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| Der Notenschlüssel des Denkens von Joseph Ratzinger/Benedikt XVI.28. April 2016 in Aktuelles, 3 Lesermeinungen Deus caritas est Vortrag von Kurt Kardinal Koch bei der von der Biblioteca Ratzinger veranstalteten Vorstellung des Buches Deus caritas est. Porta di misericordia - Teil 1. Von Armin Schwibach Rom (kath.net/as) Am 26. April 2016 fand die von der Biblioteca Ratzinger veranstaltete Vorstellung des Buches Deus caritas est. Porta di misericordia im Saal Benedikt XVI. im Campo Santo Teutonico statt. Bei dem von der Libreria Editirice Vaticana herausgegebenen Werk handelt es sich im den Tagungsband eines Symposiums, das in Rom vom 19. bis zum 21. November 2015 stattgefunden hatte. Anlass der Tagung war der zehnte Jahrestag der Veröffentlichung der ersten Enzyklika von Papst Benedikt XVI. Deus caritas est Gott ist die Liebe. Der Band bietet die Texte der ersten beiden Tage, die dem Studium und der Vertiefung der Enzyklika gewidmet waren. Zu den Vortragenden gehörten unter anderen die Kardinäle Kurt Koch, Paul Josef Cordes, Gerhard Müller, Angelo Scola, Robert Sarah und Malcolm Ranjith. Auch der emeritierte Präsident der italienischen Republik und Senator auf Lebenszeit Giorgio Napolitano bot neben anderen wissenschaftlich qualifizierten Wortmeldungen seinen Beitrag. Prälat Markus Graulich SDB, Untersekretär des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte, sowie Ralph Weimann, Dozent am Patristischen Institut Augustinianum sowie an der Päpstlichen Universität Tommaso dAquino und am Päpstlichen Athenäum Regina Apostolorum sind die Herausgeber des Bandes. Weimann ist auch Mitglied des Neuen Ratzinger-Schülerkreises. Im Rahmen der Vorstellung des Tagesbandes hielt Kardinal Koch einen umfangreichen Vortrag zum Thema: Deus caritas est: Notenschlüssel des theologischen Denkens und des Pontifikats von Papst Benedikt XVI.. Vor Koch hatte Professor Weimann die Bandbreite des Tagungsthemen beschrieben. Ich danke Seiner Eminenz sowie der vatikanischen Stiftung Joseph Ratzinger für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung des umfangreichen Vortrages in zwei Teilen.
1. Deus caritas est als theologisch-pastorales Grundsatzprogramm Wenn christlicher Glaube an Gott zunächst einmal Option für den Primat des Logos, Glaube an die vorausgehende und die Welt tragende Realität des schöpferischen Sinnes ist, so ist er als Glaube an die Personhaftigkeit jenes Sinnes zugleich Glaube daran, dass der Urgedanke, dessen Gedachtsein die Welt darstellt, nicht ein anonymes, neutrales Bewusstsein, sondern Freiheit, schöpferische Liebe, Person ist. (1) Dieses fundamentale Bekenntnis zu Gott als Logos, nämlich als dem schöpferischen Ursprung und Urgrund aller Dinge, und zugleich als Liebendem mit der ganzen Leidenschaft einer wirklichen Liebe, findet sich in Joseph Ratzingers frühem Werk Einführung in das Christentum im Kapitel Bekenntnis zu Gott heute. Damit ist der Notenschlüssel des theologischen Denkens von Joseph Ratzinger vernehmbar, der im Pontifikat von Papst Benedikt XVI. mit der ersten Enzyklika wieder aufgenommen worden ist, die den Titel trägt Deus caritas est. Wenn man bedenkt, dass zwischen dem zitierten Text aus dem Frühwerk Joseph Ratzingers und der Enzyklika über die christliche Liebe mehr als vierzig Jahre liegen, und wenn man bei einer synoptischen Lektüre bis in die Wortwahl hinein beinahe identische Formulierungen vorfindet, wird eine grundlegende Kontinuität im theologischen Denken von Papst Benedikt XVI. sichtbar. Denn die in der