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'In den letzten Jahrzehnten die Messe zum Experimentierfeld gemacht'

27. Oktober 2006 in Interview, keine Lesermeinung
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Interview mit dem Theologen Klaus Berger über die christliche Kulturrevolution, Islam, Ökumene und die Liturgiereform: "Aufgabe des Latein war ein schwerer Fehler, gerade im Zeitalter der Globalisierung. Dadurch große Teile der Weltkirche provinziali


Heidelberg (www.kath.net/ Zenit.org
Der renommierte Heidelberger Theologieprofessor Dr. Klaus Berger weist in diesem ZENIT-Interview auf die Radikalität und das Revolutionäre des Christentums hin und erklärt, wie der Weg zur Etablierung einer „Kultur des Lebens“ aussehen könnte. In Bezug auf die Ökumene spricht sich der 65 Jahre alte Neutestamentler, der zahlreiche Bücher verfasst hat, für eine „Annäherung im Verständnis kirchlicher Autorität“ aus und gibt vor dem Papstbesuch in die Türkei zu bedenken, dass die Schwierigkeiten im Dialog mit der Orthodoxie nicht auf unterschiedliche Glaubenswahrheiten zurückzuführen seien, sondern vielmehr auf „emotionale und politische Ressentiments“, die viel weniger leicht ausgeräumt werden könnten. Eine Annäherung mit dem Islam in Glaubensfragen ist seiner Ansicht nach „derzeit ausgeschlossen“.

Einer eventuellen Zulassung der so genannten Tridentinischen Messe steht Berger nicht abgeneigt gegenüber, im Gegenteil.

ZENIT: Für Sie ist das Christentum nicht für „ewig Gestrige“, sondern für Menschen, die etwas verändern wollen. Was ist das Revolutionäre an der Nachfolge Jesu Christi und der Umsetzung seiner Kreuzestheologie?

Berger: Revolutionär an der Nachfolge Christi ist, dass die Wahrheit hier eine Person ist. Wer daher an der bleibenden Wahrheit Anteil haben will, die dem Tod widersteht, kann dieses nur durch persönliche Nachfolge tun.
Deren Ziel ist die Verähnlichung von Gott und Mensch, die im Wesen Freude und Freiheit ist. Die Nachfolge bedeutet Ähnlich-Werden. Denn in Jesus hat Gott ein Gesicht bekommen. Kreuzestheologie meint dabei die Aufgabe der Wertschätzung aller Prestigeobjekte (Macht, Wissen, Schönheit, Adel), weil nur die Freiheit davon ein Weg zum Frieden ist.

ZENIT: Wertedebatten und der Rede über die Vermittlung von Werten können Sie nicht viel abgewinnen. Stattdessen plädieren Sie in einem Artikel für eine „christliche Kulturrevolution“, die vom persönlichen Original und der authentischen Erfahrung getragen wird. Wie wird man selbst zu einem „Original“?

Berger: Im Jahrhundert der Kopien und des Klonens sind authentische Personen ersehnte Mangelware. Solche Personen können auch mit der Einsamkeit etwas anfangen, können Nein sagen. Sie gewinnen Kraft dadurch, dass sie sich prägen lassen von Gottes realer Gegenwart, zum Beispiel durch Gebet, Schweigen, eucharistische Anbetung, die erprobten Wege geistlichen Lebens.
Ein arabisches Jesus-Agraphon (außerkanonisches Herrenwort) lautet: Wer mit Gott zu tun haben will, braucht zehn Dinge: neunmal Schweigen und einmal Einsamkeit.

ZENIT: Wie ist dem „erotischen Verhältnis zum Geld“, das Sie als Hauptursache für die gegenwärtig vorherrschende Kultur des Todes ansehen, beizukommen?

