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| Ich bin katholisch, und das ist auch gut so!17. Mai 2011 in Weltkirche, 9 Lesermeinungen Matthias Matussek und seine katholische Provokation. Ein Buch und ein schöner Abend in der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland beim Heiligen Stuhl. Von Armin Schwibach Rom (kath.net/as) Ein Kardinal der Heiligen Römischen Kirche stellt in der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland beim Heiligen Stuhl das jüngste Buch eines Spiegeljournalisten vor. Er bezeichnet es unter anderem als ein großes und feines Kaleidoskop, durch das hinweg Größe, Reichtum und Schönheit des katholischen Glaubens schillern. Die Eminenz gibt zu erkennen, dass ihm die an gewissen Stellen auch schnoddrige, aber immer griffige und nie über das Ziel hinausgehende Schreibe des Spiegelmanns nicht stört, im Gegenteil. Der Kardinal weist dem Buch sogar einen katechetischen Wert zu, insofern es sich um ein Zeugnisbuch handle, das mitten in und mitten aus der heutigen säkularisierten Welt das Besondere des Katholischen erkennen lasse. Einer der bedeutenden und hochverdienten Kirchengeschichtler unserer Tage, auch er ein Purpurträger, hört dem Ganzen ab und an nickend und immer aufmerksam zu und beteiligt sich zusammen mit Anderen an der sich anschließenden Diskussion. Zu diesen Anderen gehört auch der Leiter der deutschen Sektion des vatikanischen Staatssekretariats. Hört sich fast an wie der Anfang eines neuen Vatikan-Romans, aber nein: So geschehen am Freitag, den 13. Mai 2011, Festtag der ersten Erscheinung der Gottesmutter von Fatima. Lässt sich dieses außergewöhnliche Ereignis vielleicht damit erklären? Oder sind Kurienkardinäle wie Paul Josef Cordes und Walter Brandmüller einfach moderner, offener, intelligenter als viele andere Gewohnheitskatholiken, Bischofskollegen oder dem Geist der Welt aufgeschlossene Zeitgenossen, denen es schwer fällt, aufrecht über den Rand der eigenen Brille zu schauen? Matthias Matussek gehört zu den prominenten Katholiken. Er wirft mit seinem Werk Das katholische Abenteuer einen großen Stein in den oft trüben Tümpel der katholischen Kirche in Deutschland, aber auch in das noch schlammigere Wasser der von den Maistream-Medien, einer öffentlichen und veröffentlichten Meinung induzierten Anti-Haltung gegen das Christentum insgesamt und die Una Sancta im Besonderen. Ich bin katholisch, und das ist auch gut so. Ich habe mir die Sache nicht ausgesucht. Sie ist mir in mein Gemüt gelegt, von Kindheit an, so sehr, dass sie mir vorkommt wie angeboren. Eine Veranlagung. Vielleicht ist sie das auch. Tief in mir verwurzelt (S. 43), hebt Matussek im ersten von vier Kapiteln an, die von den Ausgangslagen über die Glaubensschlachten zu Meiner Kirche und Gott und die Welt gehen. Wie ein roter Faden durchzieht das Buch die Normalität des Katholischen, das gerade aufgrund seiner Normalität in der Lage ist, sich der Welt zu stellen und wirkliche, ehrliche Kritik nicht zuletzt auch an der weltlichen Gestalt der Kirche zu üben, wenn diese meint, modern würde bedeuten, sich der modernen Welt anzupassen, sie schlecht nachzuahmen, sich nur als soziales Konstrukt unter anderen wahrzunehmen. Fast erstaunt hatte Alexander Wallasch in seiner Besprechung in der Süddeutschen Zeitung am 9. Mai feststellen müssen: Matussek glaubt offenbar wirklich. Das ist sicher die eindringlichste Erkenntnis, die man aus dem Buch Das katholische Abenteuer gewinnt. Der Autor spricht aus einer Trutzburg: Ich denke katholisch, ich fühle und lache und wüte katholisch, ich sündige, ich beichte, ich schaue katholisch auf die Welt. Schon um das Jahr 400 schrieb Augustinus sein autobiographisches