„Sind die Offenen Briefe von Maria 1.0 eine Unsitte und die von Maria 2.0 keine?“

1. September 2022 in Kommentar


Björn Odendahls Standpunkt zu „Offenen Briefen aus konservativen Kreisen“ erntet auf Facebookseite des „offiziell inoffiziellen“ Portals der katholischen Kirche in Deutschland neben Zustimmung auch profilierte Kritik. Blütenlese von Petra Lorleberg


Bonn (kath.net/pl) „In jüngster Zeit sprießen ... vermehrt auch in kirchlichen Kreisen solche Briefe aus dem Boden: Die nordischen und polnischen Bischöfe kritisieren den Synodalen Weg, über 70 Bischöfe und Kardinäle aus Amerika und Afrika fürchten aufgrund des Reformprozesses gar das Schisma und ‚Maria 1.0‘ fordert den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz öffentlich auf, die Zusammenarbeit mit der ZdK-Präsidentin wegen deren Aussagen zum Thema Abtreibung zu beenden.“ So schildert der Redaktionsleiter von katholisch.de, Björn Odendahl, seine Sicht der Dinge in einem Standpunkt im „offiziell inoffiziellen“ Portals der katholischen Kirche in Deutschland (zu diesem Ausdruck: siehe Link). Doch würden diese offenen Briefe „eine neue katholische Unsitte“ belegen, bei der scharfe Kritik verpackt werde „in eine vermeintlich vertrauliche und persönliche Ansprache des jeweiligen Adressaten, dann aber doch öffentlich gemacht. Natürlich aus Sorge!“ Dabei sei es aber das eigentliche Ziel „der Briefe aus konservativer Ecke“, dass die Öffentlichkeit „emotional statt inhaltlich von der Position der Verfasser überzeugt werden“ solle, nicht zuletzt deshalb, „weil die eigenen (theologischen) Argumente zum großen Teil substanzlos sind“, behauptet Odendahl. kath.net hat zu diesem Standpunkt bereits die Reaktion von Sr. Anna Mirijam Kaschner cps, der Generalsekretärin der Nordischen Bischofskonferenz (Link), veröffentlicht. Ihre Reaktion, die sie ursprünglich als Leserbrief mit der Erlaubnis zur Veröffentlichung unter vollem Namen in voller Länge bei der katholisch.de-Redaktion eingereicht hatte, war dort abgelehnt worden. Kurzes Gedankenspiel zur Einordnung dieses Vorgangs: Man möge sich einmal umkehrt vorstellen, ein offizielles Portal im Zuständigkeitsbereich der Nordischen Bischofskonferenz würde einen namentlich gezeichneten Leserbrief der DBK-Generalsekretärin Beate Gilles ablehnen...

Pro und kontra wird das Odendahl-Statement auf dem Facebook-Auftritt des „nichtoffiziellen“ Portals diskutiert, darunter findet sich profilierte Kritik von Personen, die den Eindruck erwecken, dass sie offen unter ihrem Klarnamen kommentieren. kath.net sammelte einige Reaktionen:

- „Frage an den Standpunkt-Autor: Sind die Offenen Briefe von Maria 1.0 eine Unsitte und die von Maria 2.0 keine? Wenn schon über Formen und nicht über Inhalte diskutiert wird, dann würde ich nicht zwischen verschiedenen Briefautoren unterscheiden. - Hier das jüngste Beispiel, das mir Google geliefert hat: Maria 2.0: Offener Brief vom 21.08.2022.“

- „Ich verstehe diese Kritik [Odendahls] überhaupt nicht. Der Synodale Weg hat von Anfang an seine Beratungen in englischer Sprache mit synchronisierter Live-Übertragung öffentlich gemacht – sicherlich nicht für englischsprachige Minderheiten unter deutschen Katholiken, sondern zur Verbreitung in der Weltkirche. Die Synodaler Weg-Texte wurden in englischer Sprache übersetzt. Sogar das Herder-Sonderheft steht in drei Sprachen (kostenlos) zur Verfügung. Wenn sich also weltkirchliche Stimmen zu Wort melden, dann ist das offensichtlich gewünscht. Und was das Feedback aus Deutschland angeht: Es wäre ein sonderbares Verständnis von Synodalität, wenn andere, auch kritische Rückmeldungen und Sichtweisen nicht gewünscht wären. Als Störung werden sie eher dann verstanden, wenn eine Diskussion gar nicht gewünscht ist, weil eine längst verabredete Agenda durchgezogen werden soll.“

