Organisation zur Ermordung von Papst Benedikt XVI. aufrief. Das Video ist an den „Affen im Vatikan“ gerichtet, als Antwort auf die Aussagen des Papstes zum Islam. Gezeigt wird dabei ein islamisches Schwert, das ein christliches Kreuz entzweischlägt.

Auch im Internet kursieren in Islamisten-Foren Aufrufe zur Ermordung von Papst Benedikt XVI., und scheußliche Karikaturen von ihm werden gezeigt, viel schlimmer als die Mohammed-Karikaturen, die die muslimische Öffentlichkeit erst vor kurzem erregt haben. Im Gaza-Streifen brannte schon bald eine Kirche, und in Indien zündeten Muslime eine Puppe an, die den Papst darstellen sollte. Der stellvertretende Vorsitzende der türkischen Regierungspartei Salih Kapusuz verglich den Papst mit Hitler und Mussolini und meinte, entweder kenne der Papst den Islam nicht oder er verdrehe absichtlich die Tatsachen. Wie auch immer, er müsse sich entschuldigen.

Es ist eigenartig zu beobachten, wie sich bestimmte Gruppen selbst widersprechen: Mit Beschimpfungen und Androhung von brutalster Gewalt fordern sie, den Islam für eine friedfertig Religion zu halten. Gut zu hören, dass diese Reaktionen auch von besonnenen Muslimen als überzogen eingestuft wurden.

Zugeben muss man auch: Legten die Christen die gleichen Maßstäbe an wie die protestierenden Muslime, hätten sie angesichts von Vergleichen des Papstes mit Hitler und anderen Beschimpfungen viel mehr Recht, beleidigt zu sein und aggressiv zu reagieren, als jene, die mit ihrer Wut beweisen, was sie bestreiten wollen.

Die Sache erscheint noch eigenartiger, wenn man bei genauer Lektüre feststellt: Über die Frage, wie gewalttätig der Islam ist oder nicht ist, hat der Papst gar nicht gesprochen. Wie anders und wie schön wäre es gewesen, hätte die Mehrheit der führenden Muslime den Text sorgfältig gelesen und mit einer gründlichen, argumentativen Auseinandersetzung auf die Worte des Papstes geantwortet!

Für einen Christen ist es selbstverständlich, dass sie sachliche Einwände jeder Art gegen die Gedanken des Papstes hätten erheben dürfen – die Christen hätten mit Bestimmtheit nicht beleidigt reagiert.

Angesichts all der heftigen Anschuldigungen und Forderungen bedauerte der Papst öffentlich die Reaktionen auf seine Rede und stellte klar: „Dieser Passus wird als Beleidigung der religiösen Gefühle von islamischen Gläubigen empfunden, während es sich doch um das Zitat eines mittelalterlichen Textes handelte, der in keiner Weise mein persönliches Denken ausdrückt.“

Natürlich wollte der Papst niemand beleidigen, im Gegenteil: „Die Rede war und ist in ihrer Ganzheit eine Einladung zum offenen und ehrlichen Dialog, mit großem gegenseitigem Respekt.“

Natürlich kann man zu diesem Ereignis nicht leicht Stellung nehmen, solange die Emotionen hoch gehen, ähnlich, wie Ärzte, die wissen, dass sie nicht in entzündetes Gewebe schneiden dürfen, wenn sie das Übel nicht vergrößern wollen. Die Erfahrung zeigt: Mit wütenden Menschen diskutieren zu wollen, ist zwecklos.

Wut ist, sagen die Psychologen, häufig Ausdruck argumentativer Hilflosigkeit – ist es das auch in diesem Fall? „The day after“ ist es wichtig, ein solches Ereignis zu analysieren und zu versuchen, die wahren Zusammenhänge zu verstehen.

Freiheit oder Selbstzensur?

Manche sagen, der Papst hätte wissen müssen, dass die Muslime empfindlich reagieren werden, er hätte sich seine Äußerungen besser überlegen und auf die Gefühle der Betroffenen Rücksicht nehmen sollen.Das klingt plausibel, aber dabei geht ein Aspekt unter, der für die Beziehungen der westlichen Kultur mit dem Islam von größter Wichtigkeit ist: So richtig es ist, dass der Dialog nur im „gegenseitigen Respekt“ geführt werden kann, so wahr ist es aber auch, dass zu eben diesem Dialog die Möglichkeit gehört, Kritik an der Position des jeweils anderen zu äußern.

