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| Imkamp: 'Selbstgespräche sind noch lange kein Dialogprozess'10. März 2012 in Deutschland, 5 Lesermeinungen Beten statt sitzen, knien statt Memoranden schreiben. Wallfahrtsdirektor Wilhelm Imkamp über das Fünf-Punkte-Programm, wie ein Aufbruch im Glauben wirklich gelingen kann. Von Regina Einig / Vatican-Magazin Ziemetshausen (kath.net/VaticanMagazin) Neu-Evangelisierung, ein Aufbruch der Kirche, eine Renaissance des katholischen Glaubens das sind Ziele, die sich auch die Amtskirche in Deutschland zum Ziel gesetzt hat. Doch die Funktionäre des Gremien- und Rätekatholizismus ziehen sich in ihre Elfenbeintürme zurück, um sich in abgeschotteten Dialogprozessen ihre Kirchenträume zu erzählen. Die Schwierigkeit: Diese katholischen Komitees und Verbände sind in der breiten Öffentlichkeit völlig unbekannt, interne Dialogprozesse der Amtskirche haben schon längst keine Berührungspunkte mehr mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Prälat Wilhelm Imkamp dagegen, seit 1988 Wallfahrtdirektor von Maria Vesperbild, kennt die Menschen und hat Kontakt zu ihnen. Um die fünfhunderttausend Gläubige besuchen jedes Jahr den bayerisch-schwäbischen Marienwallfahrtsort im Bistum Augsburg. Der vor sechzig Jahren am Niederrhein geborene Theologe nimmt dazu Stellung, wie ein Jahr des Glaubens gelingen und welchen Beitrag eine gesunde Volksfrömmigkeit dazu leisten kann. Vatican-Magazin: Papst Benedikt reist bald nach Lateinamerika. Dort sind Katechesen sonntags in vielen Pfarreien eine Selbstverständlichkeit. Könnten Sonntagsschulen oder Christenlehre oder traditioneller Katechismusunterricht in unseren Breiten der Verdunstung des Glaubens gegensteuern? Prälat Wilhelm Imkamp: Ich gehöre einer Generation an, die sich noch an die sonntagnachmittägliche Christenlehre in der Pfarrkirche gut erinnern kann. Ich sehe noch heute den Pfarrer von der Kanzel herab seine Katechese halten und habe erlebt, wie wir als Kinder oft in spannende Fragestellungen einbezogen wurden. Die Christenlehre war für mich ein rundum positives Erlebnis. Ich glaube allerdings nicht, dass sie sich heute in dem zeitlichen Umfang realisieren lässt. Hier gilt es, sich angesichts der Beschleunigung des Lebens neuer Möglichkeiten zu bedienen. Was wir sicherlich brauchen, ist eine erhöhte Anstrengung, die Glaubenswahrheiten den Jugendlichen, aber auch älteren Menschen zur Kenntnis zu bringen. Es fehlen die elementaren Grundrechenarten und die Alphabetisierung des Glaubenswissens! Manchmal könnte man den Eindruck haben, dass es einigen religionspädagogischen Profis gar nicht so sehr auf dieses Grundwissen in Glaubensfragen ankommt, um es einmal ganz vorsichtig zu formulieren! Imkamp: Gerade die Wahrnehmung der Geschichte Lateinamerikas ist ja von der Leyenda Negra, der schwarzen Legende in allen Formen geprägt. Zur historischen Wirklichkeit Lateinamerikas aber gehört auch, dass die katholische Kirche gerade im Kontext der Conquista eine Menschenrechtslehre entwickelt hat, die von größter Langzeitwirkung ist. Dazu kommt, dass ein ganzer Kontinent christianisiert wurde. Imkamp: Schon das Wort Geistlicher hat etwas mit Geist zu tun, damit ist der Geistliche auch zu einer Art Gelehrsamkeit verpflichtet. Die Gottesgelehrsamkeit ist zwar häufig religionswissenschaftlich platt gemacht worden. Aber trotzdem oder auch gerade deswegen sollten Geistliche bemüht sein, sich in der Gottesgelehrsamkeit, das heißt im eigentlichen Reden von Gott, immer weiter zu bilden. Was den Ausdruck Gottesfurcht angeht, haben wir eine Tendenz, aus Gott eine Art Kumpel zu machen, der praktisch kaum noch Relevanz für das konkrete Leben beanspruchen kann. Gott ist immer auch, um es mit Karl Barth auszudrücken, der ganz Andere! Gott ist mysterium fascinosum et tremendum. Tatsächlich wird man mit intensiver Gelehrsamkeit und einer gesunden Portion Gottesfurcht etwas immunisiert gegen die häufig genug bizarren Strukturdebatten eines Akademie- und Rätekatholizismus. Imkamp: Neuevangelisierung ist natürlich nicht auf einen Stand beschränkt. Neuevangelisierung gehört zur Aufgabe eines jeden getauften und gefirmten Christen. Gerade mit der Firmung erhalten alle Gefirmten auch einen Sendungsauftrag, ihren Glauben zu