Ein „Desaster“ – Die Kirche nach dem Tod Benedikts XVI.

30. Jänner 2023 in Kommentar


„Nach Benedikts Rücktritt ist Kirche in ihrem Inneren erodiert… Reformkräfte drohen sie an allen Enden auseinanderzureißen“ – „Der deutsche Episkopat befindet sich inzwischen großteils in einem Zustand offener Apostasie“ - Von Joachim Heimerl


Vatikan-Linz (kath.net/joh) Einen Monat ist es her, dass Benedikt XVI. verstorben ist, und ohne Zweifel ist sein Tod ebenso eine Zäsur, wie es bereits sein Amtsverzicht 2013 war.

Gewiss, Benedikt war zum Zeitpunkt seines Todes nicht mehr Papst, aber er war eben doch eine Symbolfigur mit großer Strahlkraft und geistlicher Autorität.

Benedikt stand für die unveränderlichen Wahrheiten des geoffenbarten Glaubens und für eine Kirche in der apostolischen Tradition. Das sollte im Grunde selbstverständlich sein, aber nach Benedikts Amtsverzicht ist die Kirche in ihrem Inneren erodiert. Sie ist keineswegs ein „Lazarett“ geworden, wie sich dies sein Nachfolger Franziskus gewünscht hat, sondern ein Kampfplatz: Reformkräfte drohen sie an allen Enden auseinanderzureißen. Nach Benedikts Tod wird dies deutlicher als je zuvor.

Wie so oft, zeigt sich dies vor allem in Deutschland: An dem, was der deutsche Papst seinen Landsleuten zu sagen gehabt hätte, hat man sich dort noch nie orientiert; die lauwarmen und zumeist kritischen Nachrufe bestätigten dies.

Darüber hinaus befindet sich der deutsche Episkopat inzwischen großteils in einem Zustand offener Apostasie. Nach und nach errichten Bischöfe und Laienfunktionäre eine „deutsche Kirche“, die auf den Irrtümern des „Synodalen Weges“ fußt und ein Schisma unvermeidbar macht. Offensichtlich hat man in Deutschland aufgehört, „römisch-katholisch“ zu sein – und genau dies bezeichnet man dort als „synodal“.

Mit diesem Stichwort steht uns zugleich die gegenwärtige Misere der Weltkirche vor Augen; die wurde zuletzt besonders deutlich, als kurz nach Benedikt XVI. der australische Kardinal George Pell verstarb.

Pell bezeichnete in einem posthum erschienen Artikel die von Papst Franziskus einberufene Weltsynode als „toxischen Alptraum“ und brachte damit das Dilemma der Synode auf den Punkt: Längst haben sich ihrer Freigeister bemächtigt, um die Kirche umzukrempeln, ja sie zu zerstören. Pell hat dies klar erkannt und ausdrücklich Kardinal Jean-Claude Hollerich (Luxemburg), den Generalrelator der Weltsynode, dafür verantwortlich gemacht: Er warf ihm Häresie vor.

Das Arbeitspapier der Synode mit dem Titel „Mach den Raum deines Zeltes weit“ nannte Pell darüber hinaus „eines der unverständlichsten Dokumente, das je aus Rom verschickt wurde“. Es sei „in erheblichem Maße feindselig gegenüber der apostolischen Tradition“ und erkenne „nirgendwo das Neue Testament als das Wort Gottes an, das für alle Lehren über Glauben und Moral maßgebend ist“. Ebenso werde das Alte Testament ignoriert, darunter die Zehn Gebote. Stattdessen enthalte das Dokument Einflüsse des Relativismus, des Marxismus und des „New Age“; im Grunde sitze es einer freimaurerischen Anthropologie auf.

Pells Äußerungen machten Furore; bekanntlich erregt nichts größeren Anstoß als die Wahrheit; da macht die Kirche keine Ausnahme.

Dementsprechend zeigte sich der Leiter des Synodensekretariats, Kardinal Grech, darüber verärgert, dass die Weltsynode von weiten Teilen des Klerus vehement bekämpft werde. In der Tat ist der Widerstand groß und nach allem, was Kardinal Pell festgestellt hat, ist er auch nur allzu berechtigt.

Im Gegensatz zum „Synodalen Weg“ in Deutschland versteht sich die Weltsynode allerdings als „geistlicher Prozess“, und nach dem Willen des Papstes mag sie das durchaus sein. Zurecht mahnt Franziskus die Wichtigkeit des Gebetes und der Unterscheidung der Geister an, soll eine Synode gelingen.

Allerdings hat dies auch eine dunkle Seite, derer sich die Reformkreise um Hollerich und Grech bedienen: Der Umsturz in der Kirche wird nun kurzerhand „spiritualisiert“; dazu passt es, dass die offiziellen Exerzitien zum Auftakt der Synode von einem umstrittenen Dominikaner gehalten werden: Pater Thimothy Radcliff liegt ganz auf der Linie Hollerichs und hält beispielsweise homosexuelle Beziehungen für einen „Ausdruck der Selbsthingabe Christi“ und damit für ein „eucharistisches“ Zeichen. Das ist nicht nur das Gegenteil dessen, was die Kirche lehrt; es ist ein Zerrbild des Katholischen und eine Vorahnung davon, worauf Hollerich hinaus will. Als „Frucht des Heiligen Geistes“ lässt sich bekanntlich vieles ausgeben, allerdings nichts, das dem bisherigen Lehramt widerspricht. Daran ändern auch das Gebet, ein schräger Exerzitienmeister und die Unterscheidung der Geister nichts, denn der Geist Gottes hat durch die Überlieferung endgültig gesprochen. Eine weitere „Unterscheidung“ ist nicht nur unnötig, sie ist sogar unmöglich.

Mit einem Wort: Die Weltsynode hat wie der deutsche „Synodale Weg“ schismatisches Potenzial: Würden sich die Reformer um Hollerich durchsetzen, würden sie den Felsen Petri spalten.

Unter Benedikt XVI. wäre dies unvorstellbar gewesen. Während er aber als „Diener der Wahrheit“ und Lehrer der Kirche schon jetzt in die Geschichte eingegangen ist, sieht sich Franziskus, wie er selbst sagt, einer großen innerkirchlichen Opposition ausgesetzt: Rechtgläubige sehen durch ihn die Kirche bedroht, Modernisten zeigen sich von einem „fehlenden Reformwillen“ des Papstes enttäuscht. Auf dem Stuhl Petri sitzt Franziskus so fast zwischen allen Stühlen: sein Pontifikat ist sicher mehr als jedes andere von heftigen Kontroversen geprägt. Der Vatikan-Journalist Marco Politi sprach diesbezüglich zuletzt von einem regelrechten „Bürgerkrieg“ innerhalb der Kirche.

Dass all dies problematisch ist, ist klar, und wieder war es Kardinal Pell, der dafür deutliche Worte gefunden hat: Wie erst jetzt bekannt wurde, war er der Verfasser einer anonymen Denkschrift, die bereits 2022 an das Kardinalskollegium gerichtet war. Pell analysierte darin die Problematik des gegenwärtigen Pontifikats, das er zusammenfassend als „Desaster“ bezeichnete.

Spätestens nach dem Tode Benedikts XVI. treten die Verwerfungen innerhalb der Kirche nun noch deutlicher hervor.

Der Autor Dr. Joachim Heimerl (siehe Link) ist Priester und Oberstudienrat.


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