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Chronik einer angekündigten Radikalisierung

27. August 2009 in Aktuelles, keine Lesermeinung
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Die Lefebvre-Biografie des Piusbischofs Bernard Tissier de Mallerais enthüllt eine protestantische Seele. Von Regina Einig / Die Tagespost.


Würzburg (kath.net/DT) Keiner der Traditionalistenbischöfe der Piusbruderschaft hat sich bisher durch wissenschaftliche Publikationen einen Namen gemacht. Die gut 750 Seite starke Biografie Marcel Lefebvres (1905–91) aus der Feder von Bernard Tissier de Mallerais dürfte daran nichts ändern. Der Autor gilt zwar als der intellektuell beweglichste Kopf der Piusbruderschaft, lässt die professionelle Distanz des Historikers jedoch weitgehend vermissen.

Das mit üppigen Fußnoten und fast hundert Seiten Anhang mit Bibliografie, Dokumenten und Personenregister versehene Buch ist die minutiöse Chronik einer zunächst unterschwellig gärenden, dann offen angekündigten Radikalisierung. Es verstehe sich von selbst, zitiert der Biograf einen Schlüsselsatz Lefebvres, dass „in dem Maße, in dem die Zeit verstreicht und mit der Häresie sich auch die Ungültigkeit ausbreitet, unsere Haltung immer radikaler wird“.

Tissier de Mallerais schildert Leben und Wirken des Erzbischofs im Stil einer Hagiografie des neunzehnten Jahrhunderts. Die süßliche Sprache des Biografen kontrastiert im Laufe der Lektüre immer schärfer mit Zitaten und Dokumenten – man denke nur an Lefevbres wutschäumenden Brief vor dem Gebetstreffen in Assisi 1986.

Kritische Fragen an die Piusbrüder beleuchtet der Band hingegen nur eingeschränkt. Wie ein Trommelfeuer prasseln in der zweiten Hälfte des Buches Vorwürfe und teilweise abenteuerliche Verschwörungstheorien über Papst und Konzil auf den Leser ein. Andererseits werden Begebenheiten, die ein negatives Licht auf die Priesterbruderschaft werfen, verharmlost oder zum Desiderat stilisiert.

Das trifft zum Beispiel für die von Lefebvre gebilligte gewaltsame Besetzung der Pariser Pfarrkirche Saint-Nicolas-du-Chardonnet im Sommer 1976 zu. Die Reaktion des Erzbischofs fiel brutal und eindeutig aus: „Man müsste eigentlich in jeder Diözese eine Kirche für uns besetzen.“ Begriffe aus dem Militär- und Kriegswesen tauchen immer wieder auf. Kampfblattrhetorik prägt Kapitel wie „Erste Scharmützel“ oder „Satans Meisterstück“.

Wer die strapaziöse Lektüre durchsteht, erhält akribische Informationen über das Wirken europäischer Missionare im Afrika der vierziger und fünfziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts. Darüber hinaus bietet das Buch dem Leser ausreichend Einblick in die Argumentationsmuster der Piusbrüder, um sich gegen deren Urteile zu wappnen.


Entgegen aller Beteuerungen des Erzbischofs und seiner Anhänger dürfte nicht das Zweite Vaticanum die eigentliche Ursache für Lefebvres Bruch mit Rom gewesen sein. Das Konzil beschleunigte allenfalls einen jahrzehntelangen Entfremdungsprozess zwischen dem rührigen Lefebvre und dem Episkopat. Die Wurzeln dieser Entwicklung reichen in die Seminarzeit des Franzosen in Rom zurück:

Das Verbot der „Action française“ durch Pius XI. – der Biograf schildert es überwiegend anhand der Erinnerungen Lefebvres – zeigen, wie schwer sich der junge Seminarist mit der Autorität des Papstes tat. „Verdrossen“ reagiert der Theologiestudent auf den Abschluss der Lateranverträge von 1929. Jahre, ehe das Zweite Vatikanische Konzil am Horizont der Kirche auftauchte, laborierte der junge Lefebvre an seinen uneingestandenen Problemen mit dem Ersten Vaticanum.

Seine Missionstätigkeit in Afrika erwies sich nicht als geistliches Korrektiv, eröffnete aber den Sprung in den Kreis der Mitraträger. Lefebvres Zusammenarbeit mit afrikanischen und französischen Bischöfen sowie der Propaganda Fide verlief schon während des Pontifikates Pius XII. keineswegs spannungsfrei. Dem Erzbischof von Dakar wurde bereits vor dem Zweiten Vaticanum die eigene Isolierung bewusst. Er habe gespürt, wie auch in Rom „Widerstand gegen die Prinzipien, die er verteidigte“, entstand.

Krisensymptome in der katholischen Kirche im Frankreich der fünfziger Jahre hat Lefebvre zu Beginn seiner Amtszeit als Bischof des von geistlicher Tristesse gekennzeichneten Bistums Tulle zutreffend erkannt. Mediale und kirchenpolitische Auseinandersetzungen um seine Positionen waren ihm zu dieser Zeit längst nicht mehr fremd.