verkünden, wie ja auch die Glaubenskongregation zum Jahr des Glaubens ausdrücklich betont hat. Es gibt in Mitteleuropa sicherlich die Tendenz zu einer Entsakramentalisierung der Kirche: Priester werden laiisiert und unterscheiden sich weder in ihren Aufgaben noch in ihrem Leben und erst recht nicht in ihrer Kleidung von den Laien. Gleichzeitig werden Laien klerikalisiert und zu Gottesdienst-Managern knapp unterhalb der sakramentalen Ebene gemacht. Glaubenswissen spielt kaum eine Rolle mehr, Hauptsache ist, dass sich alle nett finden und das man über alles gesprochen hat. Natürlich gab es in der Kirchengeschichte mächtige Impulse von Laienbewegungen. Das war im dreizehnten Jahrhundert so, wo wir ja durchaus ein Bewegungs-Christentum haben, das der heutigen Szenerie strukturell nicht so ganz unähnlich ist. Imkamp: Ich denke auch an die vielen Bruderschaften und marianischen Kongregationen. Gerade mit dem Einfluss der Bruderschaften mit ihren eigenen bestimmten Festordnungen und dem Wirken der marianischen Kongregationen haben Laien in der Kirchengeschichte der Neuzeit ihre Mündigkeit positiv unter Beweis gestellt. Die Kirchengeschichte lehrt eindeutig, dass alle Bewegungen der sorgfältigen Begleitung durch die Leitung der Kirche bedürfen. Der Schwung der Neuevangelisierung, die Begeisterung so vieler Laien, war und ist etwas Großartiges, aber ohne konsequente Begleitung durch das Lehramt besteht immer auch die Gefahr einer reinen Gefühlsreligion, die sich dann ihre Riten und Dogmen selbst macht. Imkamp: An einem etwas schizoiden Selbstverständnis: Es werden nämlich sehr wohl ganze Gruppen auch aus den Dialogprozessen ausgegrenzt. Robert Spaemann hat zuletzt darauf hingewiesen, dass Gruppierungen, Priester und auch Laien, die aus welchen Gründen auch immer als konservativ gelten, häufig genug geradezu gemobbt werden. Wenn einer der größten lebenden deutschen Philosophen eine so scharfe Formulierung findet, sollte man unabhängig vom konkreten Auslöser der Intervention doch schon sehr genau über diesen Vorwurf nachdenken. Tatsächlich habe ich das Reden von Dialogprozessen und Gesprächsfähigkeit oft als faktische Ausgrenzung erlebt. Häufig genug machen sich Räte zu Inquisitionstribunalen und fällen Urteile über Abwesende auch in Glaubensdingen! Die Geräusche, die bei diesen Selbstgesprächen einer Funktionärskaste entstehen, sind noch lange kein Dialogprozess! Dieses ganze System ist eine Realsatire, ein sehr teures Schulbeispiel für Selbstreferenzialität, über deren materiellen Kosten man einmal reden sollte. Natürlich wird eine solche Aussage sofort als undifferenziert oder fundamentalistisch qualifiziert. Der mündige Laie ist häufig genug nur der Nachsprecher von klerikalen Groß-Theologen, die eine andere Kirche wollen. Imkamp: Die großen von der Kirche als echt erkannten Marienerscheinungen haben sicherlich durch ihre Anziehungskraft den Glauben strahlend und sehr konkret als helfend erscheinen lassen. Natürlich glaube ich, dass Pilgerfahrten zu geistlichen Orten immer eine evangelisierende Wirkung haben, das betont ja auch die Glaubenskongregation in ihrer Note ganz ausdrücklich. Wir sollten aber bei der Neuevangelisierung nicht auf Wunder und wunderbare Erscheinungen setzen. Natürlich können Marienerscheinungen eine evangelisierende Bedeutung haben, aber gerade ein Erscheinungsautomatismus oder ein Glaube, der sich an peripheren Erscheinungen festmacht, bringt immer auch geistliche Gefahren mit sich. Imkamp: Die theologiegeschichtlichen Strömungen, die zur Dogmatisierung der Unbefleckten Empfängnis Mariens geführt haben, sind hoch spannend und im Wesentlichen gut erforscht. Tatsächlich tat man sich in der Zeit der Aufklärung besonders schwer, diese Lehre anzunehmen und zu verkünden. Dazu kam eine von Aufklärung und Rationalismus geprägte Priesterausbildung, die weder einen wissenschaftlichen noch einen emotionalen Zugang zu dieser Lehre fand. Die Volksfrömmigkeit war nicht nur hier der wissenschaftlichen Diskussion weit voraus. Volksfrömmigkeit ist ein gewichtiger Faktor auch in der nordeuropäischen Christenheit. Da, wo Volksfrömmigkeit nicht gepflegt oder sogar zurückgedrängt wird, haben Aberglaube und esoterische Kulte Hochkonjunktur. Imkamp: Die Volksfrömmigkeit ist ein