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Religion ist in der Psychoszene ein massiver Tabubruch

21. Oktober 2008 in Interview, keine Lesermeinung
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Der österreichische Psychiater Raphael Bonelli will Religion und Psychiatrie ins Gespräch bringen, geriet dadurch ins Fadenkreuz und macht trotz Anfeindungen weiter Von Stephan Baier/ Tagespost


Graz (kath.net/DieTagespost)
Tagespost: Sie haben die Kongresse „Religiosität in Psychiatrie und Psychotherapie“ (RPP) langfristig konzipiert als akademischen Dialog zwischen Psychiatern und Psychotherapeuten einerseits, Seelsorgern, Theologen und Philosophen andererseits. Damit wurde spürbar ein Tabu gebrochen. Gibt es hier nun, nach dem zweiten erfolgreichen Kongress einen Erkenntnisfortschritt?

Bonelli: Persönlich habe ich die Erkenntnis gewonnen, dass es ein viel massiverer Tabubruch ist, als ich selbst gedacht hatte. Es gab sehr intensive Reaktionen: zwar mehrheitlich positiv, aber wir mussten wie im vorigen Jahr im Vorfeld massive Kämpfe und Anfeindungen von den verschiedensten Seiten durchstehen. Maßgebliche Kräfte haben alles daran gesetzt, dass diese Tagung abgesetzt wird. Deshalb bin ich sehr froh, dass sie so gut und erfolgreich stattgefunden hat.

Tagespost: Das diesjährige Thema „Schuld & Gefühl“ war inspiriert von der psychoanalytischen These, dass Schuld nichts anderes sei als ein Gefühl. Sprechen Theologen und Psychiater hier aneinander vorbei oder ist man wirklich miteinander über die Sache ins Gespräch gekommen?

Bonelli: Es war die These von Sigmund Freud, der die Schuld auf ein subjektives Gefühl reduziert und damit banalisiert hat. Auf diesem Kongress haben wir gerungen um eine gemeinsame Sprache. Die Psychotherapeuten und Psychiater, die Theologen und Philosophen haben eine andere, eine je eigene Sprache. Der Dialog wird dadurch erschwert, denn er ist so ungewohnt. Aber letztlich konnte man eine schöne Synthese herausarbeiten, nämlich dass es doch so etwas wie Schuld als Folge der Freiheit geben muss und dass es notwendig ist, diese Schuld auch als solche zu erkennen, um sie zu verarbeiten.


Tagespost: Sie planen bereits den nächsten „RPP“-Tagung für Herbst 2009. Was wird das Thema sein, was die inhaltliche Zielsetzung?

Bonelli: 2009 werden wir uns mit dem Thema „Verletzung, Verbitterung, Vergebung“ befassen, wo wir uns überlegen wollen, wie man Verbitterung verhindern kann. Es gibt einen prominenten Verbitterungsforscher in Berlin, Michael Linden, der auch heuer bei unserer Tagung anwesend war, der das Thema aufbereitet hat. Es bedarf einer großen wissenschaftlichen Anstrengung, um herauszufinden, wie Verbitterung verhinderbar ist. Wahrscheinlich ist das Konzept, das die Religionen anbieten – nämlich Vergebung – ein sehr nützliches. Es ist mir aber ein großes Anliegen, klarzustellen, dass es uns nicht um eine Vermischung von Religion und Psychotherapie geht, doch es gibt Felder, die sich hier überlappen. Und eines davon ist das Gebiet der Verletzung, der darauf folgenden Vergebung oder Nicht-Vergebung und in Folge der Verbitterung.

Tagespost: Psychotherapie und Seelsorge haben gemeinsam, dass sie sich um den Menschen in der Gebrochenheit seiner Existenz annehmen. Warum gibt es dennoch wechselseitige Ideologie-Vorwürfe und den Vorwurf der Manipulation des Menschen? Warum ist die Bereitschaft zur Kooperation bisher so gering?

Bonelli: Es gibt aus der Entstehungsgeschichte der Psychotherapie und besonders der Psychoanalyse heraus ein gegenseitiges Misstrauen, das nur langsam abgebaut werden kann, und das zum Teil auch gerechtfertigt ist. Es gibt in der Psychoanalyse durchaus massive Gegner jeder Art von Religion, die das Religiöse prinzipiell als unwissenschaftlich qualifizieren, wodurch ein Dialog unmöglich wird. Auf der anderen Seite gibt es auch Menschen, die in einer fundamentalistischen Art sämtliche Realitäten der menschlichen Existenz religiös deuten und therapieren wollen – da hat die Psychotherapie keinen Platz mehr.

Tagespost: Warum ist es Ihnen ein Anliegen, trotz der eingangs angesprochenen Anfeindungen und Widerstände sich dieses Themas anzunehmen?

Bonelli: Als ich vor zwei Jahren begann, den ersten
Kongress dieser Art zu konzipieren, wusste ich, dass das für mich sehr gefährlich werden kann in der akademischen Welt. Das ist eingetroffen – früher als ich erwartet habe. Ich bin aber überzeugt, dass sich durch diese Art des Dialogs eine größere Klarheit entwickelt hat. Ich sehe jeden Tag im Umgang mit Patienten, wie groß die Not ist, auch das Religiöse nicht ganz auszublenden in der Psychotherapie. Leider sind viele Patienten es schon gewohnt, dass Psychotherapeuten dafür kein Interesse haben, oder dem sogar negativ gegenüberstehen. Das Anliegen dieser RPP-Kongresse liegt darin, das Positive beider Seiten aufzugreifen und dem jeweils anderen aufzuzeigen, dass die Kooperation möglich sein kann.

Tagespost: Sie hätten sich als international anerkannter Huntington-Forscher leicht aus diesem umkämpften Feld zurückziehen können. Warum blieben Sie trotz persönlicher und beruflicher Nachteile dabei?

Bonelli: Ich halte nichts davon, sich ausschließlich mit zeitgeistig harmlosen Materien abzugeben, um nur ja eine stromlinienförmig Karriere zu machen. Rückgrat tut manchmal auch gut. Ich bin überzeugt, dass einem Menschen, der keinen Sinn für das Transzendente gefunden hat, etwas fehlt, und dass eine gesunde Gottesbeziehung etwas ist, was den Menschen psychisch stabilisiert. Das möchte ich thematisieren und untersuchen.

Tagespost: Sie wurden zuletzt zur Zielscheibe massiver, auch medialer Angriffe, Ihre wissenschaftliche und berufliche Zukunft war in Gefahr („Die Tagespost“ berichtete am 26. August, Seite 3). Wie schaut Ihre berufliche Zukunft jetzt aus?

Bonelli: Nachdem meine Suspendierung erfreulicherweise am 15. Juli aufgehoben wurde, habe ich mich aufgrund der irrationalen Anfeindungen entschlossen, mich beruflich neu zu orientieren, um freier arbeiten zu können. So habe ich am 1.Oktober eine Privatpraxis in Wien eröffnet, habe begonnen ein Buch zu schreiben und überlege die Gründung eines Institutes zur Religiositätsforschung in Psychiatrie und Psychotherapie. Zurzeit bin ich noch an der Medizinischen Universität Graz angestellt, möchte diesen Vertrag aber bald lösen, um mich ganz meinen neuen Aufgaben widmen zu können.

Homepage von Raphael M. Bonelli: www.bonelli.info

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