Moraltheologe: Verhütungsmittel unter Umständen sogar geboten

22. Jänner 2018 in Weltkirche


Im Sinne von ‚Amoris laetitia’ seien die konkreten Umstände zu berücksichtigen. Falls die natürliche Empfängnisregelung nicht möglich sei, könne die Anwendung von Verhütungsmitteln die verantwortliche Entscheidung sein.


Rom (kath.net/LSN/jg)
Ein Ehepaar kann aus verantworteter Elternschaft verpflichtet sein, künstliche Verhütungsmittel zu verwenden. Das sagte der italienische Moraltheologe Maurizio Chiodi bei einem Vortrag an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom.

Chiodi lehrt Moraltheologie an der katholischen Fakultät der Universität Mailand. Im Juni 2017 wurde er an die Päpstliche Akademie für das Leben berufen. kath.net hat hier berichtet: Weitere fragwürdige Berufungen an Päpstliche Akademie für das Leben

Unter wörtlicher Bezugnahme auf das achte Kapitel des nachsynodalen Schreibens „Amoris laetitia“ vertrat er die Ansicht, es gebe Umstände, unter denen die Verwendung von Verhütungsmitteln geboten sei, wenn man verantwortlich handeln wolle. Falls „natürliche Methoden unmöglich oder unbrauchbar sind, müssen andere Wege gefunden werden“, um der Verantwortung gerecht zu werden.

Unter diesen Umständen könne die Anwendung einer künstlichen Methode der Geburtenregelung ein Ausdruck verantwortungsbewussten Handelns sein, nicht um „das Geschenk eines Kindes abzulehnen“, sondern weil das Ehepaar und die Familie zu „anderen Formen des Aufnehmens und der Gastlichkeit“ gerufen seien.

In seinem Vortrag „Humanae vitae (1968), gelesen im Licht von Amoris laetitia (2016)“ ging Chiodi auf grundlegende Fragen des Verhältnisses von Norm und Gewissen ein. Durch das Ostergeheimnis habe Jesus die Möglichkeit eröffnet, verantwortlich zu handeln. Darunter sei ein Handeln zu verstehen, das auf die Gnade antwortet, während man die Mühen der Geschichte und des Übels durchlaufe. In dieser Perspektive seien moralische Normen „nicht auf rationale Objektivität reduzierbar“. Sie gehörten „zum menschlichen Leben, verstanden als Geschichte der Erlösung und der Gnade. Die Normen bewahren das Gute und zeigen den Weg zum Guten. Aber sie sind geschichtlich“, sagte Chiodi wörtlich.

Gegen Ende seines Vortrages kam er auf „Humanae vitae“ zu sprechen. Er wolle die Anthropologie der Ehe neu durchdenken, sagte er. Die „Weisheit von Humanae vitae“ bestehe darin, die Verbindung zwischen der ehelichen Gemeinschaft und der Weitergabe des Lebens klar dargestellt zu haben. Die vorangegangenen Überlegungen seines Vortrages würden die Bedeutung der moralischen Norm von „Humanae vitae“ in neuem Licht erscheinen lassen. Sie würden es erlauben, nicht die objektive Wahrheit der Norm in den Mittelpunkt zu stellen, die dem Verstand gegenüber stehe, sagte Chiodi.

Anschließend entwickelte er seine „Anthropologie der Ehe“ anhand von vier Beziehungen: Sexualität und Verschiedenheit der Geschlechter, Sexualität und der eheliche Bund, eheliche Gemeinschaft und Fortpflanzung sowie verantwortliche Elternschaft. Diese vier Aspekte seien im Sinne von „Amoris laetitia“ als „Verheißungen des Guten“ zu verstehen, bei denen die Möglichkeit des Versagens bestehe. Daher sei auch hier nach dem Guten zu suchen, „das möglich ist“ und angesichts der verwirrenden und dramatischen Umstände des Lebens eine „absolute Gegensätzlichkeit von Gut und Böse, von weiß und schwarz“ zu vermeiden.

Zum Schluss seiner Ausführungen ging er auf die Frage der künstlichen Verhütungsmittel ein. Pius XII. und Paul VI. hätten Gründe angeführt, aus denen der Verzicht auf den Empfang eines weiteren Kindes zulässig sei. Künstliche Verhütungsmittel könnten nicht a priori ausgeschlossen werden. Über ihre Anwendung müsse anhand der Umstände entschieden werden. Wenn nun natürliche Methoden der Empfängnisverhütung nicht möglich seien, könne es unter bestimmten Voraussetzungen sogar geboten sein, künstliche Methoden anzuwenden, um der verantworteten Elternschaft zu entsprechen, sagte Chiodi.



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