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SucheSuchen Sie im kath.net Archiv in über 70000 Artikeln: ![]() ![]() ![]() ![]() Top-15meist-diskutiert
| ![]() Therapie und Beichte nicht gegeneinander ausspielen29. Mai 2004 in Österreich, keine Lesermeinung Psychische Belastungen nehmen überhand. Aber was kennzeichnet diese Art des Leidens? Und: Wie geht man mit diesem um? Gespräch mit dem Psychiater Raphael Bonelli, der diese Art der Erkrankung sowohl aus der Sicht der Wissenschaft wie aus der des Was behandelt der Psychiater eigentlich? Raphael Bonelli: In der Psychiatrie behandeln wir viele Arten vonpsychischen Störungen, die ihre Ursachen allerdings nicht immer impsychischen Bereich haben. Die Hauptgruppen sind Depressionen undSchizophrenien. Beide können durch einen Gehirntumor oder Störungen bei denBotenstoffen des Gehirns hervorgerufen werden. Wie alle wissen, könnenDepressionen auch durch äußere Ursachen verursacht sein, etwa durch den Todeines geliebten Menschen. Wir behandeln aber auch viele andere Störungen:neurotische, Sexual-, Persönlichkeits-, Eß- und Schlafstörungen. Was ist in all diesen Fällen krank - die Seele? Bonelli: Rund um dieses Thema gibt es eine große philosophische Diskussion.Das Konzept, das mir am besten gefällt: Es gibt die Seele, den Körper, diePsyche. Die Psyche vermittelt zwischen körperlichen und seelischenZuständen. Sie ist sehr von der Seele, dem Willen etwa abhängig. Sie wirdaber auch vom körperlichen Geschehen beeinflusst. Wer etwa schlechtgeschlafen hat, dem geht es psychisch schlechter. Auch Veränderungen imGehirn beeinflussen die Psyche. Ein Beispiel: Wird ein bestimmter Kern imGehirn ausgeschaltet, so reagiert darauf fast jeder Mensch aggressiv. Störtman andere Zentren im Gehirn, so kommt es zur Enthemmung bei demBetroffenen. In diesen Fällen dürfte zwar die Seele nicht angegriffen sein,wohl aber ist die Psyche verändert. Bei der Seele geht es um das Gut- oderNicht-Gutsein. Was die Psyche anbelangt, geht es um Fragen wie: Geht es mirgut? Kann ich denken? Körper, Seele, Psyche - das ist für mich einDreiklang. Sind psychische Leiden Erscheinungen, die mehr personenspezifisch sind, alsetwa Erkrankungen des Magens oder der Leber eines Menschen? Bonelli: Das trifft unbedingt zu. Die Psyche ist dem Menschen sehr nah - wasnicht heißt, daß nicht auch die Leber sehr relevant ist. Leberstörungenkönnen massive psychische Erscheinungen auslösen. Aber Probleme in derPsychiatrie sind dem Menschen stets sehr nah, sind oft dramatisch. Deswegengibt es dem Psychiater gegenüber ein ganz anderes Verhalten als gegenüberjedem anderen Arzt. Oft kommt es dem Psychiater gegenüber zu massivenAblehnungen, zu Mißtrauen - aber auch zu sehr vertrauensvollem Verhalten. Inder Psychiatrie hören wir von unseren Patienten oft Probleme, die nichteinmal der Partner kennt. Wohin wendet sich jemand, der psychisch leidet? Bonelli: Prinzipiell werden psychisch Kranke vom Psychiater gesehen und dannbei entsprechender Indikation einem Psychotherapeuten zugewiesen. Diesemüssen nicht unbedingt Ärzte sein. Sie haben eine bestimmte Ausbildunggemacht. Um einen Psychotherapeuten richtig einordnen zu können, ist eswichtig zu wissen, aus welchem Quellenberuf er kommt. Wenn jemand von BerufLehrer ist und dann als Zusatzqualifikation Psychotherapie gemacht hat, dannverfügt er über eine andere Kompetenz, als wenn er von Beruf Psychiater ist,der sich zusätzlich zum Psychotherapeuten ausbilden hat lassen. Der Psychiater ist also die erste Anlaufstation für einen psychisch Kranken? Bonelli: Richtig. Das ist auch wichtig. Es gibt nämlich in der PsychiatrieStörungen, die durch Psychotherapie allein nicht therapierbar sind. Manchmalwerden sie durch eine solche Therapie sogar verschlimmert - und zwar