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| Gabriele Kuby über 'Selbsterkenntnis'5. November 2011 in Buchtipp, 3 Lesermeinungen Weder Zeitgeistchristen noch christliche Gesetzeswächter gehen den Weg der Selbsterkenntnis - Leseprobe Teil 1 aus dem Buch von Gabriele Kuby, jeden Samstag im November Kisslegg (kath.net) Leseprobe aus dem Buch Selbsterkenntnis. Der Weg zum Herzen Jesu von Gabriele Kuby.
Vom Bösen in der eigenen Person nichts wissen zu wollen, ist ein Urtrieb des Menschen, der in Gläubigen ebenso virulent ist wie in Atheisten. Wir wollen gut sein und wir wollen gut dastehen, vor uns selbst, vor den Mitmenschen, vor Gott. Noch jede diabolische Ideologie wurde und wird mit Werten gerechtfertigt. Vielleicht spiegelt sich in dem Streben, das Böse mit dem Schein des Guten zu verhüllen, ein Abglanz der Existenz Gottes. Welche Strategien bieten sich dafür dem Christen, der gehört hat, was Jesus in seiner Abschiedsrede vor der Kreuzigung sagt: Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten Wer mich aber liebt, wird von meinem Vater geliebt werden, und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren (Joh 14,15.21). Mainstream-Christen Eine Möglichkeit besteht darin, die Gebote mit dem Zeitgeist zu verwässern und kleinzureden und die Konsequenzen ihrer Übertretung für das ewige Heil zu ignorieren. Gott, so wird gepredigt, ist die Liebe, also kann er nicht strafen und nicht verdammen. Dass es einen Gegenspieler gibt, den Teufel, der mit Gott um die Seele des Einzelnen ringt, erfahren wir nicht, und folglich auch nichts von der Notwendigkeit des inneren Kampfes. Wir hören kaum mehr etwas von den letzten Dingen, von der Erbsünde, von der Entscheidung über Himmel, Hölle, Fegefeuer im Augenblick des Todes, von der Wiederkunft, vom Gericht am Letzten Tag. Allein diese Worte in den Mund zu nehmen, ist gefährlich: Vorsicht! Da wirst du als Fundamentalist gebrandmarkt und ausgesondert. Die Zeitgeist-Christen wollen die Kirche vom schmalen auf den breiten Weg führen durch Widerstand gegen das Lehramt, Anpassung der christlichen Sexualmoral an deren faktische Auflösung bis hin zum kirchlichen Segen für die Homoehe, Akzeptanz des alltäglichen Massenmords an ungeborenen Kindern. Sie ecken nicht an, sie sind getragen vom Mainstream, von den Medien, von den meisten ihrer Zeitgenossen und bestärken sich beständig darin, dass sie mündige, mutige, moderne Christen seien, berufen, die mittelalterlichen Zöpfe der Kirche abzuschneiden. All dies wird mit Liebe gerechtfertigt, aber Liebe, die nicht in der Wahrheit wurzelt, ist keine Liebe. Wird die Liebe aus der Wahrheit entwurzelt, wird sie zu einem Ohrenschmeichler, der den Weg zur Liebe Jesu verbaut (vgl. 2 Tim 4,1-5). Gesetzeswächter Eine andere Strategie im Umgang mit dem Bösen besteht darin, von sich und anderen zu fordern, alle Gesetze und Gebote akribisch einzuhalten, wodurch man gleich-zeitig zum Gefangenen und zum Wächter seiner selbst wird. Zur Zeit Jesu kannte man 613 Vorschriften, die ein gläubiger Jude einzuhalten hatte. Keiner war dazu fähig. Je schärfer der Wächter und Ankläger im Inneren, umso schärfer auch nach außen. Die Psychologie spricht von Projektion: Negatives, das man in sich selbst ablehnt und durch Verdrängung dem Bewusstsein entzieht, lässt Ärger und Empörung auflodern, wenn es bei anderen sichtbar wird. Man tut alles, um den Schein der Gesetztestreue zu wahren. Mit den Scheinheiligen geht Jesus scharf ins Gericht: Die Schriftgelehrten und die Pharisäer haben sich auf den Stuhl des Mose gesetzt. Tut und befolgt also alles, was sie euch sagen, aber richtet euch nicht nach dem, was sie tun; denn sie reden nur, tun selbst aber nicht, was sie sagen. Sie schnüren schwere Lasten zusammen und legen sie den Menschen auf die Schultern, wollen selber aber keinen Finger rühren, um die Lasten zu tragen (Mt 23, 2-4). Wie ein roter Faden zieht es sich durchs Evangelium, dass es um die Liebe zu Gott und den Nächsten geht und nicht um die Einhaltung von Vorschriften um ihrer selbst willen. Die Bergpredigt ist dazu die radikale Anleitung mit der menschlich unerfüllbaren Forderung: Liebet eure Feinde (Mt 5,44). Es geht Jesus um die Gesinnung des Herzens, nicht um die äußerliche Erfüllung von Geboten und Gesetzen. Als Jesus wieder einmal von den Pharisäern und Schriftgelehrten wegen einer Gesetzesübertretung angegriffen wird die Jünger waschen sich vor dem Essen nicht die Hände - hält er ihnen die Weisung des Propheten Jesaia entgegen: Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, sein Herz aber ist weit weg von mir. Es ist sinnlos, wie sie mich verehren; was sie lehren sind Satzungen von Menschen (Mt 15,1-9). Paulus, ursprünglich ein fanatischer Christenverfolger, wird später den Völkern predigen, dass sie nicht durch Gesetztestreue, sondern durch die Gnade Christi gerettet sind. Jetzt aber sind wir frei geworden von dem Gesetz, an das wir gebunden waren, wir sind tot für das Gesetz und dienen in der neuen Wirklichkeit des Geistes, nicht mehr in der alten des Buchstabens (Röm 7, 6). Weder der breite Weg der Mainstream-Christen, noch der enge Weg der Gesetzeswächter führt in eine lebendige Beziehung zu Jesus Christus, in der wir real erfahren, dass er lebt, dass er uns kennt und uns liebt, in der er uns heilen und verändern kann. Das aber ist es, wonach jeder dürstet: dass uns vergeben wird und dass wir geheilt werden, um das Heil zu erlangen. Selbsterkenntnis Beiden Seiten ist gemeinsam, dass sie den Weg der Selbsterkenntnis nicht gehen. Selbsterkenntnis ist eine Fähigkeit des Menschen, die kein anderes Geschöpf besitzt. Wir können geistig aus uns heraustreten und in den Spiegel schauen, den wir uns selbst vorhalten. Dabei Objektivität zu gewinnen, ist schwer, zu leicht wird der Spiegel durch Wünsche, Leidenschaften, Anpassungsdruck, Sünden, Selbstrechtfertigung verzerrt. Ob wir wollen oder nicht: es ist ein Spiegel, bei dem die Wahrnehmung von der Bewertung nicht zu trennen ist. Aber woher kommen die Bewertungen? Und welche Wirkung auf unser Gemüt und auf unser Verhalten haben positive Selbstbewertungen und negative? Schauen wir stolz und hochmütig in den Spiegel nach dem Muster Wer ist die Schönste im ganzen Land? oder mit Minderwertigkeitsgefühlen und Selbstentwertung? Oder können wir mit Selbstvertrauen und Demut in den Spiegel schauen und nüchtern wahrnehmen, was er zeigt?
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