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Sterbehilfe und Arztsein

22. Juni 2015 in Kommentar, 2 Lesermeinungen
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Schon die Worte entlarven uns: In meiner eigenen Muttersprache Englisch werden für „Sterbehilfe“ Übersetzungen vorgeschlagen wie „mercy killing“, „assisted dying“, „assisted suicide“, oder „euthanasia“. kath.net-Kommentar von Prof. med. Paul Cullen


Münster (kath.net/pl) Schon mit den Begriffen fangen die Schwierigkeiten an: Bedeutet Sterbehilfe nur Hilfe beim Sterben oder doch eher Hilfe zum Sterben? Schaut man nach Entsprechungen in anderen Sprachen um, zum Beispiel in meiner eigenen Muttersprache Englisch, so werden Übersetzungen vorgeschlagen wie „mercy killing“, „assisted dying“, „assisted suicide“, oder „euthanasia“, die allesamt eher der zweiten Bedeutung des Wortes zuzuordnen sind. Auch die Verwendung des Stammworts „Hilfe“ deutet trotz dessen positiver Konnotation in diese Richtung. Schlägt man im Duden nach, so steht nämlich unter „Helfen“ „jmdm. ... ermöglichen, ein bestimmtes Ziel zu erreichen“ – eine Rechenhilfe etwa führt zum Rechnen, eine Starthilfe zum Starten. Dieses begriffliche Verwirrspiel setzt sich bei der Beschreibung der verschiedenen Arten der Sterbehilfe fort: so wird von der „passiven Sterbehilfe“ gesprochen anstatt vom „sterben lassen“, was die Sache viel eher trifft, von „indirekter Sterbehilfe“ anstatt von der richtigeren „Therapie am Lebensende“, und, am entlarvendsten, von der „aktiven Sterbehilfe“ anstatt von der „Tötung auf Verlangen“.

Unsere Kultur verdrängt das Sterben aus dem Bewusstsein, an den Rand, und so wollen wir auch beim Sterbeprozess die Wahrheit nichts ins Gesicht schauen und sprechen von Hilfe, wo das Gegenteil gemeint ist, aber die Worte selber entlarven uns.

Die Debatte um die Sterbehilfe ist hochaktuell und hat sich im Wesentlichen auf die Frage der Beihilfe zum Suizid fokussiert. So sollte Anfang 2013 nach dem Willen der damaligen CDU-CSU/FDP-Regierung unter Federführung von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger die in Deutschland so gut wie nicht vorkommende gewerbsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe gestellt werden. Gleichzeitig sollte aber in diesem „Gesetzestrojaner“ (Axel Bauer) die tatsächlich existierende organisierte Suizidbeihilfe, bei der keine Gewinnerzielungsabsicht erkennbar ist, straffrei sein, womit das Tun von Vereinen wie „Dignitas Deutschland“ und „SterbeHilfeDeutschland“ indirekt bestätigt wäre. „Viel interessanter als das, was der Gesetzentwurf zu regeln vorgab, erscheint daher das, was er ausdrücklich ungeregelt lassen wollte und somit geradezu privilegiert hätte“, kommentierte damals Prof. Bauer.

Nachdem diese Initiative in Mai des Wahljahrs 2013 durch die Bundeskanzlerin Angela Merkel persönlich gestoppt wurde, meldet sich die Diskussion um die Sterbehilfe in der laufenden Legislaturperiode mit Vehemenz zurück. Gleich vier ausgearbeitete Gesetzesinitiativen bzw. Vorschläge liegen vor, über die im Herbst im Bundestag entschieden werden soll. Interessant in diesem Zusammenhang ist die Fokussierung der Debatte sowohl in den Medien wie auch in den Erläuterungstexten zu den verschiedenen Vorschlägen auf die Rolle des Arztes in der Suizidbeihilfe.


