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Edith Stein: 'Die Verantwortung fällt auf die, die schweigen'

18. Februar 2003 in Deutschland, keine Lesermeinung
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Ein bislang unveröffentlichter Brief von Edith Stein, wo sie den Papst drängt, nicht zu dem zu schweigen, was sie seit der Machtergreifung Hitlers beobachtet hat. Ein Bericht von Paul Badde / DIE WELT. Der Brief im Wortlaut.


Vatikan (www.kath.net /welt)
Siebzig Jahre lang ruhte ein Brief Edith Steins an Papst Pius XI. vom April 1933 im Geheimarchiv des Vatikans. Heute veröffentlicht die WELT den Brief erstmals im vollen Wortlaut. Edith Stein drängt den Papst, nicht zu schweigen zu den Ereignissen, die sie seit der Machtergreifung Hitlers beobachtet hat. Heute erblickt der Brief das Licht der Welt, da wir auch der Verhaftung der Weißen Rose in München vor 60 Jahren gedenken. „Freiheit und Ehre!“ hieß es in deren 6. Flugblatt vom 18. Februar 1943. „Auch dem dümmsten Deutschen hat das furchtbare Blutbad die Augen geöffnet, das (Hitler und Goebbels) im Namen von Freiheit und Ehre ... angerichtet haben.“

Hans und Sophie Scholl hatten das Papier kaum in den Lichthof der Uni abgeworfen, als sie schon verhaftet waren. Fünf Tage später wurden sie enthauptet, knapp 7 Monate nachdem Edith Stein in Birkenau vergast worden war. Zehn Jahre vorher hatte Edith Stein den Papst um eine Intervention angefleht, weil sie „das Schlimmste für das Ansehen der Kirche (fürchtete), wenn das Schweigen noch länger anhält“.

Dr. Stein zählte 1933 gewiss nicht zu den „dümmsten Deutschen“ und sie galt auch durchaus noch nicht als „Tochter Israels und Tochter der Kirche“ (als die Papst Johannes Paul II. sie 1998 unter die Heiligen und Kirchenlehrer eingereiht hat). Schon damals konnte man ihr Leben als einen Kulturroman der ersten Jahrhunderthälfte schreiben, mit einer Landkarte des Geistes, die sie als Studentin, Lehrerin, Übersetzerin und Dozentin über Breslau, Göttingen, Freiburg, Speyer, Münster und Köln vermessen hatte. 1891 in Breslau von einer tiefgläubigen jüdischen Mutter geboren, wurde sie eine der ersten Doktorandinnen des Deutschen Reichs und Musterschülerin Husserls, Schelers und Reinachs, bevor sie am 1. Januar 1922 zur katholischen Kirche konvertierte. Die ehemalige Assistentin Heideggers war eine Zierde der Wissenschaft, als sie den undatierten Brief schrieb. Durch das Begleitschreiben von Erzabt Raphael Walzer O.S.B. vom 20. April 1933 ist das Datum des Briefes dennoch gesichert, und ebenso durch die Zeitumstände.

Ende Januar war Hitler an die Macht gekommen. Als in Amerika und England zu einem Boykott deutscher Waren aufgerufen wurde, antworteten die Nazis mit einem noch radikaleren und häufig gewaltsamen Boykott aller jüdischen Geschäfte am 1. April 1933. Das ist der äußere Anlass des Briefes. In helles Entsetzen hatte Edith Stein aber auch die betrügerische Wortverdrehung der Nazis versetzt. Deren Propaganda strotzte vor christlicher Terminologie. „Wir werden selbst eine Kirche werden“, hämmerte Adolf Hitler den neuen Gauleitern am 5. August 1933 ein. Die Partei sollte zur neuen „Wesensmitte“ der „Gottgläubigen“ Deutschlands werden. Nach der Eroberung der politischen Macht machten sich die Nazis als nächstes daran, den Glauben der Deutschen zu besetzen – zusammen mit seinem jüdisch-christlichen Vokabular.

„Die Sprache ist das Haus des Seins“, notierte Heidegger in jener Zeit. Dass dieses Haus nicht völlig beschlagnahmt wurde, war ein Grundanliegen „Fräulein Doktors“, als sie Pius XI. schrieb: „Alles, was geschehen ist und noch täglich geschieht, geht von einer Regierung aus, die sich christlich nennt. Seit Wochen warten und hoffen nicht nur die Juden, sondern Tausende treuer Katholiken in Deutschland ... darauf, dass die Kirche Christi ihre Stimme erhebe, um diesem Missbrauch des Namens Christi Einhalt zu tun. Ist nicht diese Vergötzung der Rasse und der Staatsgewalt, die täglich durch Rundfunk den Massen eingehämmert wird, eine offene Häresie? Ist nicht der Vernichtungskampf gegen das jüdische Blut eine Schmähung der allerheiligsten Menschheit unseres Erlösers ...“. Es ist eine prophetische Beschwörung, wenn sie den Papst „zu Füssen“ anfleht, dass die „Verantwortung ... auch auf die (fällt), die dazu schweigen.“

Edith Steins Brief im Wortlaut:

Heiliger Vater!

