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Franziskus – Nitsch – Messiaen

3. Juli 2011 in Aktuelles, keine Lesermeinung
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Eindrücke von der Generalprobe der Oper „Saint François d'Assise“ in der Inszenierung von Hermann Nitsch. Ein KATH.NET-Bericht von Franziskus v. Ritter-Groenesteyn


München (kath.net) Es gibt Dinge im Leben, die sollte man einmal erlebt haben; ob ein zweites Mal sei dahingestellt. Zu diesen Dingen zählt unbedingt die Oper über den Heiligen Franziskus des tief gläubigen Katholiken Olivier Messiaen. Die Oper eröffnet die diesjährigen Münchener Opernfestspiele. Die Premiere der fünfstündigen Oper ist schon lange ausverkauft. Grund: Die Inszenierung macht der umstrittene Aktionskünstler Hermann Nitsch. Heute ist Generalprobe. Das Haus ist auch da schon voll. Spannung liegt in der Luft. Im Foyer sehe ich mehrere Franziskaner im Habit. Franziskus-Experten sozusagen. Nitsch ist für viele im wahrsten Sinne des Wortes, er der mit Vorliebe in Rot agiert, ein rotes Tuch. Auch heute Abend?

In der Abendzeitung sieht das Intendant Nikolaus Bachler so: „Entscheidend ist der Begriff Gesamtkunstwerk. Nitsch verbindet die Bildende Kunst mit dem Theater. Auf der anderen Seite ist Messiaens Oper mehr Ritual als Drama. Das Religiöse, das Rituelle, das Verhältnis des Menschen zu den Tieren, das Blut der Stigmata des Heiligen - das sind alles Ur-Themen der künstlerischen Arbeit von Hermann Nitsch.“

Olivier Messiaen orientierte sich für seine Oper an den Fioretti und Viten des heiligen Franziskus. Seine Oper ist keine Geschichte, es sind Seelenbilder, musikalische Meditationen. Der Zuhörer ist vom Komponisten eingeladen, das Mysterium des Glaubens zu erfahren und mit ihm zu teilen. Ein hoher Anspruch für ein intellektuelles, Gott-entwöhntes Publikum. Wird Nitsch hier vermitteln können oder wollen? In einem kurzen Interview wird mir Nitsch später sagen: „Ich teile mit Messiaen die Faszination an der Christlichen Symbolik sowie seine Liebe zum „Ritual“. Dazu kommt noch, dass ich von seiner Musik sehr fasziniert bin.“

Schon das großformatige Bild über dem Eingang verspricht Blut. Inzwischen ist es Farbe. Dies war eine Bedingung des Intendanten. Nitsch hält sich daran. Dennoch sieht alles sehr echt aus.

1. Akt: 1. Bild: Das Kreuz

Während Franziskus in singsangender Meditation –anders kann ich diese Musik laienhaft nicht umschreiben - über die Bühne schreitet, erleben wir eine blutige Nachbildung der Kreuzigung. Männer und Frauen, Folterknechte, in klinischem Weiß lassen eimerweise Blut über einen nackten angebunden Mann fließen. Es bildet sich eine große Pfütze am Boden. Die Passion wird hier greifbar, brennt sich ein als Bild in unsere Gottesgleichgültigkeit, mahnt zur Wahrnehmung, ist da, aufdringlich, hart, unbeugsam. Der Zuschauer wird gezwungen, sich damit auseinanderzusetzen, ob er will oder nicht. Die Szene endet mit noch größerer Präsenz: Der vom Kreuz abgenommene Corpus eines lebenden nackten Mannes wird nackt und bloß mitten durch die Zuhörer/schauerreihen getragen. Die Augen sind verbunden, können nicht sehen und einen nicht ansehen. Der Mensch wird dadurch zum stellvertretenden Archetypen. Es geht hier nicht um ein Individuum, es geht um den Menschen an sich.



2.Bild Der Lobpreis

Unter dem Glanz einer überdimensionalen lichtpulsierenden Monstranz entfaltet sich das Mysterium der Liturgie. Liturgische Gewänder werden aufgereiht, auf die Mitte, zum Altar hin ausgerichtet. Und dazu singt Franziskus (Paul Gay) Lobpreisungen aus dem Sonnengesang.