Bekenntnis. Folgerichtig gibt es auch bei Matthias Matussek ein Dutzend Bezüge zum Bischof von Hippo Regius. Matusseks moderne, schon im Format bescheidenere, massentaugliche Instantfassung ist ebenfalls ein Hinaustreten aus dem Inneren ins Öffentliche. Matussek wie der heilige Kirchenlehrer Augustinus? Einem Ego wie dem seinen dürfte ein derart hoch greifender Vergleich wohl schmeicheln. Aber weil er eben katholisch ist, ergibt sich daraus keine Eitelkeit (oder eben eine normal katholische Eitelkeit). Paul Josef Kardinal Cordes erklärte, er habe das Buch mit auf eine seiner anstrengenden Lateinamerikareisen genommen, es intensiv mit Anmerkungen und Hervorhebungen versehen, die er dann zur Grundlage seiner detaillierten Vorstellung machte. Ein wenig Systematisieren wollte er seine Eindrücke, so der Kardinal, in guter deutscher Manier, der alles Ungeordnete abhold sein sollte. Und dennoch ließ er verstehen, dass sich die Ordnung des Buches aus seiner Unordnung ergibt: der Unordnung der Vielfalt der Dimensionen des Glaubenden. Auch hier lässt Matussek eines sehen, ohne es ausdrücklich sagen zu müssen: Seine kreative Freiheit und sein geschärfter freier Blick auf die Wirklichkeit wird dadurch möglich, dass der Katholik in seinem Sein und Denken fest in der Lehre steht und nicht zuletzt das Lehramt für ihn ein Wegweiser ist, der den Weg nicht nur weist, sondern ihn auch begleitet. Ja, Matussek glaubt offenbar wirklich, wie es in der Süddeutschen hieß, die zwar einen hysterischen Prediger ausmacht, dem wir aber zuhören sollten. Und sein Bekennerbuch erweckt in seinem Leser die Notwendigkeit des eigenen Bekenntnisses, wie auch Wallasch erkennt: Da Matussek ein Bekenntnis vorlegt, sollte der Rezensent es auch tun: Ich bin nicht gläubig. Das Buch war für mich immer wieder eine Zumutung, eine Verstörung, aber ich habe damit gekämpft, mit Gewinn, und das ist mehr, als man von manchen anderen Büchern sagen kann. Was gäbe es besseres als ein Buch, das einen so verstört, so dass man daraus einen großen Gewinn ziehen kann? Matussek mutet sich den anderen zu, ohne aufdringlich zu sein. Er ist einfach so, halt katholisch. Er mutet sich einem Atheisten oder Agnostiker ebenso zu wie einem Kardinal oder gar dem Papst, wobei er allerdings im letzten Fall kindhaft weiß, dass er das darf, ja dass er das soll. Dass die Welt zu faul zum Denken ist oder es vorzieht, es sich auf eingefahrenen Denkwegen bequem zu machen, passt ihm mit den sich daraus ergebenden Folgen am Wenigsten. Denn: Statt des alten Glaubens wird ein geradezu albernes positivistisches Beharren auf den Siegen der naturwissenschaftlichen Vernunft vorgeführt! Sicher, die hat uns Heilkraft und Gelehrsamkeit gebracht und den Beweis, dass wir um die Sonne kreisen, und vieles mehr, was in christlichen Klöstern bereits im frühen Mittelalter studiert wurde. Ihr Gestus allerdings ist: Es gibt nichts sonst (S. 89). Gerade aber, dass es etwas anderes gibt und dass dieses andere ein Gnadenereignis ist, dessen Geschichte zu schreiben es sich lohnt, steht im Mittelpunkt der Anstrengung des Spiegelmanns. Und da betont er zum Beispiel auch gegen eine irrationale Reform-Eiferei unzähliger Quasselgruppen der Kirche den Kern des Zölibats. Nichts nämlich bringt die liberale Öffentlichkeit mehr auf die Palme als der Zölibat, an dem der Papst festhält, weiß der die Untiefen des Zeitgeistes sondierende Kulturjournalist. Der zölibatäre Priester verkörpert für Matussek das monastische Leben mitten unter uns. Er ist die auratische Figur, die uns, wenn das Zölibat gelingt, die vollständige Hingabe an Gott und an die Gemeinde vorlebt. Er kennt die Welt und ist so lebensklug wie jener