Deutschsynodale Querdenker im euro-synodalen Prozess

13. Februar 2023 in Kommentar


„Ein Bischof, der wider die Natur seines Amtes die gottentfremdende und selbstzerstörerische Macht der Sünde leugnet, …hat seinen Beruf verfehlt als Nachfolger der Apostel.“ Von Gerhard Card. Müller, Rom


Rom (kath.net/pl) Der Bischof von Limburg, Georg Bätzing, hat als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, als Co-Präsident des (deutschen) Synodalen Weges und als offzieller Delegierter beim Treffen der der Kontinentalen Phase des weltweiten synodalen Prozesses in Prag vom 8.2.2023 ein beunruhigendes Statement gehalten und wörtlich vertreten: „Aus einigen Statements höre ich den Ruf nach Klarheit: Was sind die Regeln des Glaubens in der Kirche? Was gehört zum Kern der Lehre? Und was ist Sünde, die benannt werden kann und muss? Mich verstört das. Christlicher Glaube ist eine Religion der Freiheit und Erlösung –nicht der Sündenfixierung. Ich kann den Eindruck nicht verhehlen, dass hier womöglich auf Sünde und Sündersein beharrt wird, um damit die Kirche als unangreifbar und unveränderlich darzustellen und auf den geltenden Kriterien von Exklusion bestimmten Gruppen gegenüber zu beharren. Dies ist nicht mein Glaube, nicht mein Christus- und Kirchenbild.“ kath.net dokumentierte das Statements von Bischof Bätzing in voller Länge, siehe Link.

kath.net hat daraufhin den emeritierten Präfekten der Glaubenskongregation, Gerhard Kardinal Müller, angefragt, ob er diese Worte von Bischof Bätzing einordnen möchte. Hier ist seine Antwort:

Die Kontinentale Phase der Weltsynode in Prag (8.2.2023) nutzten – wie erwartet –  die Protagonisten des deutschen Alternativ-Katholizismus, um ihre gefühlte, aber nicht bewiesene, moralisch-geistige Überlegenheit über den östlichen Traditionskatholizismus zur Schau zu stellen. Das deutschkirchliche „Anders-katholisch-Sein“ sei – wie sie sich brüsten – begründet in ihrer fortgeschrittenen Interpretation des II. Vatikanischen Konzils. Bei Bedarf dient ihnen das Konzil auch über seine authentische Lehre hinaus oder im diametralen Gegensatz zum katholischen Glaubensbekenntnis überhaupt als Steilvorlage, um das Christentum in Deutschland zum Verdunsten zu bringen (Millionenaustritte und innere Entchristlichung auch der verbliebenen Nominalkatholiken).

Man hebelt die sakramentale Verfassung der Kirche aus, indem man die Nachfolger der Apostel im Bischofsamt als Inhaber von Macht in weltlichem Sinn diskreditiert. Um den Machtmissbrauch zu verhindern, müssten die Bischöfe und der Papst ihre angemaßte Herrschaft teilen mit Laienfunktionären, selbst wenn diese den Infantizid als Menschenrecht reklamieren, als ob geteilte Macht von Menschen über Menschen ihren Missbrauch nicht eher verdoppeln als verringern würde. Das Wesen der Kirche Christi ist aber nicht Ausübung von Macht zur Steigerung des Selbstgefühls, sondern ihre Sendung zum Dienst am Heil der Menschen. Der gesamte Ansatz dieser deutschkatholischen Ekklesiologie ist falsch und suizidal, weil das Wesen und die Sendung der Kirche Christi naturalistisch von politischer Macht und ideologischem Totalitarismus her abgeleitet wird statt das Mysterium der Kirche im Licht der heilsgeschichtlichen Offenbarung des dreifaltigen Gottes zu erkennen (vgl. Lumen gentium, 1.Kap.).