Berger: Es ist schwer, da Rezepte zu geben, da auch schon die Berufung des reichen Jünglings durch Jesus fehlgeschlagen ist. Der reiche Jüngling ging traurig davon.
Diese Bemerkung ist der Schlüssel. Das erotische Verhältnis zum Geld könnte überwunden werden, wenn man etwas oder jemanden findet, der liebenswerter als Geld ist. Die größere Liebe siegt. An uns machen meine Frau und ich gerade die Erfahrung, dass zum Beispiel die Liebe zu Enkelkindern attraktiver ist als die Liebe zu Geld.
Religion hat etwas mit maßloser Liebe zu tun. Insofern ist sie eine gute Schule für das, was wir brauchen, nämlich eine Liebe, die noch wesentlich tiefer geht als die zum Kapital.

ZENIT: Für Papst Benedikt XVI. ist die Frage des Lebens und des Lebensschutzes die „neue soziale Frage“ dieses Jahrhunderts. Sein Vorgänger Johannes Paul II. wies in mehreren Schreiben eindringlich auf die Gefahren der in weiten Teilen der Welt vorherrschenden „Kultur des Todes“ hin. Welche Schritte, Denk- und Verhaltensweisen sind notwendig, um eine „Kultur des Lebens“ nicht nur als Gegensatz zur „Kultur des Todes“ zu entwickeln, sondern als die eigentliche Dimension des wahren Menschseins?

Berger: Es geht schon um eine Denk-Revolution. Wie alles, das mitreißt, ist sie ganz einfach: Freude zu haben an einem Leben, in dem Kinder wichtig sind. Das bedeutet eine neue Einfachheit. Sünde besteht eigentlich darin, das nicht weiterzugeben, was man empfangen hat. Gewollte prinzipielle Kinderlosigkeit halte ich daher für die Sünde schlechthin.

ZENIT: In einem Interview mit dem deutschen Fernsehen vom vergangenen August weist Benedikt XVI. auf die Notwendigkeit einer gemeinsamen ethischen Grundlage aller Christen hin. Diese könne zum Grundstein einer neuen ökumenischen Auseinandersetzung werden. Wie sehen Sie es um diese Möglichkeit der Schaffung einer gemeinsamen ethischen Position in Bezug auf die gesellschaftlich relevanten Schwerpunktthemen (Abtreibung, Euthanasie, Familie, soziales Zusammenleben, „Wertedebatte“) bestellt?

Berger: Ich möchte den Blick zuerst auf die inner-katholische Lage in Deutschland richten. Sie ist, insbesondere weil einige Moraltheologen bei jeder Gelegenheit dazwischenfunken, zwar „besser“ als die protestantische, aber nicht einheitlich. Eine verhältnismäßig strenge und jedenfalls nicht laszive Moral, die noch irgendwie an die Bergpredigt erinnert, kann nur eine Kirche verkünden, die Mut hat und sich Autorität zutraut. Wo das nicht der Fall ist, wird auch der Mut zu einer strengen und klaren christlichen Moral nicht aufgebracht werden. Denn zu stark ist die Furcht ausgeprägt, bei zu strenger Moral würden zu viele Menschen aus der Kirche austreten.

Das ist in der Tat eine heikle Gratwanderung. Wer nachgibt, macht sich beliebt. Dass die katholische Kirche unter diesen Umständen an dem Verbot der Ehescheidung festhält, verdient höchsten Respekt. Eine einheitliche Aktion mit den Protestanten würde daher auch zu einer Annäherung im Verständnis kirchlicher Autorität führen müssen.

ZENIT: Sie haben vor kurzem geschrieben: „Die Liturgie ist die Gegenöffentlichkeit. Wenn Christen in der Welt mit ihren Überzeugungen bestehen wollen, brauchen sie Kraft und ein starkes Widerlager. Dass Liturgie schön ist, dass der Glaube in einem Fest gefeiert wird, dass der Gottesdienst mit der Herrlichkeit der Gnade zu tun hat, das gibt der Gegenöffentlichkeit ihre Stärke. Denn nirgends anders als im Gottesdienst wird der Anspruch eines Königs angemeldet, der nicht ‚gehen’ wird, sondern der kommt.“ Die Liturgie feiert die „Ankunft des Königs“. Als Königsdienst ist sie Gottesdienst. In der Liturgie ist Gott wirklich in der feiernden Gemeinde anwesend. Was ist Ihre Meinung zu der von Papst Benedikt XVI. angestrebten liturgischen Erneuerung in der katholischen Kirche? Ist für Sie der Weg einer allgemeinen Zulassung der so genannten Tridentinischen Messe ein beschreitbarer Weg, um der zitierten Gegenöffentlichkeit zu einer neuen Wirksamkeit und einer neuen Anziehungskraft zu verhelfen?