3. Bild Die Umarmung des Leprakranken

In drastischen, überdimensionalen Bildern veranschaulicht Nitsch das Suhlen in Sünde, macht es für den Zuschauer unerträglich, sodass er mit den Augen in die Bühnenhandlung zu entfliehen sucht. Doch die archaische Kakophonie von orchestralen Akkorden lässt keinen Raum für Rückzug. Auf der Bühne zeigen uns Messiaen und Nitsch Seele und Leib des Aussätzigen. Seine Seele, ans Kreuz gebunden, hadert mit Gott und bringt quasi selber über sich das Blut. Ihr Hader verstärkt zum einen Franziskus’ Ekel vor Lepra zum anderen bindet die gebundene Seele ihren gemarterten Körper an noch mehr Leid: Noch ein Kreuz, noch ein nackter Corpus, noch mehr Blut. Dann mit einem Mal ändert sich das Bild, Blumen erscheinen, tanzen durch den Raum, entfalten sich zu voller Pracht. Was ist geschehen? Die Seele ringt sich durch, ihr Schicksal anzunehmen und befreit dadurch ihren Körper, der nunmehr vom Kreuz befreit, einen Freudentanz in fleischroten Tomaten aufführt; Intensität des Lebens. Franziskus dafür bindet sich freiwillig ans Kreuz.

Die Pause ist mehr als willkommen. „Eigenartige Inszenierung. Mei, die Musik ist halt modern“, schildert mir Schwester Christa ihre Eindrücke. „Kein Wunder“, sagt der Komponist der „Erdwärtsmesse“ und Dirigent Peter Jan Marthé, der eigens aus Innsbruck angereist ist: „Das ist Urwaldmusik. Unser Ohr hat nur verlernt zu hören. Das sind ganz archaische Klänge.“ Und in der Tat sucht man in der Musik Messiaens vergebens nach bekannten Melodiestrukturen. Was man hört, ist die Urgewalt der Vielfältigkeit instrumentaler Virtuosität. Michael, selbst Musiker, stört sich an der für ihn „zu vordergründigen und plakativen“ Inszenierung. Er wird sich die Oper nicht mehr ganz ansehen. Ob er Wort hält? Am Ende der Pause sehe ich ihn noch immer.

Und wie kommt Nitsch beim Publikum an? „Die Bilder, sehr spannend, provokativ, keine leichte Inszenierung, ich höre schon jetzt die Buhrufe und Aufschreie“, sagt der Lehrer für Musik Stefan und Wolfgang aus dem öffentlichen Dienst ergänzt: „Natürlich schockierend all das Gedärm. Der Ekel, der sich da entwickelt. Typisch Nitsch halt. Aber das Religiöse bietet sich für Nitsch einfach an.“ Auch Bruder Nick, von den Franziskanern hält die Oper für „gewöhnungsbedürftig“ und meint damit das Bühnenbild, denn „die Musik ist schön“. Er ist zum ersten Mal in der Oper. „Aber ich verstehe, was da vor sich geht.“

2. Akt: 4. Bild: Der reisende Engel

Der zweite Akt ist für das Auge gefälliger, gewissermaßen Blut- und Kreuzfrei. Es ist der Einbruch des himmlischen in das Irdische; die englische Anfrage nach dem Eigentlichen im Leben; doch der erdhafte Bruder Elia versäumt die richtige Antwort darauf. Eine Wand voller Formeln verdeutlicht die irdische Verhaftetheit.

5. Bild: Der musizierende Engel

Dies ist der schönste und ein den Ohren schmeichelnder Part. Das Bühnenbild wechselt zu Engelsflügeln. Und Messiaen gelingt es, uns etwas von der Zartheit himmlischer Melodien zu vermitteln. Sehnsucht wird geweckt, erfasst die Seele, die mit einstimmen möchte in diese kristallene Leichtigkeit. Nitsch lässt hier überirdischen Raum für Interpretation.

