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Suizidprävention statt Suizidunterstützung

6. Juni 2017 in Kommentar, 4 Lesermeinungen
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Anmerkungen zu einer Ad-hoc-Empfehlung des Deutschen Ethikrates. Gastbeitrag von Axel W. Bauer


Berlin (kath.net) Aus Anlass der vor wenigen Tagen veröffentlichten Begründung des Bundesverwaltungsgerichtsurteils vom 2. März 2017 (BVerwG 3 C 19.15) zur Erlaubnis des Erwerbs einer tödlichen Dosis Natrium-Pentobarbital zur Selbsttötung ist der Deutsche Ethikrat am 1. Juni 2017 mit einer zweiseitigen Ad-hoc-Empfehlung an die Öffentlichkeit getreten. Wie es bei Stellungnahmen des Ethikrates nicht selten vorkommt, gibt es eine Mehrheitsposition, die von 16 der 26 Mitglieder unterstützt wird, sowie ein dazu konträres Minderheitsvotum, das 9 Mitglieder unter-zeichnet haben. Ein Mitglied konnte sich für keine der beiden Alternativen entscheiden.

Die Mehrheitsposition lehnt wie bereits in einer vorausgegangenen Ad-hoc-Empfehlung vom 8. Dezember 2014 eine spezielle, etwa professionsbezogene gesetzliche Regulierung der Suizidbeihilfe mit der Begründung ab, auf diese Weise würden gleichsam „erlaubte Normalfälle“ einer Suizidbeihilfe definiert, es bestehe die Gefahr, dass der gesellschaftliche Respekt vor dem Leben geschwächt werde und dass fremdbestimmte Einflussnahmen in Situationen prekärer Selbstbestimmung begünstigt sowie Anstrengungen zur Suizidprävention konterkariert würden. Im Licht dieser Grundhaltung kritisiert die Mehrheit des Deutschen Ethikrates nun das aktuelle Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das für den Fall einer „extremen Notlage“ einen Anspruch auf die Erteilung einer Erlaubnis zum Erwerb von Natrium-Pentobarbital zum Zweck der Selbsttötung postuliert, in drei wesentlichen Punkten überraschend deutlich:

1. Das Urteil bahne einen staatlich garantierten Zugang zu tödlich wirkenden Betäubungsmitteln. Indem die Gerichtsentscheidung das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zum „Verpflichtungsadressaten“ der Selbsttötungsassistenz mache, mache sie diese von einer staatlichen „Erlaubnis“ abhängig und erwecke so den Anschein, Suizidwünsche müssten staatlicherseits bewertet bzw. könnten staatlicherseits legitimiert werden. Das aber würde bedeuten, die höchstpersönliche Natur solcher Wünsche infrage zu stellen. Ferner könnten diejenigen sozialen Normen und Überzeugungen geschwächt werden, in denen sich der besondere Respekt vor jedem menschlichen Leben ausdrücke.


2. Das Urteil zwinge eine staatliche Instanz, die „ethische Leitidee“ der staatlichen Neutralität gegenüber Lebenswertvorstellungen aufzugeben. Zugleich werde ihr zugemutet, ohne konkretisierende Vorgaben eigene Erwägungen über die das Kriterium eines „unerträglichen Leidensdrucks“ und die Frage einer anderen zumutbaren Möglichkeit zur Verwirklichung des Sterbewunsches anzustellen.

3. Die Entscheidung stehe in einem Spannungsverhältnis zur Forderung einer Stärkung suizidpräventiver Maßnahmen und Strukturen. In vielen Fällen stehe der Wunsch, eine subjektiv unerträgliche und durch anderweitige Maßnahmen nicht mehr zu lindernde, irreversible Leidenssituation durch Suizid zu beenden, in engem Zusammenhang mit der im individuellen Fall verfügbaren Versorgung und Unterstützung. Diese sei in vielen Bereichen, so die Mehrheit des Ethikrates, besonders im Hinblick auf Schmerztherapie, rehabilitative Pflege und Psychotherapie, immer noch defizitär.

Die Freude des Lesers angesichts dieser unerwartet klaren Positionierung der Ethikratsmehrheit wird indessen getrübt durch das konträre Votum einer Minderheit von 9 Mitgliedern, die das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts für „ethisch wohl erwogen und begrüßenswert“ hält. Ihr zufolge steht es im Einklang mit der dem Notstandsprinzip zugrunde liegenden „Moralpflicht“, vor allem „in existenziellen Grenzfällen“ ein generell begründbares Verbot nicht zum „Gebot der Unmenschlichkeit“ werden zu lassen. Der Staat werde durch das Urteil „lediglich“ verpflichtet, in Fällen „extremer Not“ seine grundsätzliche „Blockade“ dieses „Medikaments“ ausnahmsweise aufzuheben und damit anderen eine „Hilfe“ nicht (mehr) zu verwehren, zu der sie sich nach den „Maximen ihres Gewissens“ aus „verständlichen Gründen“ verpflichtet fühlten.

Der Staat werde nicht zum Gehilfen eines Suizids, vielmehr werde ihm lediglich nicht (mehr) gestattet, die Verfügbarkeit eines „Medikaments“ aktiv zu „blockieren“, das schließlich nicht er bereitstelle, sondern dem Zugriff Dritter „lediglich“ entziehe. Die dem Urteil zugrunde liegende „Notstandserwägung“, die auch einer „moralischen Pflicht“ entspreche, sollte daher nach Auffassung der Minderheit des Deutschen Ethikrates im Sinne einer „klarstellenden und präzisierenden Regelung“ in das Betäubungsmittelgesetz aufgenommen werden.

Die politischen Entscheidungsträger sind in ihrem Handeln selbstverständlich auch in Zukunft frei und nicht an Mehrheiten oder Minderheiten im Deutschen Ethikrat gebunden. Jede Seite wird sich also diejenigen Standpunkte und Argumente aus der Ad-hoc-Empfehlung des Ethikrates zu eigen machen, die ihren jeweiligen thanatopolitischen Präferenzen am ehesten entsprechen. Anders als es das Zahlenverhältnis von 16 zu 9 womöglich suggerieren könnte, ist deshalb eine Mehrheit von mehr als 60 Prozent für den Lebensschutz keineswegs sicher. Der Streit wird weitergehen.

Der Autor (Foto) ist Professor für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin an der Universitätsmedizin Mannheim (UMM). Von 2008 bis 2012 war er Mitglied im Deutschen Ethikrat.

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