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Der Freischütz – Eine musikalische Beichtkatechese

30. Juni 2018 in Kultur, keine Lesermeinung
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Die gesamte Oper Der Freischütz ist ein Lehrstück darüber, wie und warum der Mensch dem Bösen verfällt und was ihn aus seinen Fängen wieder befreien kann - Die neue monatliche kath.net-Kulturkolumne DIO von Anna Diouf


Linz (kath.net)
Sicher ist „Oper“ nicht das erste, was uns einfällt, wenn wir an spirituell erbauuende Kultur denken.In der heutigen Zeit, in der viele Menschen religiöse Analphabeten sind, werden die vorhandenen religiösen oder geistlichen Bezüge von Bühnenwerken häufig ignoriert, da auch die Kunstschaffenden diese oft nicht erkennen, geschweige denn verstehen. Fehlt der Wille, ein Werk aus der Perspektive seiner Zeit auch nur zu betrachten, soll alles unbesehen und unreflektiert aktualisiert werden, kann dabei die Essenz eines Werkes verloren gehen, was sich dann darin äußert, dass ein Stück nicht mehr „funktioniert“. Tragischstes Beispiel dieser Entwicklung ist vielleicht die Oper Der Freischütz. Entstanden nach den napoleonischen Kriegen und bewusst mit entsprechenden Anspielungen versehen, wurde dieses Werk bereits kurz nach der Uraufführung mal bewundernd, mal spöttelnd als deutsche Nationaloper betrachtet und von der Nationalbewegung vereinnahmt. Auch wenn diese den Zeitgenossen unmittelbar verständlichen Bezüge für uns heute nicht unbedingt selbsterklärend sind, verstehen auch wir den Freischütz mit seinen volkstümlichen Melodien, den kräftigen Chöre und natürlich mit dem Urtopos der deutschen Romantik, dem „deutschen Wald“ (der in diesem Fall genau genommen böhmischer Wald ist) als Inbegriff deutscher Oper. Von Beginn an wurde diese Oper also auf diesen Aspekt reduziert – sicher auch wegen der historischen Situation, die diese eine Lesart bequem zur ausschließlichen Interpretation werden ließ. Dabei ist hochspannend, dass Carl-Maria von Weber, dessen katholische Familie aus Süddeutschland stammte, der aber in Eutin aufwuchs, in dieser Oper eine beispielhafte Beichtkatechese in eine tatsächlich volkstümliche Handlung gießt – ein Aspekt, der heute kaum einen Bühnenschaffenden interessieren wird, der aber für Hörer und Zuschauer wichtig ist, wenn sie in diesem Stück mehr erblicken wollen als kitschige Nostalgie.

Der Jäger Max will Agathe, die Tochter des Erbförsters, heiraten. Ein alter Brauch gebietet, dass er dafür ein Wettschießen gewinnen muss. Beim Schießen am Tag zu vor verfehlt er, ein Bauer gewinnt, und ärger als der Spott der Dorfbewohner ist die Angst, Agathe zu verlieren. Zweifel wird zum Einfallstor für das Böse: Der Jägerbursche Kaspar, der seine Seele dem Teufel verkauft hat, nährt Max' Angst, der angesichts seiner Seelennot schließlich gar singt: „Waltet blind das Schicksal? Lebt kein Gott?“ Das Misstrauen gegen die Vorsehung lässt Max einwilligen, mit Kaspar Freikugeln zu gießen. Es ist die Verzweiflung, der Mangel an Glauben und Hoffnung, der Max zum Verhängnis wird. Was Max nicht bedenkt: Diese mit Hilfe teuflischer Beschwörung verzauberten Kugeln treffen zwar jegliches Ziel, die siebte aber lenkt der Leibhaftige selbst. Auch will sich Kaspar mit dem Angebot, Max' und Agathes Seelen dem Teufel zuzuführen, von diesem eine weitere Frist auf Erden erkaufen. Auf die Versuchung folgt der Fall, die Freikugeln werden gegossen. Als am nächsten Tag das Wettschießen stattfindet, trifft Max eine Taube, zu Boden aber sinkt Agathe, die Braut. Sie erwacht jedoch wieder und statt dessen stirbt – Kaspar. Nun wird vor allen offenbar, was sich Max hat zuschulden kommen lassen, der anwesende Fürst urteilt: Verbannung.