6. Bild: Dann die nicht enden wollende Vogelpredigt

Marthé: „Messiaen hat einen großen Fehler, er ist kein Dramaturg. Er erfüllt nicht die Erwartungen des Publikums. Er folgt nur seiner eigenen Vorstellung von Musik“. Und so scheut Messiaen, ein großer Vogelliebhaber, hier auch nicht davor zurück das Orchester in die große Vielfalt bekannter und weniger bekannter Vogelstimmen zu verwandeln; ja, er lässt sie für uns unter der Leitung von Kent Nagano aus dem Orchestergraben aufsteigen und fliegen; denn Vögel sind für ihn die „ersten Sänger der Schöpfung“. Nitsch lässt dazu aus einer Caspar David Friedrich Landschaft heraus alle Arten von Vögeln aufsteigen, bis sie die Landschaft völlig überdecken, uns überdimensional groß ins Auge fliegen.

Die zweite Pause wird zur Oase für die Ohren. Zu ungewohnt sind die Klänge. Doch Musiker Marthé ist voll in seinem Element: „Ich hab noch nie den St. Francois d’Assise von Messiaen so verstanden wie heute, nie, heute geht er für mich auf.“ Und auch Nitsch hat die Musik offenbar sehr inspiriert: „Durch die intensive Beschäftigung mit diesem monumentalen Werk habe ich die Entdeckung gemacht, dass Messiaen eigentlich ein großer „Symphoniker“ ist und diese Oper in Wahrheit einer gewaltigen „Symphonie“ entspricht. Die ersten drei „Bilder“, die ja mit Opfer, Hingabe, Leiden zu tun haben, sind die „Exposition“ und die „Durchführung“, die zwei weiteren „Bilder“ mit dem „Engelkonzert“ in der Mitte sind quasi das „Adagio“, das „Vogelkonzert“ würde dem „Scherzo“ entsprechen und der Tod des Franziskus ist natürlich der krönende „symphonische“ Abschluss, die Apotheose, das „Finale“. Mein Orgien Mysterien Theater, die Viersätzigkeit der Symphonie, die innere Dramaturgie der „Heiligen Messe“ haben ja eine große Gemeinsamkeit, es geht um „Wandlung“ im tiefsten und weitesten Sinn dieses Wortes. Das ist ja auch das Hauptthema dieser Oper.“

3. Akt: 7. Bild: Die Stigmata

Natürlich muss hier Blut fließen. Doch diesmal sind es nur Tropfen. Eindrucksvoll wie hier wieder zwischen Seele und Leib unterschieden wird. Vom Kreuz herab durchleuchten in grellem Rotlicht lange Neonröhren den Abstand von Kreuz zu Seele, während der singende Franziskus nur sanft aus Kanülen mit Blut benetzt wird. Sehr eindrucksvoll! Anders Marthé, ihm schwant Protest: „Das ist der große Widerspruch. Auf der einen Seite ist im Christentum das Mysterium genau das, was Nitsch in seinem Gesamtkunstwerk thematisiert; nämlich dass der Mensch ununterbrochen in das Leid verstrickt ist, wenn man das aber zeigt, dann schreien alle auf.“

8. Bild: Der Tod und das neue Leben

Das letzte Bild wird zur Einladung für den Zuhörer. Franziskus wird von Engeln entkleidet und mit dem Gewand neuen Lebens bekleidet. Sein altes Leben verströmt derweil im Hintergrund; veranschaulicht wird dies durch die vielen weißen Helfer, die ein großformatiges Schüttbild in allen Farben menschlichen Lebens unter ihren nackten Füßen entstehen lassen. Ein Einladung an uns über den Tellerrand unseres Lebens hinauszuschauen? Nitsch lässt die Szene in gleißendem und alle Schatten vernichtendem Licht enden. Und das Licht, wo strahlt es hin? Mitten hinein ins Publikum!

Am Ende gibt es Standing Ovations und Begeisterungsrufe. Michael sehe ich da aber nicht mehr.

Von dieser Inszenierung wird es insgesamt nur 3 Aufführungen geben. Wie ich noch im Gehen aufschnappe, sind alle restlos ausverkauft.


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