Diese Frage ist für Ärzte keinesfalls neu. Der Grundsatz „μὴ βλάπτειν“ (me blaptein) - „Primum nihil nocere“ - „vor allem nicht schaden“ – rührt aus der hippokratischen Tradition ärztlichen Handelns und unterstreicht die moralische Pflicht des Arztes, dem ihm anvertrauten Individuum zu helfen und vor allem darauf zu achten, ihm nicht zu schaden. Dazu schrieb Harro Albrecht in der Wochenzeitschrift „Die Zeit“: „Die römische Schadensverhütungsregel ist nachvollziehbar. Ärzte standen schon immer im Ruf, sich mit allerlei giftigen Substanzen auszukennen, also gerieten sie bei mysteriösen oder prominenten Todesfällen in Verdacht – und wurden trotzdem nie dafür belangt. ... Der Ruf als Auftragskiller aber war verheerend. Um das Image der römischen Mediziner aufzupolieren, empfahl Largus (Arzt um das Jahr 50 am Hof des Kaisers Tiberius) seinen Kollegen mit dem ‚Primum nil nocere‘‚ eine vertrauensbildende Parole.“ Die Zeiten ändern sich, die Menschen nicht. So meinte Prof. Dr. med. Karl Lauterbach, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD und prominenter Mitautor einer der vier Gesetzesvorschläge bereits im Oktober 2014 in einem Interview mit der Zeitschrift Stern: „Sobald ein Arzt beteiligt ist, sinkt in jedem Fall das Risiko, dass die Selbsttötung misslingt.“

In der Musterberufsordnung der Bundesärztekammer steht: „[Ärzte] dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten.“ Dabei muss es bleiben. Denn wie kann ein Arzt Hilfe zur Selbsttötung leisten und dennoch Arzt bleiben?

Der Verein „Ärzte für das Leben“ setzt sich für den Schutz des menschlichen Lebens von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod ein. Hinter dem gelegentlich geäußerten Wunsch von Menschen an ihrem Lebensende, „nicht mehr Leben zu wollen“ steckt meistens der Wunsch, „nicht mehr so leben zu wollen“, für den in der Regel psychosoziale (und nicht medizinische) Gründe ausschlaggebend sind. Ein ganz zentraler und leider oft zu wenig beachteter Aspekt des ärztlichen Tuns ist der Beistand. Die Zusicherung der Unterstützung und Begleitung führt nämlich in den meisten Fällen zu einer Annahme und positiven Ausgestaltung auch der schweren letzten Lebensphase. Der Suizid geschieht dort, wo die Menschen fehlen. In Extremfällen besteht zudem von körperlichem Leid und Schmerz die Möglichkeit der palliativen Sedierung, um krisenhafte Phasen zu überbrücken.

Trotz aller Fortschritte in der Palliativmedizin und bester Versorgung wird es dennoch immer Menschen geben, deren letzte Lebensphase nicht ohne Leid verläuft. Diese Fälle machen auch uns Ärzte betroffen und traurig, manchmal auch ratlos. Dennoch müssen wir uns von der suggestiven Kraft von Einzelfällen hüten: Extremsituationen dürfen nicht zur Grundlage der allgemeinen Regelung werden.

Die Befürworter der assistierten Selbsttötung rechtfertigen diese mit dem Recht des Menschen auf Autonomie und Selbstbestimmung. Wie Axel Bauer bemerkt, „liegt eine gewisse Tragik dieser Entwicklung darin, dass es ausgerechnet die Sterbehilfe ist, an der sich das Selbstbestimmungsrecht vorrangig bewähren soll. Man gewinnt den Eindruck, dass das Recht auf Selbstbestimmung ... neuerdings mit einem Recht auf den selbstbestimmten Todeszeitpunkt geradezu identifiziert wird. ... Die ständig wiederholte Rede vom selbstbestimmten Sterben oder gar vom Sterben in Würde wirkt irritierend, denn man will uns damit einreden, wir hätten ungeahnte Spielräume ausgerechnet beim Sterben, und ein natürlicher Tod sei somit würdelos.“

Dabei stellt rechtlich und ethisch die Selbstbestimmung primär ein Abwehrrecht gegen den unbefugten Eingriff anderer in das eigene Leben dar. Dieses darf nicht dahingehend verstanden werden, dass der Einzelne über sich selbst ohne Rücksicht auf die Umgebung verfügen kann. Unsere Autonomie stellt uns nicht außerhalb der Gesellschaft: wir sind einander zugeordnet und aufeinander angewiesen von der Befruchtung bis zum Tode.