Natürlich tut Kritik auch weh. Aber wer darauf jeweils mit Beleidigt-Sein statt mit Argumenten reagiert, macht das Gespräch unmöglich. Auch eine sachliche und faire Auseinandersetzung muss manchmal mit einer argumentativen Härte geführt werden. Um der Wahrheit willen ist das notwendig. Im Gespräch mit dem Islam bedarf es natürlich der Liebe, aber nicht wahrheitswidriger Liebeserklärungen.

Im Gegenteil, zur Liebe gehört es, auch Einwände zu erheben, die zunächst einmal schmerzen. Eine Rücksichtnahme, die bereit ist, alle kritischen Punkte durch Selbstzensur von vornherein zum Verschwinden zu bringen, ist das Ende eines wahren Dialoges, hoch gefährlich, weil sie den Geist der Freiheit und der Wahrhaftigkeit zerstört.

Sollten Muslime diese Grundsätze bestreiten, müsste man ihnen empfehlen, mit diesem Maßstab vor Augen ihre Kritik am Christentum oder gar an den Juden zu prüfen: Sie ist normalerweise in Inhalt und Form viel schärfer als die Kritik der Christen am Islam.

Natürlich werden christliche Autoren nach diesem „Crash“ noch sorgfältiger als bisher überlegen, wie sie sich im Gespräch mit Muslimen verhalten sollen. Aber zugleich müssen sie alles tun, um ihre Gesprächspartner zu jener Gesprächskultur hinzuführen, auf Grund derer man wirklich frei auch heikle Punkte ansprechen kann. In dieser Richtung müssen die Europäer drängen, sanft, aber stetig und beharrlich.

Denn damit verteidigen sie die so kostbare Freiheit des Wortes und der Rede. Sie ist unverzichtbar, sie ist kein „europäischer Wert“, der austauschbar wäre, sie gehört vielmehr zum Wesen eines guten Dialogs, ist conditio sine qua non!

Bei diesem Kampf um die Freiheit des Wortes gibt es auch viele muslimische Verbündete (wie zum Beispiel Irshad Manji), viel mehr, als man meinen könnte. Der Grund dafür, dass sie dennoch schweigen, ist vor allem der Mangel an jener Freiheit, die es in Europa zu verteidigen und in manch anderen Ländern zu erkämpfen gilt.

Sich aus Angst vor den Gefühlen bestimmter muslimischer Gruppen durch Selbstzensur der Freiheit des Wortes mitten in Europa zu berauben, wäre nicht nur eine Selbstverstümmelung, sondern auch der denkbar schlechteste Dienst an den Menschen, die sich zum Islam bekennen und sich nach der Freiheit sehnen. Ihnen zu einem guten Verhältnis zu vernünftiger Argumentation zu verhelfen, wäre ein Segen für die die Muslime und dadurch für die Weltgemeinschaft.

Was hat der Papst über den Islam wirklich gesagt?

Zu einem guten Dialog gehört die wohlwollende Sorgfalt, mit der man sich die Position des jeweils anderen aneignet: Wohlwollend, weil man an sie mit dem Willen herangehen sollte, sie zunächst einmal im Sinn des anderen zu verstehen, bevor man sie auf Fehler abzuklopfen versucht.

Sieht man die kritischen Wortmeldungen der muslimischen Kritiker durch, hat man den Eindruck: Mit eben dieser notwendigen Sorgfalt hat man den Text des Papstes nicht gelesen. Umso nötiger ist es herauszuarbeiten, ob und in welchen Punkten der Papst tatsächlich Kritik am Islam geübt hat und ob diese Kritik, wie muslimische Kritiker behaupten, nicht doch auf Unkenntnis oder Missverstehen des Islams beruht.

Daher die Frage: Was hat der Papst wirklich gesagt?

Thema seines Vortrags war das Verhältnis von Glaube und Vernunft. Um die Frage, die ihn bewegt, gut verständlich zu machen, zitierte der Papst das Streitgespräch des gelehrten Kaisers Manuel II. Paleologus mit einem gebildeten Perser über Christentum und Islam, das im Jahr 1391 stattgefunden hat. Dabei sprach der Kaiser auch den „heiligen Krieg“ an, aber nur, um eine andere, ihm wichtige Frage nach Gott zu stellen.