Berger: Die Sehnsucht nach der „Tridentinischen“ Messe ist deshalb so groß, weil diese Messform ein vollendetes Kunstwerk darstellt und keine Spielereien erlaubt.
Man hat in den letzten Jahrzehnten die Messe zum Experimentierfeld gemacht und übersehen, dass Liturgie so etwas überhaupt nicht verträgt. Die Aufgabe des Latein war ein weiterer schwerer Fehler, gerade im Zeitalter der Globalisierung. Dadurch sind große Teile der Weltkirche provinzialisiert worden. Den Verlust vieler Formen des „Heiligen“ sehe ich als den zentralen Fehler an, dazu gehört auch die Aufgabe der Gregorianik. In einer Übergangsphase sollte der Papst die Feier der alten Messe unbeschränkt zulassen. Eigentlich fand ich den Zustand von 1962 ganz und gar akzeptabel.

ZENIT: Wie sehen Sie mit Blick auf die Pastoralreise des Papstes in die Türkei die Möglichkeiten einer vollen Einheit mit der Orthodoxie? Welche Rolle kommt dem Patriarchen von Konstantinopel zu, und welche Auswirkungen hat der Verzicht auf den päpstlichen Titel „Patriarch des Abendlandes“?

Berger: Die Probleme mit der Orthodoxie betreffen nicht Glaubenswahrheiten, sondern emotionale und politische Ressentiments. Diese sind sehr viel schwieriger auszuräumen als Fragen der Wahrheit.
Wenn Mönche aus dem Katharinenkloster am Sinai sich weigern, mit dem Papst auch nur zu beten, wird daran die große Angst vieler Orthodoxen (und übrigens auch vieler Protestanten) vor dem Übergeschlucktwerden durch Rom sichtbar.

Vielleicht will der Papst mit dem Weglassen des Titels „Patriarch des Westens“ auf eine Erneuerung des Patriarchats zustreben, wie ich sie in meinem Buch „Glaubensspaltung ist Gottesverrat. Wege aus der zerrissenen Christenheit“ (Pattloch, München 2006, 319 Seiten) vorgetragen habe. Ich meine, eine Erneuerung des Patriarchats könnte auch ein Modell der Einheit der Christen überhaupt sein.

ZENIT: Wie bewerten Sie die Chancen einer engeren Zusammenarbeit mit dem Islam? Muss sich sein Gottesbild erst ändern und „vernünftig“ werden, damit es fruchtbare Gespräche geben kann? Mohamed hatte gesagt: Der Koran fügt der offenbarten Wahrheit nichts hinzu. In wie weit sind das christliche und das islamische Gottesbild einander fremd?

Berger: Bei „Gesprächen“ mit dem Islam muss man ein Ziel vor Augen haben. Eine Annäherung in Glaubensfragen ist derzeit ausgeschlossen. Ziel kann nur gemeinsames friedliches Zusammenleben, Aufarbeitung der gemeinsamen Geschichte und einzelne gemeinsame ethische Ziele sein. Es gibt auch schon hochrangige gemeinsame Gespräche, etwa zwischen den theologischen „Fakultäten“ von Syrakus (katholisch) und Tunis (moslemisch). Hier müsste es darum gehen, Vorurteile abzubauen.
Die praktische Duldung christlicher Aktivitäten in islamischen Ländern ist gegenwärtig aber das erste Ziel aller Gespräche. Volle Einheit ist ausgeschlossen. Der Islam ist eine Art christlicher Mega-Häresie, diese Sicht macht die ganze Tragweite des Problems erkennbar.

KATHPEDIA: Klaus Berger



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