Bei der derzeitigen Debatte fällt auf, dass auch die Akteure, die für eine möglichst breite Freigabe der organisierten Suizidbeihilfe selbst im nebulösen Falle der „schweren ... Erschütterung“ plädieren (Gesetzentwurf von Renate Künast und Kollegen), sich davor hüten, der Tötung auf Verlangen („aktiven Sterbehilfe“) das Wort zu reden. Dabei ist die Tötung auf Verlangen in der assistierten Selbsttötung unweigerlich angelegt. Der Suizidhelfer besorgt dem Suizidenten das tödliche Mittel, ohne das er sich selbst nicht töten könnte. Was aber, wenn der Suizidversuch misslingt? Das dies kein theoretisches Risiko ist, lässt sich an den Schwierigkeiten bei der Vollstreckung von Todesurteilen durch Giftspritze in der Vereinigten Staaten von Amerika beobachten. Wer soll sich in solchen Fällen mit welchem Ziel um den Betroffenen kümmern? Ist er ein Fall für die Intensivstation oder für eine tödliche Injektion? Wie Rudolf Henke bemerkte, ist die Abgrenzung der Suizidbeihilfe zur Tötung auf Verlangen „sehr, sehr unscharf und ... wird mit der Zeit notwendigerweise verschwinden“.

Führt aber die assistierte Selbsttötung zur Tötung auf Verlangen, so zeigen die Erfahrungen in den Niederlanden, dass im nächsten Schritt die Tötung auf Verlangen zur Tötung ohne Verlangen führt. Wie Manfred Spieker schreibt: „Wer dem Arzt die Macht einräumt, die Erträglichkeit des Leidens, die Perspektiven des Weiterlebens und den Lebenswert zu definieren, öffnet den Weg zur Sterbehilfe ohne Verlangen.“

Dass das ärztliche Standesrecht nicht ausreicht, die ärztliche Beihilfe zum Suizid zu verbieten und so die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Lebensrechts zu sichern, sieht man daran, dass die Ärztekammer in Bayern, Baden-Württemberg und Westfalen-Lippe in ihren Berufsordnungen in diesem Punkt von den Vorgaben der Musterberufsordnung der Bundesärztekammer abweichen. Somit ist eine Regelung wie im österreichischen Strafgesetzbuch, die jegliche Beihilfe zum Suizid mit der Tötung auf Verlangen („aktiven Sterbehilfe“) gleichsetzt und verbietet, „juristisch die einzig logische und moralisch die einzig richtige Lösung“. Erfreulicherweise wurde am 19. Mai einen Gesetzentwurf durch Thomas Dörflinger und Patrick Sensburg vorstellt, die sich für einen solchen kategorischen Verbot der Beihilfe zur Selbsttötung ausspricht. Der Verein „Ärzte für das Leben“ unterstützt diesen Entwurf ausdrücklich. Aufgabe des Gesetzgebers ist es, gerade die Schwachen in der Gesellschaft zu schützen und zu unterstützen.

Die Frage der Beihilfe zur Selbsttötung geht zum Kern des Arztseins. Der Arzt ist kein bloßer Medizintechniker, der zunehmend technisierte Lösung für gesundheitliche Probleme anbietet. Unsere Aufgabe als Ärzte ist es, das Leid zu mindern und dem Leidenden Beistand, Zuwendung und Fürsorge zu bieten. Auf keinen Fall dürfen wir uns dafür hergeben, den Leidenden zu beseitigen indem wir zulassen, dass die Beihilfe zum Suizid auf uns abgewälzt wird. Denn dies wäre ein Bruch mit jener seit 2400 Jahren gepflegten Tradition des Hippokratischen Eides, der jede Beteiligung an der Tötung oder Selbsttötung eines Patienten ausschließt. Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass dieser Schritt das faktische Ende des ärztlichen Berufs nach herkömmlichem Verständnis bedeuten würde.

Prof. Dr. Paul Cullen ist außerplanmäßiger Professor für Medizin an der Universität Münster und der 1. Vorsitzende des Vereins „Ärzte für das Leben“.

Prof. Manfred Spieker bei der Tagung ´Sterbehilfe - Du sollst mich töten´ im September 2014. Tagung veranstaltet von "Christdemokraten für das Leben" (CDL) und AlfA (EWTN Reporter)



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