Papst Benedikt XVI. führte aus: „Der Kaiser wusste sicher, dass in Sure 2, 256 steht: Kein Zwang in Glaubenssachen – es ist eine der frühen Suren aus der Zeit, in der Mohammed selbst noch machtlos und bedroht war. Aber der Kaiser kannte natürlich auch die im Koran niedergelegten – später entstandenen – Bestimmungen über den heiligen Krieg.

Ohne sich auf Einzelheiten wie die unterschiedliche Behandlung von ,Schriftbesitzern’ und ,Ungläubigen’ einzulassen, wendet er sich in erstaunlich schroffer Form ganz einfach mit der zentralen Frage nach dem Verhältnis von Religion und Gewalt überhaupt an seinen Gesprächspartner. Er sagt: ,Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten.’

Der Kaiser begründet dann eingehend, warum Glaubensverbreitung durch Gewalt widersinnig ist. Sie steht im Widerspruch zum Wesen Gottes und zum Wesen der Seele. ,Gott hat kein Gefallen am Blut, und nicht vernunftgemäß (σν λόγω) zu handeln, ist dem Wesen Gottes zuwider. Der Glaube ist Frucht der Seele, nicht des Körpers.

Wer also jemanden zum Glauben führen will, braucht die Fähigkeit zur guten Rede und ein rechtes Denken, nicht aber Gewalt und Drohung… Um eine vernünftige Seele zu überzeugen, braucht man nicht seinen Arm, nicht Schlagwerkzeuge noch sonst eines der Mittel, durch die man jemanden mit dem Tod bedrohen kann…’

Der entscheidende Satz in dieser Argumentation gegen Bekehrung durch Gewalt lautet: Nicht vernunftgemäß handeln, ist dem Wesen Gottes zuwider. Der Herausgeber (dieses alten Textes), Theodore Khoury, kommentiert dazu: Für den Kaiser als einen in griechischer Philosophie aufgewachsenen Byzantiner ist dieser Satz evident. Für die moslemische Lehre hingegen ist Gott absolut transzendent.

Sein Wille ist an keine unserer Kategorien gebunden und sei es die der Vernünftigkeit. Khoury zitiert dazu eine Arbeit des bekannten französischen Islamologen R. Arnaldez, der darauf hinweist, daß Ibn Hazn so weit gehe zu erklären, daß Gott auch nicht durch sein eigenes Wort gehalten sei und daß nichts ihn dazu verpflichte, uns die Wahrheit zu offenbaren. Wenn er es wollte, müsse der Mensch auch Idolatrie treiben.

Hier tut sich ein Scheideweg im Verständnis Gottes und so in der konkreten Verwirklichung von Religion auf, der uns heute ganz unmittelbar herausfordert. Ist es nur griechisch zu glauben, dass vernunftwidrig zu handeln dem Wesen Gottes zuwider ist, oder gilt das immer und in sich selbst?“

Soweit der anstößige Text. Im Anschluss daran setzte sich der Papst im Kernbereich seines Vortrags nur noch mit der europäischen Geistesgeschichte auseinander, ohne nochmals auf den Islam Bezug zu nehmen. Das Ergebnis seiner Überlegungen ist eine scharfe Kritik an dem eingeengten, positivistischen Vernunftbegriff der modernen, westlichen Welt.

Seine Sorge gilt nicht nur dem Islam, sondern allen „uns bedrohenden Pathologien der Religion und der Vernunft“ in welcher Form auch immer: sei es als Ablehnung der Vernunft durch die Religion, sei es als Ausgrenzung der Religion durch die Vernunft.

Den Finger auf die Wunde legt der Papst deutlicher auf die Pathologie de westlichen Vernunft, die sich der Religion verschließt, als auf die der Religionen, die die Vernunft ablehnen. Außerdem diagnostiziert er die religiöse Pathologie nicht nur im Islam, sondern da und dort auch im Christentum. Sorgen bereitet sie ihm in jeder Form und wo auch immer.