Enzyklika Deus caritas est enthaltene Konzentration auf die Thematik der Liebe, und zwar in ihrer untrennbaren Einheit von Gottesliebe und Nächstenliebe, bildet nicht nur den Notenschlüssel der ganzen Enzyklika, sondern zieht sich auch wie ein roter Faden sowohl durch das theologische Wirken als auch durch das ganze Pontifikat von Papst Benedikt XVI. hindurch. Mit Recht bezeichnet der katholische Neutestamentler Thomas Söding das Hohelied der Liebe als das heimliche Gravitationszentrum der gesamten Enzyklika und damit des Pontifikates (2) . Die grundlegende Bedeutung des Bekenntnisses, dass Gott Liebe ist, im Pontifikat von Papst Benedikt XVI. wird bereits durch den äusseren Sachverhalt deutlich, dass er ihm die erste Enzyklika gewidmet hat. Wie es in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts üblich geworden ist, dass der neu gewählte Papst mit seiner ersten Enzyklika eine programmatische Erklärung über die Grundanliegen seines bevorstehenden Pontifikats gegeben hat, so hat auch Papst Benedikt XVI. mit seiner ersten Enzyklika gleichsam das theologisch-pastorale Grundsatzprogramm seines Pontifikates vorgelegt. Mit seiner Enzyklika Deus caritas est wollte er genauer die zentrale Stellung des Glaubens an Gott, der ein menschliches Antlitz und ein menschliches Herz angenommen hat, hervorheben (3) . Dies ist vor allem in der Überzeugung geschehen, dass auf der einen Seite das Wort Liebe heute nichtssagend, abgenutzt und missbraucht ist, so dass man sich fast scheut, es in den Mund zu nehmen, dass es auf der anderen Seite aber ein Urwort und damit Ausdruck der urweltlichen Wirklichkeit ist und bleibt, so dass man es nicht aufgeben kann, sondern es wiederaufnehmen, reinigen und zu seinem ursprünglichen Glanz zurückführen muss, damit es unser Leben erleuchten und auf den rechten Weg bringen kann (4). Damit hat Papst Benedikt XVI. sein Herzensanliegen, das ihn in seinem Wirken als Theologe, Bischof und Nachfolger des Petrus bewegt hat, konzis zum Ausdruck gebracht. 2. Papst Benedikt XVI. als Exeget des christlichen Kerngeheimnisses In der Betonung der zentralen Stellung des Glaubens an Gott, der sich als Liebe offenbart hat, im Leben der Kirche im allgemeinen und im petrinischen Dienst im besonderen leuchtet der tiefste Grund auf, dass Papst Benedikt XVI. als Thema seiner ersten Enzyklika die Liebe gewählt hat. Bei diesem Thema zeigt sich nämlich nicht nur eine grundlegende Kontinuität zwischen dem christlichen Glauben und dem in der Welt der Religionen entwickelten Suchen nach Gott als dem unendlichen Licht der menschlichen Vernunft. Es tritt vielmehr auch jene grosse Neuheit an den Tag, die nur Gott offenbaren kann und die er in seinem Sohn Jesus von Nazareth offenbart hat, nämlich die Neuheit einer Liebe, die Gott dazu veranlasst hat, ein menschliches Antlitz, ja Fleisch und Blut, das ganze menschliche Sein anzunehmen . In diesem Geschehen ist Gott selbst als Liebe offenbar geworden, wie dies in der Heiligen Schrift unüberbietbar ausgesprochen ist: Gott ist die Liebe (1 Joh 4, 16). Es ist kein Zufall, dass dieser theologische Spitzensatz aus dem Ersten Johannesbrief der päpstlichen Enzyklika den Titel gegeben hat. Man kann sie als theologisch-geistliche Exegese dieses wichtigen neutestamentlichen Briefes verstehen. Die Meditation des vierten Kapitels des Ersten Johannesbriefes ist deshalb ein geeigneter Weg, um aufzuzeigen, dass in der Liebe Gottes der Notenschlüssel des theologischen Denkens und des Pontifikats von Papst Benedikt XVI. gegeben ist. a) Theo-logische Fundierung: Gott ist die Liebe