Küng: 'Die Kirche wird sich nie mit einer Fristenregelung abfinden'

27. Dezember 2004 in Interview


KATH.NET-Exklusiv-Interview mit Bischof Klaus Küng: "Veränderung der Gesetzeslage ist erstrebenswert" - "Die Bemühungen der Bischöfe in den USA scheinen mir beispielhaft - Einrichtung eines eigenen Lebensschutzbüros überlegenswert."


St. Pölten (www.kath.net)
Nach Kardinal Christoph Schönborn hat am Montag auch "Familien"-Bischof Klaus Küng von St. Pölten im KATH.NET-Exklusivinterview zum Thema Abtreibung und Lebensschutz Stellung genommen:

KATH.NET: In der Salzburg Abtreibungsdiskussion haben verschiedenePro-Life-Gruppen mit zum Teil sehr kreativen Protestaktionen (Cartoon,'Schuhe für Gabi') auf das Anliegen aufmerksam gemacht. Was sagen Sie alszuständiger "Familienbischof" dazu? Unterstützt die Kirche die zumeistjungendlichen Pro-Life-Aktivisten?

KÜNG: In all den vergangenen Jahren haben wir Bischöfe die Entwicklung vonLebensrechtsgruppierungen unterstützt und mit Freude begrüßt, dass sich auchviele junge Menschen in diesem wichtigen Anliegen engagieren. Es hat dabei auch die eine oder andere Initiative gegeben, über deren Angebrachtheit undWirksamkeit man unterschiedlicher Meinung sein kann. Vor allem sindschädliche Polarisierungen und unnötige Emotionalisierungen zu vermeiden.

KATH.NET: Am 1. Jänner wird es in Österreich "30 Jahre Fristenregelung"geben. Hat die Kirche überhaupt noch ein Interesse, dass ein Gesetz, welchesungeborene Kinder zum Töten freigibt, revidiert wird? Ist die Katholische Kirche gegen die Fristenregelung?

KÜNG: Die Kirche wird sich nie mit einer Fristenregelung abfinden. Dem Leben gebührt Schutz von seinem Anfang an bis zum natürlichen Tod. DieHauptaufgabe der Kirche besteht darin zu helfen: durch die Ermutigung Kinderzu bejahen, durch die Betonung der Verantwortung, die den Männern und den Frauen bezüglich Lebensschutz zukommt. Sexualität darf nicht bloß wie einKonsumartikel betrachtet werden. Wichtig sind Beratungsangebote,Hilfestellungen in Notsituationen wie z.B. Mutter-Kind-Heime, auchseelischer Beistand, wenn Abtreibung vorgekommen ist. Die Kirche vermittelt,ins besondere durch Spendung der Sakramente, Versöhnung mit Gott und mitsich selbst.
Bezüglich Fristenregelung wäre es höchste Zeit, endlich jene flankierendeMaßnahmen zu erreichen, die Bruno Kreisky schon vor 30 Jahren versprochenhat. Außerdem wäre es dringend, zumindest einige Verbesserungendurchzusetzen, die mehrheitsfähig sind: z.B. bei Verlangen, eine Abtreibungdurchführen zu wollen, die Einführung einer 3-Tages-Frist zur Vermeidung vonüberstürzten Handlungen, die Förderung von Beratung inSchwangerschaftskonfliktsituationen, insbesondere auch im Zusammenhang mitpränataler Diagnostik, die Beauftragung einer Motivationsforschung bezüglichAbtreibung und Förderung der Hilfestellung für Frauen, die unter demPostabortion-Syndrom leiden.
Es scheint, dass wir derzeit keine Mehrheit finden, um eine grundlegendeVeränderung der Gesetzeslage durchzusetzen, eine solche Änderung ist jedocherstrebenswert. Das bedeutet nicht unbedingt Rückkehr zur früherenGesetzgebung mit Bestrafung der Frauen, die eine Abtreibung durchführenlassen. Bei einer echten Novellierung der Gesetzeslage wird es eher darumgehen, z.B. jede Druckausübung seitens des Kindesvaters oder andererPersonen (Verwandte, Arbeitgeber) sowie die Unterlassung derBeratungspflicht seitens des Arztes zu sanktionieren.

KATH.NET: In den USA gibt es seitens der Bischöfe ein eigenesLebensschutzbüro, das sehr effektiv arbeitet und sehr viel Lobbyingarbeitfür das Anliegen der ungeborenen Kinder betreibt. Könnte man dies auch in Österreich einrichten?

KÜNG: Die Bemühungen der Bischöfe in den USA scheinen mir beispielhaft unddie Einrichtung eines eigenen Lebensschutzbüros durchaus überlegenswert.


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