Als ein Kind des jüdischen Volkes, das durch Gottes Gnade seit elf Jahren ein Kind der katholischen Kirche ist, wage ich es, vor dem Vater der Christenheit auszusprechen, was Millionen von Deutschen bedrückt. Seit Wochen sehen wir in Deutschland Taten geschehen, die jeder Gerechtigkeit und Menschlichkeit – von Nächstenliebe gar nicht zu reden – Hohn sprechen. Jahre hindurch haben die nationalsozialistischen Führer den Judenhass gepredigt. Nachdem sie jetzt die Regierungsgewalt in ihre Hände gebracht und ihre Anhängerschaft – darunter nachweislich verbrecherische Elemente – bewaffnet hatten, ist diese Saat des Hasses aufgegangen.

Dass Ausschreitungen vorgekommen sind, wurde noch vor kurzem von der Regierung zugegeben. In welchem Umfang, davon können wir uns kein Bild machen, weil die öffentliche Meinung geknebelt ist. Aber nach dem zu urteilen, was mir durch persönliche Beziehungen bekannt geworden ist, handelt es sich keineswegs um vereinzelte Ausnahmefälle. Unter dem Druck der Auslandsstimmen ist die Regierung zu „milderen“ Methoden übergegangen. Sie hat die Parole ausgegeben, es solle „keinem Juden ein Haar gekrümmt werden“. Aber sie treibt durch ihre Boykotterklärung – dadurch, dass sie den Menschen wirtschaftliche Existenz, bürgerliche Ehre und ihr Vaterland nimmt – viele zur Verzweiflung: es sind mir in der letzten Woche durch private Nachrichten 5 Fälle von Selbstmord infolge dieser Anfeindungen bekannt geworden. Ich bin überzeugt, dass es sich um eine allgemeine Erscheinung handelt, die noch viele Opfer fordern wird. Man mag bedauern, dass die Unglücklichen nicht mehr inneren Halt haben, im ihr Schicksal zu tragen. Aber die Verantwortung fällt doch zum großen Teil auf die, die sie so weit brachten. Und sie fällt auch auf die, die dazu schweigen.

Alles, was geschehen ist und noch täglich geschieht, geht von einer Regierung aus, die sich „christlich“ nennt. Seit Wochen warten und hoffen nicht nur die Juden, sondern Tausende treuer Katholiken in Deutschland – und ich denke, in der ganzen Welt – darauf, dass die Kirche Christi ihre Stimme erhebe, um diesem Missbrauch des Namens Christi Einhalt zu tun. Ist nicht diese Vergötzung der Rasse und der Staatsgewalt, die täglich durch Rundfunk den Massen eingehämmert wird, eine offene Häresie? Ist nicht der Vernichtungskampf gegen das jüdische Blut eine Schmähung der allerheiligsten Menschheit unseres Erlösers, der allerseligsten Jungfrau und der Apostel? Steht nicht dies alles im äußersten Gegensatz zum Verhalten unseres Herrn und Heilands, der noch am Kreuz für seine Verfolger betete? Und ist es nicht ein schwarzer Flecken in der Chronik dieses Heiligen Jahres, das ein Jahr des Friedens und der Versöhnung werden sollte?

Wir alle, die wir treue Kinder der Kirche sind und die Verhältnisse in Deutschland mit offenen Augen betrachten, fürchten das Schlimmste für das Ansehen der Kirche, wenn das Schweigen noch länger anhält. Wir sind der Überzeugung, dass dieses Schweigen nicht imstande sein wird, auf die Dauer den Frieden mit der gegenwärtigen deutschen Regierung zu erkaufen. Der Kampf gegen den Katholizismus wird vorläufig noch in der Stille und in weniger brutalen Formen geführt wie gegen das Judentum, aber nicht weniger systematisch. Es wird nicht mehr lange dauern, dann wird in Deutschland kein Katholik mehr ein Amt haben, wenn er sich nicht dem neuen Kurs bedingungslos verschreibt.

Zu Füssen Eurer Heiligkeit, um den Apostolischen Segen bittend (handschriftlich) Dr. Editha Stein

Dozentin am Deutschen Institut für wissenschaftliche Pädagogik

Münster i.W. Collegium Marianum



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