in denFällen, bei denen das Reden schadet. Das gilt etwa für eine akute Psychose,also für eine Schizophrenie. Das Gros der Fälle in der Psychotherapie sindallerdings Menschen, die leichter krank sind, die ein Lebensproblem haben,deren Probleme im neurotischen Bereich angesiedelt sind... Was heißt neurotischer Bereich? Bonelli: Das Konzept der Neurose wurde von jedem Lehrer der Psychiatrieanders definiert. Das geht soweit, daß man den Begriff der Neurose fastabgeschafft hat. Heute arbeitet zwar jeder mit dem Begriff Neurose, aberniemand sagt, was das ist. Was verstehen Sie darunter? Bonelli: Neurose ist salopp formuliert ein Knopf der Lebensauffassung.Jemand verarbeitet das, was er erlebt hat, schlecht. Er kreist immer wiederum dasselbe Problem. In solchen Fällen kommt es dazu, daß Menschendurchschnittliche Probleme höchst dramatisch interpretieren und nicht vonihnen loskommen. Ein Beispiel: Ein Mensch kommt nicht darüber hinweg, daßihn der Vater nicht gut behandelt hat, ohne zu bedenken, daß alle ElternFehler machen. Ein halbwegs normal gebauter Mensch würde sagen: Ja, meinVater hat in dieser und jener Situation nicht richtig gehandelt - aber wermacht keine Fehler? Der Neurotiker hingegen sagt: Damals hat mir mein Vatergesagt, ich sei böse, und deswegen geht es mir jetzt schlecht... Wäre das ein Erscheinungsbild, das nicht unbedingt ein Arzt behandeln muß? Bonelli: Nein, das könnte unter Umständen auch jemand anderer, aber meistensist die Kombination mit einem Arzt notwendig. Denn bei den meisten Störungenwird auch eine medikamentöse Behandlung notwendig sein. Ausnahmen sindvielleicht Partnerschafts- und Eheprobleme. Auf diesem Gebiet könnenMediatoren, Lebensberater, die gar keine psychotherapeutische Ausbildung imengeren Sinn haben, gut wirken. Bei Eheproblemen ist es wichtig, daß einobjektiver Dritter hinzugezogen wird, der schlichtet. Wann sollte jemand zum Psychiater gehen? Welche Symptome sind ausreichend?Wann kommt man nicht mehr selbst zurecht? Gibt es da überhaupt Kriterien? Bonelli: Zunächst wäre zu sagen, daß einige Patienten, die dringend zumPsychiater gehen müßten, mit Sicherheit nie gehen würden - jedenfalls nichtfreiwillig -, weil sie das ablehnen. Sie sagen, ihnen fehle nichts. Daleidet hauptsächlich die Umwelt. Die Indikation für den Besuch desPsychiaters ist der Leidensdruck - entweder des Betroffenen selber oderseiner Umgebung. Es gibt Krankheiten, bei denen sich der Betroffenewohlfühlt, alle anderen rundherum aber leiden. Können Sie da ein Beispiel nennen? Bonelli: Ja, etwa die Manie. Das ist eine Antriebssteigerung, bei der sichder Patient großartig fühlt, sich aber in fürchterliche Abenteuer wagt oderauf jede sexuelle Beziehung einläßt, in vielfältiger Weise vollkommenenthemmt ist. Erst wenn die Manie zu Ende ist, merkt er, was er allesangestellt hat. Kann der Psychotherapeut wirklich heilen oder schafft er es vor allem,Symptome erträglich zu gestalten? Bonelli: In der Psychotherapie passiert es sehr selten, daß die Menschen niewieder Probleme haben. Was man in der Therapie versucht, ist, diesen "Knopfder Lebensaufassung" zu lösen. Wie gut das gelingt, hängt davon ab, wielange das Problem schon besteht. Wer sich ein Leben lang benachteiligtgefühlt hat und unzufrieden war, den kann man nicht plötzlich zu einemfrohen, euphorischen Menschen machen. Hingegen kann es in der Psychotherapieeines plötzlichen Partnerverlustes sehr rasch gelingen, den Patienten zustabilisieren. Allerdings könnte derselbe Erfolg durch ein Gespräch miteinem guten Freund erreicht werden. Meistens jedenfalls ist es so, daß derTherapeut die Symptome erträglich macht. Stellt sich bei Christen nicht die Frage, ob sie mit ihren Problemen nichtlieber zum Priester als zum Psychotherapeuten gehen