'Offizielle' Jugendarbeit des BDKJ: Heute spielen wir 'Prophet'!

1. Mai 2012 in Kommentar


Beim Papstbesuch 2011 in Freiburg wurde durch Abstimmung suggeriert, die Jugendlichen stünden in Opposition zum Heiligen Vater. Zum Katholikentag 2012 legt der BDKJ nach. Ein Gastkommentar von Michael K. Hageböck


Freiburg (kath.net) Wir erinnern uns: Am 24.9.2011 warteten Jugendliche auf dem Freiburger Messegelände auf die Vigil mit dem Heiligen Vater. Von den Organisatoren hatten sie aufblasbare Sticks bekommen, die einer inszenierten Abstimmung gegen die Kirche dienten, kath.net hat berichtet. Später wiesen die Verantwortlichen jede Verantwortung von sich und wiegelten ab: Der Skandal habe nur im Rahmenprogramm stattgefunden, welches von Sprechern des Pop-Senders SWR3 moderiert wurde. Die Frage blieb: Kommt so etwas noch einmal in die Tüte?

Freiburg nutzt die nächstbeste Gelegenheit, den Katholikentag 2012 in Mannheim, um erneut mit einer Abstimmung gegen Rom Stimmung zu machen. Das Projekt heißt „Samuel - wovon träumst Du?“ und stellt an Manipulation alles in den Schatten, was ein SWR3-Redakteur je bieten könnte. Verantwortlich zeichnet der BDKJ Diözesanverband Freiburg.

Zunächst scheint es nur um eine harmlose online-Meinungsumfrage zu gehen. Was hältst Du von: Zölibat, Kommunionempfang geschiedener Wiederliierter, Frauenpriestertum, Papst als Vorbild, Primat Roms in Lehrfragen, Attraktivität von Liturgie und Orgelmusik, mehr Mitbestimmung für Laien in der Kirche, Interkonfessionalität? Spätestens beim letzten Punkt der online Erhebung müsste es „Klick“ machen: „Gelebte Homosexualität ist Sünde“ - ja - nein - keine Meinung? Déjà-vu: Hat Freiburg nichts aus der Jugendvigil gelernt? Waren alle Entschuldigungen nur geheucheltes Pflichtprogramm?

Man fragt sich, ob es sich hier wirklich um eine Abstimmung handelt oder ob vielmehr der Glaube von vornhinein in Frage gestellt wird. Braucht die Kirche tatsächlich das „Projekt Samuel“? Warum vertrauen die Initiatoren der Unfehlbarkeit des Plebiszites, während sie gleichzeitig die Unfehlbarkeit des katholischen Lehramtes bezweifeln? Meinungsumfrage oder Meinungsmache?

Die Aktion steht unter einem Leitsatz, ein Zitat des Befreiungstheologen Dom Helder Camara: „Wenn einer allein träumt, bleibt es ein Traum. Träumen viele gemeinsam, ist es der Anfang einer neuen Wirklichkeit.“ Dazu heißt es: „In den letzten Monaten haben viele Menschen das Vertrauen in die Kirche verloren und wenden sich von ihr ab. Veränderungen und Reformen sind notwendig [...] Wir möchten die Menschen in den Jugendverbänden zum Träumen motivieren. Wie der Prophet Samuel sollen auch sie eine Vision haben. Eine Vision davon, wie Kirche gestaltet sein kann, damit sie sich in ihr zu Hause fühlen.“

Das ist eine eindeutige Botschaft: Jugendliche würden sich in der Kirche nicht wohlfühlen, weil es einen Reformstau gäbe. Dies sei auch der Grund, wieso Menschen ihr Vertrauen in die Kirche verloren hätten. Um Veränderungen zu erwirken, bedürfe es einer neuen Generation, die gegen den Papst rebelliert: „Unbequem sein, auf Gott hören und sich nicht zum Schweigen bringen lassen, auch nicht von den Großen und Mächtigen. Samuel wurde als Jugendlicher berufen [...] Auch wenn Gott uns nicht im Schlaf ruft [...] Alle sind dazu berufen, an der Kirche mitzubauen und sie auch durch eine furchtlose Kritik voranzubringen – so wie Samuel, der junge Prophet.“

Biblische Bezüge werden vom BDKJ für die eigene Propaganda skrupellos umgedeutet. Kirchenaustritte, die der verweltlichte Verband womöglich mit zu verantworten hat, müssen als Argument herhalten, um ein Projekt gegen den Heiligen Vater zu rechtfertigen. Der Katholikentag wird als Anlass missbraucht, um Hass gegen den Glauben zu schüren.

Bei aller Fragerei vermisst man selbstkritische Fragen: Ist der BDKJ noch katholisch? Wie sieht es mit der Mitglieder-Entwicklung dieses Verbandes aus? Würde es ihn ohne die Gelder der Kirche (die sie so angreifen) überhaupt noch geben? Warum verteidigt der BDKJ mit Zähnen und Klauen sein Monopol für katholische Jugendarbeit und sorgt systematisch dafür, dass jene Verbände, die tatsächlich katholische Jugendarbeit leisten, bei offiziellen Veranstaltungen nur Zaungäste bleiben? Wieso sind ausgerechnet jene, die immer Mitsprache fordern, die ersten, die ausgrenzen? Weshalb meint der BDKJ, die Unbequemen anzusprechen, obgleich in seinen Reihen vorwiegend Mitläufer übrig blieben - und ein Haufen Unkritischer, die nicht einmal reflektieren, inwiefern man einer Online-Abstimmung vertrauen darf, deren Administrator niemandem Rechenschaft schuldig ist?

