„Was, wenn es doch kein Gerücht ist?“

17. Juni 2021 in Interview


Martin Lohmann hat mit Gastkommentar offenbar das ZdK provoziert, Vizepräsidentin Karin Kortmann antwortete ihm auf seiner Facebook-Seite und wies „Gerüchte“ zurück. kath.net sprach darüber mit dem Theologen und Medienfachmann.


Bonn (kath.net) „Ich konnte und kann und will mir eigentlich nach wie vor nicht vorstellen, dass zwei von mir so geschätzte Personen wie Thomas Sternberg und Karin Kortmann hinter den Kulissen andere gegen den Kölner Kardinal munitioniert haben sollen. Das wäre nun wirklich schäbig – und letztlich auch verräterisch. Insofern bin ich angesichts der Reaktion von Karin Kortmann schon ein wenig verwundert.“ Das erläutert Martin Lohmann im Interview mit kath.net. Wir sprachen mit dem Theologen, Kommunikationsexperten, Medienfachmann und Publizisten aus aktuellem Anlass.

kath.net: Herr Lohmann, in Ihrem Kommentar, den wir überschrieben hatten mit „Der Missbrauch des Missbrauchs ausgerechnet gegen den Missbrauchsaufklärer Woelki“, deuteten Sie an, dass man erzähle, aus der ZdK-Spitze gebe es offenbar Attacken gegen den Kölner Kardinal, weil man ihn als Kritiker des sogenannten Synodalen Wegs weg haben wolle. Frau Kortmann hat Ihnen daraufhin öffentlich geschrieben, was wir hier gerne dokumentieren. Sie selbst haben ihr wiederum öffentlich geantwortet und mögliche Vorwürfe, Ihnen ginge es nicht um die Opfer des Missbrauchs, zurückgewiesen. Was ist da los?

Martin Lohmann: Ich konnte und kann und will mir eigentlich nach wie vor nicht vorstellen, dass zwei von mir so geschätzte Personen wie Thomas Sternberg und Karin Kortmann hinter den Kulissen andere gegen den Kölner Kardinal munitioniert haben sollen. Das wäre nun wirklich schäbig – und letztlich auch verräterisch. Insofern bin ich angesichts der Reaktion von Karin Kortmann schon ein wenig verwundert.

kath.net: Warum?

Lohmann: Ich schätze Karin Kortmann, nicht zuletzt deshalb, weil wir seit Jahrzehnten eine echte Streitkultur pflegen und aushalten. Mit Fairness, mit Respekt, mit Wertschätzung. Das sollte eigentlich auch – erst recht unter Christen – normal sein. Umso mehr wundert und irritiert es mich, dass sie mir schreibt, ich solle keine Dinge von ihr behaupten, die ich nicht belegen könne. Ich hoffte, dass es diese Dinge faktisch nicht gibt, dass also das in meinem Kommentar erwähnte Gerücht jeglicher Grundlage entbehrt. Das hatte ich ja auch zum Ausdruck gebracht. Was, wenn es eben – leider – kein Gerücht oder mehr als „nur“ ein „Gerücht“ ist?

kath.net: Wissen Sie mehr?

Lohmann: Ein guter Journalist muss immer gut informiert sein, aber ein Journalist muss auch mit Vertrauen und Diskretion umzugehen verstehen und seine Quellen immer schützen. Ich habe das immer so gehalten. Und daher hoffe ich sehr, dass definitiv sichergestellt werden kann, dass diese unschönen Gerüchte sich als wirklich haltlos erweisen. Fragen Sie bei Frau Kortmann doch einmal nach, ob sie versprechen kann, dass es diese Aktionen gegen den Kölner Kardinal niemals gegeben hat!

kath.net: Gibt es anderes, das Sie an der ZdK-Reaktion verwundert?

Lohmann: Eigentlich nicht, denn da wird ja auch bestätigt, wofür man als Kritiker schon schräg angeschaut wurde, was aber wohl Fakt ist: Der Missbrauchsskandal und damit die Opfer werden genutzt für „strukturelle Veränderungen“ der Kirche. Dazu habe ich mich ja mehrfach kritisch geäußert. Auch in meiner Antwort an Karin Kortmann, die Sie gerne zitieren dürfen. Was aber wieder einmal deutlich wird, das ist doch dies: Das ZdK als eine politisierte und vielfach politisch dominierte Einrichtung scheint wirklich aus der Zeit gefallen zu sein.

kath.net: Inwiefern?

