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„Papst Benedikt XVI. hat mir eine erste Brücke zur katholischen Kirche gebaut“

25. Oktober 2020 in Interview, 10 Lesermeinungen
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Der evangelische Theologe Sebastian Moll wurde katholisch – „Ich kenne die Kirche eigentlich nur im Krisenmodus. Als Kirchenhistoriker betrachte ich das allerdings mit einer gewissen Gelassenheit.“ kath.net-Interview von Petra Lorleberg


Bingen am Rhein (kath.net) Der evangelische Theologe Dr. Sebastian Moll wurde vor wenigen Tagen in die volle Gemeinschaft mit der katholischen Kirche aufgenommen (siehe Foto). Im kath.net-Interview erläuter er dazu Hintergründe. Sebastian Moll ist Autor mehrerer Bücher und hat auch auf kath.net bereits viele Beiträge veröffentlicht, siehe Link.

kath.net: Herr Dr. Moll, Sie haben einen außergewöhnlichen Schritt getan: Vor wenigen Tagen wurden Sie in die volle Gemeinschaft mit der katholischen Kirche aufgenommen. Verspürten Sie Herzklopfen?

Dr. Sebastian Moll: Ein bisschen Nervosität war schon dabei, schließlich geht es ja um das Eingehen einer lebenslangen Beziehung. In meinem konkreten Fall kommt noch hinzu, dass ich als evangelischer Theologe mitunter auch stark anti-katholisch gedacht und argumentiert habe, mir also diesen persönlichen Irrtum nun eingestehen muss. Aber die Freude überwiegt bei weitem!

kath.net: Zunächst gehen meine Gedanken zu jenen Christen, die Ihnen bisher Heimat gegeben haben. Das ersten „Schwarzbrot des christlichen Glaubens“ wurde Ihnen in methodistischen Gemeinden gereicht und offenbar war es durchaus nahrhaft gewesen. Was haben Sie von dort mitgenommen, was Ihnen bleibend wertvoll ist?


Moll: John Wesley, der Begründer der methodistischen Bewegung, war ein brillanter Theologe, seine Lehrpredigten behalten ihren Platz in meiner Bibliothek. Meine Abschlussarbeit als Diplom-Ökonom habe ich sogar über Wesleys Wirtschaftsethik geschrieben.

Die methodistische Theologie legt großen Wert auf Vernunft und Erfahrung/Tradition, hier gibt es durchaus Berührungspunkte mit dem Katholizismus.

kath.net: Sie haben an evangelisch-landeskirchlichen Fakultäten Theologie betrieben. Auch hier zunächst die Frage: was bleibt Ihnen von da an Gutem?

Moll: In erster Linie der Kontakt zu meinen Studenten. Jungen Menschen den Sinn für theologische Inhalten zu vermitteln, war für mich stets ein erfüllendes Erlebnis.

Die akademische Theologie steht ja – leider nicht ganz zu Unrecht – in einem schlechten Ruf, aber wenn man Theologie auf dem Boden gesunder Lehre treibt, dann ist sie unendlich wertvoll und wird auch geschätzt. Der Abschied, den mir die Studenten an meiner letzten Wirkungsstätte bereitet haben, hat mich wirklich gerührt.

kath.net: Dennoch gab es bei Ihnen die Suche nach dem „Plus“. Was kam Ihnen in Landes- und Freikirche zu kurz? Was fasziniert Sie an der katholischen Kirche?

Moll: „Plus“ ist das richtige Stichwort. Die reformatorische Theologie ist stark einschränkend, es geht immer um das „allein“ – allein der Glaube (sola fide), allein die Schrift (sola scriptura) etc. Der Wunsch nach einer solchen Reduzierung ist ja auch durchaus verständlich.

Luther ist im Grunde eine tragische Figur. Mit seinem sola-scriptura-Prinzip wollte er der Christenheit einen verlässlichen und auf alle Zeit unveränderlichen Maßstab der Lehre schenken und sie so vor den Gefahren des Zeitgeistes und menschlicher Willkür schützen. Erreicht hat er das genaue Gegenteil. Das Motto der Evangelischen Kirche müsste heute eigentlich nicht mehr sola fide lauten, sondern sola fühle.

Die Geschichte hat gezeigt, dass die Reinheit des Evangeliums nicht ohne das kirchliche Lehramt bewahrt werden kann.

kath.net: Sind wir in der katholischen Kirche derzeit nicht eher im Krisenmodus unterwegs? Wie gehen Sie damit um?

Moll: Ich kenne die Kirche eigentlich nur im Krisenmodus. Als Kirchenhistoriker betrachte ich das allerdings mit einer gewissen Gelassenheit. Wer sich nach der idyllischen Zeit der 50er-Jahre zurücksehnt, muss ich darüber im Klaren sein, dass ein solcher Zustand keinesfalls die Regel ist.

Traurig macht mich eigentlich nur, dass die Kirche heute stärker von innen als von außen angegriffen wird.

Und es ist schon eine merkwürdige Ironie, dass dieselben Leute, die für gewöhnlich im Nationalismus die Wurzel allen Übels sehen, am liebsten eine Deutsche Nationalkirche mit eigener Theologie hätten.

kath.net: Welcher Papst der jüngeren Zeit und welcher Heilige oder Selige ist Ihnen derzeit besonders sympathisch – und warum?

Moll: Papst Benedikt XVI. war der erste Papst, den ich aktiv wahrgenommen habe, und seine Vorträge und Kommentare haben mir eine erste Brücke zur katholischen Kirche gebaut.

Unter den Heiligen sticht zweifellos John Henry Newman hervor, in dessen Lebensweg ich mich stark wiederfinde. Newman schreibt: „Von meinem fünfzehnten Lebensjahr an war das Dogma das Fundamentalprinzip meiner Religion. Eine andere Religion kenne ich nicht und ich kann keinem Konzept irgendeiner anderen Religion nähertreten. Religion als bloßes Gefühl ist für mich Traum und Blendwerk.“ Diese Überzeugung hat auch mich schließlich zur katholischen Kirche geführt.

 

Foto oben (c) Sebastian Moll/privat

kath.net-Buchtipp:
Jesus war kein Vegetarier
Von Sebastian Moll
Hardcover, 110 Seiten
2013 Berlin University Press
ISBN 978-3-86280-019-3

Preis Österreich: 20.50 Euro

 


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