'Kernaussage ist unbedingte Treue eines Priesters zu seiner Berufung'

20. November 2004 in Chronik


Prälat Dr. Helmut Moll (Erzbistum Köln) zum Film "Der neunte Tag": "Ich kann den Film jeden und ohne Einschränkung empfehlen"


Köln (kath.net/PEK)
Prälat Dr. Helmut Moll, im Erzbistum KölnBeauftragter für Selig- und Heiligsprechungsverfahren sowie Beauftragter derDeutschen Bischofskonferenz für das Martyrologium des 20. Jahrhunderts,äußert sich im nachfolgenden Interview zum Kinofilm "Der neunte Tag" desRegisseurs Volker Schlöndorff.

PEK: Prälat Moll, was sind für Sie die Kernaussagen dieses Films?

Moll: Die Kernaussage des Filmes ist die unbedingte Treue eines Priesterszu seiner Berufung. Er zeigt das große Gewissensdrama, unter dem Kremersteht und wo er am Ende sagen muss:, ich kann dieses Gewissensproblem nurlösen, indem ich auf meine Berufung schaue und sage: Wenn ich für diesenDienst in der Kirche berufen bin, dann muss ich diesen Dienst auch befolgen.

Frage: Woraus resultiert dieser Gewissenskonflikt?

Moll: Kremer wäre in der Lage gewesen, seinen Bischof zu überreden,seinen ablehnenden Kurs gegenüber den Nazis zu ändern. Aber er hat diesnicht getan. Dabei wurde er auch von seiner Familie heftig bedrängt, einenanderen Weg einzuschlagen als sein Gewissen ihm wies. Aber: Egal wie er sichentscheidet, er wusste nicht, was seine Entscheidung für Konsequenzen hat,ob das, was man ihm verspricht an goldenen Bergen auch eingelöst würde.

PEK: Im Film wird die Kreuzigung eines Priester in Dachau gezeigt. Spielensie darauf an?

Moll: Dieses Bild hat Kremer vor seinem geistigen Auge immer vor sich. Denner weiß - gehorcht er nicht, läuft er selbst Gefahr, dort zu enden. Aber ergeht seinen Weg, klar, kompromisslos und konsequent den Weg des Gewissens,der ihm durch seine priesterliche Berufung vorgegeben ist. Nach außen stehtKremer schwach und gebückt da, der immer nur von anderen Befehle bekommt undder unter dem Joch eines Unrechtssystems leidet, der aber sich nicht darüberbeklagt, sondern als Christ weiß, er ist nicht höher oder stärker als derHerr. Denn wenn der Herr verfolgt wird, dann wird auch der Knecht verfolgt.

PEK: Ist Kremer so stark, weil er sich in der Nachfolge Christi sieht, derauch der Versuchung widerstand?

Moll: Gebhardt tritt in der Rolle eines Judas auf. Dies ist nichtverwunderlich, denn er hat nicht nur Theologie studiert, sondern eben kurzvor der Priesterweihe ist er umgefallen und zu einem Ideologen desNationalsozialismus geworden. Judas ist eine von der Heilsgeschichtevorgesehene und eingeplante Figur, aber sie ist eine einmalige Figur.Theologisch ist es sehr fraglich, ob es notwendig ist, dass es immer einenneuen Judas geben muss für den Fortbestand der Kirche...

PEK ... was ja die Argumentation von Gebhardt ist.

Moll: Richtig. Das sagt Gebhardt zu Kremer. Der Vergleich zu der VersuchungJesu in der Wüste durch den Teufel ist offenkundig. Für die Inszenierungspielt der Judasgedanke eine große Rolle. Gebhardt meint, er sei halt derJudas und da, um zu verführen. Dies ist dann auch das Dämonische in derFigur des Gebhard und weist auf das Dämonische an diesemnationalsozialistischen System hin. Die Nazis wollten wie eine Religionsein, oder wie Joseph Goebbels sagte "Wir sind selber Kirche". Sie wolltenmöglichst viele Identifikationspunkte mit der Kirche haben.

PEK: Ist es denn nicht so, dass diesem Dämonischen auch einige Vertreter derKirche unterlegen waren?

Moll: Dies kann man so nicht sagen. Gerade in Bezug auf die Person desPapstes Pius XI. und des XII. ist da mit mehr Vorsicht zu urteilen als dieshäufig in der Öffentlichkeit geschieht. Die Enzyklika "Mit brennender Sorge"vom 14. März 1937 stellt über jeden Zweifel erhaben fest, dass christlicherGlaube und Nationalsozialismus unvereinbar sind. In diesem Schriftstück wirddoch völlig klar, dass Christentum und Nationalsozialismus im Kernunvereinbar sind. Aber es gibt natürlich immer Grauzonen, dass ist dieRealität des Lebens. Die gab es damals, die gibt es heute.

PEK: Sehen sie Kremer auch in einer dieser Grauzonen?

Moll: Nein, Kremer sagt gegenüber seinem Bischof, für ihn gäbe es keineKoexistenz. So wie auch der Bischof es tat und auch der Papst.

PEK: Im Film beklagt er aber, dass der Papst nicht eindeutig genug Stellungnehme ...

Moll: Da muss ich sagen: Vorsicht! Es war 1933 bei Abschluss des Konkordatsnicht so, dass Feuer und Wasser sich plötzlich trafen. Dass im ersten Jahrder Regierung Hitlers bereits ein Konkordat geschlossen werden konnte, zeigtdoch, dass es zumindest die Möglichkeit gab, sich an einen gemeinsamen Tischzu setzen.

PEK: Aber in der Zeit, in der der Film spielt, ist die Situation doch einevöllig andere.

Moll: Das ist richtig. Ich will nur sagen, dass das Konkordat keineUmarmungslösung war, d.h. der Papst schloss die Nazis nicht voller Freude inseine Arme, sondern er wusste, dies zeigen die neuesten Untersuchungen, diezur Zeit im Vatikan durchgeführt werden, dass der Vatikan die Ideologie desNationalsozialismus immer mehr zu durchschauen begann. Dennoch war manbereit, ein Konkordat zu schließen, um Schlimmeres zu verhüten. Das ist derwichtige Punkt.

PEK: Hat die katholische Kirche also keinen Pakt mit dem Teufel geschlossen?

Moll: Nein, dass hat sie sicherlich nicht. Sie wollte nur Schlimmeresverhindern.

PEK: Eine Frage zum Abschluss: Können Sie den Film empfehlen?

Moll: Ich kann den Film jeden und ohne Einschränkung empfehlen, weil er aufder Grundlage von authentischen Quellen ein realistisches Bild der damaligenZeit zeichnet und auch Kraft der guten Leistung der Hauptdarsteller uns indiese Zeit führt und klar macht, dass Christentum und Nationalsozialismus ineinem wirklich geistesgeschichtlichen Ringen waren, aber der Priester starkgenug war, dieser Versuchung nicht zu erliegen.

PEK: Prälat Moll, vielen Dank für das Gespräch.

Die Fragen stellte Dominik Paul.


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