„Projekt Samuel: Wovon träumst Du?“ Im Begleitheft steht nachzulesen, wie man Kinder für die Abstimmung präpariert. Wer mehr Demokratie in der Kirche will, muss das Abstimmungsergebnis schließlich auch sauber vorbereiten. Vorschlag eins: In der Mitte des Raums soll ein Bild des Papstes aufgestellt werden und wer mitmacht, darf sich in seiner Kirchenferne zu dem Portrait positionieren. Vorschlag zwei: Man soll seine negativen Gedanken zum Thema Kirche auf ein Kärtchen schreiben und mit einem Kieselstein in einen Kreis legen (falls nötig, werden für die Angepassten mit positiven Gedanken auch Kerzen bereit gestellt). Vorschlag drei ist eine Traumreise: Du betrittst eine Kirche, in der „ist alles so, wie du es dir immer gewünscht hast - Was riechst du? Wie fühlt es sich an? Gibt es dort Menschen? Vielleicht sogar Tiere? Bleibe noch etwas in der Kirche und genieße die Stimmung an diesem Ort.“

Mit diesen drei Methoden sollen Kinder indoktriniert werden. In allen drei Fällen fragt sich der unvoreingenommene Leser, ob vielleicht der Tatbestand des Kindesmissbrauchs vorliegt. Immerhin geht es um eine offizielle Handreichung eines Diözesan-Verbandes. Nebenbei bemerkt sind Traumreisen an Schulen längst verboten.

Bei Jugendlichen wird das „Projekt Samuel“ anspruchsvoller. Sie müssen einen vom BDKJ selbstgestrickten Aufsatz zum Kirchenbild des zweiten vatikanischen Konzils durcharbeiten, der die sinnige Überschrift „Texte mich zu“ trägt. Außerdem werden sie genötigt, Plakate für eine Demonstration „So soll Kirche sein!“ zu entwerfen. Drittens darf im Internet recherchiert werden, ob das Kirchenbild vom Opus Dei, der Piusbruderschaft oder kath.net sympathisch ist. Alternativ können „katholische und nichtkatholische“ Gotteshäuser besucht, verglichen und gemalt werden. Als letztes schlägt das Begleitheft vor, Boote zu basteln und deren Segel mit einem Namen zu versehen, etwa von „Papst Benedikt, Martin Luther, Mutter Theresa“ oder der „Gemeindereferentin“. Bevor das Gefährt zu Wasser gelassen wird, soll man noch einen Satz drauf schreiben, den man mit der gewählten Person assoziiert.

Die Einfalt dieser Einfälle ist bestechend. Fast meint man, da sei jemand über das Kuckucksnest geflogen. Doch keinesfalls sollen nur Kinder und Jugendliche auf das korrekte Abstimmungsverhalten hin konditioniert werden, sondern auch die Masse des BDKJ, nämlich die in ihre Jahre gekommenen Funktionäre. Für sie liefert das Begleitheft zum Projekt auch Methodenbausteine für Konferenzen und Gottesdienste - optisch passend in grauer und lila Farbe unterlegt.

Bei so viel Engagement werden die Zahlen schon stimmen, wenn am Katholikentag in Mannheim das Abstimmungsergebnis bekannt gegeben wird. Immerhin steht die Samuel-Seite bereits über ein Jahr online und konnte stolze 274 „gefällt mir“ Stimmen bei facebook sammeln. Damit ist sichergestellt, dass zumindest ein Teil der hauptamtlichen BDKJler ihr Votum abgegeben hat. Ist das nicht auch ein aussagekräftiges Ergebnis?

Für alle Neugierigen hat der BDKJ jetzt ein Positionspapier mit dem Titel „Unsere Kirche“ herausgegeben, das vorwegnimmt, was am Katholikentag als Ergebnis der Abstimmung präsentiert werden soll. Zwei Bonmots vorab:

1. „In unserer Kirche können alle Menschen ihre Berufung leben: Männer und Frauen, als Laie, als Priester, als Priesterin. In unserer Kirche reden wir mit: Wir sind getauft, viele von uns sind gefirmt – und deshalb sind wir auch dazu berufen, uns einzubringen.“ Laien sollen sogar „als Seelsorgende Gemeindeleitung wahrnehmen“.

2. „Mit der Sexualmoral der Kirche können junge Menschen nichts anfangen: Sie wird als weltfremd und von Angst und Enge beherrscht empfunden. Verhütung ist für junge Menschen nicht Sünde, sondern Verantwortung für den Partner oder die Partnerin. Einvernehmlicher, verantwortungsvoller Sex vor der Ehe und Homosexualität ist für sie nicht Sünde, sondern Liebe. Die Kirche stellt sich mit ihrer Sexuallehre selbst ins Aus: Was sie Gutes, Wahres und Hilfreiches zu sagen hat, geht unter in weltfremden Verboten, die nichts mit der Lebenswelt junger Menschen zu tun haben“.

Vielleicht sollte man mal die Initiatoren von Projekt Samuel fragen: Wovon träumst Du? Tatsächlich muss man heute um einen Propheten wie Samuel beten, der nicht schlafen kann, weil im Haus Gottes Missbrauch getrieben wird (1 Samuel 2-3).


KATH.NET hat das Erzbistum Freiburg am 24.4. um eine Stellungnahme ersucht und bisher keine Antwort erhalten. Wir berichten weiter.

KATHPEDIA: Erzbischof Zollitsch

Kontakt Erzbischof Zollitsch: [email protected]

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