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| Die Offenbarung des Erlöstseins7. November 2012 in Buchtipp, 5 Lesermeinungen Matthias Matussek: Die Apokalypse nach Richard eine besondere Weihnachtsnovelle. Die Zusammengehörigkeit von Menschwerdung und Weltgericht und der Abgrund der Hoffnung. Von Armin Schwibach Rom (kath.net/as) Warum stellt man eigentlich ein Buch vor? Um es zu empfehlen oder davor zu warnen. Damit der eigene Eindruck beim Lesen andere dazu anregt, ebenfalls an einem besonderen Leseerlebnis teilzunehmen, sich in einem inneren Dialog damit auseinanderzusetzen. Und auch: weil es vielleicht ein Buch ist, das man sich so nicht erwartet hätte, nicht so geschrieben, nicht von diesem Autor, weil es helfen kann, abgegriffene Stereotypen zu überwinden, weil es interessant ist, dass sich auch andere Menschen in jene Zeilen vertiefen, die in einem selbst Stimmungen, Bewegung, Erkenntnis erweckt haben und die Welt in anderen Licht- oder Dunkelfacetten sehen lassen. Selbsternannte Watchblogs werden dann natürlich nicht umhin kommen, die eigentliche Absicht in schleichender oder direkter Werbung mit starrem Blick auf den Profit zu sehen. Sei es drum. Matthias Matussek gehört zu den prominenten Katholiken. Er ist ein streitbarer Mensch und als Spiegel-Autor ein Exot. So warf er vor gut eineinhalb Jahren mit seinem Werk Das katholische Abenteuer Eine Provokation (SPIEGEL-Buch, Deutsche Verlags-Anstalt 2011) einen großen Stein in den oft trüben Tümpel der katholischen Kirche in Deutschland, aber auch in das noch schlammigere Wasser der von den Maistream-Medien, von einer öffentlichen und veröffentlichten Meinung induzierten Anti-Haltung gegen das Christentum insgesamt und die Una Sancta im Besonderen. Wie schreibt man übers religiöse Ergriffensein? Vor dieser Frage stand Matussek und meinte damals: Bei uns verfällt man dann leicht der Esoterik oder dem Jargon der Ratgeberbücher. Dass es auch anders geht, zeigt Matussek, der bereits vor 15 Jahren sein Debüt als Erzähler (Rupert, Fifth Avenue) feierte und nun glanzvoll wieder als Prosa-Autor zurückkehrt, in seinem jüngsten Buch. Er erzählt jetzt eine festliche Geschichte, eine Weihnachtsgeschichte anderer Art: Die Apokalypse nach Richard (Aufbau Verlag, Berlin 2012). Ja, is denn heut scho Weihnachten? könnte Franz Beckenbauer den Autor von den bundesrepublikanischen Antipoden aus fragen. Und dieser würde antworten: Weihnachten ist immer, denn Christsein und Katholischsein geht nicht, ohne mitten drin zu sein in dem unglaublichen Geschehen, dass Gott in seine Welt eingebrochen ist: ein unüberwindbarer Riss im Kosmos, in der Geschichte, durch die Menschwerdung seines Sohnes, dessen Liebesopfer am Kreuz es dann ermöglicht, über die Jahrtausende hinweg opfernd und lobpreisend an der himmlischen Liturgie Anteil zu nehmen. Matusseks festliche Geschichte ist die Geschichte einer Familie, die an Weihnachten zusammenkommt, wobei von den ersten Zeilen an deutlich wird, dass es das letzte Mal sein könnte. Allein dadurch wird das Buch zum Erbauungsbuch, allerdings ohne Stille Nacht, Lebkuchen und angeblich besinnliche Zurückgezogenheit. Auch heftige Stimmungen durchziehen die Geschichte. Sie hindern jedoch nicht daran, dass am Ende alles passt, auch wenn der letzte Ausweg im Horizont wartender Hoffnung steht. Es ist ein schönes Buch, eine positive Geschichte, die zeigt, dass der Glaube schön ist und wie schön er sein kann. Die Geschichte hebt mit einer Apokalypse, der Offenbarung für Richard an. Waltraud heißt seine Frau, Großmutter und Mutter einer Familie des nachchristlichen Zeitalters in einer Kirche, in der der neue Papst ein Chinese tatkräftig versucht, die inneren Krebsgeschwüre wegzuschneiden. Sie will noch einmal an Weihnachten ihre Familie um sich haben. Sie fürchtet nämlich, dass Richard, der vor dem Abgrund der Altersdemenz steht, zum letzten Mal so wie immer mitfeiern können wird. Auch Richard weiß, dass es sein letztes Weinachten sein wird, doch er tut dies in der Gewissheit der bevorstehenden Parusie. Ein Wunder geschieht, und andere folgen: am Tag vor Weihnachten wacht er auf und kann wieder sehen: die Bücher seines Lebens, die Kondensate seines Glaubens. Richards Welt ist nun die Welt der Wunder, die Welt des Kindes, das sich wundern kann. Alles, auch das Kleinste und Unscheinbare, öffnet ihm einen wunderbaren Raum der Freiheit und des Reichtums jenseits der vom Menschen verödeten Welt. Richard liest in der heiligen Messe die Worte aus dem zweiten Petrusbrief von der Ankunft des Herrn: Das eine aber, liebe Brüder, dürft ihr nicht übersehen: beim Herrn ist ein Tag wie