Indem der Papst die Notwendigkeit betonte, die Vernunft für die Gottesfrage wieder zu öffnen, verteidigte er die Weltreligionen und damit natürlich auch den Islam, indem er sagte:

„Nur so“ – mit einer neuen Verbindung von Vernunft und Glaube – „werden wir auch zum wirklichen Dialog der Kulturen und Religionen fähig, dessen wir so dringend bedürfen. In der westlichen Welt herrscht weithin die Meinung, allein die positivistische Vernunft und die ihr zugehörigen Formen der Philosophie seien universal. Aber von den tief religiösen Kulturen der Welt wird gerade dieser Ausschluss des Göttlichen aus der Universalität der Vernunft als Verstoß gegen ihre innersten Überzeugungen angesehen.“

Bewertung der Papstkritik

Eine aufmerksame Lektüre des Textes in Hinblick auf Kritik am Islam ergibt folgendes Bild:

1. Der Papst nimmt als gegeben an, das es „im Koran niedergelegte Bestimmungen über den heiligen Krieg“ gibt.

2. Der Papst zitiert Kaiser Manuel, der sagt, der Islam setze Gewalt zur Verbreitung des Glaubens ein, und dies sei unmenschlich und unsinnig. Aber der Kaiser bezieht sich auf die behauptete Gewalt lediglich deswegen, um über das Wesen Gottes und das der menschlichen Seele nachzudenken.

Auch der Papst zitiert die Aussagen des Kaisers nur, um den für ihn und den Kaiser „entscheidenden Satz“ beleuchten zu können: „Nicht vernunftgemäß handeln, ist dem Wesen Gottes zuwider.“ Nur um diesen Satz geht es dem Papst, diesen verteidigt er in seinen folgenden Ausführungen als genuin christlich und stellt ihm die islamische Vorstellung von Gott gegenüber: Gott ist jenseits unserer Begriffe, auch erhaben über den Anspruch der Vernunft, er kann beschließen und befehlen, was immer er will, er muss nicht einmal die Versprechen halten, die er uns gibt.

Für diese Auslegung des Islam beruft sich der Papst auf zwei anerkannte Fachleute der Islamkunde und auch auf einen muslimischen Autor.

Was ist von dieser „Islamkritik“ zu halten? Ist sie zutreffend, ist sie beleidigend?

• Der Papst setzt die Existenz der Lehre vom „heiligen Krieg“ lediglich als dem Kaiser Manuel II. bekannt voraus. Er stellt sie weder dar noch analysiert oder kritisiert er sie. Man kann unmöglich behaupten, der Papst „kritisiere“ damit den Islam, und schon gar nicht, dass er dies in einer irgendwie beleidigenden Art und Weise getan hätte.

• Was das ganze Zitat des Kaisers betrifft, hat der Papst – da es offenbar nötig ist – längst klargestellt, dass es sich „um das Zitat eines mittelalterlichen Textes handelte, der in keiner Weise mein persönliches Denken ausdrückt.“ Das einzige, was man dem Papst vorhalten könnte, wäre, dass er sich überhaupt eines solchen Zitates bediente, das ein ungenauer oder ungebildeter Leser leicht missverstehen und das ein Fanatiker daher besonders leicht missbrauchen kann.

Dagegen ist allerdings zu sagen: Erstens hat der Papst an der Universität gesprochen, einem Ort größter Freiheit, um alles und jedes zu diskutieren. Zweitens hat er sich sogar im Vortrag selbst vom Zitat als ganzem distanziert durch die Bemerkung, der Kaiser habe seinen Einwand gegen den Islam „in erstaunlich schroffer Form“ ausgedrückt.

Ganz ausgeräumt ist der Vorwurf damit nicht. Vermutlich würde sich der Papst, wenn er diese Reaktionen vorausgesehen hätte, heute für sein Thema einen anderen Einstieg suchen. Aber gleichzeitig müsste man den verantwortlichen Muslimen sagen: Auch der „einfache Mann der muslimischen Strasse“ hat den Text nicht missverstanden, weil er ihn nicht gelesen hat und nicht verstanden hätte.

Seine Empörung ist die Folge der Indoktrination durch bestimmte Leute, die den Papst-Text entweder selbst gröblich missverstanden haben oder missverstehen wollten. Die besonnenen und verständigen Muslime aber hätten die Pflicht gehabt, denen, die das Zitat missbräuchlich verwendeten, entgegenzutreten - statt noch mehr Öl in das Feuer der aggressiven Ideologen zu gießen.