sollten? Bonelli: Das kommt darauf an. Ein Psychotherapeut kann nicht Schulderlassen. Die Psychotherapie ersetzt nicht die Beichte. Es gibt aber vieleZustände, bei denen eine Beichte nicht ausreichend hilft. Ihre Wirkung liegtnicht im psychischen Bereich. Daher ist es oft notwendig, daß auch gläubigeChristen den Psychiater aufsuchen. Bei welcher Konstellation sollte ein Priester im Beichtstuhl jemandeneinladen, zusätzlich eine Therapie in Anspruch zu nehmen? Bonelli: Relativ häufig wird das im Falle von Depressionen vorkommen.Depression wird von gläubigen Menschen oft als Trockenheit im Gebet oder alsPrüfung interpretiert. Man glaubt dann, man sei in der dunklen Nacht, vonder Johannes vom Kreuz spricht - und da müsse man eben durchhalten. Dannkommt es zu verbissenen Willensanstrengungen aus Angst vor dem Psychiater,von dem man meint, er werde dann in der Seele herummanipulieren und denGlauben gefährden. Nach meiner Beobachtung tun sich religiöse Menschen vorallem auf diesem großen Gebiet der Depressionen besonders schwer, sichhelfen zu lassen. Sie haben das Mißverständnis, daß ihre Traurigkeit ihreeigene Schuld sei - was durchaus auch der Fall sein kann, aber nicht seinmuß. Die Psychiatrie hat eben bei vielen ein schlechtes Image. Irgendwie hat manAngst vor dem Psychiater. Ist das nicht zum Teil auch berechtigt? Bonelli: Die Angst ist teilweise berechtigt, teilweise anachronistisch. Inwiefern berechtigt? Bonelli: Insofern es viele Therapeuten gibt, die dem christlichenMenschenbild deutlich widersprechen und Ratschläge geben, die das religiöseLeben sehr verletzen können. Denn wenn wir unsere Psyche öffnen, öffnen wiruns ganz. Beim Psychiater, beim Psychotherapeuten sind wir extremverletzlich. Wenn dieser salopp über unseren Glauben herzieht, kann das sehrverletzen und den Glauben gefährden. Insofern ist die Skepsis berechtigt. Was aber ist dann anachronistisch? Bonelli: Die Angst vor Psychopharmaka. Sehr viele Krankheiten kommen auseiner Störung des Stoffwechsels im Gehirn, wie erwähnt die Depression unddie Schizophrenie. Da ist das Einnehmen von Psychopharmaka moralisch absolutunbedenklich. Ideologisch gehen Christen da oft eine Koalition mit derGrünbewegung ein, wo es heißt, nur Natur sei gesund - ein unberechtigtesVorurteil. Man muß nur beobachten, wie schnell viele Depressionenverschwinden und wie gut sich eine Schizophrenie bessern kann, wenn man dieMedikamente regelmäßig einnimmt! Mir fällt jedenfalls auf, daß es in dieserHinsicht einen großen Unterschied zwischen religiösen und nicht-religiösenMenschen gibt. Gibt es andere Phänomene, die beim Beichten erkannt werden, dort aber nichtrestlos gelöst werden können? Bonelli: Ja, der religiöse Wahn und die falschen mystischen Erfahrungen. Dageht es um Menschen, die meinen, Eingebungen von Heiligen oder Engeln zuhaben, was sich bei näherer Beschäftigung als Krankheit herausstellen kann. Müßte nicht der Priester in diesem Fall die Unterscheidung treffen und erst,wenn er zum Ergebnis kommt, daß es keine echten Erscheinungen sind, denPsychiater einschalten? Bonelli: In der Praxis machen wir das oft zusammen. Vorausgesetzt derBetroffene ist einverstanden, überlegen Priester und Arzt, wie das Geschehenzu bewerten ist. Ich habe einen Fall vor Augen, in dem ein tiefreligiöserMensch von solchen Erfahrungen berichtet hat. Der Beichtvater hattediesbezüglich Zweifel und hat die betreffende Person zu mir geschickt. Wirhaben dann sehr gut zusammengespielt. Und zu guter Letzt wurde der Patientauf ein Medikament eingestellt und die Krankheitssymptome sind verschwunden. Was sollte ein Christ prüfen, bevor er sich einem Therapeuten anvertraut? Bonelli: Das Menschenbild des Psychiaters. Zwar wird sehr oft von wertfreierTherapie gesprochen, aber das ist eine Illusion. Ich