tausend Jahre und tausend Jahre sind wie ein Tag. Der Tag des Herrn wird aber kommen wie ein Dieb. Dann wird der Himmel prasselnd vergehen, die Elemente werden verbrannt und aufgelöst, die Erde und alles, was auf ihr ist, werden nicht mehr gefunden. Wenn sich das alles in dieser Weise auflöst: wie heilig und fromm müsst ihr dann leben, den Tag Gottes erwarten und seine Ankunft beschleunigen! Er erkennt, dass sich die Prophezeiung erfüllen wird, da die Welt aus dem Lot geraten scheint: die Ankunft des Herrn ist da, das Weltgericht steht bevor, gerade an jenem Tag, an dem das ungeheuerliche Eintreten Gottes in die Geschichte gefeiert wird. Wie seine Frau trachtet auch er danach, die Familie vielfach umherirrende Menschen um sich geschart zu sehen, denn: wenn die Familie geeint ist, steht auch das Schlimmste immer noch im Licht der Hoffnung. Einer der Protagonisten ist Richards Sohn Roman, Journalist, fast verbittert, fertig mit seinem Beruf, der Wahrheit verunmöglicht, ringend mit dem Skandal des Glaubens, jähzornig und wohl auch deshalb getrennt von seiner Frau, ein Mann, der kaum seine Scham überwinden kann, seinen pubertierenden Sohn Nick unter Vorwänden aufgegeben zu haben. Er ist entschlossen, für seine Zeitung eine wichtige Geschichte über eine Demonstration für einen in einem muslimischen Land wegen seines Glaubens inhaftierten Geistlichen zu schreiben. So stößt er im banalen Weihnachtsrummel des üblichen Kaufrausches erneut gewaltig auf eine schmerzliche Tatsache: die Menschen haben vergessen, was an diesem Fest eigentlich gefeiert wird. Die Stimmung ist Endstimmung im Sinne des heiligen Petrus: Endstimmung als Aufruf zur Wachsamkeit, da die Ankunft des Herrn naht und keiner weiß, wann dies sein wird. Das Buch lässt offen, ob die Welt zu ihrer Erfüllung gelangt oder ob Richard in der Tat die Schwelle hinein in die Demenz überschreiten wird, wohin er verschwindet, ob er, wann er, wie er stirbt. Alles geschieht vor dem Wunder des neuen Lebens, das seine Tochter Karin gerade am Heiligen Abend gebärt. Richard hat das Geschenk seiner Apokalypse erhalten. Seine Erlösung ist kein Rätsel, sondern Gegenwart des Mysteriums, seine Abwesenheit ist für seine Familie kein Fehlen, sondern ein Mangel, jener Mangel eines Menschen, der zusammen mit dem in ihm offenbarten Geheimnis nicht vergessen werden kann. Matussek ist es gelungen, ein der nachchristlichen Moderne angemessenes erbauliches Buch zu schreiben, ein schönes Buch, das bei Lesern von 12 bis 99 Jahren Gefallen finden kann. Legt man es nach 190 Seiten beiseite, so verspürt man ein seltsames Gemisch von Nostalgie, Trauer, Erwartung und positivem Ausblick auf eine unbekannte, aber bereits erlöste Zukunft. Nachtrag: Stimmungen Matussek lässt erzählend Stimmungen erstehen, er zieht hinein in Gestimmtheiten, die angesichts der neuheidnischen Zeit, ihrer Ahnungslosigkeit gegenüber dem Offenbarten Weltfalten entstehen lassen, in sie hineinversetzen. Die Protagonisten durchstreifen einen Raum, in dem das Christentum der Glaube das Ferne, das Unbekannte ist. Sie scheinen Fremde in einer vormals gegebenen Heimat zu sein. Weihnachten in der entchristlichten Zeit wird hier sichtbar als der Ort, an dem der Satan durch die Verkehrung des Festes seinen Sieg erklären will. Es gelingt ihm nicht. Denn da ist der kleine Rest. Gerade angesichts dieses kleinen Rests, seiner Wirklichkeit, seiner Erwartungen und seiner Gewissheit drängt sich die Erinnerung an Nietzsches tollen Menschen und dessen Verkündigung des Todes Gottes auf. Mitten am Vormittag zündete dieser eine Laterne an, rannte auf den Markt, sprang mitten unter die Menschen und schrie seine verzweifelte rhetorische Frage: Wohin ist Gott?. Denn der tolle Mensch wusste: Wir haben ihn getötet ihr und ich! Wir sind seine Mörder! Der Gottesmord der tolle Mensch erkannte, dass es für diese Verkündigung noch zu früh ist, obwohl er wusste: die Kirchen sind die Grabmäler Gottes, leer, reine Überreste, die nichts mit der neuen und tragischen Wirklichkeit zu tun haben. Der tolle Mensch heute findet er Gehör. Matusseks unheldenhafte Helden durchqueren mit all ihren Schwächen und Menschlichkeiten klein und bescheiden, doch noch fähig zur Hoffnung dieses Land, in dem sich die Grabmäler Gottes erheben, in der bewussten oder unbewussten Erwartung des letzten Offenbarwerdens. Klingt der Titel des Buchs zunächst dramatisch apokalyptisch, so zeigt die Geschichte mit einem Wort Ludwig Wittgensteins der Fliege den Ausweg aus dem Fliegenglas: im Licht des Gottes, der mit dem Menschen eine Geschichte eingegangen ist.
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