Kardinal Schönborn und die Legende von der ‚Homo-Madonna’

4. Dezember 2019 in Österreich


Bei der AIDS-Benefizveranstaltung im Wiener Stephansdom wurde ein Text über die angebliche wundersame Rettung zweier Homosexueller vorgetragen.


Wien (kath.net/jg)
Laut einem Artikel der österreichischen Tageszeitung Die Presse hat Christoph Kardinal Schönborn, der Erzbischof von Wien, bei der AIDS-Benefizveranstaltung „Believe Together“ bei seinen Begrüßungsworten einen Bericht von einem angeblichen Wunder angekündigt, bei dem die Madonna von Montevergine (Süditalien) ein homosexuelles Paar gerettet haben soll.

Es sei ein „Wunder, das mich sehr berührt hat. Ich hoffe, es wird Sie auch berühren“, zitiert ihn Die Presse. Einer der Programmpunkte des Benefizabends war die Erzählung „Das Wunder von Montevergine“, vorgetragen von der bekannten österreichischen Moderatorin und Schauspielerin Chris Lohner.

Laut einer Überlieferung seien im Winter 1256 zwei Männer dabei beobachtet worden, wie sie händchenhaltend und küssend zu einer Andacht unterwegs waren. Die aufgebrachte Menge habe sie ausgezogen, verprügelt, in einem Wald in der Nähe des Schreins der Madonna von Montevergine an einen Baum gefesselt und ihrem Schicksal überlassen worden. Die Madonna habe die beiden vor dem Erfrieren gerettet, indem sie die Sonne habe scheinen lassen und sie auf wunderbare Weise befreit habe. Die Menschen seien durch das Wunder so bewegt gewesen, dass sie die beiden wieder in die Gemeinschaft aufgenommen hätten, berichtet die Legende. Die Madonna von Montevergine gelte seither als „Schutzheilige der Homo- und Transsexuellen“. Jedes Jahr zu Maria Lichtmess (2. Februar) würden diese eine Pilgerfahrt zu dem Schrein veranstalten, der sich etwa sechzig Kilometer östlich von Neapel befindet, berichtet Die Presse.

Der von Chris Lohner vorgetragene Text stammt von Janina Lebiszczak. Lebiszczak ist eine österreichische Autorin und Journalistin, die unter anderem für das Magazin des „Life Ball“ gearbeitet hat. 2010 hat sie ein Buch mit dem Titel „Pandoras Box: Bekenntnisse einer Erotomanin“ veröffentlicht.

Der Text erinnert – zumindest in der Wiedergabe in der Presse – in Aufbau und Struktur sehr stark an Abschnitte eines Artikels über die Madonna von Montevergine der „lesbischen christlichen“ Autorin Kittredge Cherry, den diese auf dem Blog Q Spirit veröffentlicht hat.

Tatsächlich gibt es jedes Jahr zu Maria Lichtmess eine Art „LGBT-Wallfahrt“ zum Schrein der Madonna von Montevergine. Diese hat ihren Ursprung in der so genannten „juta dei femminielli“, dem „Aufstieg der femminielli“. Die femminielli sind eine Besonderheit der Stadt Neapel. Sie sind homosexuelle Männer, die weibliche Namen annehmen und sich wie Frauen kleiden. Sie leben meist von der Prostitution. Die Tradition der femminielli reicht Jahrhunderte zurück.

2002 kam es bei der Wallfahrt der femminielli zu einem Eklat. Tarcisio Nazzaro, der damalige Abt der Territorialabtei Montevergine, welches die Madonna von Montevergine beherbergt, war durch die lauten Gebete und Gesänge der femminielli gestört, die traditionell mit Trommeln und Tamburinen unterwegs sind. Laut einem Bericht von La Repubblica warf er ihnen vor, sie würden den Tempel Gottes entweihen. Sie seien wie die Geldwechsler im Tempel von Jerusalem und seien nicht erwünscht. Bei der Wallfahrt war „Vladimir Luxuria“ (bürgerlicher Name Wladimiro Guadagno, „luxuria“ ist die lateinische Bezeichnung für Wollust, Anm. d. R.) anwesend, ein Transvestit, LGBT-Aktivist und späterer Parlamentsabgeordneter der von der Kommunistischen Partei abgespaltenen Partito della Rifundazione Comunista. Der Zwischenfall machte landesweit Schlagzeilen und mobilisierte die Schwulenbewegung. Seit damals nehmen Angehörige der Schwulenbewegung an der Wallfahrt teil, berichtet LifeSiteNews.

Die femminielli und deren Wallfahrt dürften ihre Wurzeln in vorchristlichen, heidnischen Riten haben. In der Antike befand sich an dem Ort an dem jetzt die Territorialabtei der Benediktiner ein Heiligtum der Großen Göttermutter Kybele. Deren Priester waren bereit, sich rituell zu kastrieren um mit neuer Identität „wiedergeboren“ zu werden. Sie kleideten sich wie Frauen und trugen leuchtende Farben wie Gelb, Orange und Pink. Ihre Rituale und Prozessionen enthielten oft von Trommeln und Flöten begleitete Tänze, mit denen sie sich in eine Art orgiastischen Taumel versetzten. Solche Prozessionen führten auch auf den Berg, auf dem heute die Madonna von Montevergine verehrt wird, berichtet die Zeitung la Repubblica.

Die Legende über das „Wunder von Montevergine“ hat sich anderen Quellen zufolge um 1126 oder um 1200 abgespielt. Es gibt auch Berichte, dass die beiden Männer aus einer Stadt vertrieben und an den Baum gefesselt worden sein sollen. Die Internetseite der Territorrialabtei Montevergine erwähnt die Legende nicht. Sie ist derzeit vor allem auf atheistischen und der Schwulenbewegung nahestehenden Internetseiten zu finden.

Die Berichte sprechen nicht von einer Bekehrung der homosexuellen Männer, die angeblich von der Madonna gerettet worden sind. Vielmehr scheint sich die Einstellung derer, die die beiden zunächst töten wollten, geändert zu haben. Die Dorfgemeinschaft oder die Stadt würde sie nun ohne Bedingungen aufnehmen. So verstehen es offenbar Kittredge Cherry und Janina Lebiszczak.

Dies widerspricht der Morallehre der Kirche, die homosexuelle Handlungen stets als „in sich nicht in Ordnung“ bezeichnet hat, die „in keinem Fall zu billigen“ sind. (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2357) Der Katechismus gibt auch vor, Menschen mit homosexuellen Neigungen „mit Achtung, Mitleid und Takt zu begegnen“. (KKK2358)


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