Die Perikope aus dem Ersten Johannesbrief setzt steil ein mit der Aufforderung zur Liebe: Liebe Brüder, wir wollen einander lieben. Diese Aufforderung zur gegenseitigen Liebe wird aber an erster Stelle damit motiviert und begründet, dass die Liebe aus Gott stammt: Wir wollen einander lieben; denn die Liebe ist aus Gott, und jeder, der liebt, stammt aus Gott und erkennt Gott (1 Joh 4, 7). Damit ist uns die wahre Logik des christlichen Liebesgeheimnisses vor Augen gestellt, das seinen Anfang nimmt beim Passiv des von Gott geliebt Seins. Im christlichen Glauben ist die Liebe nicht zuerst eine Aufforderung zum Handeln, sondern eine Einladung zum Empfangen der Liebe Gottes. Papst Benedikt beantwortet von daher die Frage, die er in seiner Enzyklika sich selbst stellt, ob man Liebe überhaupt gebieten könne, mit dem Hinweis, dass nur derjenige Mensch Liebe zu schenken vermag, der selbst mit Liebe beschenkt ist, und dass Liebe nur deshalb geboten werden kann, weil sie zuerst geschenkt wird. In diesem Licht erscheint das christliche Liebesgebot nicht mehr als ein Gebot von aussen her, das uns Unmögliches vorschreibt, sondern als geschenkte Erfahrung der Liebe von innen her, die ihrem Wesen nach sich weiter mitteilen muss. Liebe wächst durch Liebe. (5) Erst aus diesem Zuerst der Liebe Gottes kann dann auch in uns Menschen Liebe aufkeimen und wirksam werden. Die Nächstenliebe folgt deshalb aus der Liebe Gottes zu uns Menschen und erweist sich zugleich als Weg der Liebe des Menschen zu Gott. Von daher beantwortet der Papst die weitere in der Enzyklika sich selbst gestellte Frage, wie man Gott überhaupt lieben könne, da wir ihn doch nicht sehen können, mit der unlösbaren Zusammengehörigkeit von Gottes- und Nächstenliebe, und zwar dahingehend, dass es gerade der Dienst am Nächsten ist, der uns die Augen dafür öffnet, wie sehr Gott uns Menschen liebt, und dass die Nächstenliebe ein Weg ist, auch Gott zu begegnen und ihn zu lieben, und dass umgekehrt die Abwendung vom Nächsten auch für Gott blind macht (6) . Damit leuchtet das theologische Grundanliegen von Papst Benedikt XVI. auf, das darin besteht, die Liebe als eine einzige Wirklichkeit mit verschiedenen Dimensionen zu betrachten und dabei vor allem die unlösliche Verschränkung von Gottes- und Nächstenliebe (7) hervorzuheben, die er bereits in einem sehr frühen Artikel aus den fünfziger Jahren in der Kurzformel verdichtet hat: Christlicher Glaube bezieht alles auf Gottesverehrung, aber nicht anders als auf dem Weg der Menschenliebe. (8) Auf diesem Weg will Papst Benedikt XVI. vor allem die menschliche Seite des christlichen Glaubens und zugleich seine unableitbare Neuheit aufzeigen, die sowohl in seinem Gottesbild als auch im Menschenbild in Erscheinung tritt. Denn die Liebe erweist sich als die eigentliche Mitte des Christentums, nämlich des christlichen Bildes Gottes als eines Gottes in Beziehung mit sich selbst und mit den Menschen und des daraus folgenden Bildes des Menschen als des Ebenbildes Gottes. Dabei legt Papst Benedikt XVI. besonderes Gewicht auf die innere Korrespondenz von Theologie und Anthropologie, die er in dem eingängigen Spitzensatz zum Ausdruck bringt: Dem monotheistischen Gottesbild entspricht die monogame Ehe. Die auf einer ausschliesslichen und endgültigen Liebe beruhende Ehe wird zur Darstellung des Verhältnisses Gottes zu seinem Volk und umgekehrt: Die Art, wie Gott liebt, wird zum Masstab menschlicher Liebe. (9) In dieser Überzeugung ist auch das grosse Engagement für die Familie auf der Basis der christlichen Ehe zwischen Mann und Frau