habe sehr oftbeobachtet, daß das eigene Menschenbild bei sogenannten wertfreienPsychotherapeuten sehr massiv zum Tragen kommt, wenn sie meinen, jemand habezu enge religiöse Bindungen. Ich würde keinem religiösen Menschen raten, zueinem nicht religiösen Psychotherapeuten zu gehen. Haben Sie Patienten schon die Krankensalbung empfohlen? Bonelli: Ich arbeite hier eng mit der Krankenhausseelsorge zusammen. DerKaplan im Haus spendet immer wieder psychisch kranken Patienten dieKrankensalbung. Das wird sehr dankbar angenommen. Eine Heilung habe ichbisher noch nicht erlebt. Aber es ist sicher sehr hilfreich. Ich ziehe beiTherapien von religiösen Menschen oft einen Priester hinzu, der eine Beichteabnimmt, die Krankensalbung spendet, zusätzliche Gespräche führt undspezifische Fragen der Schuld klärt. Sie haben bei einem Vortrag von Psychologisierung der Schuld in derPsychotherapie gesprochen. Was meinten Sie damit? Bonelli: Leider ist es sehr oft so, daß die Psychotherapie Schuld nicht alsSchuld akzeptiert. Soziale Verstrickungen, Unfähigkeit werden als Auslöserfür Verhalten angesehen. In manchen Fällen mag es übrigens hilfreich sein,diese Aspekte zu sehen. Wer aber verabsolutiert, daß es keine Schuld mehrgibt und alles nur mit Umständen erklärt, der schafft die Verantwortung ab.Damit fühlen sich die Patienten aber gar nicht so wohl. Wer nur Opfer derUmstände ist, kann nichts an seiner Situation ändern. Sie kritisierten weiters, daß der Stellenwert der Sexualität falsch gesehenwird. Bonelli: Viele haben die Sichtweise von Sigmund Freud übernommen: Wenn mandie Sexualität nicht ungehemmt auslebt, komme sie anderswo, etwa durch eineNeurose, sexuelle Störungen oder sonstige Probleme durch. Das ist ein großesMißverständnis, das in der Praxis zu dramatischen Ratschlägen führen kann,nämlich man müsse alles ausleben. Aus meiner Sicht ist das ein großerIrrtum, moralisch bedenklich. Es tut den Menschen nicht gut. Man kannnämlich die Sexualität exponentiell steigern, wenn man sie stimuliert. Mankann sie aber auch beherrschen. Sie ist prinzipiell verzichtbar und hateinen anderen Stellenwert als der Nahrungstrieb. Sie warnten vor der Überbewertung der Gefühle, die heute vorherrscht.Könnten Sie diesen Punkt etwas erläutern? Bonelli: Dieser Aspekt der Psychotherapie erscheint mir besonders wichtig.Wo nur das Gefühl zählt, gibt es keine objektiven Werte mehr, keine festenBindungen. Heute richtet man sich in der Psychotherapie vielfach nur mehrnach der Beantwortung der Frage: Wie geht es mir damit? Was spüre ich? Wennman das lange genug praktiziert, glaubt man an seine Gefühle, wie andere anGott glauben. Das kann dramatische Konsequenzen haben. Dann spürt eine Fraukeine Liebe mehr für ihren Mann, aber Zuneigung für einen anderen und ziehtzu diesem. Für uns Christen ist das offenkundig ein Irrweg, denn wir wissen:Die Treue stabilisiert die Ehe und die Liebe kann auf dieser Grundlage baldwieder wachsen. Sind die Gefühle aber alles, dann ist die Trennungprogrammiert. Was aber, wenn zwei Jahre später das Gefühl sich wiederändert? Quelle: Vision 2000 Raphael Bonelli ist Assistent an der Universitätsklinik für Psychiatrie inGraz. Mit ihm sprach CG. Foto: (c) KATH.NET Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte helfen Sie kath.net und spenden Sie jetzt via Überweisung oder Kreditkarte/Paypal! ![]() LesermeinungenUm selbst Kommentare verfassen zu können müssen Sie sich bitte einloggen. Für die Kommentiermöglichkeit von kath.net-Artikeln müssen Sie sich bei kathLogin registrieren. Die Kommentare werden von Moderatoren stichprobenartig überprüft und freigeschaltet. Ein Anrecht auf Freischaltung besteht nicht. Ein Kommentar ist auf 1000 Zeichen beschränkt. 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