• Bleibt der islamische Gottesbegriff, an dem Muslime Anstoß nehmen könnten - vorausgesetzt, sie denken bezüglich der Vernunft wie Christen: Nur wenn man die Vernunft hoch schätzt, kann man die Idee eines Gottes, der sich über die Vernunft hinwegsetzt, als anstößig empfinden.

Das heißt aber: Anstoß an der Kritik des Papstes am muslimischen Gottesbegriff kann nur derjenige nehmen, der über das Verhältnis Gottes zur Vernunft – im Sinn des Kaisers Manuel und des Papstes Benedikt XVI. – christlich denkt. Dann und nur unter dieser Voraussetzung ist das, was der Papst gesagt hat, wohl ein schwerwiegender Kritikpunkt am Islam, aber deswegen noch lange keine Beleidigung.

Aufgabe der muslimischen Gesprächspartner

Angesichts der These des Papstes und seiner Gewährsleute bezüglich der Gottesidee des Islam hätten die muslimischen Gelehrten die Aufgabe, entweder zu zeigen, dass die Islam-Deutung des Papstes und der von ihm zitierten Fachleute falsch ist, oder zu beweisen, dass Gott tatsächlich über der Vernunft steht und warum der vom Papst so geschätzte Satz des Kaiser Manuels II. falsch ist.

Auch wenn der Papst das Gottesbild des Islam falsch verstanden haben sollte und also auch für die Muslime gilt: „Nicht vernunftgemäß handeln, ist dem Wesen Gottes zuwider“, wäre ein solcher päpstlicher Irrtum alles andere gewesen als ein Grund für die Muslime, beleidigt zu sein und zu reagieren, wie sie reagiert haben. Sie hätten dem Papst mitteilen können, er irre sich und die von ihm genannten Gewährsleute seien ebenso im Irrtum, die zitierte muslimische Meinung sei nur die einer islamischen Splittergruppe, die nicht für „den Islam“ stehe.

Vor allem aber hätten sie sehen sollen: Für alle am Dialog Beteiligten, besonders für Papst Benedikt XVI., wäre der behauptete Auslegungsirrtum eine große Freude gewesen. Denn er würde ja bedeuten, dass es in der für alle Religionen zentralen Gottesfrage eine große Übereinstimmung zwischen Christen und Muslimen gibt.

Wenn aber die Auslegung stimmt, Gott im Islam tatsächlich für erhaben über die Vernunft gehalten wird und so gesehen ein Willkür-Gott wäre, so wäre dies tatsächlich höchst beunruhigend und, am christlichen Maßstab gemessen, eine schwerwiegende Kritik am Islam, aber nicht ein Grund, beleidigt zu sein. Diese Frage müsste nur dringend zum Gegenstand jenes „offenen und ehrlichen Dialoges“ werden, zu dem der Papst eingeladen hat, eines Dialoges, der gerade wegen seiner Bedeutung „mit großem gegenseitigem Respekt“ geführt werden müsste.

Denn die fragliche These des Islams wäre, wenn sie stimmt, tatsächlich ein schmerzlicher „Scheideweg“ (Papst Benedikt XVI.), der Christen und Muslime auseinanderführt. Aber wenn es dem zitierten Aiman Mazyek schwer fällt zu „glauben, dass der Papst gerade im Verhältnis zur Gewalt die Grenze zwischen Islam und Christentum sieht“, hat er recht: Der Papst hat von dieser Grenze auch gar nicht gesprochen, sondern von einer anderen, nämlich der Grenze, die sich aus der Gottesfrage ergibt – immer vorausgesetzt, seine Islamdeutung trifft zu.

Im Dialog über diese Frage würden sich die Vertreter der beiden Religionen vielleicht nicht einigen können, aber möglicherweise entdecken, dass sie natürliche Verbündete in einer anderen Auseinandersetzung sind: nämlich derjenigen mit der säkularen, den Glauben ausschließenden Vernunft. Auf dieser Grundlage könnten sie geschwisterlich über das sprechen, was sie zu trennen scheint, aber beiden, Christen und Muslimen, das wichtigste Thema der Welt ist: über Gott.

Dem Papst ist trotz aller Missverständnisse und Proteste zu danken, weil er dem offenen und notwendigen Dialog wieder den Raum des freien Wortes zurückgegeben hat, ohne den er nicht gedeihen kann.



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