- „In den Foren wurde unsynodal gearbeitet. Minderheitenmeinungen, die mit der geltenden kirchlichen Lehre übereinstimmten, wurden beiseite gewischt. Fromme Brocken blieben wie Findlinge auf der Almwiese stehen und dienen lediglich als Rechtfertigungsbrocken nicht mit der kirchlichen Lehre übereinstimmender Texte… Erzbischof Aquila von Denver nannte in seinem Offenen Brief einen Brief an S. E. Bischof Bätzing, den dieser nicht einmal der Beantwortung für wert hielt. Um wieviel mehr werden private Einwände an das Präsidium des SW ignoriert und nicht beantwortet. Für treue Katholiken hält der Synodale Berg lediglich die vereiste Nordflanke bereit… Ich bin froh, dass es Autoritäten wie den keinesfalls »konservativen« Kardinal Kasper gibt, die deutlich zu verstehen geben, was sie vom Synodalen Weg halten… Mir ist bis heute nicht klar, mit welcher Berechtigung ein Verband wie das »ZdK« zu solchem Einfluss über die Bischöfe kommen konnte. Der Synodale Weg hat mit seinem falschen Anspruch, die adäquate Antwort auf den Missbrauchsskandal zu sein, ein Klima der Einschüchterung, Alternativlosigkeit und Intransparenz erzeugt, die den Offenen Brief als letztes taugliches Mittel erscheinen lässt, um ein Gegengewicht zu einer angemaßten Geltungshoheit des »Kirchenrechtlichen Nullum« (Schüller) zu setzen.“

- „Der Synodale Weg hat wenigstens zu Beginn die denkbar größte Öffentlichkeit gesucht. Er kann sich öffentliche Stellungnahmen jetzt denkbar schwer verbitten.“

- „Der Kommentar von Herrn Odendahl, Redaktionsleiter von katholisch.de, ist ein Dokument dafür, wie stark die Kritik am Synodalen Weg Wirkung zeigt. Hatte man anfangs seitens der Vorsitzenden des Synodalen Wegs noch ausdrücklich dazu aufgefordert, diesbezüglich auch öffentlich Stellung zu beziehen, so werden die öffentlichen kritischen Stellungnahmen („offene Briefe“) seit neuestem als „Denunziation“ verunglimpft. Statt sich inhaltlich mit den Kritikpunkten auseinanderzusetzen, versucht man nun die Kritiker zu diskreditieren und sich in eine Art Wagenburg zurückzuziehen.“ Dabei kenne man „die überhebliche Pauschal-Behauptung, die Kritik sei theologisch ‚zum großen Teil substanzlos‘… bereits zur Genüge. Deshalb meint man offenbar, gar nicht erst argumentieren zu müssen. Dass die Kritiker ebenfalls pauschal in eine ‚konservative Ecke‘ gestellt werden, selbst wenn sie für einen ‚neuen Anfang‘ und mit dem Papst für einen anderen Reformansatz plädieren, ist man gewohnt, auch wenn es von einer etwas simplen Einordnung zeugt. Neu ist die Unterstellung niederer Beweggründe, womit man die beklagte Skandalisierung und Polarisierung selbst tatkräftig auf die Spitze treibt nach dem Motto: ‚Der größte Schuft im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant.‘ Wer derart in einem Streit kommuniziert, hat jegliches Interesse an einer sachlichen Auseinandersetzung aufgegeben, was für einen Redaktionsleiter von katholisch.de als Organ der Deutschen Bischofskonferenz erstaunlich ist… Zumindest darf ich ‚übler Schuft‘ es mir jedoch zur Ehre anrechnen, auch denjenigen großzügig mit meinen Steuern mit zu finanzieren, der mich und andere so wahrhaft brüderlich diffamiert, lieber Herr Odendahl. Dann sei mir aber zumindest dieser ‚offene Brief‘ an Sie erlaubt.“