begründet, das Papst Benedikt XVI. während seines ganzen Pontifikats an den Tag gelegt hat. (10) Von daher zeigt sich erneut, dass im theologischen Denken von Papst Benedikt XVI. der kategorische Indikativ der Liebe Gottes zu uns Menschen dem kategorischen Imperativ der Menschenliebe immer voraus geht. Diese Umstellung der rein menschlichen Prioritäten hat ihren tiefsten Grund darin, dass Liebe für Benedikt auf der Grundlage des Johannesbriefes nicht einfach eine Eigenschaft ist, die unter anderem auch Gott zukommt und mit der er uns Menschen liebt. Benedikt XVI. identifiziert vielmehr Gott mit der Liebe selbst und verdeutlicht damit, in welcher Weise der im christlichen Glauben offenbare Gott Logos ist. Denn Gott ist in erster Linie als Logos zu verstehen, als Wort und Sinn, als Wahrheit und Vernunft, wobei es auch und vor allem die Vernunft der Schöpfung ist, die uns Gott als Logos erkennen lässt. Der christliche Glaube versteht Gott als Logos freilich nicht einfach im Sinne einer mathematischen Vernunft, sondern vor allem als schöpferische Liebe, mit der Gott sich dem Menschen zu erkennen gibt und sich schenkt. Der christliche Glaube denkt Gott als schöpferischen Ursprung und Urgrund aller Dinge und zugleich als leidenschaftlich Liebenden, so dass sein tiefstes Geheimnis im biblischen Spitzensatz ausgesprochen werden kann: Gott ist die Liebe. Der Erste Johannesbrief lädt uns von daher ein, in diesem Geheimnis Gottes noch tiefer zu graben. b) Christologische Vertiefung: Gottes Liebe ist konkret Die Liebe Gottes wurde unter uns dadurch offenbart, dass Gott seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben (1 Joh 4, 9). Johannes bringt damit die christliche Glaubensüberzeugung zum Ausdruck, dass sich Gottes Liebe zu uns Menschen ganz konkret dadurch offenbart hat, dass er in seinem eigenen Sohn Mensch geworden ist. Denn der im christlichen Glauben offenbare Gott ist kein weltferner Gott oder eine philosophische Hypothese über den Ursprung des Kosmos, sondern ein Gott, der uns Menschen sein Gesicht gezeigt und uns angeredet hat und in Jesus Christus Mensch geworden ist. Das Neue des Neuen Testaments scheint deshalb nicht einfach in neuen Ideen auf, sondern in der Gestalt Jesus Christus selbst. Von daher konzentriert sich das theologische Denken von Papst Benedikt XVI. nicht nur in seiner ersten Enzyklika, sondern in seinem ganzen Magisterium in jener Grundüberzeugung, die er an den Beginn der Enzyklika gesetzt hat: Am Anfang des Christentums steht nicht ein ethischer Entschluss oder eine grosse Idee, sondern die Begegnung mit einem Ereignis, mit einer Person, die unserem Leben einen neuen Horizont und damit eine entscheidende Richtung gibt. (11) In dieser christologischen Überzeugung kann man auch den tiefsten Grund wahrnehmen, dass Papst Benedikt XVI. der aufreibenden Arbeit seines petrinischen Dienstes Zeit und Kraft abgerungen hat, um sein dreibändiges Werk über Jesus von Nazareth zu schreiben, das man als Christusbekenntnis des Nachfolgers des Petrus im heutigen Cäsarea Philippi verstehen und würdigen darf (12) . In Jesus Christus ist die Liebe Gottes zu uns Menschen konkret geworden, und zwar vor allem an seinem Kreuz, an dem uns die Liebe Gottes in ihrer radikalsten Form begegnet: In seinem Tod am Kreuz vollzieht sich jene Wende Gottes gegen sich selbst, in der er sich verschenkt, um den Menschen wieder aufzuheben und zu retten. (13) Das Kreuz Jesu ist die Erscheinung der grössten Liebe Gottes zu uns Menschen, weil es zeigt, dass Gott sich nicht mit verbalen Liebeserklärungen an uns Menschen