Wenn ein Theologieprofessor bei dieser Versammlung dem II. Vatikanischen Konzil vorwirft, den Begriff vom Volk Gottes (im 2. Kap. von Lumen gentium) nicht volks-demokratisch oder national-romantisch weitergedacht zu haben, dann ist die Berufung auf seine Kompetenz als Neutestamentler nichts anderes als der Missbrauch von wissenschaftlicher Autorität. Die Mitwirkung aller Gläubigen am prophetischen, königlichen und priesterlichen Amt der Kirche ist sakramental in der Taufe auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes begründet und nicht in der Macht, die in einem demokratischen Rechtsstaat vom Volke aus geht. Wenn der Dienst der Bischöfe, Priester und Diakone als Wirken zum Heils der Menschen in der Autorität Christi begründet ist und im Geist des guten Hirten ausgeübt wird, dann ist auch der konstruierte Gegensatz zwischen „Priestern und Laien“ nichts weiter als eine durchschaubare Strategie, um sich selbst die Verfügungsgewalt über die geistlichen und vor allem materiellen Ressourcen der kirchlichen Institutionen anzueignen. Die Berufung auf die Stimme des Volkes (den volonté generale) war in der Geschichte durchaus ambivalent. Das Volk von Athen hat sich oft an seinen Philosophen vergriffen und Sokrates demokratisch zum Tode verurteilt. Das Volk Gottes hat wiederholt gegen den Herrn gemurrt und die Rote Korach gegen Mose und Aaron den Auftstand geprobt (Numeri 16). Schließlich konnte Pilatus Jesus zynisch ins Gesicht sagen: „Dein Volk und die Hohenpriester haben dich an mich ausgeliefert“ (Joh 18, 35). Das messianische Volk Gottes im Neuen Bund zeichnet sich dagegen dadurch aus, dass alle Gläubigen auf Gottes Wort (und nicht auf die Weisen und Potentaten dieser Welt) hören, insofern sie gemeinsam teilhaben am Priesterum Christi und die geweihten Bischöfe und Presbyter das priesterliche Volk in der Person Christi, des Hauptes der Kirche, heiligen, leiten und lehren (vgl. Lumen gentium 10; 21).

Den größten Vogel schoss in Prag allerdings der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz ab, der sich von dem „Ruf nach Klarheit“ in der Verkündigung des geoffenbarten Glaubens und der überlieferten Lehre der Apostel (Apg 2, 42) und dem Apostolischen Glauben der Kirche „verstört fühlte“, so als ob die Worte des Apostels an seinen Mitarbeiter und Nachfolger nicht auch den Bischöfen gelten: „Ich beschwöre dich bei Gott und bei Christus Jesus... Verkünde das Wort, tritt auf gelegen oder ungelegen, überführe, weise zurecht, ermahne in aller Geduld und Belehrung: Denn es wird eine Zeit kommen, in der man sich die gesunde Lehre nicht erträgt, sondern sich nach eigenen Begierden Lehrer sucht, um sich die Ohren zu kitzeln; man wird sich von der Wahrheit abwenden, sich dagegen Fabeleien zuwenden.“ (2 Timotheus 4, 1-4).

Vollmundig wird der christliche Glaube zur „Religion der Freiheit und Erlösung“ erklärt im Gegensatz zur „Fixierung auf die Sünden“, als ob an unserem „Diener des Wortes und der Lehre“ (Lk 1,2; 1 Tim 5, 17) das apostolische Urbekenntnis vorbeigegangen wäre: „Christus ist für unsere Sünden gestorben“ (1 Kor 15, 3). Also wissen wir doch: „Unser alter Mensch wurde mit Christus gekreuzigt, damit der von der Sünde beherrschte Leib vernichtet werde, sodass wir nicht mehr Sklaven der Sünde sind.“ ( Röm 6, 6). Und die „Berufung zur Freiheit“ ist verbunden mit der Ermahnung „die Freiheit nicht zum Vorwand für die Sünde zu nehmen, damit wir, die Getauften, im Geist Gottes wandeln und nicht das Begehren des Fleisches (z.B. Unzucht, Unreinheit, Parteiungen, Spaltungen) erfüllen“ (vgl. Gal 5,1. 13-25).

Die jeder naturwissenschaftlichen, philosophischen und theologischen Anthropologie widersprechenden HS- und Gender-Ideologien haben im „andersseienden“ Katholizismus der Deutschsynodalen Sekte die Hermeneutik des katholischen Glaubens ersetzt. Der übernatürliche und heilschaffende Glaube kommt jedoch vom Hören des Wortes Gottes und „nicht aus dem Blut und dem Willen des Fleisches“ ( Joh 1, 13) oder der Stimme des Volkes und seiner Tribune. Die „Glaubens- und Morallehre der Kirche“ ist die vollständige und wahre Wiedergabe der Selbst-Offenbarung Gottes mittels der Heiligen Schrift und der Apostolischen Überlieferung unter der Leitung des Lehramtes der Bischöfe und des römischen Papstes (vgl. II. Vatikanum, Dei verbum 1-10).

Menschen mit erotischen Tendenzen zu Personen des eigenen Geschlechtes bedürfen nicht der scheinheiligen Inklusionsgebärden von Bischöfen und Kardinälen, die sich nicht mehr als treue Diener des Wortes Gottes, sondern mehr als Vertreter von Transhumanistenlobby verstehen, weil sie wie alle Menschen aus Gottes Liebe geschaffen und im Blut Christi von ihren Sünden erlöst sind. Christus ist gekommen, um die Sünder zu retten und sie durch Reue und Umkehr auf den Weg des Heiles zu führen. Mit Hilfe der Gnade Gottes ist es möglich, die Gebote Gottes zu erfüllen, die ungeordneten Neigungen zu besiegen, die Sünde zu meiden und das natürliche und übernatürlich Gute zu tun.