ganz wichtiges Element in der Neuevangelisierung. Denn die Volksfrömmigkeit hat ja die Wahrheiten des Glaubens in konkrete Praxis gesetzt und konkret auch anschaulich werden lassen. Mit Volksfrömmigkeit ist immer auch Anschaulichkeit verbunden. Und auf diese Anschaulichkeit wird es bei der Neuevangelisierung wesentlich ankommen. Die Volksfrömmigkeit wird im Jahr des Glaubens eine große Rolle spielen, oder das Jahr des Glaubens wird zum Jahr des Unglaubens oder des Beliebigkeitsglaubens. Wallfahrten und/oder gezielte Reisen zu geistlichen Zentren mit der Möglichkeit der vertieften Beschäftigung mit Glaubensthemen dürften ganz entscheidend sein. Imkamp: Wenn Sie mich nach der Konzilsstelle fragen, die für mich eine ganz besondere Bedeutung hat, dann verweise ich gerne auf Lumen Gentium 63-65, was ich fast an jedem Samstag im Brevier, in der Lesehore des Stundengebets, bete: Maria Urbild der Kirche! Paul VI. hat feierlich Maria als Mutter der Kirche proklamiert, und zwar in seiner Schlussrede zur dritten Sitzungsperiode des Zweiten Vatikanums am 21. November 1964. Bei dieser Proklamation kam es zum Szenenapplaus: Die Konzilsväter erhoben sich von ihren Sitzen und es gab standing ovations für den Papst, als er diesen Titel feierlich verkündete. René Laurentin, der ursprünglich ein Gegner dieses Titels war, beschreibt diese Szene nicht ohne den Hinweis, dass einige deutsche Kardinäle und Bischöfe sich nicht von ihren Sitzen erhoben und auch nicht applaudierten! Imkamp: Der Titel mater ecclesiae ist ein wichtiger hermeneutischer Schlüssel zur Interpretation der Kirchenkonstitution des Zweiten Vatikanums. Gerade dieser Titel zeigt die Hermeneutik der Kontinuität ganz besonders deutlich. Volksfrömmigkeit ist ein Element der Kontinuität und insofern unterstützt sie die Hermeneutik der Kontinuität, die für die Interpretation der Konzilstexte maßgebend sein muss. Das Konzil war kein Bruch mit der Vergangenheit und deshalb auch kein Bruch mit der Volksfrömmigkeit, ganz im Gegensatz etwa zur Synode von Pistoia von 1786, wo die Volksfrömmigkeit ausdrücklich abgeschafft wurde und das Volk für seine Frömmigkeit auf die Straßen ging. Anschließend wurde der Bischof abgeschafft. Volksfrömmigkeit ist immer eine gewachsene, nie eine konstruierte Frömmigkeit. Deswegen sollte man im Jahr des Glaubens genau daran anknüpfen. Imkamp: Gerade die von Ihnen aufgezeigten Aktivitäten Papst Benedikts XVI. zeigen, dass ein schlichtes Gemüt und hohe Intellektualität keine Gegensätze sein müssen. Vor Gott sollten wir alle wie Kinder werden. Wenn wir nicht wie Kinder werden mit einem kindlich-schlichten Gemüt, dann zeigt sich sehr schnell eine marianische Gefühlskälte, die sich wie eine Frostschicht über alles kirchliche Leben legt. Natürlich gibt es auch die marianische Überhitzung mit wilden Fieberphantasien! In beiden Fällen brauchen wir die Mutter: um aufzutauen im Frost steriler Strukturdebatten und zur Abkühlung überhitzter Fieberphantasien. Imkamp: Wenn zwischen dem Weizen auch Unkraut wuchert, dann sollte man den Unterschied zwischen Weizen und Unkraut sehr genau feststellen. Man sollte um Schadensbestandsaufnahme und Schadensbegrenzung bemüht sein, dass bedeutet aber auch: sehr, sehr viel Geduld haben, wie der Herr im Evangelium ja selbst sagt. Die Volksfrömmigkeit ist tatsächlich ein Stück Entweltlichung, insofern sie gelebtes Christentum in seiner Alltagstauglichkeit deutlich aufzeigt. Es bedarf aber immer der sorgfältigen Begleitung durch das Lehramt, damit es nicht zu bizarren Synkretismen kommt. Imkamp: Es wäre mehr als sinnvoll, auch in Deutschland ein marianisches Jahr auszurufen. Da müsste aber tatsächlich die Gestalt der Gottesmutter wirklich im Mittelpunkt stehen, nicht irgendeine feministisch interpretierte gendertheologiekorrekte Wegbegleitung! Bestellmöglichkeiten dieser sehr empfehlenswerten Zeitschrift Vatican Magazin unter VaticanMagazin. Weiterführendes kathTube-Kurzvideo: Wilhelm Imkamp in ´Disput\Berlin!´ über Atheismus: Ihre Meinung zum Interview - Jetzt auf Facebook mitdiskutieren Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte helfen Sie kath.net und spenden Sie jetzt via Überweisung oder Kreditkarte/Paypal! Lesermeinungen
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