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Kirchensteuer, Weltbild und die kirchliche Wahrhaftigkeit

26. September 2012 in Deutschland, 18 Lesermeinungen
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Offener Brief an die DBK: „Die Handhabung der Kirchensteuer ist unwahrhaftig, weil es Sie „für viele Menschen als Vertreter eines florierenden Großunternehmens mit angehängtem defizitärem Religionsbetrieb erscheinen lässt“. Von Michael Schäfer


Fulda (kath.net) Dr. phil. Michael Schäfer (Foto) wendet sich in einem offenen Brief an die Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz:


Hochwürdigster Herr Bischof,
noch nie hat mich die Kenntnisnahme einer kirchlichen Verlautbarung so empört wie die Lektüre des „Allgemeinen Dekretes der Deutschen Bischofskonferenz zum Kirchenaustritt“. Faktisch wohl ein Schachzug im Kontext anstehender gerichtlicher Auseinandersetzungen, setzt das Dokument das zivilrechtliche Verlassen der „Kirchensteuer-Gemeinschaft“ auf eine Stufe mit dem öffentlichen Abfall von der Kirche als Glaubensgemeinschaft und belegt diesen Akt mit höchsten kirchlichen Strafen. Dabei unterläuft es in der Begründung die eigentliche Fragestellung und spiegelt durch die Verknüpfung verschiedener Canones des CIC eine kirchenrechtliche Eindeutigkeit vor, die mitnichten gegeben ist. Um die Hartherzigkeit des ganzen Vorgangs zu verbergen, vermeidet der Text den hässlichen Begriff „Exkommunikation“ für das Bündel an verhängten Strafmaßnahmen und verordnet eine „pastorale“ Maßnahme in Gestalt eines Formbriefes (sic!).

Niemand bestreitet die Verpflichtung jedes Gläubigen, nach seinen Möglichkeiten an der Finanzierung der Kirche mitzuwirken. Die entscheidenden Fragen aber sind, ob a) die Verweigerung der Teilnahme am deutschen Kirchenfinanzierungsmodell ein Verstoß gegen die „Wahrung der Gemeinschaft mit der Kirche“ (c. 209 §1 CIC) darstellt und, falls ja, ob b) dieser Verstoß mit dem faktischen Ausschluss aus der kirchlichen Gemeinschaft bestraft werden kann/muss.

Es liegt auf der Hand, dass bereits die erste Frage nach Aussage der für die authentische Interpretation des CIC zuständigen kirchlichen Instanz (Erklärung „ACTUS FORMALIS DEFECTIONIS AB ECCLESIA CATHOLICA“ des päpstlichen Rates für die Interpretation von Gesetzestexten aus dem Jahr 2006) kaum mit Ja beantwortet werden kann.

Dies erhellt auch aus dem Kontext von c. 209 CIC. In den folgenden Canones ist zunächst von der Verpflichtung des Gläubigen zum Glaubenszeugnis durch persönliche Heiligung sowie den damit korrespondierenden Rechten die Rede, bevor in c. 222 schließlich auch die Verpflichtung zur finanziellen Unterstützung der Kirche genannt wird. Zwingend stellt sich angesichts dieser Priorisierungen die Frage, warum zum Beispiel das regelmäßige Fernbleiben vom Sonntagsgottesdienst kein Verstoß gegen die „Wahrung der Gemeinschaft mit der Kirche“ darstellt und entsprechend auch mit keinem Verlust kirchlicher Rechte einhergeht.


Hiergegen könnte man einwenden, dass die Mißachtung der Sonntagspflicht keinen öffentlichen (Rechts-)Akt darstellt, der „Kirchenaustritt“ hingegen sehr wohl. Dieses Argument verkennt, dass die Bischöfe durch das Festhalten an der spezifisch deutschen staatskirchenrechtlichen Konstruktion die Situation erst herstellen, in der es zur Verweigerung der finanziellen Unterstützung eines rechtsförmigen Aktes bedarf. In fast allen anderen Ländern der Erde geschieht eine solche Verweigerung als vor dem „forum internum“ zu verhandelnde Sünde der Unterlassung. Faktisch ist der zivile „Kirchenaustritt“ übrigens viel weniger „öffentlich“ als die Verletzung der Sonntagspflicht. Letztere ist für Familie, Freunde und Bekannte meist klar erkennbar, wohingegen es nicht selten vorkommt, dass dieser Personenkreis vom Kirchenaustritt eines Verstorbenen erst erfährt, wenn man mit dem Pfarrer das kirchliche Begräbnis besprechen möchte.

Der Grund meiner Empörung liegt aber nicht auf der Ebene kirchenrechtlicher Erwägungen (für die ich auch kein Fachmann bin).

Die Handhabung der Kirchensteuer in Deutschland ist im Kern ein geistlicher Skandal, weil sie gegen das Gebot der inneren Wahrhaftigkeit der Kirche verstößt und damit ihre Glaubwürdigkeit nach innen und außen schwer beschädigt.