Christus ist nicht gekommen, um die Sünde mit Berufung auf die Liebe Gottes wegzuinterpretieren und zu bagatellisieren, sondern um ihren tödlichen Stachel aus unserem todgeweihten Sein zu ziehen und um uns ein Leben „in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit“ in der Nachfolge Christi zu ermöglichen (vgl. Eph 4, 24). „Wenn wir sagen, dass wir nicht gesündigt haben, machen wir ihn zum Lügner und sein Wort ist nicht in uns. …Wenn aber einer sündigt, haben wir einen Beistand beim Vater: Jesus Christus, den Gerechten. Er ist die Sühne für unsere Sünden, aber nicht nur für unsere Sünden, sondern auch für die der ganzen Welt.“ (1 Joh 1,10: 2, 1f).

Ein Bischof, der wider die Natur seines Amtes die gottentfremdende und selbstzerstörerische Macht der Sünde leugnet, um dadurch „die Kirche angreifbar zu machen und sie (ihrem Wesen und ihrer Sendung nach) als veränderlich darzustellen“, hat das Geheimnis der Erlösung von der Sünde (und eben nicht zur Sünde) nicht begriffen und seinen Beruf verfehlt als Nachfolger der Apostel, nämlich im Heiligen Geist den Menschen ihre Sünden zu vergeben kraft der Sendung Christi vom Vater (vgl. Joh 20, 21).

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Gründe für die „erheblichen Spannungen“, die der Co-Vorsitzende des Deutschsynodalen Weges in der katholischen Kirche wahrnimmt, nicht in kulturellen Ungleichzeitigkeiten der Völker begründet sind, sondern im häretischen Widerspruch zur katholischen Glaubenslehre von „Christus, dem Licht der Völker, dessen Herrlichkeit auf dem Antlitz der Kirche widerscheint, indem sie das Evangelium allen Geschöpfen verkündet“ (II. Vatikanum, Lumen gentium 1).

Diese erschütternde Analyse bestätigt er höchstselbst, indem er – im Einklang mit dem weder lehramtlich kompetenten noch kirchenrechtlich legitimierten Synodalen Weg, aber in eklatantem Widerspruch zur Lehre vom Wesen und der universalen Sendung der Kirche Christi in der „Dogmatischen Konstitution über die Kirche“ (II. Vatikanum, Lumen gentium 1-10) feststellt: „Das ist nicht mein Glaube, nicht mein Christus- und Kirchenbild.“

Damit ist der Widerspruch zum katholischen Glauben auf den Punkt gebracht. Katholisches Christsein unterscheidet sich gerade von der alt- und erst recht liberal-protestantischen Hermeneutik darin, dass der Glaubensbekenntnis nicht im subjektiven Urteil gründet. Der katholische Glaube gründet vielmehr objektiv im Wort Gottes, der im Bekenntnis der sichtbaren Kirche sich selbst zum Prinzip und Inhalt der vernünftigen und freien Selbstüberantwortung des Menschen an den – sich in seinem Sohn Jesus Christus und im Heiligen Geist – offenbarenden Gott gemacht hat. Somit ist der einzelne Christ in Gemeinschaft mit der ganzen Kirche durch den Gott-Menschen Jesus Christus vermittelt in die Unmittelbarkeit zu Gott in Gnade und Wahrheit (vgl. Dei verbum 5).

Die Gläubigen sind in Glaubens- und Sittenfragen (und abgeleitet davon auch in der kirchlichen Disziplin) den Bischöfen gegenüber zu „religiösem Gehorsam“ nur dann verpflichtet (vgl. II. Vatikanum, Lumen gentium 25), wenn die Vertreter des Lehramtes (= die Bischöfe in Gemeinschaft mit dem römischen Papst) diese Wahrheit auch wirklich anerkennen und in ihrem Handeln befolgen: „Das Lehramt ist nicht über dem Wort Gottes, sondern dient ihm, indem es nichts lehrt, als was überliefert ist, weil es das Wort Gottes aus göttlichem Auftrag mit dem Beistand des Heiligen Geistes voll Ehrfurcht hört, heilig bewahrt und treu auslegt und weil es alles, was es als von Gott geoffenbart zu glauben vorlegt, aus diesem einen Schatz des Glaubens schöpft.“ (Dei verbum 10).

Archivfoto: Kardinal Müller im Presseraum des Vatikans (c) Michael Hesemann


© 2023 www.kath.net