Kartäuser-Mönch in dem Film Von Menschen und Göttern, der dem Mädchen, das ihm im Garten hilft, von der Liebe erzählt. Aber er weiß auch noch von einer anderen Liebe zu erzählen. Dass dieser Film die Menschen zu Millionen in seinen Bann zog, hing mit der Sehnsucht nach diesem ganz Anderen zusammen. Und dem Respekt davor. Wollen wir diese Aura, die auch jeden katholischen Priester umgibt, opfern für den Reformgewinn, Lammert-Klone am Altar stehen zu sehen? (S. 205). Gegen diese unsägliche Langeweile verkündet der Prophet: Natürlich, Freunde, gibt es nichts Spannenderes heutzutage als Gestrigkeit, nicht Avantgardehafteres als das Bestehen auf Form und Ritus, nichts Aufregenderes als Haltung in einer Zeit, in der Mode-Bekenntnisse im Drei-Sekunden-Takt ausgetauscht werden. Es ist richtig, dass die Zahl der Priester im letzten halben Jahrhundert von 15.500 auf 8500 zurückgegangen ist. Gleichzeitig aber ist die Zahl der Gottesdienstbesucher von 46 Prozent auf 13 Prozent kollabiert. Die viri probati als Rezept? Da wäre dann bald mehr Gewimmel im Altarraum als in den Kirchenbänken (S.205). Also: Ja, der zölibatäre Priester lebt im Vorhof des Heiligen. Er lebt eine radikale Frömmigkeit und dient mit Einsatz seines Lebens und verweist auf die zukünftige Welt (S. 52). Schön war es in der deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl man ist geneigt zu sagen: wie immer. Die stilvolle Gastlichkeit des jetzigen Hausherrn Walter Jürgen Schmid ist wie die seiner Vorgänger eine Garantie. Zwei Kardinäle nahmen ein enfant terrible des deutschen Journalismus in seinem aufrechten Katholischsein ernst. Dies ist das Buch eines Journalisten über Gott und die Welt. Es ist auch das Buch eines religiösen Journalisten. Ich weiß, das kann peinlich werden. Uns scheinen die Worte auszugehen, wenn wir über religiöse Erfahrungen reden, die bisweilen außergewöhnlich sind und bisweilen so schlicht wie die späten Songs von Johnny Cash. Wie schreibt man übers religiöse Ergriffensein? Bei uns verfällt man dann leicht der Esoterik oder dem Jargon der Ratgeberbücher (S. 9), so Matussek zu Beginn des Opus vor Spielbeginn. Peinlich aber ist es nicht geworden, weder das Buch noch die Art und Weise, wie versucht wurde, Zugang zu ihm zu verschaffen. Matussek weiß, dass er nicht besser ist als die anderen und seinen Kampfzug nicht von der hohen Burg einer persönlichen Unfehlbarkeit aus führt (ob das Leute wie Heiner Geißler oder Hans Küng und die offiziellen Katholiken in Zentralkomitees auch wissen?): Ich bin kein Vorzeige-Katholik, aber dennoch bin ich seit neuestem so leidenschaftlich katholisch, wie ich vor vierzig Jahren Marxist war. Warum? Weil mein Verein angegriffen wird. Ohnehin halte ich reflexhaft zu denen, auf die eingedroschen wird. Darüber hinaus bedeutet Katholischsein einfach, ein spannendes Verhältnis zur Welt zu haben. Mein Katholizismus kennt keine ruhige Mittellage. Er besteht aus Zorn und Liebe, Glaube und Zweifel und bisweilen Verzweiflung über den eigenen Verein. Er ist auch die Religion der Schwärmer und Sünder, der gefallenen Geistlichen und aufopferungsvollen Heiligen, des Säuferpriesters bei Graham Greene und des Märtyrer-Landpfarrers von Georges Bernanos (S. 44). Dem ist nichts hinzuzufügen. Nur eines: Abenteuerbücher sind schön, auch wenn es traurig stimmt, dass heute Abenteuer ist, was noch vor 50 Jahren einfach die Normalität des Katholischen war: von der Oma in der Kirchenbank, der Hausfrau neben ihr, dem Handwerker in der hinteren Reihe, dem Bankdirektor weiter in der Mitte bis hin zum Herrn Professor Theologe und hochwürdigen Herrn Pfarrer und Bischof ganz vorne.
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