begnügt, sondern selbst einen hohen Preis für seine Liebe bezahlt hat, indem er am Kreuz Jesu sein Herzblut für uns Menschen investiert hat. Das Kreuz Jesu bringt die Tatsache ans Licht, dass Liebe nicht ohne Opfer und damit nicht ohne Selbstinvestition des eigenen Lebens zugunsten anderer sein kann. Das Kreuz Jesu ist freilich kein Opfer in dem Sinne, dass mit ihm ein rachesüchtiger Gott auf Liebe umgestimmt werden müsste; es ist vielmehr die radikalste Konsequenz der Liebe Gottes selbst zu uns Menschen. Denn die einzige Rache, die Gott kennt, ist, wie Papst Benedikt XVI. sehr tief sagt, das Kreuz, nämlich das Nein zur Gewalt, die Im Kreuz besteht im Kern das Geschenk der göttlichen Erlösung, weil es zeigt, dass Erlöst-Werden nur im Geliebt-Werden möglich sein kann, wie Papst Benedikt XVI. die soteriologische Dimension des Christusgeheimnisses verdichtet: Erlöst werden können wir nur, wenn der, von dem wir uns abgeschnitten haben, neu auf uns zugeht und uns die Hand reicht. Nur das Geliebt-Werden ist Erlöst-Werden, und nur die Liebe Gottes kann die gestörte menschliche Liebe reinigen, das von seinem Grund her verfremdete Beziehungsgefüge wiederherstellen. (16) Nur wenn es diese unbedingte Liebe mit ihrer unbedingten Gewissheit gibt, wie sie im christlichen Glauben offenbar geworden ist und wie er sie in Jesus Christus bekennt, kann der Mensch erlöst sein. Genau dies ist nach Papst Benedikt XVI. gemeint, wenn wir sagen: Jesus Christus hat uns c) Praktische Bewährung: Liebe als Akt der Kirche Aus der Erfahrung, von Gott geliebt und deshalb erlöst zu sein, zieht der Erste Johannesbrief eine Konsequenz, die für die christliche Existenz von grundlegender Bedeutung ist: Wenn Gott uns so geliebt hat, müssen auch wir einander lieben (1 Joh 4, 12). Während Johannes seine Adressaten zunächst als Empfänger der Liebe Gottes, die uns voraus geht und weit übersteigt, angesprochen hat, ruft er sie nun dazu auf, sich um eine tätige und glaubwürdige Antwort auf die empfangene Liebe Gottes zu bemühen und selbst zu Tätern und Täterinnen der Liebe zu werden. Solche Liebe ist gewiss eine grosse Zumutung, die von Johannes noch zusätzlich radikalisiert wird, indem er kein geringeres Kriterium und Mass vor Augen stellt als die Liebe Gottes selbst: Weil wir seine Liebe daran erkennen, dass Jesus Christus sein Leben für uns hingegeben hat, kann auch die christliche Liebe kein anderes Mass kennen als die masslose Liebe Jesu Christi selbst. Mit dieser Perspektive stehen wir beim Übergang vom ersten zum zweiten Teil der Enzyklika Deus caritas est. Im ersten Blick könnte sich dabei der Eindruck aufdrängen, dass es sich um zwei verschiedene Teile handelt, die nur lose miteinander verbunden sind, nämlich erstens einen theoretischen Teil, der vom theologischen Wesen der Liebe handelt, und zweitens einem eher praktischen Teil, in dem es um das Tun der Liebe geht. Papst Benedikt XVI. geht es aber gerade darum, die innere Einheit der beiden Teile darzulegen. Deshalb hat er dem zweiten Teil der Enzyklika über das Liebestun der Kirche als einer Gemeinschaft der Kirche den ersten Teil über die Einheit der Liebe in Schöpfung und Heilsgeschichte vorgeordnet. Weil es dem Papst ein wichtiges Anliegen ist, das Liebestun der Kirche strikt Theo-logisch zu begründen, beginnt er seine Enzyklika über die christliche Liebe, wie Paul Josef Kardinal Cordes, der frühere Präsident des Päpstlichen Rates Cor Unum, treffend diagnostiziert hat, mit dem Paukenschlag der Gottesfrage (18) . Mit dieser Gewichtung will Benedikt XVI. zeigen, dass im Licht des