Die literarische Vorlage des Freischütz hat kein lieta fine – Agathe stirbt, Max wird wahnsinnig. Den Duktus der Oper würde ein solches Ende aber völlig konterkarieren. Statt dessen tritt als Deus ex machina ein Eremit auf. Er beginnt, das durch die Sünde gestiftete Durcheinander zu ordnen. Zuerst wird, aufgrund des vollen Schuldbekenntnisses und der Reue, Max' Urteil gemildert. Obwohl man an dieser Stelle ein einfaches „Happy end“ mit Hochzeit erwarten könnte – Agathe steht in dieser Szene normalerweise bereits im Brautkleid auf der Bühne, wieso sich also nicht gleich hier und jetzt vom Einsiedler trauen lassen – folgt Weber dieser etwas platten aber nicht unüblichen Auflösung nicht. Max muss ein Bewährungsjahr ableisten. Lässt er sich in dieser Zeit nichts zu schulden kommen, darf er Agathe heiraten. Versuchung, Sündenfall und damit Verdammnis, Reue, Bekenntnis, Strafe, Buße und Absolution: kein Element der katholischen Lehre über Verlust und Wiederherstellung der Taufgnade fehlt. Während Max' Fall vor allem seine persönliche Schuld ist, rügt der Eremit aber zum Schluss auch die Gesellschaft: Der Brauch, das Glück zweier Menschen vom Zufall bzw. Schicksal abhängig zu machen, diese in sich heidnische Tradition, wird gemäß seiner Anweisung abgeschafft. Interessant ist, dass in modernen Inszenierungen Max gerne als Außenseiter, als Opfer der Gesellschaft inszeniert wird, obwohl dies der Anlage des Stückes widerspricht: Er ist als Jäger angesehener Teil der Gesellschaft und wohlgelitten. Gerade an dieser Stelle zeigt sich, wie aktuell Webers Werk modernen Fehlkonzepten über den Menschen widerspricht: Wie gerne wird dem Individuum ein Blankoschein ausgestellt, indem alle unsere Fehler der Gesellschaft, den Umständen, der harten Kindheit oder wem auch immer angelastet werden, nie aber uns selbst? Der Freischütz sagt uns: Du magst von widrigen Umständen umgeben sein, aber ob du Gott vertraust, ist deine persönliche Entscheidung. Diese Botschaft wird verstärkt durch den weiblichen Hauptcharakter. Ihre große Arie ist ein einziges Gebet, und auch sonst hat Agathe kaum etwas auf den Lippen, das nicht fromm oder fürbittend ist. Im Gegensatz zu den "actionreichen" Wald- und Teufelsszenen wirkt dies nicht selten als Antiklimax, eigentlich ist es aber dieses Gebet, aus dem sich am Ende die Rettung speist: Weil Agathe unschuldig und glaubensvoll ist, kann der Teufel sie nicht töten, obwohl er über die siebte Kugel gebietet. Natürlich finden wir hier durchaus einen marianischen Anklang: Agathe tritt für Max ein, fängt am Ende die tödliche Kugel unbeschadet ab. Man weiß auch, dass sie in engem Kontakt zum Eremiten steht.

Die gesamte Oper Der Freischütz ist ein Lehrstück darüber, wie und warum der Mensch dem Bösen verfällt und was ihn aus seinen Fängen wieder befreien kann. Ohne dabei dezidiert katholisches Vokabular zu benutzen, ist die Struktur so klar, dass es verwundern muss, wenn, wie 2015 in Hannover geschehen, der Freischütz nurmehr als Projektionsfläche für den Kampf gegen fehlgeleiteten Nationalismus dient oder Populismus karikiert, oder wenn, wie man in vielen Produktionen beobachten kann, pornographische und vulgäre Darstellungen die gesamte Rolle der Agathe ad absurdum führen. Im Prinzip führt diese einseitige Absage an die Struktur des Stückes lediglich die Rezeptionsgeschichte nahtlos weiter, die Anfang des 19. Jahrhunderts durch die Nationalbewegung begonnen wurde: Eine Engführung auf die nationale Dimension, wobei der Bruch nur darin besteht, dass diese Dimension vor 200 Jahren positiv gesehen wurde und heute negativ konnotiert ist. Dabei fällt auf, dass diese Sichtweise natürlich argumentativ gedeckt ist – allerdings allein durch periphere oder außerhalb des Werkes liegende Aspekte: Es ist gewissermaßen musikwissenschaftlicher Gemeinplatz, dass die Verlegung der Handlung nach Böhmen kurz nach dem Dreißigjährigen Krieg einer Analogsetzung von 1648 und 1815 gleichkommt, es ist gleichfalls leicht einsichtig, was es bedeutet, dass die Uraufführung am Jahrestag der Schlacht von Waterloo stattfand. Hier wird aber der nationale Charakter in das Werk hinein-statt herausgelesen. Es ist also vielmehr die sofortige und umfassende Vereinnahmung des Stückes durch die Nationalbewegung gerade auch in protestantisch (preußisch) dominierten Gebieten, die eine Lesart, die das Stück zu Wort kommen lässt, so unattraktiv erscheinen lässt. Das aber wird dem eigentlichen Thema des Werkes, dem existenziellen Ringen der Seele um die göttlichen Tugenden, kaum gerecht. Wer im Freischütz nur Jägerchöre und grünen deutschen Eichenwald auszumachen gewillt ist, wird 1821 wie 2018 die geistliche Dimension des Freischütz natürlich nicht erkennen.


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