Lohmann: Wenn es früher einmal darum ging, den Katholiken eine Plattform zu geben, um in die Politik und in die Gesellschaft hinein zu wirken, ist es heute mehr eine ein wenig kompliziert zusammengestellte Gruppierung, durch die politischer und jeweiliger gesellschaftlicher Zeitgeist in die Kirche Jesu Christi gepumpt wird und man viel Anpassung an die Welt sucht. Ganz abgesehen davon, dass das Zentralkomitee nun wirklich nicht alle katholischen Christen vertritt und viel Kirchensteuergeld kostet, stellt sich besonders hier dringend die Frage nach ein notwendigen – jetzt passt das Wort auch – strukturellen Veränderung und einer am katholischen Geist ausgerichteten Reform. Ich weiß, das klingt frech und wird wohl von manchen, die selbst im ZdK einst und immer wieder für Dialog warben und werben, als unerhört und störend weggedrückt.

kath.net: Was ist denn heute aus Ihrer Sicht besonders wichtig im Blick auf das ZdK?

Lohmann: Dialog. Respekt. Toleranz. Miteinander. Christusförmigkeit. Bekenntnisbereitschaft. Empathie. Lebensschutz. Wir alle müssen neu lernen, das Verbindende zu suchen und Widerspruch auszuhalten. Ich behaupte nach wie vor, dass wir besser und enger zusammenwachsen, wenn wir uns besser und enger im Sinne der Geistführung, die ja nichts Beliebiges darstellt, am Gottessohn orientieren, ihm näher kommen und ihm treu folgen. Freiheit und Wahrheit haben einen Namen: Jesus Christus.

Die Kirche, also wir alle, sind für die Welt, nicht aber von der Welt. Das ist ein großer, anspruchsvoller Auftrag, der heutzutage äußerst schwierig ist angesichts einer Welt voller Sexting und Mobbing, angesichts von böswilliger Cancel Culture und der Wiederbelebung der überwunden gedachten Kontaktschuld.

Es geht eben nicht zuerst um strukturelle Veränderungen, sondern letztlich immer um persönliche Glaubwürdigkeit. Und dabei kann zum Beispiel das Erkennen, Befolgen und Leben der – jetzt nenne ich das mal so – strukturellen Sexuallehre der Kirche helfen. Jeder und jedem einzelnen. Diese Reform, die sich also letztlich an der Urform der Kirche, an Jesus Christus, ausrichtet, würde helfen und schützen.

kath.net: Dennoch wird immer wieder von denen, die nach Ihrer Ansicht nicht zuletzt eine – um Ihre Wortschöpfung aufzugreifen – Deform der Kirche suchen, betont, es gehe ihnen vor allem um die Opfer des Missbrauchs.

Lohmann: Das ist ja auch richtig: Es muss wirklich alles getan werden, um den Opfern dieser schrecklichen Verbrechen derer, die sich an keine Regeln der Verantwortung und der Moral gehalten haben, zu helfen, sie zu schützen und die Täter zu bestrafen. Da gibt es für mich keinen Zweifel.

Aber es muss eben, weil man nicht kurzsichtig und geblendet sein darf, auch alles getan werden, um künftige Opfer zu vermeiden. Da helfen dann nur Klarheit und Ordnung, nicht zuletzt gelehrte und gelernte Enthaltsamkeit, was zugegebenermaßen in einer sexualisierten Welt, die etwas ganz anderes laut und bunt predigt, nicht einfach ist.

Aber was bitteschön hindert eigentlich Christen daran, hier Mut zu zeigen und Zeichen des Widerspruchs zu sein? Ganz ehrlich: Diese Welt braucht das dringend.

kath.net: Frau Kortmann wirft Ihnen eigentlich vor, dass es Ihnen nicht wirklich um die Opfer gehe. Sie wünscht Ihnen einen weiten Blick.

Lohmann: Das ist etwas merkwürdig, denn den darin enthaltenen Vorwurf, ich würde meinen Blick nicht auf die Opfer richten, muss ich schon aus Gründen der Fairness vollumfänglich zurückweisen. Vielleicht hat Karin Kortmann da einfach viele meiner Wortmeldungen übersehen und überhört.

Den Wunsch nach einem weiten Blick finde ich grundsätzlich aber gut, nehme ich gerne an und hoffe, dass diese Begabung und diese Einladung uns alle verbindet. Jedenfalls wünsche ich den Funktionären des ZdK auch immer wieder den Mut zur Blickerweiterung.

Das kann uns allen, wenn wir es mit Aufrichtigkeit und Neugier verknüpfen, nur gut tun. Ich bin und bleibe ein Anhänger des Dialogs und der Fairness. Auch und gerade gegenüber einem Kardinal, der sich das katholische Selberdenken leistet und die Kirche Jesu Christi nicht einfach dem Zeitgeist anpassen und zurechtbiegen lassen möchte. Ach ja, was mir noch wichtig ist: Ich freue mich auf das nächste Gespräch, die nächste Begegnung mit Karin Kortmann – in alter Freundschaft.

Archivfoto Martin Lohmann (c) Lohmann Media

Foto: Screenshot zur Dokumentation - Ausschnitt aus einem öffentlichen Dialog auf der Facebook-Seite von Martin Lohmann


© 2021 www.kath.net