- „Die Befürworter des Synodalen Weges äußern sich doch auch in aller Öffentlichkeit. Da beschwert sich merkwürdigerweise niemand. Übrigens geht das, was beim Synodalen Weg debattiert wird, alle Katholiken an, nicht nur die direkten Teilnehmer.“

- „...wenn ich das richtig verstanden habe, setzt auch der synodale Weg auf das Mitbestimmen in der Kirche auch auf breiterer Basis. So ist es befremdend, dass nun an der Berechtigung der Meinungsäußerungen gezweifelt wird und diese – wie könnte es denn anders sein? – vor allem als Forum der Rechtskonservativen erkannt wird. Die Parallele zur nicht-katholischen Öffentlichkeit ist kaum zu übersehen: Dort sollen auch vor allem die Konservativen einen Maulkorb verpasst bekommen. Fragwürdig!“

- „Das ist ja eine schöne Methode zur Selbstimmunisierung: wenn kritische Anmerkungen, oder Nachfragen kommen wird unredlich gehandelt, ergo, ich kann es ignorieren. Ist das die Dialogkultur der neuen deutschen Kirche?“

- „Wer sich selbst und den Synodalen Weg unumwunden als alternativlos hinstellt, hat jedes Recht verwirkt, anderen eine Emotionalisierung und einseitige Beeinflussung zu unterstellen.“

Abschließend bleibt anzumerken: Es gibt beim Synodalen Weg eine Einseitigkeit der Diskussion. Lehramts- und papsttreue Stimmen sehen sich vielfältig ausgegrenzt und zum Schweigen gebracht. Eine Reaktion auf diese Diagnose stellt beispielsweise die Initiative von Rudolf Voderholzer Regensburger Bischofs und Mitglied der Synodalversammlung, dar. Er baut die Internetseite „Synodale Beiträge“ auf mit Alternativtexten, Kommentaren und vatikanischen Stellungnahmen zu den Themen und Foren des Synodalen Weges. Es ist wohl kein Zufall, dass Odendahl in seinem Kommentar diese Internetseite nicht nennt, denn sie passt NULL in seine Argumentation, dass die „die eigenen (theologischen) Argumente“ der Kritiker „zum großen Teil substanzlos“ seien. Es bleibt die Frage, ob der Synodale Weg nicht genau das fortführt, was bei seinem Vorgänger, dem „Dialogprozess“ schon dazu geführt hatte, dass man von einem „Monologprozess“ sprach.

Doch es gibt noch etwas, das Odendahl in seinem Zerriss von „Offenen Briefen“ völlig ausblendet: Ausgerechnet Papst Franziskus selbst hatte 2019 einen ausführlichen Brief an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland geschrieben (Link). Um die Inhalte seines 30-seitigen Briefes hatte er nach eigenem Bekunden vier Wochen lang gerungen und gebetet (Link). Seitens des Synodalen Weges gab es außer der allfälligen Empörung wenig Reaktionen, in den seitdem drei Jahren hinterlässt man beim Synodalen Weg den Eindruck, man wolle diese (und andere eindeutige Reaktionen von Papst Franziskus) schnellstmöglich dem Vergessen anheim geben. Doch kommen wir zum Punkt: Auch wenn der Begriff im Schreiben des Papstes nicht wörtlich fällt, so war auch dieser Brief von Papst Franziskus an alle Katholiken in Deutschland gut erkennbar nichts anderes als ein „Offener Brief“! Ah?! Vielleicht zählt Odendahl ja auch den Brief des Papstes zu jenen Briefen der „neuen katholischen Unsitte“, bei der scharfe Kritik verpackt werde „in eine vermeintlich vertrauliche und persönliche Ansprache des jeweiligen Adressaten, dann aber doch öffentlich gemacht. Natürlich aus Sorge!“

 


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