Die Handhabung der Kirchensteuer ist unwahrhaftig, weil sie das Geld zum wichtigsten Kriterium für die Kirchenzugehörigkeit macht. Nicht das Glaubensbekenntnis und das Leben aus den Sakramenten macht den Deutschen zum katholischen Christen, sondern die Zahlung der Kirchensteuer.

Die Handhabung der Kirchensteuer ist unwahrhaftig, weil sie die Grenzen der sichtbaren Kirche falsch zieht. In Deutschland leben nicht 30 Millionen „öffentliche“ Katholiken – ein Blick in die Kirchenbänke und Beichtstühle genügt zur Feststellung dieser Tatsache. Die Katholiken sind nicht mehr Mehrheit, sondern Minderheit.

Die Handhabung der Kirchensteuer ist unwahrhaftig, weil sie gerade die große Zahl von Menschen mit geringer kirchlicher Bindung dazu verleitet, sich in den letzten Fragen ihres Lebens in falscher Sicherheit zu wiegen („solange ich noch kirchlich beerdigt werde, ...“).

Die Handhabung der Kirchensteuer ist unwahrhaftig, weil sie dem Eindruck Vorschub leistet, die Kirche sei zunächst eine Institution und als solcher ginge es ihr vor allem ums Geld. Kaum eine öffentliche Diskussion über kirchliche Dinge, die nicht von diesem Argument getrübt wird, das durch die Kirchensteuer ein hohes Maß an (scheinbarer) Plausibilität erhält.

Die Handhabung der Kirchensteuer ist unwahrhaftig, weil sie den Gläubigen unterstellt, dass sie ohne den juristischen Zwang nicht bereit und in der Lage wären, die Kirche und ihre Werke hinreichend zu unterstützen.

Die Handhabung der Kirchensteuer ist unwahrhaftig, weil sie die vielen guten Dinge, die in der Kirche getan werden, als Produkt einer steuerfinanzierten Institution erscheinen lassen und nicht als Zeugnis des in der Mitte unserer Gesellschaft lebendigen Glaubens an den Herrn Jesus Christus.

Die Handhabung der Kirchensteuer ist unwahrhaftig, weil es Sie, Herr Bischof, zwingt, sich mit Weltbild-Konzernen und ähnlichem Unfug zu beschäftigen und Sie für viele Menschen als Vertreter eines florierenden Großunternehmens mit angehängtem defizitärem Religionsbetrieb erscheinen lässt.

Weil das alles so ist, möchte ich Sie, Herr Bischof, aufrichtig bitten: Prüfen Sie vor Ihrem Gewissen, ob die Zeit nicht reif ist, durch den Ausstieg aus der staatlichen Finanzierung unserer Kirche Zeugnis abzulegen für den Vorrang der Glaubensgemeinschaft vor der Institution, der inneren Kraft vor der äußeren Fassade und der freien Entscheidung vor dem rechtlichen Zwang,

Ich bin mir durchaus bewusst, dass der Verzicht auf die Kirchensteuer für Sie auch eine Frage der Verantwortung für die vielen Menschen darstellt, denen Sie als Arbeitgeber verpflichtet sind. Aber ist denn wirklich gesagt, dass eine freiwillig finanzierte Kirche über weniger finanzielle Mittel verfügen wird? Könnte der Verzicht auf das staatskirchenrechtliche Privileg nicht ein Weg zu einer glaubwürdigeren, liebens- und unterstützenwerteren Kirche sein? Könnte die gelebte Überzeugung, dass Christsein zuvörderst eine Berufung ist, nicht ein Impuls für die spezifischen Berufungen in der Kirche sein?

Zeigen nicht viele geistliche Aufbrüche und Gemeinschaften, die sich außerhalb der Kirchensteuermittel finanzieren müssen, dass die Bereitschaft zur großzügigen freiwilligen Unterstützung vorhanden ist? Ganz praktisch: Sind nicht klug bemessene Übergangsregelungen denkbar, die berechtigte bestehende Ansprüche der kirchlichen Angestellten sichern? Gilt hier nicht ganz allgemein der Satz des Herrn: „Was habt Ihr solche Angst, Ihr Kleingläubigen?“ (Mt 8,26).

Und sollte es so sein, dass der Verzicht auf die Kirchensteuer in der bisherigen Form zu der Einsicht führt, dass wir kleiner, weniger zahlreich, weniger einflussreich, einfach ärmer sind als der status quo dies vorspiegelt: muss diese Wahrheit dann nicht auch auf den Tisch? Ist eine Erneuerung der Kirche und eine Wiederherstellung ihrer Glaubwürdigkeit überhaupt möglich, ohne der Realität ins Auge zu sehen?

„Die Wahrheit wird Euch frei machen“ (Joh 8, 32)?

Mit herzlichen Grüßen
Michael Schäfer

Dr. phil. Michael Schäfer war Mitarbeiter am Romano-Guardini-Lehrstuhl der LMU München und arbeitet heute in der Geschäftsführung einer in Stuttgart ansässigen, international tätigen Unternehmensberatung. Er betreibt unter dem Namen "Theodor" den Blog www.summa-summarum.blogspot.com.


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