christlichen Bildes Gottes als der Liebe der Mensch selbst zu lieben geschaffen ist und dass die Liebe zu Gott und zum Nächsten vollends das Zentrum der christlichen Existenz bildet. Im zweiten Teil der Enzyklika legt Benedikt XVI. dabei den Akzent vor allem darauf, dass der ganz und gar persönliche Akt der Liebe des Christen niemals eine rein individuelle Angelegenheit des einzelnen sein kann, sondern immer auch ein wesentlicher Akt der Kirche sein muss und deshalb auch einer institutionellen Gestalt bedarf, wie sie in der kirchlichen Organisation der Caritas gegeben ist. Weil diese dem Wesen der Kirche gerade nicht äusserlich, sondern Teil ihrer Natur ist, betrachtet Papst Benedikt den kirchlichen Dienst der Liebe als einen unverzichtbaren Ausdruck des innersten Wesens der Kirche und als ein konstitutives Element ihrer Sendung und zieht daraus die Konsequenz , dass Liebe üben für die Witwen und Waisen, für die Gefangenen, für die Kranken und Notleidenden welcher Art auch immer genau so zum Wesen der Kirche gehört wie der Dienst der Sakramente und die Verkündigung des Evangeliums: Die Kirche kann den Liebesdienst so wenig ausfallen lassen wie Sakrament und Wort. (19) Damit begegnet uns eine Grundüberzeugung, die sich durch das theologische Denken wie durch das ganze Pontifikat von Papst Benedikt XVI. hindurch zieht. Im Mittelpunkt seines theologischen Denkens und Wirkens steht zweifellos die Liturgie der Kirche, die für ihn so sehr den zentralen Wesensakt der Kirche bildet, dass Kirche und Liturgie geradezu identisch sind: Die Kirche ist Anbetung. Die Kirche existiert als Liturgie und in der Liturgie. (20) Doch gerade in der Eucharistie, die selbst der grösste Anbetungsakt der Kirche ist, sieht er auch das soziale Wirken des Christen und der Kirche begründet, insofern die Mystik des Sakraments einen sozialen Charakter aufweist: Die Vereinigung mit Christus ist zugleich eine Vereinigung mit allen anderen, denen er sich schenkt. (21) Weil der Gottesdienst der Kirche ihre Verfassung und die Kirche ihrem Wesen nach Gottesdienst und darum Menschendienst, Dienst der Weltverwandlung ist (22) , sieht Benedikt XVI. das soziale Wirken des Christen und der Kirche in der liturgischen Verehrung Gottes begründet: Nur im Anbeten kann tiefes und wahres Empfangen reifen. Und gerade in diesem persönlichsten Akt der Begegnung mit dem Herrn reift denn auch die soziale Sendung, die in der Eucharistie enthalten ist und nicht nur die Grenze zwischen dem Herrn und uns, sondern vor allem auch die Grenzen aufreissen will, die uns voneinander trennen. (23) Dass in der Eucharistie Gottesliebe und Nächstenliebe ineinander verschmelzen, hat Papst Benedikt auch in seinem Buch über Jesus von Nazareth sehr schön zum Ausdruck gebracht: Wenn man bedenkt, dass Papst Benedikt, der auf der einen Seite in der Ökonomie des kirchlichen Lebens der Liturgie einen eindeutigen Primat zuweist, der aber auf der anderen Seite mit gleicher Entschiedenheit den grundlegenden Stellenwert der Diakonie in der Kirche betont, darf man urteilen, dass Diakonie und Caritas wohl noch nie eine derart explizite und positive kirchenlehramtliche Würdigung erhalten haben wie in der ersten Enzyklika von Papst Benedikt XVI. (25) Der Griechisch-orthodoxe Metropolit von Deutschland, Agoustinos Labardakis, hat deshalb mit Recht hervorgehoben, in der Enzyklika liege eine diakonische, bzw. karitative Ekklesiologie vor. (26) Anmerkungen Link zu Teil 2 Foto oben: Kardinal Koch (c) kath.net Ihnen hat der Artikel gefallen? 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