Inwieweit war ein Theologe, „dem die Bezugnahme auf das Lehramt und das römische Amt ausreichte, um jegliche Diskussion abzuschließen und jede Abweichung zu berichtigen“ auf die Turbulenzen der Konzilsjahre vorbereitet? Auch wenn sich der Biograf hinter wolkiger Lyrik versteckt – auf den Erzbischof von Dakar müssen die Erlebnisse in der Konzilsaula und das nachkonziliare Geschehen so verheerend gewirkt haben wie ein Saunabesuch auf einen Grippekranken.

Dass er sämtliche Konzilsbeschlüsse unterschrieb, vor seinen Anhängern aber später behauptete, er habe das Dokument über die Religionsfreiheit und Gaudium et spes nicht unterzeichnet, sagt mehr über dessen oszillierenden Realitätsssinn als der im Buch in erschöpfender Ausführlichkeit dokumentierte rhetorische Bombast Lefebvres über „das Konzil“.

Zum anderen wird deutlich, wie weit Lefebvre selbst nach dem Konzil von einem schlüssigen Traditionsbegriff entfernt war. Als eine der wenigen selbstkritischen Äußerungen überliefert der Biograf den Satz Lefebvres, er habe während der Konzilsjahre im Hinblick auf Konzil und Papst einen Optimismus genährt, „der keinerlei festen Grund hatte“.

Konnte sich der Gründer der Piusbruderschaft auf die Tradition berufen, als er vorschlug, bereits Fünfjährige zu firmen? War es durch die Tradition und die Ordnung der Kirche gedeckt, dass er eine Taufpatenschaft im Familienkreis übernahm, obwohl die kirchenrechtlichen Bestimmungen nach dem CIC/1917 vorsahen, dass Ordensleute und Kleriker in der Regel nicht Paten sein sollen?

Auch die Haltung Lefebvres zum Sonntagsgebot schwankte: Sah er es durch den Besuch der neuen Messe in den ersten Jahren nach der Liturgiereform noch als erfüllt an, so schrieb er im November 1975, die Messe nach dem Novus ordo verpflichte nicht, um die Sonntagspflicht zu erfüllen.

Die zunächst als fromme Vereinigung von der Kirche genehmigte Piusbruderschaft isolierte sich unter Lefebvres zunehmend schriller Führung, obwohl es gerade in Rom nicht an Brückenbauern fehlte. Namentlich nennt Tissier de Mallerais Kardinal Antoniutti, dem die rechtliche Form eines Säkularinstituts für die Piusbrüder vorschwebte.

Wie weit auch der damalige Präfekt der Glaubenskongregation Kardinal Joseph Ratzinger dem Erzbischof vor den unerlaubten Bischofsweihen entgegenkam, veranschaulicht eine weniger bekannte Episode: Tissier de Mallerais zufolge verlangte der damalige Präfekt der Glaubenskongregation Joseph Kardinal Ratzinger von Erzbischof Lefebvre keine Rückgabe der besetzten Kirche Saint-Nicolas du Chardonnet im Pariser Quartier Latin, sondern lediglich das Zugeständnis an die Pfarrgemeinde, Messen im Neuen Ritus zu feiern – vergeblich.

Bemerkenswert ist mit Blick auf die geplanten Gespräche zwischen dem Vatikan und der Piusbruderschaft die Sicht der ehemaligen Anhänger der Piusbruderschaft, die sich nach den gescheiterten Verhandlungen dem Heiligen Stuhl unterstellten. Mit Blick auf die Petrusbrüder und die Benediktiner von Le Barroux. Hier vergreift sich der Biograf im Ton und bezeichnet die Entscheidung des französischen Abtes Dom Calvet für den Gehorsam zum Papst als „Abtrünnigwerden“.

Aufschlussreich ist der Band auch mit Blick auf das politische Profil Lefebvres. Während die Affinität des Studenten zur Action française noch in direktem Zusammenhang mit dem Leben im Französischen Seminar in Rom dargestellt wird, lässt der Biograf Kritik angesichts politischer Fauxpas des alternden Erzbischofs durchblicken. Der Leser erfährt, dass „Brandpfeile“, wie Lefebvres Kommentar, in Argentinien (wo sich 1976 das Militär an die Regierung putschte, A.d.R.) „herrscht wenigstens Ordnung“ nicht selten gewesen seien.

Nicht nur an dieser Stelle begegnet der Leser einem zunehmend verhärteten, selbstgerechten alten Mann. Den Gründer der Piusbruderschaft beseelte der Geist des Protestantismus. Selten findet sich das Wort Dienen in den Zitaten Lefebvres. Dienst wird im Buch auch nicht als Wesen christlicher Nachfolge im Allgemeinen und des Weiheamtes in der katholischen Kirche im Besonderen dargestellt.

„Der ehemalige Erzbischof von Dakar wollte nie etwas anderes sein als der Herold des Reiches Christi und seines Kreuzes“, urteilt der Biograf. Lefebvre erinnert jedoch gerade in seinen Ausfälligkeiten gegenüber dem Papst eher an Luther: Der Erzbischof schickte Johannes Paul II. „Zeichnungen“ – der Beschreibung nach eher Papstkarikaturen – mit dem Hinweis „Bilderkatechismus“. Was hätte die Heilige Inquisition dazu gesagt?

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